Die rheinischen Großstädte während der Weltwirtschaftskrise 1929-1933 (Teil II – Verlauf der Weltwirtschaftskrise)

Lothar Weiß (Frechen)

Arbeitslose vor einer Schlafbaracke in Essen-Karnap, um 1930, Foto: Willy van Heekern. (Fotoarchiv Stiftung Ruhr Museum)

2.1 Der Verlauf der Wirtschaftskonjunktur

Be­dient man sich des Elek­tri­zi­täts­ver­brauchs als ei­nem zeit­na­hen In­di­ka­tor der lo­ka­len Wirt­schafts­kon­junk­tur, weil er un­mit­tel­bar in den Sta­tis­ti­ken der kom­mu­na­len Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men nach­ge­wie­sen wer­den kann, dann er­ge­ben sich de­tail­lier­te Ver­läu­fe, die nach der sta­tis­ti­schen Aus­schal­tung der sai­so­na­len Kom­po­nen­te für In­dus­trie und Ge­wer­be die gro­ße De­pres­si­on be­le­gen. Die Kon­junk­tur ließ in der zwei­ten Hälf­te 1929 spür­bar nach, blieb aber im Ruhr­ge­biet noch be­frie­di­gend. Die Stim­mung ver­schlech­ter­te sich. Mit dem Bör­sen­krach im Ok­to­ber 1929 fühl­ten sich die Skep­ti­ker im Blick auf die Zu­kunft be­stä­tigt. Im Som­mer 1930 wie im Win­ter 1930/1931 la­gen al­le Zah­len un­ter den je­wei­li­gen Vor­jah­res­wer­ten. En­de 1930 er­reich­ten die Ak­ti­en­kur­se nur noch 60 Pro­zent des Durch­schnitts von 1929. In den kon­sum­na­hen Wirt­schafts­bran­chen ver­lief der Ab­schwung der Wirt­schaft aber so­gar mil­der als im Reichs­durch­schnitt. Die Zin­sen auf dem Ka­pi­tal­markt san­ken von Mit­te 1929 bis Au­gust 1930 von über 8,5 auf 4 Pro­zent, was aber we­gen des un­si­che­ren kon­junk­tu­rel­len Um­felds für Um­schul­dun­gen, nicht aber für In­ves­ti­tio­nen ge­nutzt wur­de. Da­nach stie­gen die Zin­sen deut­lich an, weil die Si­cher­heit neu­er Kre­di­te in Fra­ge stand und sich das Kre­dit­an­ge­bot stark ver­knapp­te.

Der wirt­schafts­po­li­ti­sche Ak­tio­nis­mus der Reichs­re­gie­rung mach­te ei­nen gu­ten Ein­druck von der Hand­lungs­fä­hig­keit der Po­li­tik. Im ers­ten Halb­jahr 1931 leg­te der Kon­junk­tur­ab­schwung für ei­ni­ge Mo­na­te ei­ne Pau­se ein. Die In­dus­trie­pro­duk­ti­on nahm so­gar wie­der zu. Al­ler­dings nicht in Düs­sel­dorfEs­sen un­d Köln, wo sich qua­si im Nach­gang die ne­ga­ti­ven Zah­len so­gar noch be­schleu­nig­ten. Auch das fol­gen­de po­si­ti­ve Wachs­tum blie­b dort hin­ter dem Reichs­durch­schnitt zu­rück. Die­ses „Zwi­schen­hoch“ wirk­te sich auf die Be­schäf­ti­gung aus. Die Zahl der Mit­glie­der der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen sta­bi­li­sier­te sich. Ab dem Som­mer 1931 setz­te sich die De­pres­si­on wie­der fort. Die we­sent­li­chen Kon­junk­tur­ri­si­ken wa­ren wei­ter exis­tent. Der Ka­pi­tal­markt bot kei­ne An­rei­ze und die Aus­sich­ten der deut­schen Wirt­schaft für Ex­por­te blie­ben schlecht. Die her­auf­zie­hen­de Ban­ken- und Kre­dit­kri­se ver­nich­te­te die ers­ten An­sät­ze ei­ner Er­ho­lung. Ins­be­son­de­re die la­bi­le Fi­nan­zie­rung durch kurz­fris­ti­ge Aus­lands­kre­di­te er­wies sich jetzt als Schwach­stel­le. Reichs­re­gie­rung und Reichs­bank sa­hen kei­nen an­de­ren Aus­weg, als dras­ti­sche Maß­nah­men der De­vi­sen­be­wirt­schaf­tung zu er­grei­fen. Fa­tal wirk­te sich nun die ein­ge­schla­ge­ne Hoch­zins­po­li­tik aus, die je­de In­ves­ti­ti­ons­ab­sicht im Keim er­stick­te und Kre­dit­schuld­ner und in der Fol­ge auch re­nom­mier­te Ge­schäfts­ban­ken in die In­sol­venz trieb.

Die Schief­la­gen der Ban­ken weck­ten schlech­te Er­in­ne­run­gen an die Hy­per­in­fla­ti­on im An­schluss an den ver­lo­re­nen Ers­ten Welt­krieg und be­wirk­ten ei­nen enor­men Ver­trau­ens­ver­lust in Ban­ken und Wäh­rung. Köln bü­ß­te als Emis­si­ons­platz für Wert­pa­pie­re sei­ne Be­deu­tung ein. Die of­fen­sicht­li­che po­li­ti­sche Un­si­cher­heit im Reich nach der Ent­las­sung Brü­nings als Reichs­kanz­ler En­de Mai 1932 hielt po­ten­zi­el­le In­ves­to­ren ab. Der Pro­tek­tio­nis­mus im Welt­han­del und der in­ter­na­tio­na­le Preis­druck wei­te­ten sich zum Nach­teil Deutsch­lands aus. Die Mon­tan­in­dus­trie im Ruhr­ge­biet be­kam dies stark zu spü­ren. Das in­ter­na­tio­na­le Roh­stahl­kar­tell und die in­ter­na­tio­na­len Ver­kaufs­ver­bän­de für Ei­sen­er­zeug­nis­se, wel­che sich bis­lang sta­bi­li­sie­rend aus­wirk­ten, bra­chen aus­ein­an­der. Die Struk­tur­pro­ble­me der Mon­tan­wirt­schaft im Ruhr­ge­biet tra­ten nun of­fen zu Ta­ge. Im Jahr 1932 er­reich­te die Stein­koh­len­för­de­rung in Duis­burg(-Ham­born) nur noch knapp 58 und in Es­sen gut 65 Pro­zent ih­res Stan­des von 1929. Krupp in Es­sen ent­ließ zwi­schen Ok­to­ber 1930 und Sep­tem­ber 1931 über 7.000 Berg­leu­te und schal­te­te 420.000 Fei­er­schich­ten ein. Nach­dem An­fang 1931 Ver­su­che der Ver­ei­nig­ten Stahl­wer­ke, Löh­ne und Ge­häl­ter um 20 Pro­zent zu kür­zen, am Wi­der­stand der Ge­werk­schaf­ten ge­schei­tert wa­ren, schlos­sen sie die Stahl­hüt­te in Duis­burg-Ruhr­ort-Mei­de­rich mit mehr als 6.000 Ar­bei­tern und mo­derns­ter Tech­nik. Man ging im­mer stär­ker zu ei­ner Drei-Ta­ge-Wo­che über. Die schon längst in Gang ge­kom­me­ne Ra­tio­na­li­sie­rung und Kon­zen­tra­ti­on der Be­trie­be mit ei­ner Er­wei­te­rung der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten wur­de fort­ge­setzt. Die Duis­burg-Ruhr­or­ter Hä­fen er­wie­sen sich als ex­ak­tes Spie­gel­bild der La­ge der Ruhr­wirt­schaft.

Zu­nächst bes­ser sah die La­ge in der Röh­ren­her­stel­lung in Düs­sel­dorf aus. Man­nes­mann pro­fi­tier­te von ei­nem Gro­ßauf­trag aus der So­wjet­uni­on. Da­nach kam man in den Stru­del der Kür­zun­gen der öf­fent­li­chen Haus­hal­te für Ka­nal­in­ves­ti­tio­nen. Im Ma­schi­nen­bau sah die La­ge schon im Jahr 1928 un­ein­heit­lich aus. Wäh­rend die In­lands­nach­fra­ge schrumpf­te, stütz­te die Aus­lands­nach­fra­ge nach deut­schen Spe­zi­al­ma­schi­nen die Kon­junk­tur. Im Er­geb­nis war die Be­schäf­ti­gungs­la­ge im Ma­schi­nen­bau 1930 im Ruhr­ge­biet noch ver­hält­nis­mä­ßig güns­tig, aber in Köln be­reits schlech­ter. Die Köl­ner Hum­boldt-Deutz­mo­to­ren wa­ren im ers­ten Halb­jahr 1932 zu 60 Pro­zent von Aus­lands­be­stel­lun­gen ab­hän­gig. Der zu­neh­men­de Pro­tek­tio­nis­mus des Aus­lan­des leg­te die­se Kon­junk­tur­stüt­ze lahm. Im April 1931 wur­de die Mo­to­ren­in­dus­trie in Köln nur noch zu 40-45 Pro­zent aus­ge­las­tet. Per­so­nal und Be­schäf­ti­gung muss­ten ver­rin­gert wer­den. Von der Kre­dit­kri­se des Som­mers 1931 war der Ma­schi­nen­bau be­son­ders be­trof­fen, weil die ty­pi­sche Vor­fi­nan­zie­rung von Gro­ß­pro­jek­ten durch lang­fris­ti­ge Kre­di­te im­mer schwie­ri­ger wur­de.

