Die Landesbank der Rheinprovinz in der großen Bankenkrise der 1920er Jahre

Albert Fischer (Wuppertal)

Außenansicht der Landesbank in Düsseldorf an der Ecke Friedrichstraße und Fürstenwall, Fotograf: Martin Knauer, ca. 1936. (Stadtarchiv Düsseldorf, 063_110_002)

1. Einleitung

Die Ban­ken­kri­se des Jah­res 1931 gilt bis heu­te als die grö­ß­te Ban­ken­kri­se der deut­schen Ge­schich­te. Ih­re Aus­wir­kun­gen wa­ren dra­ma­tisch, oh­ne­hin für den Fi­nanz­sek­tor, mehr noch für die Ge­samt­wirt­schaft. Dass die Welt­wirt­schafts­kri­se in Deutsch­land 1932 das be­kann­te „ka­ta­stro­pha­le Aus­ma­ß“[1] (Born) an­ge­nom­men hat – mit ei­ner no­mi­na­len Schrump­fung des Brut­to­in­lands­pro­dukts von über 20 Pro­zent, ei­nem rea­len Rück­gang der In­dus­trie­pro­duk­ti­on von über 40 Pro­zent (je­weils 1932 ge­gen­über 1929) und ei­nem An­stieg der Ar­beits­lo­sen­zahl auf fast 6 Mil­lio­nen im Durch­schnitt des Jah­res 1932[2] –, war ma­ß­geb­lich ihr ge­schul­det. Su­chen wir nach Ur­sprün­gen und Aus­gangs­punk­ten der Kri­se, so müs­sen wir den Blick auch ins Rhein­land rich­ten. Das ers­te gro­ße deut­sche Kre­dit­in­sti­tut, das im Kri­sen­som­mer 1931, ge­nau­er: am 1.7.1931, sei­ne Zah­lun­gen hat ein­stel­len müs­sen, war näm­lich nicht die häu­fig er­wähn­te Darm­städ­ter- und Na­tio­nal­bank, da­mals ei­ne der vier grö­ß­ten deut­schen Ak­ti­en­ban­ken, son­dern die grö­ß­te deut­sche Lan­des­bank: die Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz. De­ren Rol­le in der sei­ner­zei­ti­gen Ban­ken­kri­se gel­ten die nach­ste­hen­den Aus­füh­run­gen. Hier­zu wer­den zu­nächst die Ent­wick­lung der Bank in den Zwan­zi­ger­jah­ren so­wie Ver­lauf und Um­stän­de ih­res Zu­sam­men­bruchs im Jahr 1931 the­ma­ti­siert, so­dann – im Kon­text des ge­sam­ten deut­schen Bank­we­sens – ih­re Stüt­zung und Sa­nie­rung, schlie­ß­lich die Be­deu­tung ih­res Zu­sam­men­bruchs für die Ban­ken­kri­se als sol­che.

 

2. Die Entwicklung der Bank in den 1920er Jahren

Die in Düs­sel­dorf an­säs­si­ge Rhei­ni­sche Lan­des­bank er­leb­te in den so ge­nann­ten „gol­de­nen“ 20er Jah­ren au­gen­schein­lich ei­ne Er­folgs­ge­schich­te. Nach­dem die Hy­per­in­fla­ti­on des Jah­res 1923 mit der Ein­füh­rung der Reichs­mark im Jahr 1924 end­gül­tig über­wun­den war, boom­ten ih­re Ge­schäf­te, will sa­gen: die Ge­schäfts­vo­lu­mi­na wuch­sen ra­sant. Und: Sie wuch­sen schnel­ler als die der an­de­ren deut­schen Kre­dit­in­sti­tu­te und auch schnel­ler als die der üb­ri­gen Lan­des­ban­ken und Gi­ro­zen­tra­len. Die ne­ben­ste­hen­de Gra­fik führt das über­durch­schnitt­li­che Wachs­tum der Rhei­ni­schen Lan­des­bank vor Au­gen. Ihr Bi­lanz­vo­lu­men ver­zehn­fach­te sich na­he­zu, von 100,6 Mio. RM An­fang 1925 auf fast ei­ne Mil­li­ar­de RM (948,3 Mio. RM) En­de 1930. Wäh­rend die deut­schen Groß­ban­ken ih­re Bi­lan­zen von En­de 1924 bis En­de 1930 um durch­schnitt­lich 233 Pro­zent ver­län­ger­ten und spe­zi­ell die an­de­ren öf­fent­li­chen Ban­ken (oh­ne die Spar­kas­sen) die ih­ri­gen um 403 Pro­zent, so ex­pan­dier­te die Rhei­ni­sche Lan­des­bank um ex­akt 842,8 Pro­zent. En­de Mai 1931 er­reich­te die Düs­sel­dor­fer Bi­lanz­sum­me mit 1.069.824.341 RM ih­ren Ze­nit (1.063,64 Pro­zent des Stan­des vom 31. De­zem­ber 1924).[3]

Bilanzsummen der Landesbank der Rheinprovinz und deutscher Bankengruppen 1925 – 1931 (Index, Jahresanfang 1925 = 100). (aus: Fischer, Landesbank (Fn. 3), S. 124)

 

Ba­sis die­ses au­ßer­ge­wöhn­li­chen Wachs­tums war ei­ne ein­zi­ge Ge­schäfts­spar­te: das Kom­mu­nal­kre­dit­ge­schäft. En­de 1925 hat­te das In­sti­tut fast die Hälf­te, ein Jahr spä­ter rund zwei Drit­tel des ge­sam­ten Lan­des­bank­ver­mö­gens an rhei­ni­sche Ge­mein­den (und Ge­mein­de­ver­bän­de) aus­ge­reicht. Der An­teil der Kom­mu­nal­kre­di­te am ge­sam­ten Kre­dit­ge­schäft des Hau­ses be­lief sich 1924 mit ins­ge­samt 41,9 Mio. RM auf 75 Pro­zent; 1926 durch­brach er beim Stan­de von 241,9 Mio. RM erst­mals die Schall­mau­er von 85 Pro­zent. In der Fol­ge­zeit blieb die­se Quo­te bei ei­nem wei­ter stei­gen­den Ge­sam­t­en­ga­ge­ment an­nä­hernd kon­stant (En­de 1930: 617,5 Mio. RM von ins­ge­samt 733,1 Mio. RM). Die­se Ge­schäfts­po­li­tik – die Kon­zen­tra­ti­on auf kom­mu­na­le Schuld­ner – un­ter­schied sich si­gni­fi­kant von der Po­li­tik an­de­rer Lan­des­ban­ken. Na­ment­lich in der Kurz­kre­dit­sphä­re lag der An­teil der Kom­mu­nal­kre­di­te in der Rhei­ni­schen Lan­des­bank mit 85 Pro­zent fast dop­pelt so hoch wie in ih­ren Schwes­ter­in­sti­tu­ten mit 45 Pro­zent (am 30.9.1928).[4] In der Fol­ge ver­ka­men al­le üb­ri­gen Ge­schäfts­be­rei­che zu Mar­gi­na­li­en. Selbst der Hy­po­the­kar­kre­dit, einst (und sta­tu­ta­risch auch jetzt noch) das dem Kom­mu­nal­kre­dit an Um­fang und Be­deu­tung eben­bür­ti­ge zwei­te Stand­bein der Lan­des­bank, düm­pel­te da­hin. In der nach­ste­hen­den Gra­fik wird dies er­sicht­lich.

