Die NSDAP in der Rheinprovinz nach 1933

Armin Nolzen (Warburg)

Treppenaufgang der Gauleitung Köln-Aachen in der Kölner Claudiusstraße 1.

1. Einleitung

Als die ame­ri­ka­ni­schen Trup­pen An­fang Sep­tem­ber 1944 süd­lich von Aa­chen die deut­sche Reichs­gren­ze über­schrit­ten, be­fand sich in ih­ren rück­wär­ti­gen Stä­ben auch ein Of­fi­zier, der flie­ßen­des Deutsch sprach. Es han­del­te sich um Saul K. Pa­do­ver (1905-1982), ei­nen in Wien ge­bo­re­nen Ju­den. Pa­do­vers Va­ter be­saß die ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ger­schaft und war be­reits 1920 mit sei­ner Fa­mi­lie in die USA aus­ge­wan­dert. Pa­do­ver, ein pro­mo­vier­ter His­to­ri­ker und pro­fun­der Ken­ner des habs­bur­gi­schen und des fran­zö­si­schen Ab­so­lu­tis­mus, agier­te seit 1944 als Ver­neh­mungs­of­fi­zier der Psy­cho­lo­gi­cal War­fa­re Di­vi­si­on in der U.S. Ar­my. Er soll­te mög­lichst vie­le deut­sche Zi­vi­lis­ten in den vom Na­tio­nal­so­zia­lis­mus be­frei­ten Ge­bie­ten be­fra­gen, um ih­re Stim­mungs­la­ge zu er­kun­den. Da­zu be­reis­ten Pa­do­ver und sei­ne Mit­ar­bei­ter seit Sep­tem­ber 1944 das Rhein­land. Sie in­ter­view­ten Hun­der­te von Frau­en, Män­nern und Ju­gend­li­chen. Ei­ne ein­zel­ne Be­fra­gung dau­er­te oft meh­re­re Stun­den. Die Ver­neh­mungs­of­fi­zie­re be­gan­nen in Kor­ne­li­müns­ter (Stadt Aa­chen), sie fuh­ren nach Ro­et­gen, Aa­chen, Wür­se­len, Jü­lich, Dü­ren, Gre­ven­broich, Mön­chen­glad­bachKre­feld, Neuss, Düs­sel­dorf, Ham­born (Stadt Duis­burg), Müns­ter und Pa­der­born, von dort an die We­ser und wie­der zu­rück nach Lu­xem­burg, an der Mo­sel ent­lang über Bin­gen nach Mit­tel­deutsch­land. Ihr Weg en­de­te beim ehe­ma­li­gen Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Bu­chen­wald. Re­gel­mä­ßig be­rich­te­ten sie ih­ren Vor­ge­setz­ten über ih­re Be­fra­gun­gen. Ih­re re­sü­mie­ren­den Me­mo­ran­den wur­den an höchs­te mi­li­tä­ri­sche Stel­len wei­ter­ge­lei­tet und flos­sen in de­ren be­sat­zungs­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen ein. 1946 ver­öf­fent­lich­te Pa­do­ver schlie­ß­lich ei­nen Er­leb­nis­be­richt über sei­ne Tä­tig­kei­ten. Die­ser war mit vie­len per­sön­li­chen An­mer­kun­gen an­ge­rei­chert und wur­de erst 1999 ins Deut­sche über­setzt. Der Ti­tel die­ses Bu­ches lau­tet: „Lü­gen­de­tek­tor. Ver­neh­mun­gen im be­sieg­ten Deutsch­land 1944/45“.

Der Be­griff „Lü­gen­de­tek­tor“ bringt ei­ne ir­ri­tie­ren­de Er­fah­rung Pa­do­vers zum Aus­druck, die sich wie ein ro­ter Fa­den durch sei­ne Be­rich­te zog. Auf der ei­nen Sei­te hat­ten ihm vie­le Rhein­län­der glaub­haft ma­chen wol­len, ge­gen das NS-Re­gime op­po­niert zu ha­ben. Sie führ­ten da­für ent­we­der ih­re Zu­ge­hö­rig­keit zur ka­tho­li­schen Kir­che oder das Ar­gu­ment an, sie sei­en im­mer über­zeug­te So­zi­al­de­mo­kra­ten ge­we­sen. Auf der an­de­ren Sei­te sah der ame­ri­ka­ni­sche Ver­neh­mungs­of­fi­zier im Rhein­land al­ler­or­ten An­zei­chen von schie­rem Op­por­tu­nis­mus. Er ver­moch­te kei­ne re­li­gi­ös oder gar po­li­tisch mo­ti­vier­te Wi­der­stands­be­we­gung ge­gen das NS-Re­gime zu er­ken­nen. Des­halb be­zich­tig­te er die meis­ten der von ihm Be­frag­ten der Lü­ge. Sei­ne Be­grün­dung ist auf­schluss­reich und be­zog sich auf die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deut­sche Ar­bei­ter­par­tei (NS­DAP), de­ren per­ma­nen­te Wahl­er­fol­ge Adolf Hit­ler (1889-1945) am 30.1.1933 den Weg zur Reichs­kanz­ler­schaft ge­eb­net hat­ten. Bei­spiels­wei­se sei­en in Wür­se­len, so be­merk­te Pa­do­ver, gleich im Früh­jahr 1933 un­ver­hält­nis­mä­ßig vie­le Be­woh­ner in die Par­tei ein­ge­tre­ten. Aus wel­chen Be­völ­ke­rungs­schich­ten, so frag­te sich Pa­do­ver, ka­men die­se neu­en Na­zis? Wie fast über­all wa­ren es ehe­ma­li­ge Zen­trums­wäh­ler […]. Zen­trums­an­hän­ger, haupt­säch­lich klei­ne Kauf­leu­te, Ge­wer­be­trei­ben­de und An­ge­stell­te, lie­fen nach 1933 in Scha­ren zu den Na­zis über, und zwar aus ei­nem ganz sim­plen Mo­tiv: Die An­ge­stell­ten woll­ten ih­re Ar­beits­plät­ze be­hal­ten, und die Ge­schäfts­leu­te hoff­ten, sich ih­rer ärgs­ten Kon­kur­renz, der Ge­nos­sen­schaf­ten, ent­le­di­gen zu kön­nen.[1] Selbst die sich als an­ti­fa­schis­tisch ver­ste­hen­den Ar­bei­ter, in Wür­se­len grö­ß­ten­teils Berg­leu­te, hät­ten wäh­rend des Kriegs wei­ter Koh­le ge­för­dert. Ob­wohl sie wu­ß­ten, so Pa­do­ver, daß ihr Pro­dukt von gro­ßer Be­deu­tung für ei­nen Krieg war, der nicht der ih­re war, und für ein Sys­tem, das sie ab­lehn­ten, ha­ben sie wei­ter­hin ih­re Ar­beit ge­tan […].

Im Mit­tel­punkt von Pa­do­vers Bei­spie­len für das Mit­läu­fer­tum der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung stand der Sach­ver­halt, dass sich nach dem 30.1.1933 vie­le frei­wil­lig in die Rei­hen der NS­DAP ein­ge­ord­net hat­ten. Die neue­re NS-For­schung hat die­se Ein­schät­zung im Gro­ßen und Gan­zen be­stä­tigt. Der „Fall Wür­se­len“ scheint ver­all­ge­mei­ner­bar zu sein, und zwar nicht nur im Hin­blick auf das Rhein­land, son­dern auf das gan­ze Deut­sche Reich. Mi­cha­el H. Ka­ter, Jür­gen W. Fal­ter und Tors­ten Kup­fer ha­ben ge­zeigt, dass sich nach 1933 vie­le Män­ner aus dem Bür­ger­tum der NS­DAP an­schlos­sen. Auch in den als re­sis­tent gel­ten­den ka­tho­li­schen und so­zia­lis­ti­schen Mi­lieus ge­lan­gen ihr nach 1933 be­acht­li­che Mo­bi­li­sie­rungs­er­fol­ge. Ein em­pi­ri­scher Nach­weis für die Rhein­pro­vinz steht noch aus. Er ist be­son­ders schwie­rig, weil de­ren Ge­biet ins­ge­samt vier NS­DAP-Gaue um­fass­te: Es­sen, Düs­sel­dorf, Ko­blenz-Trier, das im Ja­nu­ar 1941 in „Mo­sel­lan­d“ um­be­nannt wur­de, un­d Köln-Aa­chen. Das Saar­land als Teil der al­ten preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz be­saß zwi­schen 1920 und 1935 ei­ne Son­der­stel­lung. Des­halb wird die Saar-NS­DAP hier nicht nä­her ana­ly­siert.[2] 

Saul K. Padover, Porträtfoto.

 

Nach dem 30.1.1933 dif­fe­ren­zier­te sich die NS­DAP schnell in ei­ne Viel­zahl von Ap­pa­ra­ten aus. Die­se be­sa­ßen teils meh­re­re Mil­lio­nen Mit­glie­der und wa­ren weit­ge­hend von­ein­an­der un­ab­hän­gig. Im Ver­lauf die­ser Ent­wick­lung ent­stan­den drei grö­ße­re Kom­ple­xe: ers­tens die Par­tei oder Po­li­ti­sche Or­ga­ni­sa­ti­on (P. O.), zwei­tens die Glie­de­run­gen und drit­tens die an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de.[3] Die Ge­schich­te der NS­DAP in der Rhein­pro­vinz nach 1933 ist bis da­to kaum er­forscht. We­der gibt es ei­ne zu­sam­men­fas­sen­de Ana­ly­se der P. O. noch ei­ner ih­rer Glie­de­run­gen noch ei­nes ih­rer an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de. Und dies gilt für al­le vier rhei­ni­schen Gaue.

Im Fol­gen­den geht es dar­um, die Struk­tu­ren und Funk­tio­nen der P. O., der Glie­de­run­gen und der an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de in der Rhein­pro­vinz kur­so­risch vor­zu­stel­len. Zu­erst wird die Ent­wick­lung der Mit­glied­schaft und des Funk­tio­närs­korps in der P. O. nach dem 30.1.1933 (Ka­pi­tel 2) ge­schil­dert. Da­nach wer­den die wich­tigs­ten Glie­de­run­gen der NS­DAP in den vier Gau­en und ih­re Ge­walt­prak­ti­ken vor­ge­stellt (Ka­pi­tel 3). Dar­auf­hin wer­den die Funk­tio­nen der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Volks­wohl­fahrt (NSV) ana­ly­siert, die auf Reichs­ebe­ne der zweit­grö­ß­te an­ge­schlos­se­ne Ver­band der NS­DAP war (Ka­pi­tel 4). Schlie­ß­lich wird der Reichs­nähr­stand be­han­delt, der in vie­ler­lei Hin­sicht ei­nen Son­der­fall dar­stellt (Ka­pi­tel 5). Den Ab­schluss bil­det ei­ne Zu­sam­men­fas­sung der Er­geb­nis­se (Ka­pi­tel 6).

Treppenaufgang der Gauleitung Köln-Aachen in der Kölner Claudiusstraße 1.