Ganz pre­kär ent­wi­ckel­te sich die La­ge im Bau­ge­wer­be. Der In­dus­trie­bau nahm mit den Schwie­rig­kei­ten der Auf­trag­ge­ber ab. Der Woh­nungs­bau wur­de noch durch die zweck­ge­bun­de­nen Mit­tel aus dem Haus­zins­steu­er­auf­kom­men am Le­ben er­hal­ten, die reich­lich aus den öf­fent­li­chen Haus­hal­ten flos­sen. Die Hoch­zins­po­li­tik der Reichs­bank stran­gu­lier­te je­des In­ter­es­se am Woh­nungs­bau, Hy­po­the­ken wur­den nur noch von städ­ti­schen Spar­kas­sen ver­ge­ben. Der Woh­nungs­markt spal­te­te sich in ei­nen Mie­ter­markt für teu­re und des­halb un­ver­miet­ba­re Groß­woh­nun­gen und ei­nen Ver­mie­ter­markt für güns­ti­ge­re, aber stark nach­ge­frag­te Klein­woh­nun­gen. Der Um­bau gro­ßer Woh­nun­gen in klei­ne­re wur­de mit öf­fent­li­chen Mit­teln for­ciert. Nach der Auf­he­bung der Zweck­bin­dung für die Ver­wen­dung des Auf­kom­mens aus der Haus­zins­steu­er brach die Woh­nungs­bau­tä­tig­keit zu­sam­men. Das po­li­ti­sche In­ter­es­se war oh­ne­hin schon vom Mehr­fa­mi­li­en­haus­bau auf die Ei­gen­hei­me und ein­fa­chen Sied­lungs­häu­ser über­ge­wech­selt. Im Jahr 1931 er­reich­te der Bau von Klein­woh­nun­gen den Hö­he­punkt. Es ent­stan­den Über­ka­pa­zi­tä­ten, die in den fol­gen­den Jah­ren dem Bau­ge­wer­be sehr gro­ße Pro­ble­me mach­ten und ei­ne gro­ße Zahl von Be­trie­ben in die In­sol­venz trie­ben.

Die im­mer grö­ßer wer­den­den Haus­halts­schwie­rig­kei­ten ver­an­lass­ten die Kom­mu­nen zu Kür­zun­gen ih­rer Bau­in­ves­ti­tio­nen. Hier wirk­te der kom­mu­na­le Spit­zen­ver­band, der Deut­sche Städ­te­tag, durch Emp­feh­lun­gen kri­sen­ver­schär­fend. Bahn und Post drück­ten als Auf­trag­ge­ber die Prei­se. Dem von den öf­fent­li­chen Auf­trä­gen ab­hän­gi­gen Tief­bau ging es ent­spre­chend schlecht. Es wur­den ho­he Ver­lus­te er­wirt­schaf­tet bei ge­rin­gem Ei­gen­ka­pi­tal, das schnell auf­ge­zehrt war. Miss­mut gab es über die kom­mu­na­len Be­schäf­ti­gungs­pro­gram­me, die mit ein­fa­chen Tief­bau­ar­bei­ten den Bau­be­trie­ben mög­li­che Auf­trä­ge weg­nah­men. Den Schluss­punkt des öf­fent­li­chen Bau­we­sens mach­te die Reichs­re­gie­rung im De­zem­ber 1931 durch das Ver­bot jeg­li­cher Neu­bau­maß­nah­men. An Rhein und Ruhr wa­ren im letz­ten Vier­tel­jahr 1931 rund 80 Pro­zent al­ler Bau­hilfs­ar­bei­ter oh­ne Ar­beit.

Das Tex­til- und Be­klei­dungs­ge­wer­be war vom Kon­junk­tur­ab­schwung be­reits ab 1928 be­trof­fen. Über­gro­ße La­ger­be­stän­de drück­ten die Prei­se. Der Pro­tek­tio­nis­mus im Welt­han­del brach­te für die ex­port­ab­hän­gi­ge Tex­til­in­dus­trie in Glad­bach-Rhe­ydt gro­ße Nach­tei­le. Der sto­cken­de In­lands­ab­satz ver­schärf­te die Kri­se. 1929 ruh­te be­reits rund ein Vier­tel der Glad­ba­cher Baum­woll­spin­deln. 1931 und 1932 gab es in den dor­ti­gen Baum­woll­spin­ne­rei­en so­gar nur ei­ne Zwei-Ta­ge-Wo­che. Die kur­zen Fris­ten der her­ein­ge­nom­me­nen Auf­trä­ge führ­ten zu ei­ner star­ken Fluk­tua­ti­on der Be­schäf­tig­ten in den Tex­til­be­trie­ben. Auch die Wup­per­ta­ler Be­klei­dungs­in­dus­trie muss­te bis in den Som­mer 1932 hin­ein ei­nen stän­di­gen Auf­trags­rück­gan­g hin­neh­men. Hier „blüh­te“ er­satz­wei­se das Haus­ge­wer­be, das kos­ten­güns­tig ar­bei­ten konn­te, weil es sich nicht an Ta­rif­ver­trä­ge und ge­setz­li­che Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen hal­ten muss­te. 

Der Ein­zel­han­del be­gann früh un­ter der Kon­junk­tur­schwä­che zu lei­den. Be­reits 1930 la­gen die Um­sät­ze des Ein­zel­han­dels je nach Bran­che im Raum Düs­sel­dorf und im Ruhr­ge­biet 10-30 Pro­zent un­ter dem Vor­jah­res­ni­veau. Es­sen pro­fi­tier­te 1929 noch von der po­si­ti­ven Son­der­ent­wick­lung durch die „Gro­ße Ruhr­län­di­sche Gar­ten­bau­aus­stel­lun­g“ (Gru­ga), dem Aus­bau der In­nen­stadt und ver­schie­de­nen an­de­ren Aus­stel­lun­gen. Aber die un­si­che­ren Aus­sich­ten bei man­geln­der Kauf­kraft durch Er­werbs­lo­sig­keit, Fei­er­schich­ten und Ent­gelt­sen­kun­gen muss­ten sich nach­tei­lig auf den Han­del aus­wir­ken. Es wur­de nur das Not­wen­digs­te in ein­fachs­ter Qua­li­tät zum nied­rigs­ten Preis er­wor­ben. Die Preis­sen­kungs­ak­tio­nen der Reichs­not­ver­ord­nung vom 8.12.1932 sti­mu­lier­ten nicht die Nach­fra­ge, son­dern be­för­der­ten die Er­war­tung auf neue Preis­sen­kun­gen in der Zu­kunft. Die Ban­ken- und Kre­dit­kri­se im Som­mer 1931 mo­ti­vier­te zu wei­te­rer Kauf­zu­rück­hal­tung bis zum ers­ten Halb­jahr 1932.

Im Nach­gang der ak­tu­el­len Kon­junk­tur­la­ge wur­den im­mer mehr Un­ter­neh­men, ins­be­son­de­re in dem chro­nisch un­ter­fi­nan­zier­ten Bau- und Klein­ge­wer­be, in­sol­vent. Die sich ver­schlech­tern­de Zah­lungs­mo­ral der Kom­mu­nen und der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten tru­gen das Ih­re da­zu bei. Die Zwangs­ver­stei­ge­run­gen von Im­mo­bi­li­en durch die Amts­ge­rich­te schnell­ten 1932 in die Hö­he. Die rhei­ni­schen Groß­städ­te wur­den nun viel­fach un­frei­wil­li­ge Im­mo­bi­li­en­ei­gen­tü­mer, weil sie als Gläu­bi­ge­rin­nen der ver­ge­be­nen, nun not­lei­den­den Haus­zins­steu­er­hy­po­the­ken auf­tra­ten. Mit der Dau­er und Ver­schär­fung der Kri­se, in de­ren Fol­ge die Er­werbs­lo­sig­keit wuchs, ge­rie­ten die pri­va­ten Haus­hal­te im­mer mehr in Zah­lungs­ver­zug. Dar­un­ter litt der Han­del sehr, und es kam zu zahl­rei­chen Aus­ver­käu­fen. Von der Reichs­re­gie­rung we­nig durch­dacht war die Ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 8.12.1931, die die Schuld­zins­aus­ga­ben senk­te, aber zu­gleich zu ei­ner schlech­te­ren Zah­lungs­mo­ral mo­ti­vier­te.

Eröffnung der Gruga in Essen, 1929. (Bundesarchiv, Bild 102-08024 / CC-BA-SA)

 

Im ers­ten Halb­jahr 1932 ver­lang­sam­te sich der Kon­junk­tur­ab­schwung of­fen­bar. Die In­dus­trie­pro­duk­ti­on nahm nur noch ge­ring­fü­gig ab. In der Mit­te des Jah­res 1932 war der Tief­punkt der In­dus­trie­kon­junk­tur er­reicht. Von äu­ßerst nied­ri­gem Ni­veau aus­ge­hend nah­men Auf­trags­ein­gang, Men­gen­ab­satz und Au­ßen­han­del wie­der zu. Die Stim­mung hell­te sich auf, man hoff­te auf wei­te­re An­re­gun­gen durch Kon­junk­tur­pro­gram­me der Reichs­re­gie­rung. Die De­fla­ti­on fand ihr En­de. Die Pro­duk­ti­ons­gü­ter- und In­ves­ti­ti­ons­gü­ter­in­dus­trie wur­de zur An­triebs­kraft der Kon­junk­tur. Die Be­schäf­ti­gung in den Ze­chen stieg rasch an, al­lein in den Es­se­ner Krupp-Berg­wer­ken nahm die Be­leg­schaft in zwölf Mo­na­ten um 1.600 Ar­beits­kräf­te zu. In der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie trat ei­ne Be­le­bung ein, die von ei­nem Auf­trag der Reichs­bahn ge­för­dert wur­de. Die still­ge­leg­te Hüt­te Duis­burg-Ruhr­ort-Mei­de­rich konn­te 1933 wie­der in Be­trieb ge­hen. Der Ma­schi­nen­bau pro­fi­tier­te von den Be­stel­lun­gen der Reichs­bahn.