Die Düs­sel­dor­fer Ge­schäfts­po­li­tik war ris­kant, nicht nur un­ter dem ge­ne­rel­len Ge­sichts­punkt der Ri­si­ko­streu­ung – ei­ne der­ar­ti­ge Kon­zen­tra­ti­on auf ei­ne ein­zi­ge Kun­den­grup­pe war be­reits per se frag­wür­dig (wo­bei sich nicht nur das Kre­dit­ge­schäft als Gan­zes weit­ge­hend auf Ge­mein­den be­schränk­te, die Kre­di­te ver­teil­ten sich oben­drein auf ei­ne ver­gleichs­wei­se ge­rin­ge An­zahl von Schuld­ne­rin­nen: Mit­te 1931 bil­de­ten die Ob­li­gos fünf rhei­ni­scher Städ­te und der Pro­vinz ge­mein­sam rund die Hälf­te des ge­sam­ten Kom­mu­nal­kre­dit­ge­schäfts der Lan­des­bank[5]) –, son­dern un­ter ei­nem ganz spe­zi­fi­schen Bo­ni­täts­as­pekt: we­gen der Kon­zen­tra­ti­on just auf das Ge­mein­de­kre­dit­ge­schäft. Um die Fi­nanz­la­ge der Kom­mu­nen stand es sei­ner­zeit al­les an­de­re als gut. Die Haus­hal­te vie­ler Städ­te wa­ren seit Jah­ren de­fi­zi­tär. Zu­gleich ver­schul­de­ten sie sich in ei­nem Aus­maß und ei­nem Tem­po, das weit­hin als be­un­ru­hi­gend emp­fun­den wur­de.[6] In Bank­krei­sen wur­de dem­entspre­chend schon 1928 vor ei­nem fi­nan­zi­el­len Zu­sam­men­bruch deut­scher Kom­mu­nen ge­warnt.[7] Ei­ne wei­te­re Ver­schlech­te­rung der städ­ti­schen Fi­nanz­la­ge wür­de, das stand schon lan­ge vor dem Aus­bruch der Welt­wirt­schafts­kri­se fest, die meis­ten Zins- und Til­gungs­ein­gän­ge der Lan­des­bank ge­fähr­den und das Gros ih­rer En­ga­ge­ments not­lei­dend wer­den las­sen. Kurz: Das Kom­mu­nal­kre­dit­ge­schäft galt sei­ner­zeit als in ho­hem Ma­ße ri­si­ko­träch­tig, und den zeit­ge­nös­si­schen Bank­ma­na­gern war dies durch­aus be­kannt.[8]

Ein zwei­tes und er­heb­li­ches Ri­si­ko be­stand in der in ex­trem ho­hen Ma­ße fris­ten­in­kon­gru­en­ten Fi­nan­zie­rung des Kre­dit­ge­schäfts. Vor dem Ers­ten Welt­krieg hat­te die Lan­des­bank ihr Kre­dit­ge­schäft na­he­zu kom­plett lang­fris­tig re­fi­nan­ziert, durch die Aus­ga­be von Hy­po­the­ken­pfand­brie­fen und Kom­mu­nal­ob­li­ga­tio­nen.[9] Ge­nau das war jetzt, in den „gol­de­nen“ 20er Jah­ren, nicht mehr der Fall. Die Lan­des­bank ver­schaff­te sich die Gel­der, die sie den Kom­mu­nen de fac­to fast aus­nahms­los lang­fris­tig ver­lieh, in im­mer hö­he­rem Ma­ße am Geld­markt, das hei­ßt auf kur­ze Frist. So han­del­te es sich be­reits bei den von ihr ver­ge­be­nen (de ju­re lang­fris­ti­gen) Kom­mu­nal­dar­le­hen nur zum ge­rin­ge­ren Teil um Ge­gen­wer­te um­lau­fen­der (lang­fris­ti­ger) Schuld­ver­schrei­bun­gen. Wur­den dar­über hin­aus die de ju­re auf kur­ze oder mitt­le­re Frist an Kom­mu­nen aus­ge­reich­ten Kre­di­te be­rück­sich­tigt (und de­ren Be­rück­sich­ti­gung war zwin­gend er­for­der­lich, da sie von den Kom­mu­nen nicht min­der zur Fi­nan­zie­rung in­ves­ti­ver Aus­ga­ben auf­ge­nom­men wur­den, die Kre­di­te so­mit rea­li­ter eben­falls lang­fris­ti­ger Na­tur wa­ren[10]) –, so er­gab sich ei­ne noch grö­ße­re Dis­kre­panz: Die Re­la­ti­on zwi­schen den von der Bank emit­tier­ten An­lei­hen (den aus ih­rer Sicht lang­fris­tig ver­füg­ba­ren Ka­pi­ta­li­en) und der Ge­samt­heit al­ler ver­ge­be­nen Kom­mu­nal­kre­di­te be­weg­te sich seit 1928 um den ge­rin­gen Wert von 20 Pro­zent.[11] Wohl­ge­merkt, auch an­der­wei­tig konn­te sich das In­sti­tut nicht in der er­for­der­li­chen Fris­tig­keit re­fi­nan­zie­ren. We­der der ge­rin­ge Ei­gen­ka­pi­tal­be­stand noch der­je­ni­ge Teil der lang­fris­tig ver­füg­ba­ren Mit­tel, die nicht in sons­ti­gen Ak­ti­va, zum Bei­spiel in Im­mo­bi­li­en oder in Hy­po­the­kar­dar­le­hen, ge­bun­den wa­ren, er­reich­ten je­mals an­nä­hernd die Hö­he der aus­ge­reich­ten und, wie ge­sagt, rea­li­ter fast gänz­lich „ein­ge­fro­re­nen“, das hei­ßt auf lan­ge Sicht von den Schuld­nern nicht tilg­ba­ren Kom­mu­nal­kre­di­te. Statt­des­sen speis­te die Lan­des­bank ih­re En­ga­ge­ments weit­ge­hend aus ihr nur auf kur­ze Frist über­las­se­nen Gel­dern, die sie sich bei an­de­ren Kre­dit­in­sti­tu­ten ge­lie­hen oder die die­se bei ihr ein­ge­legt hat­ten, no­ta­be­ne: auch aus je­nen Mit­teln, die ihr sei­tens der da­zu (vom Ge­setz­ge­ber) ver­pflich­te­ten Spar­kas­sen ex­pli­zit als flüs­si­ge und je­der­zeit greif­ba­re Re­ser­ven an­ver­traut wur­den (En­de 1930 rund 150 Mio. RM).[12] 

In der Fol­ge lag der An­teil des in­ner­halb von drei Mo­na­ten fäl­lig wer­den­den Ka­pi­tals bei der Rhei­ni­schen Lan­des­bank zeit­wei­se deut­lich über 50 Pro­zent, wäh­rend es sich um­ge­kehrt bei den meis­ten (rund drei Vier­tel) der Ak­ti­ven, al­so nicht nur bei de­nen des Kom­mu­nal­kre­dit­ge­schäfts, um sol­che han­del­te, die kei­nes­wegs bin­nen ei­nes Vier­tel­jah­res ver­flüs­sigt wer­den konn­ten. Um die Li­qui­di­tät der Lan­des­bank war es ent­spre­chend schlecht be­stellt, schlech­ter als bei al­len an­de­ren Lan­des­ban­ken und schlech­ter als bei den deut­schen Kre­dit­in­sti­tu­ten in ih­rer Ge­samt­heit.[13] Zu­letzt un­ter­hiel­ten die­se im Schnitt ei­ne zehn­mal so ho­he Bar­re­ser­ve wie die Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz. Tat­säch­lich wirt­schaf­te­te die Letz­te­re spä­tes­tens seit 1930 am Rand der Zah­lungs­un­fä­hig­keit. Es stand au­ßer Fra­ge: Wür­den Spar­kas­sen, an­de­re Lan­des­ban­ken oder auch Groß­ban­ken ih­re der Lan­des­bank über­las­se­nen Gel­der zu­rück­for­dern, droh­te die­ser der Kol­laps. Auf ei­nen Nen­ner ge­bracht: Das ra­sche Wachs­tum der Lan­des­bank ruh­te auf tö­ner­nem Fun­da­ment. Der Kurs, den die Ge­schäfts­lei­tung nach 1924 ein­ge­schla­gen hat­te, war äu­ßerst ris­kant. 