 

2. Die Mitgliederentwicklung in der P. O. und deren Funktionäre

Die So­zi­al­struk­tur in den vier rhei­ni­schen Gau­en der NS­DAP war sehr he­te­ro­gen, wie ein Blick auf die Er­geb­nis­se der „Volks­zäh­lun­g“ vom 16.6.1933 zeigt.[4] Der Gau Es­sen (der iden­tisch mit dem Reichs­tags­wahl­kreis Düs­sel­dorf-Ost war) un­ter­schied sich in na­he­zu al­len In­di­ka­to­ren von den üb­ri­gen drei Gau­en: Er war der ein­zi­ge Gau, in dem mehr Pro­tes­tan­ten als Ka­tho­li­ken leb­ten (49 zu 43 Pro­zent), er be­saß den höchs­ten Ur­ba­ni­sie­rungs­grad (85 Pro­zent leb­ten in Städ­ten über 50.000 Ein­woh­ner), dort wa­ren 63 Pro­zent al­ler Er­werbs­tä­ti­gen in In­dus­trie und Hand­werk tä­tig, und 28 Pro­zent al­ler Er­werbs­per­so­nen wa­ren ar­beits­los. Im Gau Köln-Aa­chen hin­ge­gen gab es 83 Pro­zent Ka­tho­li­ken, die Ur­ba­ni­sie­rung lag mit 44 Pro­zent et­was über dem Reichs­durch­schnitt, 47 Pro­zent wa­ren in In­dus­trie und Hand­werk tä­tig, und die Ar­beits­lo­sen­quo­te be­trug 22 Pro­zent. Im Gau Düs­sel­dorf leb­ten 67 Pro­zent Ka­tho­li­ken be­zie­hungs­wei­se 30 Pro­zent Pro­tes­tan­ten, der Ur­ba­ni­sie­rungs­grad lag bei 57 Pro­zent. Hier wa­ren 58 Pro­zent al­ler Er­werbs­tä­ti­gen in In­dus­trie und Hand­werk tä­tig und 25 Pro­zent al­ler Er­werbs­per­so­nen ar­beits­los. Die Be­völ­ke­rung im Gau Ko­blenz-Trier war zu 76 Pro­zent ka­tho­lisch und zu 23 Pro­zent evan­ge­lisch. 75 Pro­zent al­ler Ein­woh­ner leb­ten in Ge­mein­den un­ter 5.000 Per­so­nen, der Ur­ba­ni­sie­rungs­grad war ge­ring und lag bei nur elf Pro­zent. Die Wirt­schafts­struk­tur war dem­zu­fol­ge stark agra­risch ge­prägt, und die Ar­beits­lo­sen­quo­te be­trug 13 Pro­zent.

Bei den Reichs­tags­wahl­er­geb­nis­sen für die NS­DAP bil­de­te der Gau Köln-Aa­chen seit dem 14.9.1930 das Schluss­licht im Reich. Am 6.11.1932 hat­ten dort nur 17,4 Pro­zent al­ler Wahl­be­rech­tig­ten die NS­DAP ge­wählt.[5] Im Reichs­durch­schnitt wa­ren es 33,1 Pro­zent. Auch in den üb­ri­gen drei Gau­en der Rhein­pro­vinz war sie bei al­len Reichs­tags­wah­len stets un­ter ih­rem Er­geb­nis auf Reichs­ebe­ne ge­blie­ben. Nur in Ober­bay­ern, den bei­den west­fä­li­schen Wahl­krei­sen und in Ber­lin hat­te die NS­DAP noch schlech­ter ab­ge­schnit­ten. Die Rhein­pro­vinz er­wies sich für sie vor 1933 als schwie­ri­ges Pflas­ter, und dies lag an den star­ken so­zia­lis­ti­schen und ka­tho­li­schen Mi­lieus.

Der Auf­stieg der NS­DAP in den vier Gau­en der Rhein­pro­vinz vor 1933 ist bis­lang kaum er­forscht. An­ga­ben über ih­re per­so­nel­le und in­sti­tu­tio­nel­le Ent­wick­lung las­sen sich nur der „Par­tei­sta­tis­ti­k“ ent­neh­men, die Reichs­or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter Ro­bert Ley z­um 1.1.1935 er­hob. Da­nach lag die Mit­glie­der­zahl der Par­tei in den vier Gau­en der Rhein­pro­vinz bis 1932/1933 un­ter dem Reichs­durch­schnitt. Bei den „Par­tei­ge­nos­sen“ (Pgs.) be­fan­den sich Düs­sel­dorf, Es­sen, Ko­blenz-Trier und Köln-Aa­chen in­ner­halb des letz­ten Vier­tels al­ler NS­DAP-Gaue.[6] Um­so er­staun­li­cher wa­ren die Zu­wachs­ra­ten nach dem 30.1.1933. Nach dem Gau Main­fran­ken, der beim Mit­glie­der­wachs­tum die füh­ren­de Po­si­ti­on ein­nahm, ka­men gleich die bei­den Gaue Köln-Aa­chen und Ko­blenz-Trier. Dort wa­ren im­mer­hin 82,1 be­zie­hungs­wei­se 81,7 Pro­zent der Par­tei­mit­glie­der nach dem 30.1.1933 ein­ge­tre­ten. Die Zahl der „Par­tei­ge­nos­sen“ hat­te sich al­so bin­nen zwei­er Jah­re mehr als ver­fünf­facht. Nur knapp da­hin­ter folg­ten die Gaue Es­sen und Düs­sel­dorf mit 74,4 be­zie­hungs­wei­se 74 Pro­zent, aber auch sie über­tra­fen den Reichs­durch­schnitt von 66,0 Pro­zent deut­lich.

Ei­ne ähn­li­che Ent­wick­lung lässt sich für die Po­li­ti­schen Lei­ter (PL) zei­gen, wie die Funk­tio­nä­re der Par­tei hie­ßen. Al­ler­dings gibt die „Par­tei­sta­tis­ti­k“ kei­ne Ge­samt­zah­len für die Zeit vor dem 30.1.1933 an, so dass sich die Zu­wäch­se im Korps der Po­li­ti­schen Lei­ter nur in­di­rekt er­schlie­ßen las­sen. Ein Gro­ß­teil die­ser Funk­tio­nä­re war der NS­DAP erst nach ih­rer „Macht­er­grei­fung“ bei­ge­tre­ten. Im Gau Ko­blenz-Trier traf dies auf im­mer­hin 79,4 Pro­zent der Po­li­ti­schen Lei­ter zu. Die­ser Wert wur­de nur noch im Gau Main­fran­ken über­trof­fen. Aber auch die Gaue Köln-Aa­chen, Düs­sel­dorf und Es­sen la­gen mit 68,2 und 62,9 be­zie­hungs­wei­se 59,7 Pro­zent über dem Reichs­durch­schnitt.[7] Die P. O. schloss in der Rhein­pro­vinz nach dem 30.1.1933 in per­so­nel­ler Hin­sicht um­ge­hend zu den üb­ri­gen Gau­en auf. Die Mit­glie­der­ent­wick­lung ver­lief in Düs­sel­dorf, Es­sen, Ko­blenz-Trier und Köln-Aa­chen, die ja schlech­te­re Aus­gangs­be­din­gun­gen als al­le an­de­ren NS­DAP-Gaue be­sa­ßen, un­gleich dy­na­mi­scher. Der Zu­lauf so ge­nann­ter März­ge­fal­le­ner zur Par­tei war in der Rhein­pro­vinz so hoch wie nir­gend­wo an­ders. Der iro­ni­sche Be­griff „März­ge­fal­le­ne“ ver­weist auf den Vor­wurf des Op­por­tu­nis­mus, der ge­mein­hin ge­gen­über Mit­glie­dern er­ho­ben wur­de, die erst nach dem 30.1.1933 die Auf­nah­me in die Par­tei be­an­tragt hat­ten.[8] 

Stimmenanteile der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 5.3.1933. (CC BY 3.0 / Dove)

 

Das im­men­se Wachs­tum der NS­DAP in den vier rhei­ni­schen Gau­en lässt sich auch der Ta­bel­le rechts ent­neh­men. Sie schlüs­selt das Ver­hält­nis zwi­schen Ein­woh­nern, „Par­tei­ge­nos­sen“ und Po­li­ti­schen Lei­tern in den vier Gau­en zum 1.1.1935 auf. Dem­zu­fol­ge kam in den Gau­en Ko­blenz-Trier und Köln-Aa­chen auf je­den 25. Ein­woh­ner ein „Par­tei­ge­nos­se“ (Reichs­durch­schnitt = 26,5). In Düs­sel­dorf (28,8) und Es­sen (27,6) wa­ren die Ver­hält­nis­zah­len zwar schlech­ter, la­gen aber im­mer noch im obe­ren Drit­tel al­ler Gaue der NS­DAP. Ei­ne et­was brei­te­re Va­ri­anz zeigt sich im Ver­hält­nis zwi­schen „Par­tei­ge­nos­sen“ und Po­li­ti­schen Lei­tern. Auf der Reichs­ebe­ne war zu die­sem Zeit­punkt je­der fünf­te „Par­tei­ge­nos­se“ zu­gleich auch ein Funk­tio­när (5,0). Im Gau Ko­blenz-Trier lag die­se Quo­te bei 3,6; dem ge­rings­ten Wert im Reich. Dies be­deu­tet, dass wir es dort mit ei­nem be­son­ders ak­ti­ven Par­tei­ap­pa­rat zu tun ha­ben. In den Gau­en Düs­sel­dorf (7,5), Es­sen (8,9) und Köln-Aa­chen (6,7), lag das Ver­hält­nis zwi­schen „Par­tei­ge­nos­sen“ und Po­li­ti­schen Lei­tern hin­ge­gen un­ter dem Reichs­durch­schnitt. Dort wa­ren of­fen­bar vie­le Par­tei­mit­glie­der rei­ne Bei­trags­zah­ler.