We­gen der Kauf­kraft­schwä­che der pri­va­ten Haus­hal­te lief die Kon­junk­tur der Tex­til- und Be­klei­dungs­in­dus­trie hin­ter­her. Die re­strik­ti­ve Wir­kung der Kre­dit­märk­te ließ im Früh­jahr 1933 nach. Die Sta­bi­li­sie­rung der Herr­schaft Hit­lers be­ru­hig­te die Wirt­schaft und ver­brei­te­te Op­ti­mis­mus für Ge­schäf­te. Der Auf­schwung im Bau­ge­wer­be wur­de im ers­ten Quar­tal 1933 durch ei­nen un­ge­wöhn­lich schwa­chen sai­so­na­len Rück­gang er­kenn­bar. Die öf­fent­lich ge­för­der­ten Klein­woh­nungs­pro­jek­te, Stadt­rand­sied­lun­gen und Ar­beits­be­schaf­fungs­maß­nah­men hat­ten den Bo­den be­rei­tet. Im öf­fent­li­chen Hoch­bau da­ge­gen blieb es durch das Bau­ver­bot schwie­rig. Öf­fent­li­che Auf­trag­ge­ber ver­lang­ten vom Bau­un­ter­neh­mer so­gar ei­ne Be­tei­li­gung an der Fi­nan­zie­rung. All­mäh­lich ging die Zahl der Zwangs­ver­stei­ge­run­gen von Grund­stü­cken zu­rück. Die Prei­se sta­bi­li­sier­ten sich. Im Tex­til- und Be­klei­dungs­ge­wer­be fand die kon­junk­tu­rel­le An­re­gung durch die Bin­nen­nach­fra­ge statt. Man pro­fi­tier­te nach der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nah­me vom rie­si­gen Be­darf an Uni­for­men, Ab­zei­chen und Fah­nen, wor­un­ter aber das Kon­fek­ti­ons­ge­wer­be litt. Im Herbst 1932 kam auch der Rück­gang des Ein­zel­han­dels an Rhein und Ruhr zum Still­stand, das Ni­veau blieb aber in je­der Hin­sicht nied­rig. Erst­mals nach meh­re­ren Jah­ren er­reich­te im Ja­nu­ar 1933 in Düs­sel­dorf und Wup­per­tal der men­gen­mä­ßi­ge Um­satz in ei­nem Sai­son­schluss­ver­kauf das Vor­jah­res­ni­veau. Die Zah­lungs­wei­se der Kund­schaft war aber im­mer noch pro­ble­ma­tisch.

Zeche 'Viktoria Mathias' in Essen. Postkarten-Repro, nach einem nicht mehr existierenden Original. (Stadtbildstelle Essen)

 

2. 2 Der Arbeitsmarkt

Mit der Dau­er der Wirt­schafts­kri­se zeig­ten sich im­mer mehr ih­re Aus­wir­kun­gen auf dem Ar­beits­markt, wie es ei­nem nach­lau­fen­den Kon­junk­tur­in­di­ka­tor ent­spricht. Zu­erst wird die Be­schäf­ti­gungs­dau­er der Be­leg­schaf­ten in den Be­trie­ben re­du­ziert und dann wer­den Ar­beits­kräf­te ent­las­sen, zu­nächst die be­fris­te­ten und eher am Ran­de ste­hen­den Un­ge­lern­ten und schlie­ß­lich die qua­li­fi­zier­ten Fach­kräf­te der Stamm­be­leg­schaft. Ar­bei­ter wur­den we­gen ih­rer kür­ze­ren Kün­di­gungs­frist schnel­ler als An­ge­stell­te ent­las­sen. Die Be­ru­fe der Pro­duk­ti­ons­gü­ter­her­stel­lung traf die Kri­se auf dem Ar­beits­markt stär­ker als je­ne aus der Kon­sum­gü­ter­bran­che. Un­be­fris­te­te Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se wur­den durch kurz­fris­ti­ge für plötz­lich auf­tre­ten­de Auf­trags­spit­zen er­setzt. Die lo­ka­len Ar­beits­märk­te zeig­ten die ty­pi­schen Merk­ma­le der wirt­schafts­struk­tu­rell drei­ge­teil­ten Grup­pe der rhei­ni­schen Groß­städ­te. Es blie­ben aber auch ei­ne Rei­he von spe­zi­el­len Fak­to­ren vor Ort ein­fluss­reich, so dass sechs ver­schie­de­ne Ar­beits­märk­te zu be­trach­ten sind.

Die Zu­nah­me der Ar­beits­su­chen­den fiel in Düs­sel­dorf stär­ker als in Köln aus, weil im Un­ter­schied zu Köln in Düs­sel­dorf die Schwer­in­dus­trie ei­ne be­acht­li­che Be­deu­tung hat­te. Die gro­ßen Be­trie­be der Mon­tan­wirt­schaft in Duis­burg(-Ham­born) wa­ren von Ent­las­sun­gen stär­ker als Es­sen be­trof­fen, weil es in Es­sen noch ein be­mer­kens­wer­tes Kon­sum­gü­ter- und Dienst­leis­tungs­ge­wer­be gab, das nicht aus­schlie­ß­lich von der Mon­tan­wirt­schaft ab­hän­gig war. In Glad­bach-Rhe­ydt fiel die Zu­nah­me der Ar­beits­su­chen­den bei den Ar­beits­äm­tern un­ter­durch­schnitt­lich aus, weil sich die Tex­til­kri­se be­reits vor 1929 aus­ge­wirkt hat­te. Die­se spe­zi­el­le Kri­se der Bran­che wirk­te sich we­gen ih­rer ge­rin­ge­ren Be­deu­tung in Wup­per­tal schwä­cher aus als in Glad­bach-Rhe­ydt. Wup­per­tal war dann aber vom Kon­junk­tur­ab­schwung der üb­ri­gen Wirt­schafts­zwei­ge stär­ker be­trof­fen.

Im Ja­nu­ar 1930 ka­men in Köln zwölf Be­wer­ber auf ei­ne of­fe­ne Stel­le, im Ja­nu­ar 1932 wa­ren es aber 101. Bis En­de 1932 hat­ten die un- und an­ge­lern­ten männ­li­chen Ar­bei­ter den grö­ß­ten An­teil an den Ar­beits­su­chen­den. Ex­trem an­ge­spannt war die Ar­beits­markt­la­ge in Glad­bach-Rhe­ydt im Ja­nu­ar 1932 bei männ­li­chen Ar­beits­su­chen­den. 313 Be­wer­ber in­ter­es­sier­ten sich für ein Stel­len­an­ge­bot. Bei Frau­en lag das Ver­hält­nis „nur“ bei 18:1. Ge­ne­rell war die La­ge auf dem Ar­beits­markt für Frau­en deut­lich ent­spann­ter als für Män­ner in den ty­pi­schen Män­ner­bran­chen. Teu­re Stel­len für männ­li­che Fach­kräf­te wur­den of­fen­bar viel­fach durch Bil­lig­lohn­ar­beits­plät­ze für an­ge­lern­te Frau­en er­setzt.

Die grö­ß­te Grup­pe un­ter den ar­beits­lo­sen und ar­beit­su­chen­den Frau­en wa­ren die Haus­an­ge­stell­ten. Sie war die Fol­ge der fi­nan­zi­el­len Schwie­rig­kei­ten wohl­ha­ben­der Krei­se, die sich ge­wöhn­lich Haus­an­ge­stell­te leis­ten konn­ten. Er­fah­re­ne­ren Haus­frau­en schien es at­trak­tiv, sich um sol­che Stel­len zu be­wer­ben, um das Fa­mi­li­en­ein­kom­men auf­zu­bes­sern. Nur in den bei­den Tex­til- und Be­klei­dungs­zen­tren spiel­ten die Ar­beits­su­chen­den aus der Haus­wirt­schaft kei­ne Rol­le, weil es in den dort do­mi­nie­ren­den In­dus­trie­zwei­gen re­la­tiv at­trak­ti­ve Frau­en­ar­beits­plät­ze gab und sich, zu­min­dest in Wup­per­tal, auch noch die Ab­ar­bei­tung von Auf­trä­gen in Heim­ar­beit an­bot. Der Höchst­stand der Ar­beits­su­chen­den wur­de in den Mon­tan- und Tex­til­städ­ten im Som­mer 1932 er­reicht, in Düs­sel­dorf und Köln aber erst zum Jah­res­wech­sel 1932/1933. Vie­le Er­werbs­lo­se, be­son­ders Hand­wer­ker, ver­such­ten den Auf­bau ei­ner selbst­stän­di­gen Exis­tenz mit der Grün­dung ei­nes Kleinst­be­trie­bes. 

Ju­gend­li­che Ar­beits­kräf­te un­ter 21 Jah­ren wa­ren ins­be­son­de­re in der ers­ten Hälf­te der Wirt­schafts­kri­se über­durch­schnitt­lich von Ar­beits­lo­sig­keit be­trof­fen. Wie ih­re er­wach­se­nen Kol­le­gen stamm­ten die meis­ten aus der Me­tall­bran­che oder wa­ren un­ge­lernt. Im Fe­bru­ar 1931 wa­ren zum Bei­spiel in Köln ein Vier­tel der Ar­beits­lo­sen Ju­gend­li­che zwi­schen 14 und 21 Jah­ren. In ih­rer Ver­zweif­lung über ih­re La­ge und mit dem Blick auf die schlech­ten Pro­gno­sen wan­der­ten vie­le Deut­sche aus. Die Mehr­zahl der Aus­wan­de­rungs­wil­li­gen war zwi­schen 20 und 30 Jah­re alt, le­dig und mit­tel­los. Am En­de der Wirt­schafts­kri­se 1933 wa­ren in den sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten ein Vier­tel bis ein Drit­tel der Er­werbs­per­so­nen er­werbs­los. Mit die­sen Zah­len la­gen die­se Städ­te weit über dem Durch­schnitt im Deut­schen Reich von gut 18 Pro­zent. In der Fol­ge kehr­ten vie­le Frau­en wie­der in ihr rei­nes Haus­frau­en­le­ben zu­rück.