Kreditgeschäft der Rheinischen Landesbank [1000 RM]. (aus: Fischer, Landesbank (Fn. 3), S. 126)

 

Die Ver­ant­wor­tung für die­sen Kurs lag eben­dort, bei der Ge­schäfts­lei­tung, den bei­den Ge­ne­ral­di­rek­to­ren Hu­bert Bel und Au­gust Ber­ne­gau, bei nie­man­dem sonst. Der lan­ge Zeit als „Schul­di­ger“ an der ris­kan­ten Ge­schäfts­po­li­tik und dem nach­fol­gen­den Zu­sam­men­bruch ge­zie­he­ne[14] Kon­rad Ade­nau­er, sei­ner­zeit Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Köln und Vor­sit­zen­der des Ver­wal­tungs­rats der Lan­des­bank, war da­für – dies ist hin­rei­chend be­legt wor­den – eben­so we­nig ver­ant­wort­lich wie an­de­re Kom­mu­nal­po­li­ti­ker in den Auf­sichts­or­ga­nen re­spek­ti­ve im Um­feld des In­sti­tuts.[15] Tat­säch­lich ver­hielt es sich – auch das ist mitt­ler­wei­le be­legt – ge­nau um­ge­kehrt. Nicht die ge­nann­ten Po­li­ti­ker be­ein­fluss­ten den Kurs der Lan­des­bank, son­dern die Bank­lei­tung das Fi­nanz­ge­ba­ren und spe­zi­ell die Ver­schul­dungs­po­li­tik der rhei­ni­schen Kom­mu­nen. In ih­rem ag­gres­si­ven Be­stre­ben, das west­deut­sche Kom­mu­nal­kre­dit­ge­schäft zu be­herr­schen, er­mög­lich­ten die bei­den Ge­ne­ral­di­rek­to­ren den Stadt­käm­me­rern – und zwar auch un­ter Um­ge­hung gel­ten­der Rechts­vor­schrif­ten – ei­ne Kre­dit­auf­nah­me in ei­nem Um­fang, der ih­nen am frei­en Ka­pi­tal­markt be­zie­hungs­wei­se oh­ne das En­ga­ge­ment der Lan­des­bank ver­wehrt ge­blie­ben wä­re.[16] In der Fol­ge wa­ren rhei­ni­sche Kom­mu­nen be­reits vor dem Hö­he­punkt der Welt­wirt­schafts­kri­se deut­lich hö­her ver­schul­det als an­de­re Kom­mu­nen im Deut­schen Reich.[17] 

Die be­schrie­be­ne Ge­schäfts­po­li­tik war auch kei­nes­wegs zwangs­läu­fig. Ge­wiss, die Zeit­um­stän­de wa­ren schwie­ri­ge. Wie be­schrie­ben: Die fi­nan­zi­el­le La­ge der Kom­mu­nen und über­haupt der öf­fent­li­chen Hand war klamm. Die Wirt­schaft wuchs zwar seit 1924, be­fand sich je­doch in ei­ner un­gleich schlech­te­ren Ver­fas­sung als vor dem Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs. Nicht an­ders stand es um Geld- und Ka­pi­tal­märk­te, auf na­tio­na­ler wie auf in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne.[18] Nur, all die­se Um­stän­de wa­ren den Zeit­ge­nos­sen be­kannt, eben­so die dar­aus re­sul­tie­ren­den Ri­si­ken für die Ban­ken­welt und die sich hier­aus er­ge­ben­den Er­for­der­nis­se für ban­ki­ales Han­deln.[19] Dass Letz­te­ren Rech­nung ge­tra­gen wer­den konn­te, will sa­gen: dass auch in solch schwie­ri­gen Zei­ten ei­ne so­li­de Bank­po­li­tik mög­lich war, wird an der Ent­wick­lung an­de­rer Lan­des­ban­ken deut­lich, die ei­nen un­gleich vor­sich­ti­ge­ren Kurs ein­schlu­gen. Die Lei­ter der Mit­tel­deut­schen Lan­des­bank bei­spiels­wei­se sorg­ten nicht nur – an­ders als ih­re Düs­sel­dor­fer Pen­dants – durch­gän­gig für über­aus ho­he Li­qui­di­täts­gra­de, sie agier­ten auch in der Ge­mein­de­kre­di­tie­rung äu­ßerst zu­rück­hal­tend und ge­währ­ten Kom­mu­nal­kre­di­te über­haupt nur dann, wenn ih­nen da­für hin­rei­chen­de lang­fris­ti­ge Mit­tel zur Ver­fü­gung stan­den. In der Fol­ge soll­te die Mit­tel­deut­sche Lan­des­bank das Kri­sen­jahr 1931, ob­gleich in ih­rem Ein­zugs­ge­biet die Wirt­schafts­kri­se nicht min­der wü­ten soll­te als in West­deutsch­land, oh­ne Bles­su­ren über­ste­hen.[20] 

3. Verlauf und Umstände des Zusammenbruchs der Bank im Jahr 1931

An­ders die Rhei­ni­sche Lan­des­bank, bei der zu­dem we­ni­ger Er­stau­nen macht, dass sie noch vor der oft er­wähn­ten Da­nat-Bank die Se­gel strei­chen soll­te. Er­stau­nen macht eher, dass ih­re Zah­lungs­ein­stel­lung nicht schon zu ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt er­folg­te. Dass dies nicht der Fall war, lag – und da­mit rich­tet sich der Blick auf das un­mit­tel­ba­re Vor­feld der Ban­ken­kri­se – in der Auf­merk­sam­keit und im En­ga­ge­ment vor al­lem ei­ner Per­son be­grün­det: des seit An­fang 1930 mit der Auf­sicht über die in Preu­ßen an­säs­si­gen öf­fent­lich-recht­li­chen Kre­dit­in­sti­tu­te be­trau­ten Be­am­ten des Preu­ßi­schen In­nen­mi­nis­te­ri­ums, des Mi­nis­te­ri­al­rats Si­mon Ab­ra­mo­witz (1887-1944). Hier ist an­zu­mer­ken, dass der Ban­ken­sek­tor vor der Ban­ken­kri­se – ab­ge­se­hen von we­ni­gen Sek­to­ren wie dem der Hy­po­the­ken­ban­ken oder dem der Spar­kas­sen, die be­reits da­mals stren­gen und prä­zi­sen Vor­ga­ben un­ter­wor­fen wa­ren, – kaum re­gu­liert war. Ei­ne all­ge­mei­ne, in­sti­tu­tio­na­li­sier­te Ban­ken­auf­sicht und ei­ne das ge­sam­te Kre­dit­we­sen um­fas­sen­de Ban­ken­ge­setz­ge­bung gab es nicht.[21] Lan­des­ban­ken un­ter­la­gen zwar im­mer­hin der Auf­sicht der Ein­zel­staa­ten. Tra­di­tio­nell war die­se Auf­sicht je­doch we­ni­ger ma­te­ri­el­ler, eher for­mel­ler Na­tur. In Preu­ßen än­der­te sich das erst mit dem Amts­an­tritt je­nes Si­mon Ab­ra­mo­witz. Die­ser be­gann, die dem Staat ob­lie­gen­de Auf­sichts­funk­ti­on of­fen­si­ver wahr­zu­neh­men, das hei­ßt die Ge­schäf­te der Lan­des­ban­ken ei­ner in­ten­si­ven und eben auch ma­te­ri­el­len Kon­trol­le zu un­ter­zie­hen.[22] 

In Kon­se­quenz sah sich das rhei­ni­sche In­sti­tut An­fang 1930 plötz­lich auf­ge­for­dert, dem Mi­nis­te­ri­um Mo­nats­bi­lan­zen zu über­sen­den. Und: Dort wur­de man sich, ob­wohl die Bank­lei­tung ih­re Si­tua­ti­on durch ge­ziel­te und im­mer um­fäng­li­che­re Bi­lanz­ma­ni­pu­la­tio­nen zu ka­schie­ren ver­such­te[23], bald der Ge­fah­ren be­wusst, in wel­che sich die Lan­des­bank be­ge­ben hat­te. Im Mi­nis­te­ri­um nahm man die Si­tua­ti­on in­des nicht nur zur Kennt­nis, man such­te der Ent­wick­lung ak­tiv Ein­halt zu ge­bie­ten. Ab­ra­mo­witz setz­te sich un­ver­züg­lich mit der Bank­lei­tung in Ver­bin­dung, kri­ti­sier­te ihr ris­kan­tes Ge­schäfts­ge­ba­ren und for­der­te sie ex­pli­zit da­zu auf, ei­nen Fris­ten­aus­gleich zwi­schen Ak­ti­va und Pas­si­va her­bei­zu­füh­ren. Er ent­sand­te ei­nen Re­vi­sor. Er schal­te­te re­gio­na­le In­stan­zen ein. Al­lein, wel­che In­itia­ti­ve er auch er­griff, es ge­lang ihm nicht, die Bank auf so­li­de­re Pfa­de zu­rück­zu­füh­ren. Im Ge­gen­teil. Die Lan­des­bank dehn­te ih­re un­kon­so­li­dier­ten En­ga­ge­ments in den Fol­ge­mo­na­ten so­gar noch aus.[24] 