Das Mit­glie­der­wachs­tum in der Par­tei wur­de durch ei­ne all­ge­mei­ne Mit­glie­der­sper­re zum 1.5.1933 vor­über­ge­hend ge­bremst. Den­noch hat­ten sich so­wohl Struk­tu­ren als auch Funk­tio­nen der NS­DAP mitt­ler­wei­le grund­le­gend ver­än­dert. Die P. O. muss­te jetzt da­für Sor­ge tra­gen, die neu­en Mit­glie­der auch zu in­te­grie­ren. Des­halb bau­te sie ei­nen ei­ge­nen bü­ro­kra­ti­schen Ap­pa­rat auf. Zu­nächst schu­fen die Gau­lei­ter ei­ne Viel­zahl neu­er Äm­ter, um die all­täg­li­che Par­tei­ar­beit zu ko­or­di­nie­ren. Aus die­sem Pro­zess, der 1935/1936 grö­ß­ten­teils ab­ge­schlos­sen war, gin­gen die NS­DAP-Gau­lei­tun­gen her­vor. Sie bil­de­ten ei­gen­stän­di­ge Ver­wal­tungs­ap­pa­ra­te und wa­ren im Rhein­land in den gro­ßen Städ­ten Düs­sel­dorf, Es­sen, Ko­blenz und Köln an­säs­sig. Ei­ne Gau­lei­tung um­fass­te die so ge­nann­ten Ver­wal­tungs­äm­ter, zu de­nen das Gau­schatz­amt, das Gau­ge­richt und die Gau­ge­schäfts­füh­rung zähl­ten. Des Wei­te­ren ge­hör­ten zu ihr die Füh­rungs­äm­ter, al­so der Gau­lei­ter und sein Stell­ver­tre­ter, das Gau­schu­lungs­amt, das Gau­per­so­nal­amt, das Gau­or­ga­ni­sa­ti­ons­amt und das Gau­pro­pa­gan­da­amt. Hin­zu ka­men spe­zi­el­le Gau­äm­ter wie die Gau­wirt­schafts­be­ra­ter, das Gau­amt für Kom­mu­nal­po­li­tik oder das Gau­amt für Be­völ­ke­rungs­po­li­tik und Ras­sen­fra­gen. Die Glie­de­run­gen der NS­DAP wa­ren nur mit Son­der­be­auf­trag­ten im Gaustab ver­tre­ten und nicht in­sti­tu­tio­nell an die­sen ge­bun­den. Ähn­li­ches galt für die an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de der NS­DAP. Ih­re Gau­wal­tun­gen wa­ren nur lo­se in die Gau­lei­tung in­te­griert und in ei­ge­nen Ver­wal­tungs­ge­bäu­den un­ter­ge­bracht. In Düs­sel­dorf ar­bei­te­ten am 1.1.1935 ins­ge­samt 121, in Es­sen 99, in Ko­blenz-Trier 153 und in Köln-Aa­chen 189 Po­li­ti­sche Lei­ter in den Gau­lei­tun­gen.[9] 

Ei­ne ähn­lich dif­fe­ren­zier­te ho­ri­zon­ta­le Äm­ter­struk­tur wie in den Gau­en bil­de­te sich auch in den nach­ge­ord­ne­ten Kreis­lei­tun­gen aus. Im Gau Düs­sel­dorf gab es am 1.1.1935 ins­ge­samt neun Krei­se mit 190 Kreis­amts- be­zie­hungs­wei­se 222 Haupt­stel­len- und Stel­len­lei­tern.[10] Im Gau Es­sen ent­fie­len auf eben­falls neun Krei­se le­dig­lich 156 Kreis­amts- und 113 Haupt­stel­len- be­zie­hungs­wei­se Stel­len­lei­ter. Da­mit la­gen bei­de Gaue auf den letz­ten Plät­zen im ge­sam­ten Deut­schen Reich. In Ko­blenz-Trier gab es 22 Krei­se mit 402 Kreis­amts- be­zie­hungs­wei­se 645 Haupt­stel­len- und Stel­len­lei­tern. In Köln-Aa­chen schlie­ß­lich exis­tier­ten 17 Krei­se mit 344 Kreis­amts- be­zie­hungs­wei­se 328 Haupt­stel­len- und Stel­len­lei­tern. Der Gau lag da­mit im mitt­le­ren Drit­tel, wo­hin­ge­gen Ko­blenz-Trier zu ei­nem der auf Kreis­ebe­ne am bes­ten durch­or­ga­ni­sier­ten Gaue der NS­DAP zähl­te. Auf­fäl­lig ist al­so, dass die NS­DAP in den Stadt­gau­en Düs­sel­dorf und Es­sen ver­gleichs­wei­se schlecht, in den eher länd­li­chen Gau­en wie Köln-Aa­chen und Ko­blenz-Trier hin­ge­gen ver­gleichs­wei­se gut or­ga­ni­siert war.

Das Zen­trum der Par­tei­ar­beit lag in den Orts­grup­pen und den nach­ge­ord­ne­ten Zel­len und Blocks.[11] Der Gau Düs­sel­dorf be­saß am 1.1.1935 ex­akt 193 Orts­grup­pen-, 1.270 Zel­len- und 4.802 Block­lei­ter und lag vom Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad her im letz­ten Drit­tel der NS­DAP-Gaue im Reich.[12] Im Gau Es­sen gab es zum glei­chen Zeit­punkt ins­ge­samt 149 Orts­rup­pen-, 1.345 Zel­len- und 3.933 Block­lei­ter, der dor­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad lag eben­falls im letz­ten Drit­tel al­ler Gaue. Im Gau Ko­blenz-Trier wa­ren 774 Orts­grup­pen-, 1.296 Zel­len- und 5.184 Block­lei­ter tä­tig. Das be­deu­te­te ei­nen Platz im mitt­le­ren Drit­tel. Das­sel­be traf für den Gau-Köln-Aa­chen zu (285 Orts­grup­pen-, 1.931 Zel­len- und 6.290 Block­lei­ter). Ge­ne­rell gilt, dass der Par­tei­ap­pa­rat in den vier rhei­ni­schen Gau­en ei­nen ho­ri­zon­ta­len Über­hang be­saß. Ver­gli­chen mit den üb­ri­gen NS­DAP-Gau­en ar­bei­te­ten hier we­ni­ger „Ho­heits­trä­ger“, al­so Orts­grup­pen-, Zel­len- und Block­lei­ter. Da­ge­gen be­sa­ßen die Stä­be der Gau-, Kreis- und Orts­grup­pen­lei­tun­gen weit mehr Po­li­ti­sche Lei­ter. Ge­ne­rell wa­ren nur die wich­tigs­ten Gau- und Kreis­amts­lei­tun­gen haupt­amt­lich be­setzt. Die P. O. ar­bei­te­te zu mehr als 95 Pro­zent eh­ren­amt­lich.

Seit dem Früh­jahr 1933 be­trieb die P. O. nur noch in Aus­nah­me­fäl­len Pro­pa­gan­da für Wahl­kämp­fe, was vor­her ihr Haupt­ak­ti­ons­feld ge­we­sen war. Statt­des­sen wid­me­te sie sich jetzt ei­ner Viel­zahl von Tä­tig­kei­ten, die al­le­samt dar­auf ab­ziel­ten, die Neu­mit­glie­der zu in­te­grie­ren. Die P. O. führ­te im Rah­men ih­rer Mit­glie­der­ver­wal­tung auf­wän­di­ge Kar­tei­en und muss­te durch die Par­tei­ge­richts­bar­keit un­zäh­li­ge in­ner­par­tei­li­che Kon­flik­te ent­schär­fen.[13] Sie hielt Ver­samm­lun­gen für die neu­en „Par­tei­ge­nos­sen“ ab, die sie ideo­lo­gi­schen und fach­li­chen „Schu­lun­gen“ un­ter­zog. Sie or­ga­ni­sier­te Geld-, Sach- und Spen­den­samm­lun­gen so­wie vie­le Fei­er­lich­kei­ten, mit de­nen sie ih­re An­ge­hö­ri­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­le­ben las­sen woll­te. Haupt­kenn­zei­chen die­ser in­ner­par­tei­li­chen Prak­ti­ken war es, die Mit­glie­der in ein Netz an Ak­ti­vi­tä­ten ein­zu­span­nen und sie al­len kon­kur­rie­ren­den An­ge­bo­ten, ins­be­son­de­re der bei­den gro­ßen christ­li­chen Kir­chen, zu ent­frem­den. Zwi­schen dem Mit­glie­der­wachs­tum und dem Aus­bau im­mer neu­er Äm­ter in der P. O. be­stand in­so­fern ein in­te­gra­ler Zu­sam­men­hang. Es kam zu ei­ner fort­ge­setz­ten In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung. Da­bei tru­gen die neu­en „Par­tei­ge­nos­sen“ oft­mals hoch­flie­gen­de Er­war­tun­gen an die P. O. her­an. Die P. O. muss­te die­se ernst neh­men, um ih­re Kli­en­tel bei der Stan­ge zu hal­ten. Um­ge­kehrt er­war­te­te sie von ih­ren Mit­glie­dern spe­zi­fi­sche Ver­hal­tens­wei­sen, de­nen sie durch Sank­ti­ons­dro­hun­gen Nach­druck ver­lieh. Die P. O. for­der­te Bei­trags­zah­lun­gen, die Teil­nah­me an Ver­an­stal­tun­gen so­wie die Be­reit­schaft zur Über­nah­me ei­nes Par­tei­amts. Es be­stand ei­ne Wech­sel­wir­kung zwi­schen dem Wachs­tum der P. O. und dem Be­dürf­nis der Be­völ­ke­rung, die­ser an­zu­ge­hö­ren.

3. Die Gliederungen als Gewaltorganisationen

Be­kannt­lich war die NS­DAP mit Hit­lers „Macht­er­grei­fun­g“ am 30.1.1933 noch lan­ge nicht im Be­sitz der al­lei­ni­gen po­li­ti­schen Macht. Da­her ver­such­te sie nach der Reichs­tags­wahl vom 5.3.1933, durch per­ma­nen­te Über­grif­fe in die in­ne­re Ver­wal­tung ih­re Macht­bas­tio­nen wei­ter aus­zu­bau­en. Mar­tin Bros­z­at hat die­ses Vor­ge­hen als „Par­tei­re­vo­lu­ti­on von un­ten“ be­zeich­net.[14] Da­bei nö­tig­ten die Ak­ti­vis­ten von P. O., Schutz­staf­feln (SS) und Sturm­ab­tei­lung (SA) die In­ha­ber öf­fent­li­cher Äm­ter da­zu, die­se auf­zu­ge­ben, da­mit sich ih­re ei­ge­ne Kli­en­tel der frei­ge­wor­de­nen Pos­ten be­mäch­ti­gen konn­te. Das Haupt­mit­tel die­ser Trans­for­ma­ti­on war die An­dro­hung und Aus­übung kör­per­li­cher Ge­walt. Die­se wur­de ge­zielt ein­ge­setzt, um die in­ne­re Ver­wal­tung, sei es auf re­gio­na­ler, kom­mu­na­ler oder lo­ka­ler Ebe­ne, auf die Li­nie der NS­DAP zu brin­gen. Im zeit­ge­nös­si­schen Jar­gon wur­de die­ser Pro­zess auch als „Gleich­schal­tun­g“ be­zeich­net. Wie dies im Rhein­land von­stat­ten­ging, ist mitt­ler­wei­le oft­mals be­schrie­ben wor­den.[15] 

Der Druck, den die NS­DAP nach dem 30.1.1933 auf die be­ste­hen­den Ver­ei­ne, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de im Rhein­land aus­üb­te, ist hin­ge­gen nicht gut er­forscht. Ihr Vor­ge­hen ba­sier­te hier nur in zwei Fäl­len auf ähn­li­chen Ge­walt­maß­nah­men, wie sie sie ge­gen­über der in­ne­ren Ver­wal­tung prak­ti­ziert hat­te. Zu­erst zu nen­nen ist die Ak­ti­on vom 2.5.1933, bei der die Ak­ti­vis­ten von Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Be­triebs­zel­len­or­ga­ni­sa­ti­on (NS­BO), SA und SS die Ge­werk­schafts­häu­ser be­setz­ten, sich der Im­mo­bi­li­en und des Ver­mö­gens der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tun­gen be­mäch­tig­ten und die­se zer­schlu­gen. Ei­ne ähn­li­che Ent­wick­lung voll­zog sich im Be­reich der Hit­ler-Ju­gend (HJ). Die­se war bis zum 30.1.1933 ein re­la­tiv un­be­deu­ten­der Be­stand­teil der NS­DAP mit reichs­weit nur 100.000 Mit­glie­dern ge­we­sen. Im Früh­jahr 1933 gin­gen ih­re Ak­ti­vis­ten so­gleich dar­an, die kom­mu­nis­ti­schen, so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen und kon­ser­va­ti­ven Ju­gend­or­ga­ni­sa­tio­nen „gleich­zu­schal­ten“. Den Start­schuss bil­de­te ein Über­fall auf die Ber­li­ner Ge­schäfts­stel­le des Reichs­aus­schus­ses der Deut­schen Ju­gend­ver­bän­de am 5.4.1933. Wei­ter ging es mit der Ein­ver­lei­bung der im Gro­ß­deut­schen Bund zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Bün­di­schen Ju­gend im Herbst 1933. Im Win­ter 1933/1934 lös­te die Hit­ler-Ju­gend dann die evan­ge­li­schen Ju­gend­ver­bän­de auf. Im Zu­ge die­ser „Gleich­schal­tun­g“, die teils auf Ge­walt, teils auf Frei­wil­lig­keit ba­sier­te, wuchs die Mit­glie­der­zahl der Hit­ler-Ju­gend bis En­de 1933 auf fast 2,3 Mil­lio­nen Ju­gend­li­che an.[16] Sie ver­teil­ten sich auf das Deut­sche Jung­volk (DJV) und den Jung­mä­del-Bund (JM), in de­nen die 10-14jäh­ri­gen Jun­gen und Mäd­chen er­fasst wur­den, und auf die HJ und den Bund Deut­scher Mä­del (BDM), de­nen, ge­trennt nach Ge­schlech­tern, Ju­gend­li­che im Al­ter von 14-18 Jah­ren an­ge­hör­ten.