Schlangestehen in Duisburg vor einer Baracke, in der Arbeitslosengeld ausgezahlt wird, 1929. (Stadtarchiv Duisburg)

 

2.3 Die Entwicklung der sozialen Verhältnisse

In­fol­ge der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit aus der öko­no­mi­schen De­pres­si­on ver­schlech­ter­te sich die so­zia­le La­ge in al­len Städ­ten dra­ma­tisch. Die Mon­tan­in­dus­trie in Duis­burg (-Ham­born) und Es­sen war so stark an­ge­schla­gen, dass die Ein­kom­men in die­sen Städ­ten so­gar un­ter das Ni­veau der no­to­risch Nied­rig­löh­ne zah­len­de Tex­til- und Be­klei­dungs­in­dus­trie in Glad­bach-Rhe­ydt und Wup­per­tal fie­len. Die Ta­rif- und Preis­po­li­tik trieb die Ver­ar­mung gro­ßer Tei­le der städ­ti­schen Be­völ­ke­rung vor­an. Es war auch das aus­drück­li­che Ziel der Reichs­re­gie­rung Brü­ning und ih­rer Nach­fol­ge­rin­nen mit ih­ren Ein­grif­fen, den Le­bens­stan­dard all­ge­mein zu sen­ken, un­ter an­de­rem durch die Kür­zung der Be­am­ten­be­zü­ge und die Fest­schrei­bung al­ler Löh­ne und Ge­häl­ter auf den Stand von Ja­nu­ar 1927. Die Ar­beit­ge­ber sa­hen sich in ih­rer Po­si­ti­on für Lohn- und Ge­halts­kür­zun­gen ge­stärkt. Die Reichs­re­gie­rung von Pa­pen streb­te durch die bei­den Not­ver­ord­nun­gen des Reichs­prä­si­den­ten im Sep­tem­ber 1932 so­gar ei­ne Be­zah­lung der Ar­beits­kräf­te weit un­ter den Ta­rif­löh­nen an. Der Un­mut dar­über war so groß, dass sie un­ter der Kurz­kanz­ler­schaft von Schlei­chers im De­zem­ber 1932 wie­der auf­ge­ho­ben wur­den.

In al­len sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten sank 1932 der An­teil der Ar­beit­neh­mer, bei de­nen über­haupt Lohn­steu­er­ab­zü­ge vor­ge­nom­men wur­den, auf die Hälf­te und we­ni­ger im Ver­gleich zum Jahr 1928 ab. Zwar brach­te die ein­tre­ten­de De­fla­ti­on ei­ne Sen­kung der Le­bens­hal­tungs­kos­ten. Im Ver­lauf des Jah­res 1932 ver­lang­sam­te sich die De­fla­ti­on und kam im März 1933 zum Still­stand. Der all­ge­mei­ne Le­bens­hal­tungs­kos­ten­in­dex lag schlie­ß­lich am En­de der Kri­se ein Vier­tel un­ter dem Stand von 1929. Im Er­geb­nis fiel der Le­bens­stan­dard, weil die Prei­se nicht so stark wie die Ein­kom­men zu­rück­gin­gen. Auch wa­ren die Preis­sen­kun­gen kei­nes­wegs durch­gän­gig und gleich­mä­ßig. Ge­gen den all­ge­mei­nen Trend nah­men die Auf­wen­dun­gen für die Woh­nung bis 1931 so­gar noch zu. Es wa­ren auch nicht so sehr die Sen­kun­gen der Ta­rif­löh­ne und -ge­häl­ter, die haupt­ur­säch­lich den Ab­stieg in die Ar­mut gro­ßer Tei­le der Ein­woh­ner in den Städ­ten brach­te. Er­hö­hun­gen von Steu­ern, Ta­ri­fen der öf­fent­li­chen Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men und So­zi­al­ab­ga­ben schmä­ler­ten die ver­füg­ba­ren Ein­kom­men zu­sätz­lich. Die Dau­er der Er­werbs­lo­sig­keit der be­triebs­be­dingt Ge­kün­dig­ten oder der Kurz­ar­beit der noch Ar­bei­ten­den be­wirk­te in dem zeit­lich ge­stuf­ten Sys­tem der öf­fent­li­chen Un­ter­stüt­zung von der Ar­beits­lo­sen­un­ter­stüt­zung der Reichs­an­stalt für Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung und Ar­beits­ver­mitt­lung über die Kri­sen­für­sor­ge hin zur Wohl­fahrts­un­ter­stüt­zung der Kom­mu­nen ei­ne ge­ra­de­zu un­ab­wend­ba­re mas­si­ve Be­schnei­dung des ge­wohn­ten Le­bens­stan­dards.

Die wäh­rend der Kri­se ver­ord­ne­ten Kür­zun­gen der Leis­tun­gen ver­schärf­ten die La­ge der Er­werbs­lo­sen und ih­rer Fa­mi­li­en. Hier be­fand sich Duis­burg (-Ham­born) in der ver­gleichs­wei­se schwie­rigs­ten La­ge. Falls es über­haupt noch mög­lich war, wur­de aus dem Spa­ren im Wohl­stand ein Angst­spa­ren. Der Pfand­kre­dit ent­wi­ckel­te sich zu ei­nem wich­ti­gen fi­nan­zi­el­len Not­stop­fen. Ge­gen Schmuck, Ta­fel­sil­ber und an­de­re ver­pfänd­ba­re Ge­gen­stän­de wur­de Bar­geld mit ho­hen Zin­sen in vor­zugs­wei­se städ­ti­schen Pfand­lei­han­stal­ten aus­ge­lie­hen. Doch der Wert der Pfän­der sank mit der Geld­not und dem Ver­mö­gens­ver­lust, der durch die De­fla­ti­on noch be­för­dert wur­de. Nach dem Ab­lauf des Pfand­kre­dits sa­hen sich vie­le Mit­tel­stands­fa­mi­li­en ge­zwun­gen, das Pfand zwangs­ver­stei­gern zu las­sen, weil sie den Kre­dit nicht mehr zu­rück­zah­len konn­ten.

Essen, Zeche Zollverein, Schacht 12, 1930er Jahre. (Stadtarchiv Essen)

 

In vie­len Haus­hal­ten trat mit dem Auf­wand für die Woh­nung ein wei­te­res exis­ten­zi­el­les Pro­blem auf. Zwar senk­te die Reichs­re­gie­rung mit der Not­ver­ord­nung vom 8.12.1931 die Alt­bau­mie­ten um 10 Pro­zent, die Mie­ten der Neu­bau­woh­nun­gen blie­ben aber wei­ter­hin kaum fi­nan­zier­bar. Die Zahl der Um­zü­ge nahm zu, die Ob­dach­lo­sig­keit eben­so. Es ent­stan­den „ge­re­gel­te“ und „wil­de“ Sied­lun­gen. Beim Woh­nungs- und Miet­ei­ni­gungs­amt der Stadt Köln wa­ren schon En­de März 1930 et­wa 3 Pro­zent der Be­völ­ke­rung, das hei­ßt über 22.000 Woh­nungs­su­chen­de re­gis­triert. Die Zwangs­räu­mun­gen von Woh­nun­gen we­gen Miet­schul­den nah­men so stark zu, dass die Städ­te sich ge­zwun­gen sa­hen, von ih­rem Recht auf Zwangs­ein­wei­sung in ver­füg­ba­re Woh­nun­gen Ge­brauch zu ma­chen. Un­ter den Zwangs­ge­räum­ten wa­ren im­mer mehr ver­arm­te Selbst­stän­di­ge und An­ge­hö­ri­ge des Mit­tel­stan­des.

Die um sich grei­fen­de Ar­mut ver­schlech­ter­te die Er­näh­rungs­la­ge und den all­ge­mei­nen Ge­sund­heits­zu­stand. Blut­ar­mut und auf­ge­schwemm­te Ge­sich­ter wa­ren un­trüg­li­che Zei­chen in den Städ­ten. Die Be­schaf­fungs­klein­kri­mi­na­li­tät wie Forst- und Feld­dieb­stäh­le nahm zu und war Aus­druck der pre­kä­ren Le­bens­ver­hält­nis­se. Die Hy­gie­ne ließ nach. Die Zu­stän­de ge­fähr­de­ten zu­neh­mend den fa­mi­liä­ren Zu­sam­men­halt. In die­ser trü­ben La­ge sank die Zahl der Ehe­schlie­ßun­gen in al­len Städ­ten zwi­schen 1929 und 1932 um bis zu fast 22 Pro­zent (Duis­burg-Ham­born).

2.4 Die Kommunalpolitik

2.4.1 Die Sozialpolitik

Die So­zi­al­po­li­tik der Städ­te sah sich nun vor enor­me Her­aus­for­de­run­gen ge­stellt. Selbst Gut­ver­die­nen­de in Be­schäf­ti­gung ge­rie­ten nach dem Ver­lust der Ar­beit in ei­nen stei­len so­zia­len Fall bis an den Rand des Exis­tenz­mi­ni­mums. Im güns­tigs­ten Fall fing ein drei­stu­fi­ges Sys­tem der so­zia­len Si­che­rung die Er­werbs­lo­sen und ih­re Fa­mi­li­en nach ver­schie­de­nen Kri­te­ri­en auf. In der ers­ten Stu­fe un­ter­stütz­te die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung des Reichs nach dem Maß­stab der bis­lang im Ar­beits­ver­hält­nis ge­leis­te­ten Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und der Zahl der Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen. Hier­für muss­te sich der Un­ter­stütz­te beim Ar­beits­amt zwecks Ver­mitt­lung ei­ner neu­en Tä­tig­keit mel­den. Die Un­ter­stüt­zung wur­de für 26 Wo­chen ge­leis­tet, bei ei­ner be­son­ders schwie­ri­gen La­ge auf dem Ar­beits­markt 39 Wo­chen. Nach der Not­ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 6.10.1931 wur­de die Dau­er der Ar­beits­lo­sen­un­ter­stüt­zung auf 20 Wo­chen ver­kürzt. Dies hat­te den Ef­fekt, dass nur die kurz­fris­tig oder sai­so­nal Ar­beits­lo­sen ei­ne ei­ni­ger­ma­ßen an­ge­mes­se­ne Lohn­er­satz­leis­tung er­hiel­ten. Mit der Län­ge der Wirt­schafts­kri­se nah­men die aus der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung Aus­ge­schie­de­nen we­gen der Über­schrei­tung ih­rer Be­zugs­dau­er rasch zu. Die Zahl der so ge­nann­ten Haupt­un­ter­stütz­ten fiel bei ihr ab dem Früh­jahr 1931 steil ab. In der zwei­ten Stu­fe da­nach konn­ten Ar­beits­lo­se ei­ne „Kri­sen­un­ter­stüt­zun­g“ be­zie­hen, eben­so Ar­beits­lo­se, die nicht voll die Be­din­gun­gen für die Leis­tun­gen aus der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung er­füll­ten. Die all­ge­mei­ne Be­zugs­dau­er der nied­ri­ge­ren Be­trä­ge aus der „Kri­sen­un­ter­stüt­zun­g“ war auf 39 Wo­chen, bei Ar­beits­lo­sen über 40 Jah­ren auf 52 Wo­chen be­grenzt. Wäh­rend der Wirt­schafts­kri­se wur­de die Be­zugs­dau­er mehr­fach ge­än­dert.