Der Mi­nis­te­ri­al­rat wies jetzt im­mer nach­drück­li­cher auf die exis­ten­ti­el­le Ge­fahr hin, in der er das In­sti­tut wähn­te. Zu­letzt ent­schied er sich, die Si­tua­ti­on per­sön­lich in Au­gen­schein zu neh­men. Er reis­te selbst nach Düs­sel­dorf und be­trat am Frei­tag, dem 12.6.1931, – un­an­ge­mel­det – das Haupt­ge­bäu­de der Lan­des­bank in der Düs­sel­dor­fer Fried­rich­stra­ße. Den Ver­lauf sei­ner Un­ter­re­dung mit Ge­ne­ral­di­rek­tor Hu­bert Bel pro­to­kol­lier­te er dann wie folgt: „Auf mei­ne Fra­ge, wie der Sta­tus der Bank sei, wur­de mir er­klärt, daß er durch­aus be­frie­di­gend sei, und ei­ne Auf­ma­chung ge­ge­ben[...], nach der bei ei­nem Be­stand an greif­ba­ren Mit­teln in Hö­he von 82 Mil­lio­nen per ul­ti­mo Ju­ni 50 Mil­lio­nen RM, 13 Mil­lio­nen De­vi­sen, zu­sam­men 63 Mil­lio­nen, zu er­fül­len sei­en, wo­bei mit Si­cher­heit mit ei­ner Pro­lon­ga­ti­on von 50 % zu rech­nen sei, so daß per ul­ti­mo Ju­ni sich noch ver­füg­ba­re Mit­tel von 50 Mil­lio­nen RM er­ge­ben. Bei der Be­spre­chung der Sa­che stell­te sich her­aus, daß we­der die Spar­kas­sen noch die sons­ti­gen Gläu­bi­ger bei die­ser Auf­stel­lung be­rück­sich­tigt wor­den sind und das Bild sich ganz an­ders dar­stel­le, als die Di­rek­ti­on ge­glaubt ha­be. Es wur­de da­her im Ein­ver­ständ­nis mit Herrn Bel Herr Ber­ne­gau vom Ur­laub zu­rück­ge­ru­fen und Herr Di­rek­tor [Hans] Welt­zi­en von der Deut­schen Gi­ro­zen­tra­le nach Düs­sel­dorf ge­be­ten, um ge­mein­schaft­lich über die Si­tua­ti­on bei der Bank zu be­ra­ten, ins­be­son­de­re im Hin­blick dar­auf, daß ei­ne Stüt­zung un­be­dingt er­for­der­lich sei“.[25] 

Auf ei­nen Nen­ner ge­bracht: Ein schier un­glaub­li­cher Vor­gang spiel­te sich ab. Ein Be­am­ter such­te den Ge­ne­ral­di­rek­tor der grö­ß­ten deut­schen Lan­des­bank auf, die füh­ren­de Per­sön­lich­keit des öf­fent­li­chen Bank­we­sens, und muss­te er­ken­nen, dass die­ser ent­we­der über die Si­tua­ti­on sei­nes ei­ge­nen Hau­ses in kei­ner Wei­se in­for­miert war oder aber dass er ihn, den Ver­tre­ter des In­nen­mi­nis­te­ri­ums, in vol­lem Wis­sen um die de­sas­trö­se La­ge schlicht­weg hin­ters Licht füh­ren woll­te. Er er­kann­te aber nicht nur das. Er er­kann­te zu­gleich, dass die­se Bank, noch­mals: das Flagg­schiff des öf­fent­li­chen Bank­we­sens, au­gen­schein­lich dem Zu­sam­men­bruch na­he war. Dass sie, hät­te er sich nicht zu sei­nem Kurz­be­such ent­schlos­sen, mög­li­cher­wei­se bin­nen we­ni­ger Ta­ge kol­la­biert wä­re – und die gan­ze deut­sche Fi­nanz­welt mit sich ge­ris­sen hät­te. Der so­fort aus Ber­lin an­ge­reis­te Di­rek­tor der Deut­schen Gi­ro­zen­tra­le sprach in Au­gen­schein der Düs­sel­dor­fer Zah­len völ­lig zu­recht von ei­ner „Ka­ta­stro­phen­bi­lan­z“.[26] 

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, New York 23.6.1952. (Bundesarchiv, B 145 Bild-F078072-0004 / Katherine Young / CC BY-SA 3.0 DE)

 

In den Fol­ge­ta­gen wur­den un­ter Fe­der­füh­rung des Preu­ßi­schen In­nen­mi­nis­te­ri­ums al­le He­bel in Be­we­gung ge­setzt, um ei­nen so­for­ti­gen Kol­laps der Lan­des­bank zu ver­hin­dern. Es flos­sen Hilfs­kre­di­te, sei­tens der Deut­schen Gi­ro­zen­tra­le, der Preu­ßi­schen Staats­bank und – zu­nächst – der Deut­schen Reichs­bank. Letzt­lich war aber al­les ver­ge­bens. Fast die Hälf­te der Lan­des­bank-Ka­pi­ta­li­en war so­fort oder in Kür­ze fäl­lig; flüs­si­ge Mit­tel wa­ren nicht mehr vor­han­den. Als dann die Reichs­bank En­de Ju­ni wei­te­re Hilfs­gel­der ver­wei­ger­te, war die Lan­des­bank am En­de (1.7.1931). Sie stell­te ih­re Zah­lun­gen ein. Ab die­sem Zeit­punkt herrsch­te ein „stil­les Mo­ra­to­ri­um“.[27] 

Der Köl­ner Pri­vat­ban­kier Louis Ha­gen fürch­te­te jetzt „ei­nen Zu­sam­men­bruch des ge­sam­ten Rhein­lan­des und dar­über hin­aus Deutsch­lands in ei­nem Aus­mas­se […], wel­cher in sei­nen Fol­gen völ­lig un­ab­seh­bar sei. Es wür­den zu­nächst die an­de­ren Lan­des­ban­ken, dann die Spar­kas­sen und dann auch die gros­sen D-Ban­ken fol­gen und letz­ten En­des wahr­schein­lich auch das Deut­sche Reich. [...] [Letzt­lich] be­deu­te­te es den Ein­bruch des Bol­sche­wis­mus“.[28] Er for­der­te ein Ein­grei­fen des Staa­tes be­zie­hungs­wei­se des Rei­ches und wirk­lich rück­te die Lan­des­bank nun in den Mit­tel­punkt des po­li­ti­schen Ge­sche­hens. Am 6. Ju­li rief Reichs­kanz­ler Hein­rich Brü­ning (Reichs­kanz­ler 30.3.1930-30.5.1932) sei­ne Mi­nis­ter zu ei­ner Ka­bi­nett­sit­zung. Ein­zi­ger Ta­ges­ord­nungs­punkt: Rhei­ni­sche Lan­des­bank. Be­ra­ten wur­de, ob und wie die öf­fent­li­che Hand die­ser un­ter die Ar­me grei­fen soll­te. An der Sit­zung be­tei­ligt wa­ren ne­ben Mi­nis­tern und Staats­se­kre­tä­ren des Rei­ches auch sol­che des Staa­tes Preu­ßen, die Spit­zen der Reichs­bank, der Preu­ßi­schen Staats­bank und des öf­fent­li­chen Bank­we­sens.[29] Die Be­ra­tun­gen dau­er­ten an den Fol­ge­ta­gen an. Als dann aber am Mon­tag, dem 13.7.1931, die Darm­städ­ter und Na­tio­nal­bank im gan­zen Reich ih­re Schal­ter nicht mehr öff­ne­te und die Mas­sen die Kas­sen al­ler Ban­ken und Spar­kas­sen stürm­ten, be­durf­te nicht mehr nur das Düs­sel­dor­fer In­sti­tut ei­nes staat­li­chen Ein­grei­fens, son­dern das deut­sche Kre­dit­we­sen in sei­ner Ge­samt­heit. Die Reichs­re­gie­rung er­klär­te die bei­den fol­gen­den Ta­ge, den 14. und den 15. Ju­li, zu Bank­fei­er­ta­gen. Al­le Kre­dit­in­sti­tu­te mit Aus­nah­me der Reichs­bank­fi­lia­len blie­ben ge­schlos­sen.[30] Die gro­ße Ban­ken­kri­se war da.