Das Verhältnis zwischen Politischen Leitern, „Parteigenossen“ und Einwohnern in den vier rheinischen NSDAP-Gauen am 1.1.1935. (Eigene Berechnungen nach: Reichsorganisationsleiter, Parteistatistik, Band 2, S. 31, 46, sowie Band 4, S. 4)

 

Die Glie­de­run­gen der NS­DAP wa­ren vor dem 30.1.1933 im Rhein­land per­so­nell schwach ge­blie­ben. Das galt ins­be­son­de­re für das Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Kraft­fahr­korps (NSKK) und die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Frau­en­schaft (NSF). Bis zum 1.1.1935 nahm die Mit­glie­der­zahl der wich­tigs­ten Glie­de­run­gen der NS­DAP al­ler­dings ei­nen ve­ri­ta­blen Auf­schwung, wie sich der ne­ben­ste­hen­den Ta­bel­le ent­neh­men lässt.

Den­noch la­gen die Wer­te der Glie­de­run­gen in den vier Gau­en der Rhein­pro­vinz zu die­sem Zeit­punkt un­ter dem Reichs­durch­schnitt. Am deut­lichs­ten war das bei der SA, de­ren Mit­glie­der­zahl im Deut­schen Reich bei 5,4 Pro­zent der Ge­samt­be­völ­ke­rung lag. Die Gaue Düs­sel­dorf (3,2 Pro­zent), Es­sen (4,3 Pro­zent), Ko­blenz-Trier (5,1 Pro­zent) und Köln-Aa­chen (3,3 Pro­zent) blie­ben al­le­samt da­hin­ter zu­rück. Die SA be­saß ih­ren Schwer­punkt in pro­tes­tan­ti­schen Ge­bie­ten wie Ost­preu­ßen, Schles­wig-Hol­stein und der Kur­mark. Bei ei­ner In­ter­pre­ta­ti­on die­ser Zah­len ist je­doch die ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­ge Mit­glie­der­zahl der SA im Rhein­land vor 1933 zu be­rück­sich­ti­gen. Dar­an ge­mes­sen, war das Mit­glie­der­wachs­tum in den vier rhei­ni­schen Gau­en zu­frie­den­stel­lend. Die ein­zi­ge Glie­de­rung, de­ren Mit­glied­schaft sich im Rhein­land über dem Reichs­durch­schnitt von zwei Pro­zent der Ge­samt­be­völ­ke­rung be­weg­te, war die NSF. Im Gau Köln-Aa­chen be­trug die­se Zahl 4,3 Pro­zent. Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad von Frau­en über­stieg dort al­so die an­de­ren drei rhei­ni­schen Gaue um das Dop­pel­te.

Die Be­völ­ke­rung des Rhein­lands war ge­gen ei­ne Mit­glied­schaft in den Glie­de­run­gen der NS­DAP mit­hin nicht re­sis­tent, son­dern de­ren Wachs­tum voll­zog sich nur lang­sa­mer als in an­de­ren Gau­en. Wich­tig an die­sen Or­ga­ni­sa­tio­nen ist zwei­er­lei: Sie wa­ren, wenn man die NSF und den BDM aus­nimmt, männ­lich, und sie bo­ten ih­ren Mit­glie­dern ei­ne streng pa­ra­mi­li­tä­ri­sche So­zia­li­sa­ti­on. Die­se reich­te von „Wehr­spor­t“ und Ge­län­de­übun­gen bis zum Fahr- und Flug­un­ter­richt. Dar­über hin­aus wur­den ih­re Mit­glie­der im Rah­men po­li­zei­ähn­li­cher Ak­tio­nen ge­gen die so ge­nann­ten ob­jek­ti­ven Geg­ner des NS-Re­gimes ein­ge­setzt. Zu die­sem Zwe­cke durch­lie­fen sie ei­ne grund­le­gen­de „welt­an­schau­li­che Schu­lun­g“, de­ren Mit­tel­punkt An­ti­kom­mu­nis­mus, An­ti­se­mi­tis­mus und An­ti­kle­ri­ka­lis­mus bil­de­ten. NSF und BDM wie­der­um leg­ten ihr Haupt­au­gen­merk dar­auf, ih­re An­ge­hö­ri­gen zu „deut­schen Haus­frau­en und Müt­ter­n“ zu er­zie­hen. Die Ge­schlech­ter­dif­fe­renz, die den NS-Staat ge­ne­rell kenn­zeich­ne­te, war in­so­fern auch in der NS­DAP in­sti­tu­tio­na­li­siert.

Die so­zia­le Pra­xis der Glie­de­run­gen be­stand grö­ß­ten­teils in der ge­ziel­ten Aus­übung von Ge­walt. Dies zeig­te sich vor al­len Din­gen an­hand ei­ner spe­zi­fi­schen Grup­pe von „Geg­nern“: den Ju­den. Die Wel­len der an­ti­jü­di­schen Re­pres­si­ons­po­li­tik, wie sie sich auch im Rhein­land ent­wi­ckel­te, sind grö­ß­ten­teils be­kannt: Der reichs­wei­te Boy­kott vom 1.4.1933, die Po­gro­me vom Som­mer 1935, die in die „Nürn­ber­ger Ge­set­ze“ mün­de­ten, die „Ari­sie­run­gen“ von 1937/1938 und die so ge­nann­te Reichs­kris­tall­nacht vom 9./10.11.1938. Im Grun­de ge­nom­men war die Ge­walt ge­gen Ju­den im Rhein­land seit der „Macht­er­grei­fun­g“ ein kon­stan­tes Phä­no­men ge­we­sen. Sie wur­de in ers­ter Li­nie von ört­li­chen Par­tei­funk­tio­nä­ren so­wie den Ak­ti­vis­ten von SA, SS, NSKK und HJ ge­tra­gen. NSF und BDM fun­gier­ten als Zu­trä­ger, et­wa durch De­nun­zia­tio­nen von an­geb­li­chem „Um­gang mit Ju­den“. Ih­re weib­li­chen Mit­glie­der wur­den aber auch selbst ge­walt­tä­tig, wie sich an­hand der öf­fent­li­chen An­pran­ge­run­gen nach­wei­sen lässt. Da­bei trie­ben sie ge­mein­sam mit an­de­ren Par­tei­ak­ti­vis­ten so ge­nann­te Ras­se­schän­der mit ei­nem Schild um den Hals durch die Stra­ßen, be­spuck­ten und ver­höhn­ten sie.

Ei­ne phä­no­me­no­lo­gi­sche Auf­schlüs­se­lung er­gibt vier For­men der an­ti­jü­di­schen Ge­walt: kör­per­li­che Miss­hand­lun­gen, die bis zum Mord gin­gen, die mut­wil­li­ge Zer­stö­rung jü­di­schen Be­sit­zes, der Boy­kott jü­di­scher Ge­schäf­te und die An­eig­nung jü­di­schen Ver­mö­gens. Ei­ni­ge Bei­spie­le aus dem Rhein­land: Im Land­kreis Schlei­den hiel­ten Par­tei­mit­glie­der im Som­mer 1934 die Be­völ­ke­rung ge­walt­sam da­von ab, in jü­di­schen Ge­schäf­ten ein­zu­kau­fen. Im Re­gie­rungs­be­zirk Aa­chen zo­gen „Par­tei­ge­nos­sen“ in der Vor­weih­nachts­zeit 1934 nachts durch die Stra­ßen und be­schmier­ten Ge­schäf­te von Ju­den mit an­ti­se­mi­ti­schen Pa­ro­len. In Zel­tin­gen im Re­gie­rungs­be­zirk Trier war­fen drei NSKK-An­ge­hö­ri­ge Fens­ter­schei­ben jü­di­scher Ge­schäf­te und Pri­vat­woh­nun­gen ein.[17] Bis­lang sind sol­che Ge­walt­ak­tio­nen als Ein­zel­ta­ten fa­na­ti­sier­ter Par­tei­ka­der ab­ge­tan wor­den, de­nen jed­we­de Sys­te­ma­tik ge­fehlt ha­be. Mi­cha­el Wildt hat je­doch ge­zeigt, dass sie vor­sätz­lich durch­ge­führt wur­den, um den deut­schen Ju­den das Le­ben im­mer wei­ter zu er­schwe­ren.[18] Auch ka­men die Tä­ter in der Re­gel aus dem di­rek­ten Um­feld der Op­fer und wa­ren kei­nes­wegs Orts­frem­de.

Den trau­ri­gen Hö­he­punkt fand die an­ti­jü­di­sche Ge­walt am 9. und 10.11.1938, und de­ren In­ten­si­tät war im Rhein­land nicht viel ge­rin­ger als an­dern­orts.[19] Die NS­DAP-Ak­ti­vis­ten zün­de­ten die Syn­ago­gen an, zer­stör­ten jü­di­sche Kul­tus­ge­gen­stän­de, plün­der­ten Ge­schäf­te und Woh­nun­gen, ver­schlepp­ten männ­li­che Ju­den in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und miss­han­del­ten sie. Ei­ne ex­ak­te Bi­lanz der jü­di­schen Op­fer und der Zer­stö­run­gen exis­tiert bis­lang nicht. Die neu­es­ten Schät­zun­gen ge­hen von min­des­tens 91 Er­mor­de­ten, 1.400 ver­brann­ten Syn­ago­gen und mehr als 30.000 ver­schlepp­ten Män­nern aus. Ei­ni­ge Bei­spie­le aus dem Rhein­land, die aus den Er­in­ne­rungs­be­rich­ten der Op­fer stam­men[20]: In Düs­sel­dorf miss­han­del­ten SA- und SS-An­ge­hö­ri­ge ei­nen 20-jäh­ri­gen Ju­den schwer. In Es­sen wur­de der La­den ei­nes Ge­flü­gel­händ­lers ge­plün­dert und dem Ge­schäfts­in­ha­ber in den Hals ge­sto­chen. Eben­falls in Es­sen schleif­ten die NS-Ak­ti­vis­ten ei­ne schwer­kran­ke 60-jäh­ri­ge Frau aus dem Bett in den Gar­ten, wo sie sie wäh­rend der Käl­te ein­fach lie­gen lie­ßen. In Aa­chen bra­chen Un­be­kann­te in der Nacht auf den 10.11.1938 in das Haus ei­nes Ehe­paa­res ein und miss­han­del­ten es. In Düs­sel­dorf über­fiel ein SA-Trupp ein Ca­fé, zer­trüm­mer­te es und schoss den jü­di­schen Be­sit­zer an. We­nig spä­ter starb er.