Zeit­ver­setzt zur Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung wirk­te sich nun die Kri­se auf die Zahl der Kri­sen­un­ter­stütz­ten aus, wo­bei sie in den sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten deut­lich schnel­ler an­stieg als im Durch­schnitt des Deut­schen Reichs. Von die­sem An­stieg wa­ren die bei­den Mon­tan­städ­te Duis­burg-Ham­born und Es­sen be­son­ders be­trof­fen. Die­se „Zwi­schen­un­ter­stüt­zun­g“ war von star­ker Fluk­tua­ti­on an den Über­gän­gen zur Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung und zur of­fe­nen „Wohl­fahrts­für­sor­ge“ der Städ­te ge­kenn­zeich­net. We­gen der Über­schrei­tung der Un­ter­stüt­zungs­dau­er ver­lie­ßen 1932 mehr Kri­sen­un­ter­stütz­te Rich­tung kom­mu­na­ler So­zi­al­hil­fe als aus der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung da­zu­ka­men. Be­son­ders be­trof­fen wa­ren die Al­ters­grup­pen un­ter 30 Jah­ren. Erst der Er­lass des Reichs­ar­beits­mi­nis­ters vom 7.11.1932 setz­te die­ser Pra­xis ein En­de. Die im Lau­fe der Kri­se vor­ge­nom­me­nen Leis­tungs­kür­zun­gen der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung und der Kri­sen­für­sor­ge drück­ten ihr Ni­veau gro­ßen­teils so­gar un­ter das Exis­tenz­mi­ni­mum, oft so­gar un­ter die Richt­sät­ze der kom­mu­na­len Wohl­fahrts­für­sor­ge. Man­gels Stel­len­an­ge­bo­ten der Ar­beits­äm­ter re­si­gnier­ten vie­le Ar­beits­lo­se und mel­de­ten sich nicht mehr wie vor­ge­schrie­ben re­gel­mä­ßig bei den Ar­beits­äm­tern.

In der drit­ten und letz­ten Stu­fe der öf­fent­li­chen so­zia­len Si­che­rung muss­ten die Städ­te mit ih­rer „of­fe­nen Wohl­fahrts­für­sor­ge“ für ih­re be­dürf­ti­gen Ein­woh­ner ein­tre­ten. Er­werbs­lo­se, die in die­se Ka­te­go­rie der Hil­fe­leis­tun­gen ge­ra­ten wa­ren, muss­ten sich ei­ner stren­gen Prü­fung ih­rer Be­dürf­tig­keit un­ter­zie­hen. Es wur­de von Amts we­gen de­fi­niert, was das „Le­bens­not­wen­di­ge“ war und als „als letz­te Ret­tun­g“ oh­ne zeit­li­che Be­gren­zung ge­leis­tet. Mit Richt­sät­zen für die mo­nat­li­che Bar­un­ter­stüt­zung soll­te das Exis­tenz­mi­ni­mum des Be­dürf­ti­gen und sei­ner Fa­mi­lie ge­si­chert sein. Je­doch wa­ren oft wei­te­re Leis­tun­gen er­for­der­lich, wie die be­deu­ten­de Miet­bei­hil­fe zur Ver­hin­de­rung von Zwangs­räu­mun­gen aus Woh­nun­gen. Wei­te­re Zah­lun­gen für Heiz­brenn­stof­fe und Klei­dung ka­men hin­zu. Pri­va­te In­itia­ti­ven und ge­mein­sa­me Ak­tio­nen von Wohl­fahrts­ver­bän­den, Wirt­schaft und Stadt­ver­wal­tun­gen in „Not­ge­mein­schaf­ten“ bo­ten durch Spen­den drin­gend be­nö­tig­te be­son­de­re Hil­fen für die Win­ter­mo­na­te an. Be­darfs­gut­schei­ne für Klei­der, Schu­he und Wä­sche wur­den mit ho­hem Ver­wal­tungs­auf­wand an Be­dürf­ti­ge ver­teilt. Au­ßer­dem gab es Schul­spei­sun­gen und Ab­ga­be­stel­len für ver­bil­lig­tes Mit­tag­es­sen. Köln be­rei­te­te in 57 Kü­chen 1932 und 1933 ei­ne di­cke Sup­pe zu. Ver­such­ten die Städ­te 1929 und 1930 noch, ih­re ver­hält­nis­mä­ßig gro­ßzü­gi­ge So­zi­al­po­li­tik auf­recht­zu­er­hal­ten, muss­ten sie im wei­te­ren Ver­lauf der Kri­se die nicht üp­pi­gen Leis­tun­gen stän­dig kür­zen. Die re­gel­mä­ßi­gen Bar­un­ter­stüt­zun­gen deck­ten in den Jah­ren 1930 bis 1932 schät­zungs­wei­se nur 49-54 Pro­zent des frü­he­ren Le­bens­stan­dards ab.

In Duis­burg(-Ham­born) war die La­ge der wohl­fahrts­un­ter­stütz­ten Ar­beits­lo­sen be­son­ders an­ge­spannt. Am 1.4.1933 be­zo­gen in Duis­burg(-Ham­born) über 42 Pro­zent der Ein­woh­ner öf­fent­li­che Un­ter­stüt­zun­gen, in Köln wa­ren es „nur“ rund 31 Pro­zent. Auch die zahl­rei­chen Kriegs­be­schä­dig­ten und -hin­ter­blie­be­nen, Klein- und So­zi­al­rent­ner muss­ten ei­ne deut­li­che Ab­sen­kung ih­rer Be­zü­ge hin­neh­men. Die so ge­nann­te „ge­ho­be­ne Für­sor­ge“ schrumpf­te durch Kür­zun­gen auf das Ni­veau der all­ge­mei­nen Wohl­fahrts­für­sor­ge zu­sam­men. Der Ober­bür­ger­meis­ter von Glad­bach-Rhe­ydt, Hand­schu­ma­cher, be­schrieb in der Sit­zung der dor­ti­gen Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung am 21.9.1932 den Zu­stand: „Was ge­zahlt wird, ist zu we­nig zum Le­ben und zu viel zum Ster­ben.“ Dar­über hin­aus gab es ei­ne gro­ße Zahl wei­te­rer Be­dürf­ti­ger oh­ne jeg­li­che öf­fent­li­che Un­ter­stüt­zung.

Mit der zu­neh­men­den und an­dau­ern­den Er­werbs­lo­sig­keit setz­ten in al­len sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten öf­fent­li­che Be­schäf­ti­gungs­maß­nah­men ein. Sie ver­folg­ten ei­ner­seits das Ziel, die an­ge­spann­te so­zia­le La­ge, ins­be­son­de­re un­ter Ju­gend­li­chen und jun­gen Er­wach­se­nen, zu ver­bes­sern, und an­de­rer­seits die kom­mu­na­len Haus­hal­te ab­seh­bar fi­nan­zi­ell zu ent­las­ten. Bei der Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­schäf­ti­gungs­maß­nah­men be­wie­sen die Kom­mu­nal­po­li­ti­ker vor Ort ei­ne be­acht­li­che Ei­gen­stän­dig­keit ih­rer Prio­ri­tä­ten­set­zung. Sie reich­te von der aus­schlie­ß­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on von Pflicht­ar­beit für die Wohl­fahrts­un­ter­stütz­ten in Glad­bach-Rhe­ydt, um den Ar­beits­wil­len je­des Un­ter­stütz­ten zu tes­ten mit dem Ziel ei­ner Kür­zung bis zur völ­li­gen Strei­chung der Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen bis zur grö­ß­ten Für­sor­ge­ar­beit un­ter den sechs Städ­ten in Düs­sel­dorf, weil die Er­werbs­lo­sen neue An­sprü­che für den Be­zug von Ar­beits­lo­sen- und Kri­sen­un­ter­stüt­zung er­wer­ben soll­ten, wo­durch sie aus der städ­ti­schen Wohl­fahrts­un­ter­stüt­zung fie­len und den Haus­halt ent­las­te­ten.