4. Stützung und Sanierung der Bank

Die Mi­se­re der Rhei­ni­schen Lan­des­bank war fort­an über­la­gert von der Mi­se­re der Da­nat-Bank und, wie ge­sagt, des deut­schen Bank­we­sens als sol­chem. Für die­ses war mit den Bank­fei­er­ta­gen ei­ne Atem­pau­se ge­won­nen, nicht mehr. Zur Stüt­zung be­durf­te es wei­te­rer, tief­grei­fen­der Maß­nah­men. Ei­ne ers­te Maß­nah­me galt der – vor al­lem die Groß­ban­ken be­tref­fen­den – Ka­pi­tal­flucht. Ihr schob die Reichs­re­gie­rung ei­nen Rie­gel vor. Zum ei­nen wur­de mit­tels drei­er Not­ver­ord­nun­gen die De­vi­senzwangs­wirt­schaft in­stal­liert (15.7.1931) .[31] Zum an­de­ren kam es zum Ba­se­ler Still­hal­te­ab­kom­men (19.8.1931), in dem die pri­va­ten Aus­lands­gläu­bi­ger ei­ne Still­hal­tung ih­rer ab dem 1. Au­gust fäl­li­gen oder fäl­lig wer­den­den kurz­fris­ti­gen For­de­run­gen zu­ge­stan­den.[32] Im Früh­jahr 1932 folg­te ei­ne ähn­li­che Ver­ein­ba­rung für die in Ba­sel un­be­rück­sich­tigt ge­blie­be­nen öf­fent­li­chen Schuld­ner.[33] Die meis­ten kurz­fris­ti­gen Aus­land­s­ein­la­gen der Ban­ken wur­den al­so fak­tisch in mit­tel- und lang­fris­ti­ge trans­for­miert. Die Rhei­ni­sche Lan­des­bank war da­von durch­aus be­trof­fen – sie hat­te in den Vor­jah­ren un­ter Miss­ach­tung gel­ten­der Rechts­nor­men auch bei aus­län­di­schen Geld­ge­bern Kre­di­te auf­ge­nom­men –, ob­schon in ver­gleichs­wei­se ge­rin­gem Um­fang.[34]

Den zwei­ten we­sent­li­chen, eben­falls das ge­sam­te Bank­we­sen be­tref­fen­den Schritt ver­kör­per­te die Wie­derin­gang­set­zung des Zah­lungs­ver­kehrs. Das Di­lem­ma be­stand un­ver­än­dert dar­in, dass ein er­heb­li­cher, de ju­re li­qui­der Mit­tel­be­stand von Ban­ken – un­ter ih­nen an vor­de­rer Stel­le die Rhei­ni­sche Lan­des­bank ein­ge­fro­ren war. Am 25.7.1931 wur­de des­halb un­ter der Ägi­de der Reichs­bank die Ak­zept- und Ga­ran­tie­bank AG (spä­ter Ak­zept­bank AG) ge­grün­det. Mit ih­rer Hil­fe konn­ten Ban­ken und Spar­kas­sen ein­ge­fro­re­ne Buch­for­de­run­gen zur Krea­ti­on von Wech­seln nut­zen.[35] Die­se konn­ten bei der Reichs­bank zum Re­dis­kont ein­ge­reicht, die Ban­ken und Spar­kas­sen sich da­mit Zen­tral­bank­geld be­schaf­fen.[36] In der Fol­ge konn­te der Zah­lungs­ver­kehr nach und nach wie­der frei­ge­ge­ben wer­den. Da die Kre­dit­in­sti­tu­te wie­der aus­zah­lungs­fä­hig wur­den und blie­ben, be­ru­hig­ten sich die Ein­le­ger; die Ab­he­bun­gen ebb­ten ab und hör­ten schlie­ß­lich ganz auf. Zu den grö­ß­ten Ein­zel­kun­den der Ak­zept­bank zähl­ten ne­ben der Darm­städ­ter und Na­tio­nal­bank die Dresd­ner Bank und: die Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz.[37] 

Blieb der drit­te Schritt, das Ver­lust­pro­blem zu lö­sen. Es galt, die ma­ro­den Ban­ken ab­zu­wi­ckeln be­zie­hungs­wei­se zu re­kon­stru­ie­ren. Im Mit­tel­punkt stan­den wie­der­um Da­nat-Bank und Dresd­ner Bank, die in den Vor­jah­ren ei­ne nicht min­der frag­wür­di­ge Ge­schäfts­po­li­tik be­trie­ben hat­ten als die Rhei­ni­sche Lan­des­bank – ge­kenn­zeich­net durch ei­ne in ho­hem Ma­ße fris­ten­in­kon­gru­en­te Fi­nan­zie­rung (oben­drein in er­heb­li­chem Um­fang ge­stützt auf kurz­fris­ti­ge Aus­lands­kre­di­te) und ei­ne Kon­zen­tra­ti­on auf we­ni­ge, in der Wirt­schafts­kri­se in exis­ten­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten ge­ra­te­ne be­zie­hungs­wei­se kol­la­bier­te Gro­ß­un­ter­neh­men. Die bei­den, bald fu­sio­nier­ten Groß­ban­ken ver­schlan­gen denn auch den Lö­wen­an­teil der hier­für vom Reich be­reit­ge­stell­ten Mil­lio­nen.

Heinrich Brüning (1885-1970). (Bundesarchiv, Bild 183-1989-0630-504 / CC-BY-SA 3.0)

 

Ins­ge­samt soll­ten Reichs­re­gie­rung und Reichs­bank für das pri­va­te Bank­we­sen bis zum Früh­jahr 1932 910,3 Mio. RM auf­brin­gen, wo­von 535,9 Mio. RM end­gül­tig ver­lo­ren wa­ren (Ta­bel­le 1). Da­mit zeig­ten sie sich aus­ge­spro­chen ge­ne­rös. Nicht nur die Hö­he der über­las­se­nen Gel­der, auch die Selbst­ver­ständ­lich­keit und Schnel­lig­keit, in der die selbst am Ran­de der Zah­lungs­fä­hig­keit ba­lan­cie­ren­de Re­gie­rung und na­ment­lich die Reichs­bank für die Stüt­zung der pri­va­ten Ban­ken ih­re Kas­sen öff­ne­ten, wa­ren au­gen­fäl­lig. Ganz an­ders – und da­mit keh­ren wir zur Rhei­ni­schen Lan­des­bank zu­rück – ver­hielt es sich im Fal­le der öf­fent­li­chen Bank­häu­ser. Zu­schüs­se er­hiel­ten die­se sei­tens des Rei­ches über­haupt kei­ne. Und selbst da­zu, den Spar­kas­sen mit Li­qui­di­täts­kre­di­ten die Wie­der­auf­nah­me des vol­len Zah­lungs­ver­kehrs zu er­mög­li­chen, er­klär­te sich die Reichs­bank­lei­tung im Som­mer 1931 nur wi­der­wil­lig und erst nach mas­si­vem Zu­re­den der Re­gie­rung be­reit.[38] 

Da­bei stand es um die öf­fent­li­chen Ban­ken im All­ge­mei­nen deut­lich bes­ser. Sie wa­ren zwar, wie er­wähnt, im Ge­fol­ge des all­ge­mei­nen Runs eben­falls in Li­qui­di­täts­eng­päs­se ge­ra­ten. Sie ver­mel­de­ten je­doch, ver­gli­chen mit den Pri­va­ten, die nach Reichs­bank-An­ga­ben über ei­ne Mil­li­ar­de RM gänz­lich ver­lo­ren und da­mit ab­zu­schrei­ben hat­ten, nur ge­rin­ge Ver­lus­te. Die Pro­ble­me fast al­ler öf­fent­lich-recht­li­chen In­sti­tu­te wa­ren da­her be­reits mit ih­rer An­bin­dung an die Ak­zept- und Ga­ran­tie­bank be­ho­ben. Spe­zi­ell zu den Spar­kas­sen ist über­dies an­zu­mer­ken, dass sie im Ge­gen­satz zu den ge­strau­chel­ten Pri­vat­ban­ken in der Tat weit­ge­hend oh­ne ei­ge­nes Ver­schul­den in Ka­la­mi­tä­ten ge­ra­ten wa­ren.[39] Dass ih­re Ge­schäf­te – an­ders als die der Pri­vat­ban­ken – schon lan­ge vor der Ban­ken­kri­se durch Ge­set­zes­vor­ga­ben der Län­der und durch so ge­nann­te Mus­ter­sat­zun­gen re­gu­liert wor­den wa­ren, schien sich al­so in der Kri­se aus­zu­zah­len.[40] Tat­säch­lich kon­zen­trier­ten sich die Miss­stän­de im öf­fent­li­chen Bank­we­sen vor al­lem auf ein In­sti­tut: die Rhei­ni­sche Lan­des­bank.