Nach dem En­de des Zwei­ten Welt­kriegs führ­ten deut­sche Ge­rich­te un­zäh­li­ge Ver­fah­ren ge­gen die Po­grom­tä­ter durch, die von der For­schung bis­lang kaum ein­mal sys­te­ma­tisch aus­ge­wer­tet wor­den sind. Auf­fäl­lig ist, dass die Mehr­zahl der männ­li­chen NS-Tä­ter sich aus Per­so­nen re­kru­tier­ten, die den NS-Or­ga­ni­sa­tio­nen erst nach dem 30.1.1933 bei­ge­tre­ten wa­ren.[21] In der SA wa­ren al­so nicht die Ak­ti­vis­ten un­ter den Po­grom­tä­tern zu fin­den, die vor 1933 ge­gen Kom­mu­nis­ten oder So­zi­al­de­mo­kra­ten Ge­walt an­ge­wandt hat­ten. Viel­mehr tru­gen jetzt neue Ka­der, die sich in den NS-Or­ga­ni­sa­tio­nen erst ein­mal be­wäh­ren muss­ten, die an­ti­jü­di­sche Ge­walt.

4. Die angeschlossenen Verbände: Das Beispiel der NSV

Auch die an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de der NS­DAP ent­wi­ckel­ten sich spä­tes­tens nach der Reichs­tags­wahl vom 5.3.1933 zu In­stru­men­ta­ri­en der „Gleich­schal­tun­g“ der deut­schen Ge­sell­schaft. Sie wa­ren in der „Kampf­zeit“ ge­grün­det wor­den, um spe­zi­fi­sche Be­rufs­grup­pen wie Ärz­te, Be­am­te, Ar­bei­ter, Leh­rer und Kriegs­op­fer als Wäh­ler für die NS­DAP zu ge­win­nen. Im Früh­jahr 1933 gin­gen die an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de da­zu über, die­se Kli­en­tel mög­lichst voll­stän­dig für sich zu ver­ein­nah­men. In al­ler Re­gel voll­zog sich die „Gleich­schal­tun­g“ der Ver­ei­ne, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de oh­ne grö­ße­re Ge­walt­ak­tio­nen. Sie ba­sier­te auf In­itia­ti­ven ört­li­cher Ho­no­ra­tio­ren, die dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus bis­her eher fern­ge­stan­den hat­ten. Nach dem 30.1.1933 hat­ten sie nichts Ei­li­ge­res zu tun, als ih­re Ver­ei­ne und Ver­bän­de be­reit­wil­lig an die Im­pe­ra­ti­ve der NS­DAP an­zu­pas­sen. Dies ge­schah, in­dem sie NS-Par­tei­gän­ger in die Vor­stän­de hol­ten und das „Füh­rer­prin­zip“ und den „Ari­er­pa­ra­gra­phen“ in den Sat­zun­gen fest­schrie­ben. Ju­den wa­ren die ers­ten, die aus den „gleich­ge­schal­te­ten“ Ver­ei­nen, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­den aus­schei­den muss­ten.

Von die­sen Maß­nah­men war der Weg zur voll­stän­di­gen in­sti­tu­tio­nel­len Ein­ver­lei­bung der be­ste­hen­den Ver­ei­ne in die NS­DAP nicht weit. Die an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de avan­cier­ten bald zu Ein­heits­or­ga­ni­sa­tio­nen der je­wei­li­gen Be­rufs­grup­pen. Wo die­ser in­sti­tu­tio­nel­le Pro­zess, wie et­wa bei den Kar­ne­vals­ver­ei­nen, un­ter­blieb, kam es im Lau­fe der Zeit zu ideo­lo­gi­schen An­pas­sun­gen. Ge­ne­rel­les Mus­ter die­ser „Gleich­schal­tun­g“ der Ver­ei­ne, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de war aber auch im Rhein­land die Frei­wil­lig­keit. Of­fen­sicht­lich hat­te Hit­lers Er­nen­nung zum Reichs­kanz­ler bis zum Som­mer 1933 ei­ne Sog­wir­kung ent­facht, der sich die Ver­eins­vor­stän­de we­der ent­zie­hen konn­ten noch woll­ten. Be­geis­tert reih­ten sie sich in die Pha­lanx des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ein.

Reichsorganisationsleiter, Parteistatistik, Band 3, S. 77, 89, 97, 110. Die Zahlen zur HJ und zum BDM umfassen nur die Altersklassen von 14-18 beziehungsweise 14-21 Jahren. Zum NSKK Hochstetter, Motorisierung. (Reichsorganisationsleiter, Parteistatistik, Band 3, S. 58-50)

 

Das Mit­glie­der­wachs­tum in den an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­den der NS­DAP war enorm und voll­zog sich atem­be­rau­bend schnell. Die ne­ben­ste­hen­de Ta­bel­le zum 1.1.1935 lässt die­se Ent­wick­lung er­ah­nen. Or­ga­ni­sa­tio­nen wie die NSV, das Deut­sche Frau­en­werk (DFW), die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Kriegs­op­fer­ver­sor­gung (NS­KOV) und der Reichs­bund der Deut­schen Be­am­ten (RDB) wa­ren vor 1933 ent­we­der noch nicht exis­tent ge­we­sen oder hat­ten reichs­weit nur we­ni­ge Tau­send Mit­glie­der be­ses­sen. Le­dig­lich die Deut­sche Ar­beits­front (DAF), die Mit­te Mai 1933 ge­grün­det wor­den war, konn­te auf die aus et­wa hun­dert­tau­send Mit­glie­dern be­ste­hen­de NS­BO zu­rück­grei­fen. Die DAF wur­de bald zum grö­ß­ten an­ge­schlos­se­nen Ver­band der NS­DAP mit mehr als 22 Mil­lio­nen Mit­glie­dern zu Be­ginn des Zwei­ten Welt­kriegs.[22] 

Am in­ter­es­san­tes­ten ist in die­sem Zu­sam­men­hang die Ge­schich­te der NSV, die vor 1933 nur in we­ni­gen Groß­städ­ten wie Ber­lin exis­tiert hat­te. Am 3.5.1933 er­kann­te Hit­ler die NSV als ein­zi­ge par­tei­amt­li­che Für­sor­ge­or­ga­ni­sa­ti­on an. We­ni­ge Wo­chen spä­ter er­teil­te die Par­tei­füh­rung dem NSV-Vor­sit­zen­den Erich Hil­gen­feldt (1897-1945) den Auf­trag, für die Auf­lö­sung al­ler pri­va­ten Wohl­fahrts­ein­rich­tun­gen Sor­ge zu tra­gen und die Füh­rung des Ca­ri­tas­ver­ban­des und der In­ne­ren Mis­si­on in die Hand zu neh­men.[23] Die NSV soll­te al­so die freie Wohl­fahrts­pfle­ge „gleich­schal­ten“, die im We­sent­li­chen von den bei­den christ­li­chen Kon­fes­sio­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen der Ar­bei­ter­be­we­gung ge­tra­gen wur­de. Da­bei pro­fi­tier­te sie vom po­li­zei­li­chen Ver­bot der Ar­bei­ter­wohl­fahrt und der Ro­ten Hil­fe, de­ren Ein­rich­tun­gen sie über­nahm. Um die an­de­ren drei Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen In­ne­re Mis­si­on, Ca­ri­tas und Deut­sches Ro­tes Kreuz (DRK) kon­trol­lie­ren zu kön­nen, schloss die NSV Ar­beits­ab­kom­men mit ih­nen.[24] In den fol­gen­den Jah­ren ent­wi­ckel­te sich im NS-Staat ein Wohl­fahrts­kor­po­ra­tis­mus, der auf die­sen vier in­sti­tu­tio­nel­len Stand­bei­nen be­ruh­te.[25] 

Die Mitglieder von DAF, NSV, DFW, NSKOV und RDB in den vier rheinischen NSDAP-Gauen am 1.1.1935. (Reichsorganisationsleiter, Parteistatistik, Band 3, S. 58-50)

 

Nimmt man die obi­ge Ta­bel­le als Re­fe­renz, so lag der An­teil der NSV-Mit­glie­der an der Ge­samt­be­völ­ke­rung im Deut­schen Reich am 1.1.1935 bei 5,8 Pro­zent. Die Gaue Düs­sel­dorf und Köln-Aa­chen über­tra­fen die­sen Wert mit 7,3 und 6,9 Pro­zent, die Gaue Es­sen und Ko­blenz-Trier blie­ben mit 4,8 und 5,3 Pro­zent da­hin­ter zu­rück. In­ter­es­sant sind nun die Stei­ge­rungs­ra­ten bei den NSV-Mit­glie­dern. Im Gau Düs­sel­dorf ge­hör­ten ihr am 1.1.1938 ex­akt 425.746 Per­so­nen an, was ei­ner Ver­drei­fa­chung bin­nen drei­er Jah­re gleich­kam.[26] Für die drei an­de­ren rhei­ni­schen Gaue lie­gen kei­ne ge­nau­en Zah­len vor. Es ist da­von al­ler­dings aus­zu­ge­hen, dass die Stei­ge­rungs­ra­ten ähn­lich aus­fie­len. Nicht ver­ges­sen wer­den darf in die­sem Zu­sam­men­hang, dass die­se Mit­glie­der­zah­len auf ei­ner re­la­tiv ag­gres­si­ven Re­kru­tie­rungs­stra­te­gie ba­sier­ten. Ein Be­richt der Exil-SPD vom Ok­to­ber 1936 be­schreibt die­se wie folgt: Rhein­land-West­fa­len: Die Wer­bung für die NSV gleicht ei­ner Er­pres­sung. Man ver­sucht al­le Ein­woh­ner in die NSV hin­ein zu be­kom­men, und ver­weist un­ge­niert dar­auf, daß, wer nicht Mit­glied sei und et­was ge­be, auch nichts er­hal­ten kön­ne. Die Hilfs­be­dürf­ti­gen müs­sen al­so zu­erst zah­len, wenn sie et­was er­hal­ten wol­len. Im Kreis Aa­chen-Land wur­de die Wer­bung für die NSV be­son­ders stark be­trie­ben. Die An­kün­di­gung, daß, wer nicht bei­tre­te, nicht mehr als zur Volks­ge­mein­schaft ge­hö­rig be­trach­tet wer­de […], be­wirk­te[n] ein zum Teil drei­fa­ches An­schwel­len der Mit­glie­der­zah­len. Es ist im­mer das­sel­be: wer nicht mit­macht, wird ent­spre­chend be­han­delt.[27] Durch sol­che Me­tho­den ent­wi­ckel­te sich die NSV zum zweit­grö­ß­ten an­ge­schlos­se­nen Ver­band der NS­DAP. Zu Kriegs­be­ginn ge­hör­ten ihr mehr als 14 Mil­lio­nen Mit­glie­der an.