Wie exis­tenz­be­dro­hend die La­ge für vie­le Men­schen war, wird am Bei­spiel der Pflicht­ar­beit deut­lich. Für die Pflicht­ar­beit er­hiel­ten die Wohl­fahrts­un­ter­stütz­ten ein war­mes Mit­tag­es­sen und ei­nen sym­bo­li­schen Zu­schlag zur Un­ter­stüt­zung. Die­ser kärg­li­che Zu­schlag war für vie­le noch so at­trak­tiv, dass sie sich frei­wil­lig für die­se Ar­beit mel­de­ten und die Stadt­ver­wal­tung Duis­burg(-Ham­born) den Zu­schlag senk­te, um sol­che In­ter­es­sen­ten ab­zu­hal­ten. Die so ge­nann­te „Für­sor­ge“- be­zie­hungs­wei­se „Not­stands­ar­beit“ wur­de vom städ­ti­schen Wohl­fahrts­amt im Ein­ver­neh­men mit dem ört­li­chen Ar­beits­amt durch­ge­führt. Mit ihr soll­te ei­ne Be­schäf­ti­gung für Ar­beits­lo­se nach ih­rem Aus­schei­den aus der Un­ter­stüt­zung durch die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung und die Kri­sen­für­sor­ge ge­bo­ten wer­den. Hier­zu wur­den auch Ar­beits­ver­trä­ge ab­ge­schlos­sen. Die Pro­jek­te soll­ten ar­beits­in­ten­siv sein, Wer­te schaf­fen, die Ar­beits­kraft des Be­schäf­tig­ten er­hal­ten und de­ren Ver­mitt­lungs­chan­cen auf dem Ar­beits­markt ver­bes­sern. Hier­für wur­den Män­ner mit Fa­mi­li­en ge­gen­über Frau­en be­vor­zugt. Die Ent­loh­nung die­ser Ar­beit lag 10 Pro­zent un­ter dem Ta­rif­lohn für Ge­mein­de­ar­bei­ter und da­mit kaum hö­her als die Un­ter­stüt­zung durch die of­fe­ne Wohl­fahrts­für­sor­ge der Städ­te. Für Tief­bau­ar­beits­kräf­te war die Ent­loh­nung hö­her. Zur Fi­nan­zie­rung die­ser Ar­bei­ten gab es Dar­le­hen des Reichs und des Lan­des. Sie setz­te aber fi­nan­zi­el­le Mit­tel der Städ­te vor­aus, die sie im Lau­fe der Kri­se nicht mehr be­sa­ßen. Die Pro­jek­te wur­den ein­ge­stellt.

Ei­ne wei­te­re öf­fent­li­che Be­schäf­ti­gungs­maß­nah­me war der „Frei­wil­li­ge Ar­beits­diens­t“ (FAD) un­ter der Trä­ger­schaft der Reichs­an­stalt für Ar­beits­ver­mitt­lung und Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung, der mit der Not­ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 5.6.1931 ein­ge­führt wur­de. We­gen sei­nes or­ga­ni­sa­to­ri­schen Auf­wan­des blieb er in der Wirt­schafts­kri­se wir­kungs­los. Für die be­son­ders ge­fähr­det schei­nen­den ar­beits­lo­sen Ju­gend­li­chen wur­den Son­der­pro­gram­me or­ga­ni­siert. Bei al­len Be­schäf­ti­gungs­pro­jek­ten han­del­te es sich vor al­lem um ar­beits­in­ten­si­ve Hand­ar­beit im Tief­bau: Deich-, Stra­ßen- und Ka­nal­bau, Sport-, Spiel- und Grün­an­la­gen, Ar­bei­ten im Fuhr­park. In Düs­sel­dorf wur­de auf die­se Wei­se das Rhe­in­sta­di­on und in Duis­burg-We­dau die Ru­der­re­gat­ta­stre­cke ge­baut, in Wup­per­tal ei­ne Tal­sper­re ver­grö­ßert, in Glad­bach-Rhe­ydt die Niers ka­na­li­siert und in Köln der Stadt­wald­gür­tel aus­ge­baut. Vor dem Hin­ter­grund der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit hiel­ten sich die er­war­te­ten po­si­ti­ven Ef­fek­te über­all in en­gen Gren­zen.

Bis zur ein­set­zen­den Wirt­schafts­kri­se hat­ten sich die rhei­ni­schen Städ­te sehr stark in der Woh­nungs­po­li­tik en­ga­giert, um die viel­fach un­zu­rei­chen­den und un­mo­der­nen Wohn­ver­hält­nis­se zu ver­bes­sern so­wie den Woh­nungs­man­gel ih­rer Bür­ger spür­bar zu ver­rin­gern. Mehr als vier Fünf­tel al­ler neu­en Woh­nun­gen hat­ten För­der­mit­tel aus dem Haus­zins­steu­er­auf­kom­men er­hal­ten. Bau­kre­dit­zin­sen und Bau­kos­ten wur­den sub­ven­tio­niert und Woh­nun­gen in städ­ti­scher Trä­ger­schaft er­rich­tet. Die städ­ti­schen Spar­kas­sen be­tei­lig­ten sich an die­ser För­de­rung des Woh­nungs­baus durch die Ver­ga­be güns­ti­ger Kre­di­te. In Duis­burg(-Ham­born) und Köln wa­ren ge­mischt­wirt­schaft­li­che Un­ter­neh­men mit städ­ti­schen Mehr­heits­be­tei­li­gun­gen im Mehr­ge­schoss­woh­nungs­bau tä­tig. Als je­doch die Zweck­bin­dung für Haus­zins­steu­er­er­trä­ge zu­guns­ten ih­res all­ge­mei­nen Ein­sat­zes zur Schlie­ßung von Haus­halts­de­fi­zi­ten auf­ge­ho­ben wur­de, er­lahm­te auch das kom­mu­na­le In­ter­es­se am Woh­nungs­bau. Da au­ßer­dem noch die Kre­dit­ver­ga­be der Spar­kas­sen im Zu­sam­men­hang mit der all­ge­mei­nen Kre­dit­kri­se im Som­mer 1931 ein­ge­schränkt wur­de und die Zins­sät­ze stark stie­gen, war ein Aus­wei­chen auf die­sen Fi­nan­zie­rungs­weg nicht mehr mög­lich. Das Er­geb­nis war ein ab­rup­tes En­de der Woh­nungs­bau­för­de­rung und des Neu­baus von Woh­nun­gen vom Haus­halts­jahr 1930/1931 (1.4.1930-31.3.1931) zum Haus­halts­jahr 1931/1932 (1.4.1931-31.3.1932) oder ein Jahr spä­ter. Sym­pto­ma­tisch für die La­ge war die Auf­lö­sung des Woh­nungs­bau­am­tes der Stadt Es­sen im Jahr 1932.

2.4.2 Die Eingriffe in die Kommunalpolitik von Außen

Die Fra­ge nach den Mo­ti­ven, ob die Ge­le­gen­heit güns­tig war, um im­mer schon in­ko­gni­to vor­han­de­ne Ab­sich­ten end­lich in die Wirk­lich­keit um­zu­set­zen oder es der Ein­druck von Sach­zwän­gen war, die man nur mit den fol­gen­den Maß­nah­men auf­zu­lö­sen mein­te, ge­hört zu den Fra­gen der His­to­rio­gra­fie und war si­cher nicht re­le­vant für die kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger in der höchst pre­kä­ren La­ge ih­rer Städ­te. Ins­ge­samt aber be­deu­te­te die per­ma­nen­te Er­fin­dung von neu­en Ge­set­zen, Ver­ord­nun­gen, Er­las­sen, Richt­li­ni­en und Auf­la­gen ei­ne stän­dig zu­neh­men­de Be­schnei­dung des Ent­schei­dungs- und Hand­lungs­spiel­raums al­ler Städ­te und Ge­mein­den in Deutsch­land. Ganz of­fen­sicht­lich war der schwin­den­de po­li­ti­sche Wert der „kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tun­g“, wenn ziem­lich un­be­fan­gen für die Durch­set­zung von Vor­ga­ben Staats­kom­mis­sa­re ein­ge­setzt wur­den, die an die Stel­le von Ge­mein­de­or­ga­nen tra­ten und ih­re Be­fug­nis­se über­nah­men. Fak­tisch nichts blieb mehr „frei­wil­li­g“. Aus der „kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tun­g“ in der Tra­di­ti­on des Frei­herrn vom und zum Stein (1757-1831) wur­de ei­ne Auf­trags- und Aus­füh­rungs­ver­wal­tung in Ver­län­ge­rung des po­li­ti­schen Wil­lens der Re­gie­run­gen im Reich wie in Preu­ßen.

Der Lei­ter der Kom­mu­nal­ab­tei­lung im Preu­ßi­schen In­nen­mi­nis­te­ri­um, von Ley­den, sprach von ei­ner „voll­stän­di­gen Prä­fek­tur“, wenn al­les in ei­ner Stadt in den Hän­den der Staats­auf­sicht lie­ge. Al­ler­dings war die­se Ten­denz zur Zen­tra­li­sie­rung auf Kos­ten der kom­mu­na­len Selbst­stän­dig­keit kei­ne ei­ne neue Er­fah­rung im Zu­sam­men­hang mit der Wirt­schafts-, Staats- und Fi­nanz­kri­se, son­dern ein Grund­zug der Wei­ma­rer Ver­fas­sung. Bei­spiel­haft sei­en die Re­ge­lun­gen des Reichs zur Ge­mein­de­fi­nan­zie­rung und So­zi­al­für­sor­ge ge­nannt. Nur fand jetzt ei­ne bis da­hin un­ge­kann­te In­ten­si­vie­rung die­ser Ein­grif­fe von au­ßen bis in die letz­te Haus­halts­stel­le statt. Ih­re Be­grün­dun­gen pass­ten im­mer: zum Wohl des Gan­zen und der All­ge­mein­heit, zur Ge­sun­dung und Si­che­rung der Selbst­ver­wal­tung, ab­so­lut not­wen­dig, al­ter­na­tiv­los und nicht dis­ku­tier­bar.