Mittel des Reiches und der Deutschen Golddiskontbank zur Stützung des Bankwesens (Stand 01.04.1932, Mio. RM), Zum Vergleich: Gesamteinnahmen des Reiches an Einkommen- und Körperschaftsteuer (1932): 456,3 Mio. RM. (aus: Fischer, Bankenkrise (Fn. 21), S. 262. Die Deutsche Golddiskontbank war eine Tochter der Deutschen Reichsbank.)

 

Die­se wur­de im Au­gust 1931 staat­li­cher Zwangs­ver­wal­tung un­ter­wor­fen und nach lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen und ge­gen den zä­hen Wi­der­stand der Reichs­bank­lei­tung von Reich und Preu­ßi­schem Staat mit Li­qui­di­täts­hil­fen in Hö­he von je­weils 62,5 Mio. RM ge­stützt.[41] Dies und Still­hal­te­ab­kom­men mit ih­ren Gläu­bi­gern er­mög­lich­ten der Lan­des­bank zu­nächst das Über­le­ben. Und doch schie­nen die Chan­cen, dass es zu ih­rer dau­er­haf­ten Ret­tung kom­men wür­de, im Lau­fe des Jah­res 1932 wie­der zu schwin­den. Der fi­nan­zi­el­le Zu­sam­men­bruch ih­rer Haupt­schuld­ner, der rhei­ni­schen Kom­mu­nen, in­fol­ge von Über­schul­dung und Wirt­schafts­kri­se ließ die Bank jetzt in ei­ne zwei­te tie­fe Kri­se schlin­gern. Zins- und Til­gungs­zah­lun­gen der Ge­mein­den, al­so der Haupt­schuld­ner der Lan­des­bank, blie­ben aus. (Kom­mu­nal-)Kre­di­te wur­den not­lei­dend. Die Ver­lus­te stie­gen von Mo­nat zu Mo­nat. Mit­ar­bei­ter der in­vol­vier­ten Mi­nis­te­ri­en er­wo­gen jetzt so­gar ei­ne Li­qui­da­ti­on des Bank­hau­ses.[42] Es soll­ten wei­te­re zwei Jah­re ver­strei­chen, bis sich dann die Mög­lich­keit ei­ner dau­er­haf­ten Sa­nie­rung ab­zeich­ne­te. Die grund­le­gen­de Bes­se­rung der all­ge­mei­nen La­ge, die Ge­sun­dung der Geld- und Ka­pi­tal­märk­te und vor al­lem die zwi­schen­zeit­lich ge­glück­te Um­schul­dung und Sa­nie­rung der Kom­mu­nen er­mög­lich­ten nun ei­ne suk­zes­si­ve Be­frie­di­gung der bis­lang still­hal­ten­den Gläu­bi­ger. Die Li­qui­di­täts­kre­di­te, die sich auf ih­rem Hö­he­punkt im No­vem­ber 1934 auf 175 Mio. RM be­lau­fen hat­ten, konn­ten nach und nach zu­rück­ge­führt wer­den.[43] Mit Wir­kung vom 1.4.1935 wur­de die Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz in die Rhei­ni­sche Gi­ro­zen­tra­le und Pro­vin­zi­al­bank um­ge­wan­delt. Am 1.4.1937 wur­de dann die voll­stän­di­ge Rück­zah­lung al­ler Hilfs­gel­der ver­mel­det. Die Bank war sa­niert.[44] 

5. Bedeutung des Zusammenbruchs der Bank für die Bankenkrise

Rich­ten wir den Blick noch ein­mal zu­rück in das Jahr 1932. Dass ei­ne Sa­nie­rung der Lan­des­bank ge­lin­gen wür­de, war da­mals nicht ab­zu­se­hen; eben­so we­nig, dass sich die Ge­samt­wirt­schaft in we­ni­gen Jah­ren wie­der voll­stän­dig er­ho­len wür­de. Das Land litt 1932 un­ter der De­pres­si­on, de­ren Aus­maß mit ein Er­geb­nis der Ban­ken­kri­se war. In de­ren Ge­fol­ge schrumpf­te das von al­len Ban­ken aus­ge­reich­te Kre­dit­vo­lu­men (bis En­de 1932 um rund 27 Pro­zent!).[45] Die dar­aus re­sul­tie­ren­de un­zu­rei­chen­de Kre­dit­ver­sor­gung der Wirt­schaft so­wie über­haupt die dras­ti­sche Geld­men­gen­kon­trak­ti­on (von Ju­li 1931 bis Fe­bru­ar 1932 um­ge­rech­net 24 Pro­zent p. a.) ver­schärf­ten den Kon­junk­tur­rück­gang er­heb­lich.[46] Das Net­to­so­zi­al­pro­dukt zu Fak­tor­kos­ten, das in den Jah­ren 1929 und 1930 ge­gen­über sei­nem Höchst­stand 1928 in lau­fen­den Prei­sen um ins­ge­samt 9 Pro­zent ge­sun­ken war, ver­min­der­te sich in den Jah­ren 1931 und 1932 (ge­gen­über 1930) um nicht we­ni­ger als 37 Pro­zent.[47] Dass die Sta­tis­tik im Durch­schnitt des Jah­res 1932 5,6 Mil­lio­nen Ar­beits­lo­se ver­zeich­ne­te, ist be­kannt. Der Ban­ken­kol­laps ver­schärf­te die Wirt­schafts­kri­se zu­dem nicht nur un­mit­tel­bar. Er ließ auch das Ver­trau­en auf Bes­se­rung, die Hoff­nung auf ei­ne kon­junk­tu­rel­le Wen­de, auf ei­nen Tief­punkt ab­sin­ken. Zu den öko­no­mi­schen Ef­fek­ten ge­sell­ten sich schlie­ß­lich die po­li­ti­schen. Der Ru­in der Ban­ken er­schien Zeit­ge­nos­sen auch als der Ru­in des Ka­pi­ta­lis­mus und trug mit zur Dis­kre­di­tie­rung der be­ste­hen­den po­li­ti­schen Ord­nung bei.[48] 

Die Be­deu­tung der Ban­ken­kri­se kann al­so kaum über­schätzt wer­den. So­mit stellt sich die Fra­ge, wel­ches Ge­wicht spe­zi­ell dem Zu­sam­men­bruch der Rhei­ni­schen Lan­des­bank in der Ban­ken­kri­se und für die Ban­ken­kri­se zu­kam. Die Ant­wort lau­tet: ei­ne gro­ße und in der heu­ti­gen Wahr­neh­mung im­mer noch un­ter­schätz­te.[49] Dies zeigt be­reits ein Ab­gleich der Düs­sel­dor­fer Bi­lanz mit ei­ner Auf­stel­lung der sei­ner­zeit reichs­weit ge­flos­se­nen Li­qui­di­täts­hil­fen. Seit dem 1.7.1931 la­gen dem­nach ei­ner­seits in Düs­sel­dorf cir­ca 220 Mio. RM kurz­fris­ti­ger Ein­la­gen rhei­ni­scher Spar­kas­sen (bei der Lan­des­bank) und cir­ca 300 Mio. RM kurz- und mit­tel­fris­ti­ger Ban­ken­gel­der (dar­un­ter auch Ein­la­gen von Lan­des­ban­ken) fest. Bis zum En­de des glei­chen Jah­res be­an­spruch­ten an­de­rer­seits die Spar­kas­sen der Rhein­pro­vinz Hilfs­kre­di­te bei der Ak­zept­bank in Hö­he von 173 Mio. RM.[50] Die Zah­len las­sen kei­nen Zwei­fel: Die rhei­ni­schen Spar­kas­sen ge­rie­ten im Kri­sen­jahr 1931 auch des­halb in Be­dräng­nis und muss­ten des­halb Hilfs­kre­di­te der Ak­zept­bank be­an­tra­gen, weil sie auf ih­re Gut­ha­ben bei der Lan­des­bank, die sie dort just als Li­qui­di­täts­re­ser­ven an­ge­legt hat­ten (!), nicht zu­rück­grei­fen konn­ten.[51] Da die Rhein­pro­vinz ei­ne der be­deu­tends­ten Re­gio­nen des Rei­ches ver­kör­per­te und der An­teil der rhei­ni­schen an den Spar­ein­la­gen al­ler deut­schen Spar­kas­sen ent­spre­chend hoch lag – er be­lief sich En­de 1930 auf 1.484 von 10.400 Mio. RM, al­so auf cir­ca 14 Pro­zent –, wä­re je­de rhei­ni­sche Spar­kas­sen­kri­se für sich ge­nom­men be­reits ei­ne deut­sche Spar­kas­sen­kri­se ge­we­sen. Tat­säch­lich ent­fie­len 1931 nicht we­ni­ger als 16 Pro­zent al­ler Ein­la­gen­rück­gän­ge auf die Kas­sen der Rhein­pro­vinz, und wäh­rend im Fol­ge­jahr auf Reichs­ebe­ne schon wie­der ein Zu­wachs zu ver­zeich­nen war, schrumpf­ten de­ren Spar­ein­la­gen wei­ter.[52] 