Die wich­tigs­te Auf­ga­be der NSV war das „Win­ter­hilfs­wer­k“ (WHW), das im Herbst 1933 ins Le­ben ge­ru­fen wur­de.[28] Da­zu zähl­ten die jähr­lich im Deut­schen Reich ab­ge­hal­te­ne Sach- und Geld­samm­lung, und die „Be­treu­un­g“ Hilfs­be­dürf­ti­ger, die am 1. Ok­to­ber ei­nes je­den Jah­res ein­setz­te und am 31. März des dar­auf­fol­gen­den Jah­res en­de­te. Spen­den wur­den bei al­len „Volks­ge­nos­sen“ und „jü­di­schen Misch­lin­gen“ ge­sam­melt, nicht aber bei Ju­den.[29] Die Samm­lun­gen ver­lie­fen teils sehr ag­gres­siv. Die Mit­ar­bei­ter des WHW, be­dräng­ten Per­so­nen, die ih­rer An­sicht nach zu we­nig ge­ge­ben hat­ten, ver­öf­fent­lich­ten Lis­ten mit un­wil­li­gen Spen­dern, die sie als „Volks­schäd­lin­ge“ dif­fa­mier­ten, und schrie­ben säu­mi­ge Spen­der an. Wäh­rend des WHW fan­den ein­mal mo­nat­lich „Ein­topf­sonn­ta­ge“ statt, bei de­nen Gast­stät­ten da­zu ver­pflich­tet wur­den, aus­schlie­ß­lich Ein­topf an­zu­bie­ten. Vom Er­trag muss­te ein Vier­tel bis die Hälf­te als Spen­de für das WHW ab­ge­führt wer­den. Die „Be­treu­un­g“ im Rah­men des WHW folg­te dem Grund­satz, mit der Hil­fe­leis­tung er­zie­he­ri­sche Maß­nah­men zu ver­bin­den.[30] Leis­tungs­emp­fän­ger wähl­te man nach „po­li­ti­schen“ Ge­sichts­punk­ten aus. Selbst Aus­län­der wur­den oh­ne Rück­sicht auf Ras­se und Na­tio­na­li­tät [un­ter­stützt], wenn sie sich durch ih­re Hal­tung und Ein­stel­lung ge­gen­über dem Deut­schen Rei­che ei­ner Un­ter­stüt­zung [als] wür­dig er­wie­sen. Ju­den be­sa­ßen al­ler­dings kein An­recht auf WHW-Leis­tun­gen.

Ras­sen­po­li­ti­sche Se­lek­ti­on und po­li­ti­sches Wohl­ver­hal­ten wa­ren die bei­den zen­tra­len Kri­te­ri­en, nach de­nen die NSV ih­re Leis­tun­gen ver­gab. Sie war al­so kein un­po­li­ti­scher Für­sor­ge­ap­pa­rat, son­dern ein In­stru­ment des „völ­ki­schen Wohl­fahrts­staa­tes“. Dies lässt sich aus der Tä­tig­keit des Am­tes für Fa­mi­li­en­hil­fe und Woh­nungs­für­sor­ge er­se­hen. Es war ei­nes der grö­ß­ten im Haupt­amt für Volks­wohl­fahrt, al­so der zen­tra­len Dienst­stel­le der NSV auf Reichs­ebe­ne. In den Gau­en un­ter­stand die­ses Amt den Gau­amts­lei­tern für Volks­wohl­fahrt. Es be­ar­bei­te­te al­le An­ge­le­gen­hei­ten des „Hilfs­werks Mut­ter und Kin­d“, dem Vor­zei­ge­pro­jekt der NSV. Das „Hilfs­werk Mut­ter und Kin­d“ ge­währ­te kin­der­rei­chen Fa­mi­li­en und al­lein er­zie­hen­den Müt­tern Ar­beits­platz- und Woh­nungs­hil­fe, me­di­zi­ni­sche Un­ter­stüt­zung und bot Kin­der­be­treu­ung an. Die Hilfs­maß­nah­men konn­ten auf An­trag von (wer­den­den) Müt­tern, Be­hör­den und Ein­zel­per­so­nen ge­währt wer­den. Sie setz­ten ei­ne amts­ärzt­li­che Un­ter­su­chung der Mut­ter so­wie ei­ne Prü­fung ih­rer wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se vor­aus. Leis­tun­gen wa­ren al­so an ei­nen po­si­ti­ven „Ras­se­wer­t“ ge­bun­den. Die Zahl be­treu­ter Müt­ter stieg im Deut­schen Reich von 175.000 im Jah­re 1935 auf mehr als 500.000 im Jah­re 1941 an. Im glei­chen Zeit­raum ver­drei­fach­te sich der Be­such der Hilfs­stel­len auf 10,3 Mil­lio­nen Per­so­nen. 1941 gab es fast 30.000 „Hilfs­stel­len Mut­ter und Kin­d“ mit mehr als 8.000 Ärz­ten. Dar­in zeigt sich die ho­he Be­deu­tung, die die NSV der „fa­mi­li­en­po­li­ti­schen“ Ar­beit zu­maß. Die­se Tä­tig­kei­ten wa­ren ein­deu­tig ideo­lo­gisch aus­ge­rich­tet. Leis­tun­gen ka­men nur „ras­sisch wert­vol­len“ Müt­tern und Kin­dern zu Gu­te.

Erich Hilgenfeldt, Porträtfoto.

 

Zur Haupt­auf­ga­be der NSV im Krieg ent­wi­ckel­te sich die Un­ter­stüt­zung der Per­so­nen, die aus spe­zi­fi­schen Grün­den aus ih­ren Hei­mat­or­ten eva­ku­iert wur­den. Die NSV führ­te die Trans­por­te durch, sorg­te für die Ver­pfle­gung der Eva­ku­ier­ten und stell­te ma­te­ri­el­le Gü­ter und Un­ter­künf­te be­reit. Sie küm­mer­te sich al­so um al­le Be­dürf­nis­se des täg­li­chen Le­bens der Eva­ku­ier­ten und de­ren An­ge­hö­ri­ger. Dies be­gann mit den „Frei­ma­chun­gen“ an der west­li­chen Reichs­gren­ze im Sep­tem­ber 1939. In de­ren Ver­lauf wur­den mehr als 900.000 Per­so­nen aus den Gau­en Saar­pfalz, Ko­blenz-Trier, Ba­den, Köln-Aa­chen, Es­sen und Düs­sel­dorf ins Reich­sin­ne­re trans­por­tiert.[31] Das NS-Re­gime er­war­te­te jetzt ei­nen An­griff der fran­zö­si­schen Ar­mee und woll­te sei­ne mi­li­tä­ri­sche Be­we­gungs­frei­heit an der „West­fron­t“ er­hö­hen. Mit der Es­ka­la­ti­on des al­li­ier­ten Bom­ben­kriegs seit Herbst 1940 kam die Er­wei­ter­te Kin­der­land­ver­schi­ckung als neue Eva­ku­ie­rungs­maß­nah­me da­zu. Da­bei brach­te die NSV die 6-10jäh­ri­gen Kin­der aus den luft­kriegs­ge­fähr­de­ten Ge­bie­ten bei Ver­wand­ten un­ter.[32] 

In den fol­gen­den Jah­ren wur­den die „Eva­ku­ie­run­g“ ein im­mer wich­ti­ge­res Tä­tig­keits­feld der NSV. Ei­ne Auf­stel­lung aus dem Haupt­amt für Volks­wohl­fahrt aus dem Ja­nu­ar 1945 er­gibt für die vier rhei­ni­schen Gaue fol­gen­des Bild: Aus dem Gau Düs­sel­dorf be­fan­den sich 300.000 Per­so­nen in an­de­ren Gau­en, haupt­säch­lich in Thü­rin­gen.[33] Aus dem Gau Es­sen wa­ren 200.000 Per­so­nen eva­ku­iert, der Gro­ß­teil da­von nach Mag­de­burg-An­halt. Der Gau Köln-Aa­chen war ei­ner der grö­ß­ten Auf­nah­me- und gleich­zei­tig Ent­sen­de­gaue im Deut­schen Reich. 800.000 Per­so­nen wa­ren von dort eva­ku­iert und zu­gleich mehr als 200.000 Per­so­nen aus an­de­ren Gau­en auf­ge­nom­men wor­den. Und der Gau Mo­sel­land hat­te 170.000 Eva­ku­ier­te aus an­de­ren luft­kriegs­ge­fähr­de­ten Ge­bie­ten un­ter­ge­bracht. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren fast neun Mil­lio­nen Men­schen un­ter Fe­der­füh­rung der NSV eva­ku­iert wor­den. Die Ak­zep­tanz die­ser NS-Or­ga­ni­sa­ti­on im Rhein­land scheint re­la­tiv groß ge­we­sen zu sein.

Hilfsstelle 'Mutter und Kind', Amtsschild der NS-Volkswohlfahrt. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

 

5. Sonderfall Reichsnährstand

Das zen­tra­le Agi­ta­ti­ons­in­stru­ment der NS­DAP vor 1933 war der Agrar­po­li­ti­sche Ap­pa­rat un­ter Ri­chard Walt­her Dar­ré (1895-1953) ge­we­sen. Oh­ne des­sen Land­pro­pa­gan­da, vor al­lem in über­wie­gend pro­tes­tan­ti­schen Ge­bie­ten, wä­re die NS­DAP nie­mals zur stärks­ten Reichs­tags­frak­ti­on ge­wor­den.[34] Ih­re Agi­ta­ti­on si­cher­te ihr bald das Ver­trau­en dörf­li­cher Mei­nungs­füh­rer wie Pfar­rer, Dorf­schul­leh­rer und agra­ri­scher Ho­no­ra­tio­ren. Dies schlug sich in per­ma­nen­ten Stim­men­ge­win­nen bei vie­len Reichs- und Land­tags­wah­len nie­der. Schnell avan­cier­te die NS­DAP auf dem Land zu ei­ner Art pro­tes­tan­ti­scher Mi­lieu­par­tei. Auch in den Kör­per­schaf­ten der agra­ri­schen Selbst­ver­wal­tung ge­wann sie im­mer mehr po­li­ti­sches Ter­rain. Im De­zem­ber 1931 wur­de et­wa in den elf Preu­ßi­schen Pro­vin­zen die Hälf­te der Sit­ze in den Land­wirt­schafts­kam­mern neu be­stimmt. Wahl­be­rech­tigt wa­ren al­ler­dings nur Hof­be­sit­zer, nicht Jung­bau­ern. Den­noch er­ziel­te die NS­DAP be­trächt­li­che Er­fol­ge, die ihr zwi­schen ei­nem und zwei Drit­tel der neu ver­ge­be­nen Sit­ze be­scher­ten. In der Rhein­pro­vinz fiel das Er­geb­nis je­doch et­was ma­ge­rer aus, denn dort ge­wann der Agrar­po­li­ti­sche Ap­pa­rat der NS­DAP nur zehn von 40 Sit­zen.[35] Bei der Macht­über­nah­me am 30.1.1933 zähl­te Dar­rés Or­ga­ni­sa­ti­on et­wa 10.000 Mit­glie­der. 