Die Ein­schnit­te in die Po­li­tik der Städ­te tra­ten in ei­ner krea­ti­ven Viel­falt von Va­ri­an­ten und ei­ner Dich­te auf, die sie zu ei­nem kom­pli­zier­ten Di­ckicht wer­den lie­ßen, wel­ches wie­der­um nur von Ex­per­ten mit ju­ris­ti­schen Kom­men­ta­ren ge­lich­tet wer­den konn­te, die teil­wei­se selbst Er­zeu­ger sol­cher Vor­schrif­ten wa­ren. 1931 war das Jahr der schärfs­ten Be­schrän­kun­gen der kom­mu­na­len Hand­lungs­frei­heit. Be­reits ein Jahr zu­vor zeig­te sich das Maß­nah­men­ar­se­nal, das sich in Preu­ßen auf die be­reits oben er­wähn­te omi­nö­se Be­stim­mung im ALR be­ru­fen konn­te, wenn es an­de­re Mög­lich­kei­ten der ju­ris­ti­schen Le­gi­ti­mie­rung nicht gab. Auf die­sem Weg führ­ten die Staats­kom­mis­sa­re an­stel­le der sich wei­gern­den Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lun­gen neue Steu­ern nach den Not­ver­ord­nun­gen des Reichs­prä­si­den­ten und Preu­ßens ein. Un­ter ih­nen war die „Bür­ger­steu­er“ die be­deu­tends­te und um­strit­tens­te. Das He­be­satz­recht der Städ­te für die Re­al­steu­ern (Grund- und Ge­wer­be­steu­er) wur­de dras­tisch be­schnit­ten. Schlie­ß­lich wur­den die Steu­er­sät­ze so­gar zwangs­wei­se ge­senkt. Die­se Sen­kungs­ak­ti­on galt al­ler­dings nicht für Städ­te wie Düs­sel­dorf, die be­reits un­ter dem Lan­des­durch­schnitt la­gen. Die ein­zi­ge wirk­li­che Ver­bes­se­rung für die Ge­wer­be­steu­er­er­he­bung war die Ein­be­zie­hung der Frei­en Be­ru­fe in die Steu­er­pflicht ab 1930, je­doch soll­ten die da­durch er­ziel­ten Er­trä­ge gleich wie­der für ei­ne wirt­schafts­freund­li­che Sen­kung der Steu­er­sät­ze ver­wen­det wer­den. Auch die Haus­zins­steu­er wur­de zwangs­wei­se um 20 Pro­zent ge­senkt. Von die­ser Maß­nah­me pro­fi­tier­ten die Haus­ei­gen­tü­mer und Mie­ter zu Las­ten der kom­mu­na­len Haus­hal­te ab dem 1.4.1932.

Die­ser po­li­ti­sche Kurs konn­te noch mit fi­nan­zi­el­lem Druck in der Ge­stalt von Junk­t­ims ver­stärkt wer­den. Die Zu­wei­sung der so ge­nann­ten „Reichs­hil­fe“ an in­sol­ven­te Städ­te - zu ih­nen ge­hör­ten ei­gent­lich fünf der sechs rhei­ni­schen Städ­te mit mehr als 200.000 Ein­woh­nern - war an ei­ne stren­ge Kon­trol­le der kom­mu­na­len Fi­nanz- und Wirt­schafts­füh­rung und der ge­sam­ten So­zi­al­leis­tun­gen der Stadt durch Reich und Preu­ßen nach der Not­ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 5.6.1931 ge­bun­den. War ei­ne Stadt auf die Son­der­zu­wei­sung von Reich oder Preu­ßen an­ge­wie­sen, ten­dier­te der Hand­lungs­spiel­raum der städ­ti­schen Po­li­tik fak­tisch ge­gen Null. Fünf der sechs rhei­ni­schen Groß­städ­te muss­ten dies er­fah­ren. Die ein­zi­ge Aus­nah­me war Düs­sel­dorf, das wäh­rend der gan­zen Wirt­schafts- und Fi­nanz­kri­se oh­ne Staats­bei­hil­fe aus­kam, weil un­ter an­de­rem der Kon­sum­gü­ter­pro­du­zent Hen­kel ge­ra­de recht­zei­tig durch die Ein­ge­mein­dung Ben­raths 1929 zu ei­nem der sta­bils­ten und grö­ß­ten Ge­wer­be­steu­er­zah­ler Düs­sel­dorfs wur­de.

Die Be­wäl­ti­gung der Kre­dit­kri­se im Som­mer 1931 und die Schief­la­ge der Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz bo­ten ei­nen wei­te­ren An­lass für die Ver­stär­kung die­ser Po­li­tik mit der Not­ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 24.8.1931. Sie führ­te, durch Auf­la­gen nach Prü­fun­gen vor Ort von lei­ten­den Be­am­ten der Staats­auf­sicht an­ge­rei­chert, zu ei­ner star­ken Ega­li­sie­rung der Kom­mu­nal­po­li­tik in den Städ­ten. Durch ih­re Er­fah­run­gen und aus Ver­glei­chen ge­won­ne­ne Er­kennt­nis­se konn­ten die Prü­fer zag­haf­te Ver­su­che un­nö­tig schei­nen­der frei­wil­li­ger Mehr­aus­ga­ben oh­ne ge­setz­li­che Ver­pflich­tung oder Min­der­ein­nah­men durch Steu­er­ver­zicht eben­so be­en­den wie Ra­tio­na­li­sie­rungs­po­ten­zia­le auf­de­cken und feh­len­den frei­wil­li­gen en­er­gi­schen Spar­wil­len per An­ord­nun­gen durch­set­zen. Dies muss­te die Stadt Wup­per­tal hart zur Kennt­nis neh­men, die ei­gent­lich gro­ßzü­gi­ger ge­gen­über Emp­fän­gern kom­mu­na­ler Wohl­fahrts­un­ter­stüt­zung sein woll­te und ihr spe­zi­el­les Sys­tem der So­zi­al­für­sor­ge ver­such­te zu ret­ten. An­sons­ten be­grü­ß­ten die Ober­bür­ger­meis­ter die­se Prü­fun­gen und Auf­la­gen, weil sie Ar­gu­men­te zu­guns­ten ei­ner re­strik­ti­ven Haus­halts­po­li­tik lie­fer­ten.

Mit die­ser Po­li­tik der kur­zen Zü­gel ging ei­ne Ent­mach­tung der eh­ren­amt­li­chen Par­tei­po­li­ti­ker in den Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lun­gen zu­guns­ten der Ober­bür­ger­meis­ter ein­her. Die „Stadt­kö­ni­ge“ ver­stan­den es, die­se La­ge in den Au­ßen­be­zie­hun­gen zu ih­ren Guns­ten zu nut­zen. Es fan­den re­gel­mä­ßi­ge Kon­fe­ren­zen mit Ver­tre­tern der Staats­auf­sicht statt. In den Gre­mi­en des Städ­te­ta­ges und der kom­mu­na­len Ver­ei­ni­gun­gen konn­ten Ab­spra­chen ge­trof­fen wer­den. Ins­be­son­de­re die kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ver­bän­de tru­gen durch ih­re Emp­feh­lun­gen und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Mit­glieds­städ­ten zu ei­ner wahr­schein­lich un­ge­woll­ten Ver­schär­fung der Kom­mu­nal­auf­sicht bei, weil sich die staat­li­chen Prü­fer auf sie be­zie­hen konn­ten, wie zum Bei­spiel De­tails der Bü­ro­or­ga­ni­sa­ti­on und die Fest­le­gung der Re­gel­sät­ze für die Wohl­fahrts­un­ter­stüt­zung.

Die Füh­rung des Deut­schen und Preu­ßi­schen Städ­te­ta­ges er­hielt ein wach­sen­des Ge­wicht ge­gen­über den Mit­glieds­städ­ten. Zen­tra­le Fi­gur in die­sem Zu­sam­men­hang war der Ge­schäfts­füh­ren­de Prä­si­dent Dr. Os­kar Mu­lert (1881-1951, Amts­zeit 1925-1933). Der Städ­te­tag konn­te ein Not­be­schluss­recht der Ober­bür­ger­meis­ter durch­set­zen, ver­hin­der­te ei­ne wei­ter ver­schärf­te Kre­dit­kon­trol­le durch das Reich, in­dem er selbst die Auf­ga­be durch Kre­dit­aus­schüs­se über­nahm und nahm Ein­fluss auf die Ge­stal­tung des kom­mu­na­len Haus­halts­rechts.

2.4.3 Die Einnahmen der städtischen Haushalte

In­ner­städ­tisch wur­de die Fi­nanz­po­li­tik ma­ß­geb­lich von der Steu­er­kraft vor Ort be­stimmt, die sich im We­sent­li­chen aus den Zah­lun­gen der Ge­wer­be­steu­er- und Ein­kom­men­steu­er­zah­ler zu­sam­men­setz­te. Mit der gro­ßen Ab­satz- und Be­schäf­ti­gungs­kri­se im Stein­koh­len­berg­bau und in der Schwer­in­dus­trie im Ruhr­ge­biet brach die Steu­er­kraft Duis­burg(-Ham­borns) und Es­sens so stark ein, dass sie un­ter die der fi­nan­zi­ell schwa­chen Tex­til- und Be­klei­dungs­zen­tren fiel. Be­züg­lich der Er­trä­ge aus der Ein­kom­men- und Lohn­steu­er wirk­te sich die de­mo­gra­phi­sche Ein­tei­lung in „jun­ge“ Städ­te mit grö­ße­ren Fa­mi­li­en mit vie­len Kin­dern und in „al­te“ Städ­te mit klei­ne­ren Haus­hal­ten aus. In Duis­burg(-Ham­born), Es­sen und Glad­bach-Rhe­ydt min­der­ten die er­höh­ten Frei­be­trä­ge für Fa­mi­li­en die Er­trä­ge aus der Ein­kom­men- und Lohn­steu­er eben­so wie der ho­he An­teil der ein­kom­mens­schwa­chen Un­be­steu­er­ten in Duis­burg (-Ham­born) und Es­sen. So war es ei­ne Kom­bi­na­ti­on struk­tu­rel­ler Nach­tei­le, die die po­li­ti­schen Ent­schei­dungs- und Hand­lungs­spiel­räu­me in Duis­burg (-Ham­born), Es­sen und Glad­bach-Rhe­ydt über­durch­schnitt­lich stark ein­schränk­ten. Aus die­ser Per­spek­ti­ve be­fand sich die Stadt Düs­sel­dorf in ei­ner sehr kom­for­ta­blen Stel­lung. Ent­schei­dend war hier der Wasch- und Rei­ni­gungs­mit­tel­pro­du­zent Hen­kel mit fast 83 Pro­zent An­teil am Ein­kom­men al­ler Kör­per­schaft­steu­er­pflich­ti­gen.