Die Quo­te der ih­nen zu­flie­ßen­den Stüt­zungs­kre­di­te fiel je­doch weit hö­her aus, als dies Ein­la­gen­quo­te und -ab­zü­ge na­he­ge­legt hät­ten. En­de 1931 be­an­spruch­ten die rhei­ni­schen Spar­kas­sen 35 Pro­zent, im dar­auf­fol­gen­den Jahr 34 Pro­zent der al­len deut­schen Spar­kas­sen in Ak­zept­form zu­teil ge­wor­de­nen Li­qui­di­täts­hil­fen.[53] Ih­re dies­be­züg­li­chen Ver­bind­lich­kei­ten pen­del­ten sich En­de 1932 fast ex­akt auf der Hö­he ih­rer ein­ge­fro­re­nen Lan­des­bank­gut­ha­ben ein, bei rund 220 Mio. RM. Wä­ren die Letz­te­ren ver­füg­bar ge­we­sen, hät­te sich ihr Stüt­zungs­be­darf auf ein Nied­rigst­maß re­du­ziert. Noch ein­mal: Die Ab­hän­gig­keit der Rhein­län­der von den Hilfs­gel­dern der Ak­zept­bank war in ers­ter Li­nie Er­geb­nis der Lan­des­bank-Mi­se­re und nicht mehr der all­ge­mei­nen Kri­se. Im Fol­ge­jahr 1933 stieg der rhei­ni­sche An­teil an den Ak­zept­kre­di­ten der Spar­kas­sen dann so­gar auf rund 50 Pro­zent (sie­he Ab­bil­dung 3). In Kon­se­quenz lässt sich der Schluss zie­hen, dass es sich bei der so ge­nann­ten „Spar­kas­sen­kri­se“ in ih­rer Ge­samt­heit in er­heb­li­chem Ma­ße um ei­ne sol­che der Düs­sel­dor­fer Lan­des­bank und ih­rer Fol­ge­wir­kun­gen han­del­te.[54] 

Akzepte (Liquiditätskredite) der deutschen Sparkassen Ende 1933 [Mio. RM]. (aus: Fischer, Landesbank, S. 484/Darstellung 53)

 

Die nä­he­re Be­trach­tung des lan­ge Zeit pau­schal er­ho­be­nen Vor­wurfs, die Gi­ro­zen­tra­len hät­ten die ih­nen über­las­se­nen Re­ser­ven in den ent­schei­den­den Mo­na­ten nicht be­reit­stel­len kön­nen, weist in die­sel­be Rich­tung.[55] Die Li­qui­di­täts­re­ser­ven al­ler deut­schen Spar­kas­sen bei ih­ren je­wei­li­gen Gi­ro­zen­tra­len (inkl. der Lan­des­ban­ken mit Gi­ro­zen­tra­len­funk­ti­on) sum­mier­ten sich zwei Wo­chen vor Aus­ru­fung der Bank­fei­er­ta­ge auf 675,7 Mio. RM. Den Un­ter­la­gen der Volks­wirt­schaft­li­chen und Sta­tis­ti­schen Ab­tei­lung der Reichs­bank zu­fol­ge konn­ten die Gi­ro­zen­tra­len (in­klu­si­ve Lan­des­ban­ken) hier­von bis zum 30.9.1931 437,2 Mio. RM aus ei­ge­ner Kraft, das hei­ßt oh­ne Rück­griff auf die Ak­zept­bank aus­zah­len. Die fest­ge­fro­re­nen be­zie­hungs­wei­se nur mit de­ren Hil­fe mo­bi­li­sier­ba­ren Re­ser­ven hät­ten sich dem­nach in et­wa auf 240 Mio. RM be­lau­fen.[56] Wie­der­um be­sagt der Ver­gleich mit den fest­sit­zen­den Gel­dern der rhei­ni­schen Spar­kas­sen: Das Pro­blem der funk­ti­ons­un­fä­hi­gen Li­qui­di­täts­hal­ter war zu­nächst und vor al­lem ein rhei­ni­sches. Die The­se des Reichs­bank­prä­si­den­ten Hans Lu­ther aus der Nicht­ver­füg­bar­keit je­nes Dif­fe­renz­be­tra­ges (675,7 Mio. RM ab­züg­lich 437,2 Mio. RM) er­ge­be sich, „daß die Gi­ro­zen­tra­len durch ih­re kom­mu­na­le Kre­dit­po­li­tik da­zu bei­ge­tra­gen ha­ben, daß die Spar­kas­sen­kri­se im Jah­re 1931 in der be­kann­ten Schär­fe auf­tra­t“[57], muss er­go kor­ri­giert wer­den in die zu­tref­fen­de Aus­sa­ge: Die Rhei­ni­sche Lan­des­bank trug durch ih­re kom­mu­na­le Kre­dit­po­li­tik da­zu bei, dass die „Spar­kas­sen­kri­se“ im Jah­re 1931 in der be­kann­ten Schär­fe auf­trat.[58] 

Zu­mal an­de­re Gi­ro­zen­tra­len und Lan­des­ban­ken „in vie­len Fäl­len die An­sprü­che der Spar­kas­sen in vol­lem Um­fan­ge be­frie­digt[en]“[59], und, so­weit ih­nen dies nicht mög­lich war, sie dies nicht sel­ten der Tat­sa­che zu dan­ken hat­ten, dass sie, gleich den rhei­ni­schen Spar­kas­sen, auf Mit­tel nicht zu­rück­grei­fen konn­ten, die sie ih­rem „gro­ßen“ Schwes­ter­in­sti­tut an­ver­traut hat­ten. Un­mit­tel­bar vor der in­of­fi­zi­el­len Zah­lungs­ein­stel­lung der Lan­des­bank hat­te der Di­rek­tor des Ver­ban­des deut­scher öf­fent­lich-recht­li­cher Kre­dit­an­stal­ten, Ru­dolf von Bit­ter, in der Haupt­ver­samm­lung sei­nes Ver­ban­des in Salz­burg (30.6.1931) dunk­len Vor­ah­nun­gen frei­en Lauf ge­las­sen und ge­mut­ma­ßt, dass „viel­leicht sehr bald der Zeit­punkt kom­men [wer­de], wo die ein­zel­nen An­stal­ten die Fol­gen deut­lich füh­len [wür­den], die sich aus den Feh­lern an­de­rer öf­fent­li­cher In­sti­tu­te“[60] er­gä­ben. We­ni­ge Ta­ge spä­ter war die Pro­phe­zei­ung Rea­li­tät ge­wor­den. Län­der­be­voll­mäch­tig­te und Di­rek­to­ren öf­fent­li­cher In­sti­tu­te, von der Nas­saui­schen Lan­des­bank bis hin zur Deut­schen Lan­des­ban­ken­zen­tra­le AG, ga­ben sich im Reichs­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um die Klin­ke in die Hand, um via Ber­lin ei­ne Frei­ga­be ih­rer Düs­sel­dor­fer Gut­ha­ben zu er­zwin­gen. Der Vor­stands­vor­sit­zen­de der Ak­zept­bank muss­te er­ken­nen, dass die Schwie­rig­kei­ten „ins­be­son­de­re da­her [rühr­ten], [...] daß zahl­rei­che Lan­des­ban­ken und die Lan­des­ban­ken­zen­tra­le bei der Rhei­ni­schen Lan­des­bank in Düs­sel­dorf [...] fest­ge­fah­ren“[61] wa­ren.