Mit Plakaten wurde Ende 1944 in rheinisch-westfälischen Städten für die Evakuierung der Kinder im Rahmen der KLV geworben. (Stadtarchiv Herne)

 

In den nach­fol­gen­den Wo­chen ging der Agrar­po­li­ti­sche Ap­pa­rat der NS­DAP da­zu über, die land­wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen­ver­bän­de „gleich­zu­schal­ten“. Als Keim­zel­le fun­gier­te der Reichs­land­bund, den die NS­DAP schon vor 1933 un­ter­wan­dert hat­te.[36] Im Mai 1933 ver­öf­fent­lich­te Dar­ré ei­nen „Grund­plan“, um das land­wirt­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­we­sen neu zu struk­tu­rie­ren. Nach­dem er am 29.6.1933 zum Reichs­mi­nis­ter für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft er­nannt wor­den war, wa­ren die­ser „Gleich­schal­tun­g“ kei­ne Gren­zen mehr ge­setzt. Reichs­bau­ern­füh­rer Dar­ré, so sein par­tei­of­fi­ziö­ser Ti­tel, konn­te sich jetzt staat­li­cher Macht­mit­tel be­die­nen. Es folg­te ein Bün­del an Ge­set­zen zur Neu­ord­nung der Land­wirt­schaft. Am 13.9.1933 wur­de schlie­ß­lich der Reichs­nähr­stand aus der Tau­fe ge­ho­ben. Die­ser war ei­ne Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft öf­fent­li­chen Rechts. Die Mit­glied­schaft war ei­ne ge­setz­li­che und er­folg­te nicht, wie bei der DAF, durch frei­wil­li­gen Bei­tritt. Al­le in der Land­wirt­schaft tä­ti­gen Men­schen, Ver­ei­ne und Ver­bän­de, die dem Reichs­nähr­stand an­ge­glie­dert wa­ren, land­wirt­schaft­li­che Ge­nos­sen­schaf­ten, Per­so­nen, die im Land­han­del tä­tig wa­ren, und sämt­li­che Kör­per­schaf­ten öf­fent­li­chen Rechts, die zur Durch­füh­rung der Markt­ord­nung ge­bil­det wor­den wa­ren, muss­ten kor­po­ra­tiv die­ser Zwangs­or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­hö­ren.[37] Sie war das ein­zi­ge Pro­jekt, das von den Pla­nun­gen der NS­DAP zu ei­nem „stän­di­schen Auf­bau“ üb­rig­ge­blie­ben war.

Das staats­recht­li­che Ver­hält­nis zwi­schen P. O. und Reichs­nähr­stand blieb lan­ge Zeit in der Schwe­be. Ei­ne ge­naue­re Klä­rung er­fuhr es mit der „Ver­ord­nung zur Durch­füh­rung des Ge­set­zes zur Si­che­rung der Ein­heit von Par­tei und Staa­t“ vom 29.3.1935. Dem folg­ten Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Reichs­bau­ern­füh­rer Dar­ré und an­de­ren Par­tei­füh­rern zur Ab­gren­zung der je­wei­li­gen Kom­pe­ten­zen. Ein ju­ris­ti­scher Kom­men­tar be­schrieb die Stel­lung des Reichs­nähr­stands im Jah­re 1936 wie folgt: Der Reichs­nähr­stand ist als ei­ne der Reichs­auf­sicht un­ter­stell­te Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft öf­fent­li­chen Rechts kei­ne Glie­de­rung der Par­tei; er ge­hört auch nicht zu den der Par­tei an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­den. Die NS­DAP. ist aber die Trä­ge­rin der po­li­ti­schen Wil­lens­bil­dung auch auf dem Ge­biet der ge­sam­ten Agrar­po­li­tik […]. Da­durch, daß der Reichs­bau­ern­füh­rer zu­gleich Lei­ter des Am­tes für Agrar­po­li­tik und die meis­ten Orts-, Kreis- und Lan­des­bau­ern­füh­rer zu­gleich Amts­lei­ter die­ses Am­tes sind, hat die Par­tei in fach­li­cher und per­so­nel­ler Hin­sicht ei­nen un­mit­tel­ba­ren und dau­ernd wirk­sa­men Ein­fluß auf die Tä­tig­keit des Reichs­nähr­stan­des.[38] P. O. und Reichs­nähr­stand wa­ren al­so nur durch die Per­so­nal­unio­nen in den lei­ten­den Agraräm­tern der Gau-, Kreis- und Orts­grup­pen­stä­be mit­ein­an­der ver­bun­den.

Richard Walther Darré, Porträtfoto. (Bundesarchiv, Bild 119-2179 / CC BY-SA 3.0 de)

 

Seit 1935/1936 dif­fe­ren­zier­te sich der Reichs­nähr­stand kon­ti­nu­ier­lich aus der P. O. aus und wur­de zu ei­ner von ihr un­ab­hän­gi­gen Or­ga­ni­sa­ti­on. In­sti­tu­tio­nell kam dies dar­in zum Aus­druck, dass die Mit­glie­der­zahl des Reichs­nähr­stands durch die Er­he­bung zu ei­ner Zwangs­or­ga­ni­sa­ti­on ex­plo­dier­te. Von knapp drei Mil­lio­nen am 1.1.1935 schwoll sie bis 1937/1938 auf mehr als 17 Mil­lio­nen Per­so­nen an. Au­ßer­dem stimm­ten we­der die Lan­des- noch die Kreis- und Orts­bau­ern­schaf­ten ter­ri­to­ri­al mit den Gau­en, Krei­sen und Orts­grup­pen der NS­DAP über­ein. 1936 gab es im Deut­schen Reich 19 Lan­des-, über 500 Kreis- und mehr als 55.000 Orts­bau­ern­schaf­ten.[39] Zum sel­ben Zeit­punkt exis­tier­ten 32 Gaue der NS­DAP mit et­wa 850 Krei­sen und et­was über 20.000 Orts­grup­pen. Auch bei den Funk­tio­nä­ren er­gab sich ei­ne grö­ße­re quan­ti­ta­ti­ve Dis­kre­panz zwi­schen P. O. und Reichs­nähr­stand. Am 1.1.1935 wa­ren in letz­te­rem 101.852 „Füh­ren­de“ tä­tig.[40] Da­von am­tier­ten le­dig­lich 13.915 als Po­li­ti­sche Lei­ter in den Gau-, Kreis- und Orts­grup­pen­äm­tern für Agrar­po­li­tik. In den vier Gau­en der Rhein­pro­vinz ge­stal­te­ten sich die Zah­len wie folgt: In Düs­sel­dorf wa­ren es 718, in Es­sen 828, in Ko­blenz-Trier 4.065 und in Köln-Aa­chen 1.944 „Füh­ren­de“. Al­le vier Gaue zähl­ten zur Lan­des­bau­ern­schaft Rhein­land un­ter Lan­des­bau­ern­füh­rer Ku­no Hein­rich Fran­zis­kus Ma­ria Hu­ber­tus Frei­herr zu Eltz-Rü­be­nach (1904-1945).[41] Die­ser war vom 21.7.1933 bis zu sei­nem To­de am 10.1.1945 im Amt; sein Dienst­sitz lag in Bonn. Zu­gleich lei­te­te Eltz-Rü­be­nach das Gau­amt für Agrar­po­li­tik Köln-Aa­chen.

Reichsnährstand, Propagandapostkarte, 1939. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

 

Wie ar­bei­te­te die Lan­des­bau­ern­schaft Rhein­land und was wa­ren ih­re haupt­säch­li­chen Tä­tig­keits­fel­der? Ge­ne­rell soll­te der Reichs­nähr­stand die agra­ri­sche Pro­duk­ti­on len­ken, den Ver­trieb der Er­zeug­nis­se si­cher­stel­len, die Prei­se fest­le­gen und sei­ne Mit­glie­der im Sin­ne der „Blut-und-Bo­den“-Ideo­lo­gie in­dok­tri­nie­ren. Zu die­sem Zwe­cke rich­te­te Dar­ré auf al­len Ebe­nen sei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on drei Haupt­ab­tei­lun­gen ein. Die Haupt­ab­tei­lung I („Der Men­sch“) war für die Er­zie­hung und Kon­trol­le der Mit­glie­der und ih­rer An­ge­hö­ri­gen zu­stän­dig.[42] Da­zu zähl­ten „Sip­pen­pfle­ge und Sip­pen­for­schun­g“, die Her­stel­lung und Si­che­rung der bäu­er­li­chen „Be­triebs­ge­mein­schaf­t“, die „Schu­lun­g“ der Land­ju­gend und der Land­frau­en, die Rechts­be­ra­tung und die „be­rufs­stän­di­sche Lei­bes­er­zie­hun­g“. Die­se Auf­ga­ben ent­spra­chen der „Men­schen­füh­run­g“ der NS­DAP.[43] Die Haupt­ab­tei­lung II („Der Hof“) küm­mer­te sich um al­le Fra­gen, die mit der land­wirt­schaft­li­chen Er­zeu­gung zu tun hat­ten. Der Haupt­ab­tei­lung III („Der Mark­t“) ob­lag die Re­ge­lung der ord­nen­den Tä­tig­keit der Markt­ver­bän­de. Al­les in al­lem war der Reichs­nähr­stand ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on, die ten­den­zi­ell das bäu­er­li­che Le­ben von der Wie­ge bis zur Bah­re zu re­geln ver­such­te. Dar­aus ent­stan­den auch im Rhein­land im­mer wie­der Kon­flik­te mit den Bau­ern.[44] Ob es um die Ge­stal­tung der Milch­prei­se, die Ab­ga­be­quo­ten, den Vieh­be­stand oder den Land­han­del ging: im­mer tra­fen bü­ro­kra­ti­sche Re­ge­lungs­be­dürf­nis­se auf die Re­sis­tenz der Be­trof­fe­nen. Ei­ne ge­naue­re Ana­ly­se des Reichs­nähr­stands in der Rhein­pro­vinz ist al­ler­dings noch ein For­schungs­de­si­de­rat.