Die Nas­saui­sche Lan­des­bank ver­füg­te bei­spiels­wei­se in den ers­ten Kri­sen­wo­chen no­mi­nell über ein hin­rei­chen­des Quan­tum an li­qui­den Gut­ha­ben. 6,85 Mio. RM da­von la­gen je­doch fest, da­von al­lein 4,2 Mio. RM in Düs­sel­dorf. Die an­de­ren Gel­der wa­ren zu ei­nem Gut­teil bei In­sti­tu­ten ein­ge­fro­ren, die ih­rer­seits nicht an ih­re Gel­der bei der Rhei­ni­schen Lan­des­bank oder bei der DGZ her­an­konn­ten.[62] Fast über­flüs­sig ist es zu er­wäh­nen, dass auch die Deut­sche Gi­ro­zen­tra­le den re­gio­na­len In­sti­tu­ten nur des­halb nicht bei­ste­hen be­zie­hungs­wei­se nicht ein­mal de­ren Gut­ha­ben aus­zah­len konn­te, weil sie sich in West­deutsch­land und vor al­lem eben in Düs­sel­dorf völ­lig ver­aus­gabt hat­te. Aber­mals war al­so fest­zu­stel­len, dass „de­ren [der Rhei­ni­schen Lan­des­bank] Il­li­qui­di­tät nicht nur die rhei­ni­schen Spar­kas­sen, son­dern dar­über hin­aus das gan­ze Netz der öf­fent­li­chen Ban­ken in Un­ord­nung ge­bracht ha­t“.[63] Die Ak­zept­bank hät­te mit­hin deut­lich we­ni­ger Spar­kas­sen­ak­zep­te in ih­ren Sta­tis­ti­ken ver­zeich­net, wä­re in den Vor­jah­ren in Düs­sel­dorf so­li­der ge­wirt­schaf­tet wor­den. Dann hät­ten näm­lich über die be­reits an sich enorm ins Ge­wicht fal­len­den rhei­ni­schen hin­aus wei­te­re Spar­kas­sen min­des­tens par­ti­ell auf die Un­ter­stüt­zung der Ak­zept­bank ver­zich­ten kön­nen. Ih­nen wä­re statt­des­sen wie vie­len an­de­ren Kas­sen stär­ker von ih­rer ei­ge­nen Gi­ro­zen­tra­le un­ter die Ar­me ge­grif­fen wor­den.

Hans Luther, Porträtfoto. (Stadtbildstelle Essen)

 

Ganz ent­schei­den­des Ge­wicht ist schlie­ß­lich, ne­ben all die­sen ex­akt quan­ti­fi­zier­ba­ren Grö­ßen, der qua­li­ta­ti­ven Kom­po­nen­te zu­zu­mes­sen. Als grö­ß­tes und füh­ren­des Haus ih­rer Sphä­re war die Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz seit je­her im Blick­punkt der na­tio­na­len Öf­fent­lich­keit und eben auch in dem der Kund­schaft öf­fent­li­cher Ban­ken ge­stan­den. Ge­riet sie ins Wan­ken, so strahl­te dies ins gan­ze Reich aus und zog so­mit un­wei­ger­lich selbst die­je­ni­gen Schwes­ter­in­sti­tu­te und Spar­kas­sen in Mit­lei­den­schaft, die mit ihr gar nicht ge­schäft­lich ver­kehr­ten.[64] An­ders for­mu­liert: Je­de Er­schüt­te­rung ih­res Stan­dings droh­te die Fun­da­men­te des ge­sam­ten öf­fent­li­chen Bank­we­sens zu er­schüt­tern - und ge­nau das war nun seit dem Ju­li 1931 der Fall. Bit­ter hat­te dies­be­züg­li­che Er­ör­te­run­gen auf der Ta­gung sei­nes Ver­ban­des im Ju­ni 1932 nicht aus hei­te­rem Him­mel mit der An­mer­kung ver­se­hen, dass er sich „mit den Er­eig­nis­sen bei der Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz [...] nicht so ein­ge­hend [...] be­fasst [hät­te], wenn nicht der Zu­sam­men­bruch die­ses im In- und Aus­land so an­ge­se­he­nen, das gan­ze öf­fent­li­che Bank­we­sen re­prä­sen­tie­ren­den In­sti­tuts von so ein­schnei­den­den Fol­gen ge­we­sen wä­re in­so­fern als das An­se­hen des gan­zen öf­fent­li­chen Bank­we­sens durch den Zu­sam­men­bruch der Rhei­ni­schen Lan­des­bank ge­schä­digt wor­den“[65] sei.

Kein ge­rin­ge­rer als Reichs­bank­prä­si­dent Hans Lu­ther iden­ti­fi­zier­te in der „Kennt­nis von der Il­li­qui­di­tät der Rhei­ni­schen Lan­des­ban­k“ schlie­ß­lich den we­sent­li­chen Aus­lö­ser des Runs „bei den rhei­ni­schen Spar­kas­sen und da­mit bei den Spar­kas­sen über­haupt“[66]. Nicht we­ni­ge Be­ob­ach­ter, auch sol­che, die dem öf­fent­li­chen Bank­we­sen kei­nes­wegs na­he­stan­den, wie der In­dus­tri­el­le Paul Sil­ver­berg , wa­ren so­gar der An­sicht, dass ei­ne frü­he Stüt­zung der Lan­des­bank „den Run auf die Spar­kas­sen ver­mie­den hät­te“[67], dass al­so die ge­sam­te „Spar­kas­sen­kri­se“[68] über­haupt nur dem Zu­sam­men­bruch der Rhei­ni­schen Lan­des­bank zu dan­ken war.[69] Wirk­lich er­wies sich Düs­sel­dorf nicht nur beim ers­ten Run, son­dern auch bei al­len nach­fol­gen­den, ge­ring­fü­gi­ge­ren Ab­he­be­wel­len im­mer als ein Epi­zen­trum der Be­ben. Stets war da­von die Re­de, dass „be­son­ders rhei­ni­sche Städ­te“ un­ter Be­un­ru­hi­gun­gen und Ab­he­bun­gen lit­ten, und dies, wie aus­drück­lich fest­ge­stellt wur­de, in ers­ter Li­nie we­gen der ge­fähr­de­ten La­ge der Lan­des­bank. Si­cher­lich gin­ge nun ei­ne gänz­lich mo­no­k­au­sa­le Sicht­wei­se fehl. Die The­se, dass die Kri­se des öf­fent­li­chen Bank­we­sens ne­ben der all­ge­mei­nen Ban­ken­kri­se ei­nen zwei­ten ge­wich­ti­gen Ur­sprung hat­te, näm­lich die Düs­sel­dor­fer Ge­schäfts­po­li­tik der Vor­jah­re, dürf­te in­des kaum zu be­strei­ten sein. Oh­ne den Zu­sam­men­bruch der Rhei­ni­schen Lan­des­bank hät­te sie nie­mals solch dra­ma­ti­sche Aus­ma­ße an­ge­nom­men. Kei­ne Fra­ge: Der Kol­laps der Lan­des­bank war kei­nes­wegs zweit- oder drittran­gig. Es war ei­ne we­sent­li­che Ur­sa­che nicht nur für die Kri­se im öf­fent­li­chen Bank­we­sen, son­dern für die Ban­ken­kri­se über­haupt.[70] 

Literatur

Kur­siv = Kurz­zi­tier­wei­se
 
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Abbildung des Kassenraums, Fotograf unbekannt, ca. 1900. (Stadtarchiv Düsseldorf, 063_110_006)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Fischer, Albert, Die Landesbank der Rheinprovinz in der großen Bankenkrise der 1920er Jahre, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-landesbank-der-rheinprovinz-in-der-grossen-bankenkrise-der-1920er-jahre/DE-2086/lido/6024fa32e546c0.65519836 (abgerufen am 23.04.2024)