6. Schlussbetrachtung

Der Mit­glie­der­zu­strom zur Par­tei, ih­ren Glie­de­run­gen und an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­den im Rhein­land, war am 1.1.1935 – dem Stich­tag der „Par­tei­sta­tis­ti­k“ – noch lan­ge nicht er­schöpft. Die NS­DAP nahm bis zum En­de des Zwei­ten Welt­kriegs kon­ti­nu­ier­lich wei­ter Mit­glie­der auf. Im Früh­jahr 1943 gab es in der Rhein­pro­vinz mehr als 550.000 „Par­tei­ge­nos­sen“; auf Reichs­ebe­ne mehr als 6,5 Mil­lio­nen. Auch die Mit­glieds­ra­ten in SS und HJ so­wie in DAF und NSV nah­men im Rhein­land per­ma­nent zu, wenn­gleich hier noch For­schungs­be­darf be­steht. Kei­ne die­ser Or­ga­ni­sa­tio­nen ist bis­lang un­ter­sucht, und zwar in kei­nem der vier rhei­ni­schen Gaue. Den­noch ist das öf­fent­li­che Bild, das heu­te über die NS­DAP be­steht, ein ver­fes­tig­tes und mei­nungs­star­kes. Seit lan­gem glau­ben wir zu wis­sen, wel­ches die Funk­tio­nen der NS­DAP nach 1933 wa­ren und wie sie im All­tag agier­te. Bis­her ist die per­so­nel­le Ent­wick­lung ih­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen stets un­ter dem Pa­ra­dig­ma der „Er­fas­sun­g“ ab­ge­han­delt wor­den. Das Wort sug­ge­riert, die Par­tei, ih­re Glie­de­run­gen und an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de hät­ten ih­re An­ge­hö­ri­gen in je­dem Fall durch schie­ren Zwang re­kru­tiert. Dies trifft am ehes­ten auf die Pflicht­or­ga­ni­sa­tio­nen zu, al­so in ers­ter Li­nie auf DAF, Hit­ler-Ju­gend und den Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Leh­rer­bund (NSLB). Mit dem Be­griff der „Er­fas­sun­g“ geht die An­sicht ein­her, die haupt­säch­li­che Funk­ti­on der NS­DAP ha­be in der so­zia­len Dis­zi­pli­nie­rung ih­rer Mit­glie­der ge­le­gen.

Das Mit­glie­der­wachs­tum wä­re aber oh­ne die Be­reit­schaft der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung, in die Par­tei, ih­re Glie­de­run­gen und an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de ein­zu­tre­ten, nicht in die­sem Aus­maß er­folgt. Und die­se Be­reit­schaft er­klärt sich aus den viel­fäl­ti­gen so­zia­len, ma­te­ri­el­len und kul­tu­rel­len Vor­tei­len, die sich aus der Zu­ge­hö­rig­keit zur NS­DAP er­ge­ben konn­ten. Sie bot ih­ren Mit­glie­dern näm­lich vie­le Mög­lich­kei­ten.[45] Ih­ren haupt­be­ruf­li­chen Ar­beits­kräf­ten er­mög­lich­te sie ein re­gel­mä­ßi­ges Ein­kom­men und ei­nen bun­ten Strauß an Für­sor­ge- und Ver­sor­gungs­leis­tun­gen. Eh­ren­amt­li­chen Funk­tio­nä­ren er­mög­lich­te sie all­täg­li­che Macht­aus­übung und viel­fäl­ti­ge so­zia­le An­er­ken­nung.[46] Ein­fa­chen Mit­glie­dern er­mög­lich­te die NS­DAP fach­li­che Aus- und Wei­ter­bil­dung, et­wa in Stu­di­um und Be­ruf, so­wie die Ab­si­che­rung ih­res ei­ge­nen Ge­wer­bes durch öf­fent­li­che Auf­trä­ge. Die NS­DAP gab ih­ren Mit­glie­dern Si­cher­heit; und das war für die rhei­ni­sche Be­völ­ke­rung wich­tig. Der Preis, den sie da­für zahl­te, be­stand in Wohl­ver­hal­ten.

Ich ha­be drei Prak­ti­ken der NS­DAP ge­schil­dert: In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung, Ge­walt und Hil­fe. Da­mit sind die Tä­tig­kei­ten der P. O., der Glie­de­run­gen und an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de noch nicht er­schöpft. Ei­ne aus­führ­li­che Ana­ly­se müss­te noch Er­zie­hung, Kon­trol­le und Mo­bi­li­sie­rung be­rück­sich­ti­gen. Zu­dem müss­te sie die­se sechs Prak­ti­ken der NS­DAP im di­a­chro­nen Zeit­ab­lauf schil­dern, um et­wai­ge Trans­for­ma­tio­nen und Un­ter­schie­de zu an­de­ren Or­ga­ni­sa­tio­nen her­aus­ar­bei­ten zu kön­nen. Der Reichs­nähr­stand et­wa wä­re ein loh­nen­des Ver­gleichs­ob­jekt, denn ihn zeich­ne­ten die­sel­ben sechs Prak­ti­ken aus wie die NS­DAP. Die­ser ging es in der Vor­kriegs­zeit eher um In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung und Er­zie­hung, im Ver­lauf des Zwei­ten Welt­kriegs dann eher um Ge­walt und Mo­bi­li­sie­rung. Der An­satz, den ich ver­wen­det ha­be, ana­ly­siert die Prak­ti­ken der NS­DAP als Or­ga­ni­sa­ti­on. Da­bei in­ter­es­sie­ren mich nicht Hand­lun­gen ein­zel­ner In­di­vi­du­en. Mir ging es um kol­lek­ti­ve Prak­ti­ken, die in ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on wie der NS­DAP statt­fin­den. Und die­se Prak­ti­ken be­schrän­ken sich auch nicht auf In­ter­ak­tio­nen, al­so auf per­sön­li­che Kon­tak­te zwi­schen In­di­vi­du­en. Zu ih­nen ge­hö­ren auch die ad­mi­nis­tra­ti­ven Rou­ti­nen und die Re­gel- und Norm­sys­te­me ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on.

Mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se geht von der Fra­ge aus, wes­halb im „Drit­ten Reich“ so vie­le Men­schen über Zeit und Raum hin­weg so ähn­lich han­deln. Er­klä­rungs­be­dürf­tig ist, wie so­zia­le Ord­nung nach 1933 ei­gent­lich zu­stan­de kam. Den Schlüs­sel für ei­ne Er­klä­rung bil­den die kol­lek­ti­ven Prak­ti­ken von Or­ga­ni­sa­tio­nen. Sie sind dy­na­misch, ver­än­dern sich in Zeit und Raum und wir­ken sich so­wohl nach in­nen – auf ih­re Mit­glie­der – wie auch auf die Um­welt aus. Die­sem Sach­ver­halt wird man nur durch ei­ne Me­tho­dik ge­recht, die in der So­zio­lo­gie als „ope­ra­ti­v“ be­zeich­net wird.[47]  Sie trägt der Ein­sicht Rech­nung, dass es sich beim „Drit­ten Reich“ um ei­ne or­ga­ni­sier­te Ge­sell­schaft han­del­te, ge­nau­er ge­sagt: um ei­ne in der NS­DAP or­ga­ni­sier­te Ge­sell­schaft. Dies ist auch für die Ge­schich­te von Wi­der­stand und Ver­wei­ge­rung in der NS-Zeit wich­tig. Wi­der­stän­di­ge Ver­hal­tens­wei­sen fan­den nach 1933 in ei­nem So­zi­al­raum statt, der zu­neh­mend in und durch die NS­DAP or­ga­ni­siert war. Dies be­deu­tet zwei­er­lei: Zum ei­nen wur­den Wi­der­stands­ak­tio­nen im­mer schwie­ri­ger. Zum an­de­ren wa­ren sie für im­mer we­ni­ger Per­so­nen ei­ne ernst­li­che Op­ti­on, weil es der NS­DAP über ih­re Mit­glie­der­me­cha­nis­men ge­lang, die Kom­pli­zen­schaft der Be­völ­ke­rung mit dem NS-Re­gime im­mer wei­ter aus­zu­bau­en.

Zu­rück zum ame­ri­ka­ni­schen Ver­neh­mungs­of­fi­zier Pa­do­ver und sei­nen ein­gangs zi­tier­ten Aus­füh­run­gen über die In­dus­trie­stadt Wür­se­len. Pa­do­ver war ja kon­ster­niert über den Zu­lauf, den die NS­DAP nach 1933 in die­ser ehe­ma­li­gen Zen­trums­hoch­burg hat­te ver­bu­chen kön­nen. Ähn­li­che Kla­gen fin­den sich bei ihm al­lent­hal­ben. Das Er­stau­nen über den Um­gang der Be­völ­ke­rung der west­rhei­ni­schen Ge­bie­te mit ih­rer frü­he­ren Par­tei­mit­glied­schaft bil­de­te den Can­tus Fir­mus sei­nes Be­richts. Auf sei­ne Stan­dard­fra­ge: Wa­ren Sie in der NS­DAP? be­kam er nur vor­ge­stanz­te Ant­wor­ten. Die meis­ten Be­frag­ten ent­geg­ne­ten ihm fast uni­so­no: Ich muss­te in die Par­tei ein­tre­ten, wie al­le an­de­ren Deut­schen auch.[48] Weit aus­kunfts­freu­di­ger zeig­ten sie sich je­doch, wenn er sei­ne Fra­ge va­ri­ier­te in „Wann muss­ten Sie in die NS­DAP ein­tre­ten?“. Dies ha­be ei­ne re­gel­rech­te Flut von Er­klä­run­gen aus­ge­löst, wie Pa­do­ver mit ei­nem di­rek­ten Zi­tat il­lus­trier­te: Gut, dass Sie da­nach fra­gen. Gott sei Dank wis­sen Sie, dass man ge­zwun­gen war, in die Par­tei ein­zu­tre­ten. Wer sich wei­ger­te, be­kam Schwie­rig­kei­ten. Wie sie uns be­lo­gen und be­tro­gen ha­ben, die­se Na­zis! Sie ha­ben uns den End­sieg ver­spro­chen. Sie ha­ben uns Ar­beit ver­spro­chen. Sie ha­ben uns al­les ver­spro­chen. Und wir sind her­ein­ge­fal­len auf sie. Man muß ih­nen frei­lich zu­gu­te hal­ten, dass sie die kom­mu­nis­ti­sche Ge­fahr be­sei­tigt ha­ben. Sie ha­ben für Ru­he und Ord­nung ge­sorgt […].

In die­sen Äu­ße­run­gen, die zu ei­nem Zeit­punkt fie­len, der vor der deut­schen Ka­pi­tu­la­ti­on am 8.5.1945 lag, fin­den sich be­reits je­ne My­then vor­for­mu­liert, die auch Ein­gang in die his­to­ri­sche For­schung ge­fun­den ha­ben. So wur­de die Mit­glied­schaft in der Par­tei, die for­mal frei­wil­lig war, nach 1945 zum Zwang hoch­sti­li­siert. All­zu scharf un­ter­schied man zwi­schen „den Na­zis“ oder auch „dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“ auf der ei­nen und der Be­völ­ke­rung auf der an­de­ren Sei­te. Die­se Tren­nung hat­te nach 1933 so nie exis­tiert, weil der Gro­ß­teil der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung Mit­glied ei­ner NS-Or­ga­ni­sa­ti­on ge­we­sen war. Und die an­geb­li­che „Ru­he und Ord­nun­g“, für die das NS-Re­gime ge­sorgt ha­be, er­weist sich als schlich­te Be­män­te­lung von Aus­gren­zung und Mas­sen­mord. Heu­te wis­sen wir, dass Wi­der­stand und Ver­wei­ge­rung auch im Rhein­land die mar­gi­na­len, An­pas­sung und Ko­ope­ra­ti­on hin­ge­gen die do­mi­nan­ten Ver­hal­tens­wei­sen wa­ren. An­hand der Ge­schich­te der NS­DAP lässt sich die­ser Sach­ver­halt wohl am ein­dring­lichs­ten il­lus­trie­ren.

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Kuno von Eltz-Rübenach, Porträtfoto.

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Nolzen, Armin, Die NSDAP in der Rheinprovinz nach 1933, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-nsdap-in-der-rheinprovinz-nach-1933/DE-2086/lido/57d13372db4f95.53229046 (abgerufen am 29.03.2024)