Zwi­schen den sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten gab es nicht nur er­heb­li­che lo­ka­le Un­ter­schie­de, son­dern auch be­mer­kens­wer­te steu­er­po­li­ti­sche Dif­fe­ren­zen. Hier nahm Düs­sel­dorf mit sei­ner Nied­rig­steu­er­po­li­tik für Ge­wer­be­trei­ben­de und Grund­ei­gen­tü­mer ei­ne Son­der­rol­le ge­gen­über den üb­ri­gen Groß­städ­ten ein. Im Ver­gleich mit sei­nen groß­städ­ti­schen Nach­barn ent­las­te­te die­se Po­li­tik die Düs­sel­dor­fer Wirt­schaft bei den Grund- und Ge­wer­be­steu­ern um un­ge­fähr 20 bis 25 Pro­zent. Of­fen­bar un­ter­stütz­te der Düs­sel­dor­fer Re­gie­rungs­prä­si­dent als Kom­mu­nal­auf­sicht die­se Po­li­tik, weil Düs­sel­dorf kei­ne Staats­bei­hil­fen zur Fi­nan­zie­rung sei­nes Haus­halts er­hielt.

Die Haus­hal­te al­ler sechs rhei­ni­schen Groß­städ­te zeich­ne­te ein fun­da­men­ta­ler Struk­tur­wan­del im Ver­lauf der Wirt­schafts­kri­se aus. Der Kon­junk­tur­ein­bruch führ­te zu der ganz un­ge­wöhn­li­chen Si­tua­ti­on, dass die Er­trä­ge aus der Grund­steu­er die­je­ni­gen aus der Ge­wer­be­steu­er­er­he­bung über­stie­gen. Als Sur­ro­ga­te für die Steu­er­aus­fäl­le gab es per Not­ver­ord­nung Zu­wei­sun­gen und Zu­schüs­se von Reich und Preu­ßen. Sie tra­ten in den Haus­hal­ten im­mer mehr an die Stel­le von selbst­er­ziel­ba­ren Steu­er­ein­nah­men. Dies galt we­gen der ver­hält­nis­mä­ßig gro­ßen Sum­men ge­ra­de für die so ge­nann­te „Reichs­wohl­fahrts­hil­fe“ und die aus­ufern­den Zah­lun­gen aus dem zen­tra­len Aus­gleichs­fonds in Preu­ßen. Ih­re Ver­ga­ben wa­ren kom­pli­ziert und in­trans­pa­rent und wirk­ten letzt­lich eher will­kür­lich. Selbst bei iden­ti­schen An­spruchs­merk­ma­len kam es zu be­trächt­li­chen Ein­nah­me­di­f­fe­ren­zen.

Für Düs­sel­dorf fiel die­se Ka­te­go­rie der Ein­nah­men am ge­rings­ten aus und trug nur we­nig zur Haus­halts­fi­nan­zie­rung bei. Ganz an­ders sa­hen die Ver­hält­nis­se in Duis­burg(-Ham­born) aus. Dort muss­te 1933 je­de drit­te Reichs­mark der Ein­nah­men aus Zu­wei­sun­gen und Zu­schüs­sen be­zo­gen wer­den, was im Er­geb­nis mehr als das Fünf­fa­che ge­gen­über 1929 war. In die­ser äu­ßerst an­ge­spann­ten La­ge er­in­ner­ten sich die Kom­mu­nal­po­li­ti­ker des Er­trags­po­ten­zi­als ih­rer städ­ti­schen Be­trie­be. Künst­lich hoch an­ge­setz­te Ab­lie­fe­run­gen der Ver­kehrs- und Ver­sor­gungs­be­trie­be und Ge­win­ne aus Ka­pi­tal­be­tei­li­gun­gen an die städ­ti­schen Haus­hal­te über­nah­men ei­ne wich­ti­ge Rol­le für den Er­halt des Hand­lungs­spiel­raums kom­mu­na­ler Po­li­tik. Um die er­for­der­li­chen Ein­nah­men zu er­zie­len, zo­gen die kom­mu­na­len Ta­ri­fe be­reits in den Jah­ren 1929 und 1930 merk­lich an. Von den sechs Städ­ten setz­te Düs­sel­dorf au­gen­schein­lich am kon­se­quen­tes­ten die­se Hand­lungs­op­ti­on um. Den Düs­sel­dor­fer Stadt­wer­ken ge­lang es so­gar im Au­gust 1931 noch vor den reichs­weit ver­ord­ne­ten Preis­sen­kun­gen ei­ne kräf­ti­ge Was­ser­preis­er­hö­hung um fast 32 Pro­zent je Ku­bik­me­ter mit der ganz of­fen vor­ge­tra­ge­nen Be­grün­dung „zwecks Be­schaf­fung wei­te­rer Mit­tel für die Un­ter­stüt­zung der Wohl­fahrts­er­werbs­lo­sen“ durch­zu­set­zen, was al­ler­dings die Ver­brau­cher zu noch grö­ße­ren Spar­an­stren­gun­gen ver­an­lass­te. Al­ler­dings wa­ren schon die Chan­cen die­ses haus­halts­po­li­ti­schen In­stru­ments höchst un­gleich ver­teilt. Auch hier wie bei struk­tu­rel­len Ein­fluss­fak­to­ren auf das po­li­ti­sche Han­deln be­sa­ßen Düs­sel­dorf und Köln be­acht­li­che Vor­tei­le. Da­ge­gen hat­ten die Ruhr­ge­biets­städ­te man­gels Mas­se fast kei­nen Ge­winn aus die­ser Ein­nah­me­art.

2.4.4 Die Ausgaben der städtischen Haushalte

Kom­ple­xer als die Ent­wick­lung der Ein­nah­me­sei­te der Haus­hal­te ge­stal­te­te sich die Aus­ga­ben­struk­tur durch die Kri­sen­er­schei­nun­gen vor Ort. Ge­mein­sam war al­len Städ­ten, den fi­nan­zi­el­len Über­le­bens­kampf durch ei­ne ri­go­ro­se Spar­po­li­tik ge­win­nen zu wol­len be­zie­hungs­wei­se zu müs­sen. Dem Ziel ei­ner Ein­schrän­kung al­ler Aus­ga­ben auf das Al­ler­nö­tigs­te und recht­lich un­aus­weich­lich Zwin­gen­de muss­te letzt­lich al­les an­de­re un­ter­ge­ord­net wer­den. Bei die­sem Vor­ge­hen fand man die mas­si­ve Un­ter­stüt­zung der ex­ter­nen Po­li­tik in Reich und Preu­ßen so­wie des Städ­te­ta­ges. Das Spa­ren ge­schah durch­weg auf Kos­ten des städ­ti­schen Per­so­nals und der Hilfs­be­dürf­ti­gen. Ver­wal­tungs­ab­läu­fe wur­den ra­tio­na­li­siert, Mit­ar­bei­tern neue Dienst­stel­len zu­ge­wie­sen, Be­am­te in den vor­zei­ti­gen Ru­he­stand mit her­ab­ge­setz­ten Be­zü­gen ver­setzt und künd­ba­re Ar­beits­ver­hält­nis­se von An­ge­stell­ten und Ar­bei­tern auf­ge­löst. Die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit wur­de zwangs­wei­se oh­ne Lohn­er­satz ge­senkt. Au­ßer­dem wur­den bis zu sechs Über­stun­den pro Wo­che oh­ne An­spruch auf Ver­gü­tung er­war­tet. Den fünf Groß­städ­ten, die im Re­gie­rungs­be­zirk Düs­sel­dorf von der kom­mu­na­len Neu­ord­nung 1929 be­trof­fen wa­ren, ge­lang es, das Ra­tio­na­li­sie­rungs- und Ein­spar­po­ten­zi­al aus der Zu­sam­men­le­gung bis­her selbst­stän­di­ger Ge­mein­de­ver­wal­tun­gen aus­zu­schöp­fen. Von der Mög­lich­keit der Früh­pen­sio­nie­rung mach­te das zwei tra­di­tio­nel­le Groß­städ­te um­fas­sen­de neue Wup­per­tal be­son­ders reich­lich Ge­brauch. In Düs­sel­dorf er­setz­te man teil­wei­se die Ar­beit von re­gu­lär Be­zahl­ten durch die­je­ni­ge von Ge­ring­be­zahl­ten mit schlech­tem Kün­di­gungs­schutz. In Tei­len der Es­se­ner Ver­wal­tung gab es kos­ten­güns­ti­ge Wohl­fahrts­er­werbs­lo­se. Im dor­ti­gen Gar­ten­amt wa­ren bis zu 3.000 Wohl­fahrts­er­werbs­lo­se be­schäf­tigt.

Kul­tur, Schu­len und Bau­ver­wal­tung muss­ten be­son­de­re Ein­schnit­te hin­neh­men. Al­le frei­wil­lig an­ge­gan­ge­nen Bau­maß­nah­men wur­den auf An­ord­nung der Staats­auf­sicht ein­ge­stellt. Glad­bach-Rhe­ydt und Wup­per­tal er­grif­fen im Kul­tur­be­reich die schärfs­ten Spar­maß­nah­men und über­tru­gen ih­re Thea­ter je­weils ei­ner GmbH. Al­ler­dings setz­ten das Ar­beits- und Be­am­ten­recht und die spe­zi­fi­schen Qua­li­fi­ka­tio­nen der Be­schäf­tig­ten schnell er­ziel­ba­ren Sen­kun­gen der Per­so­nal­kos­ten Gren­zen. In Düs­sel­dorf und Köln sank da­durch das Per­so­nal­kos­ten­ni­veau wäh­rend der Kri­se ge­ra­de auf das Ni­veau der Stadt Es­sen vor den ein­set­zen­den Kür­zun­gen im Haus­halts­jahr 1930/1931 (1.4.1930-31.3.1931). Be­son­ders har­te Fol­gen hat­te die Spar­po­li­tik in Wup­per­tal. Die neue Stadt „Wup­per­tal“ hat­te am Tag ih­rer Ent­ste­hung, am 1.8.1929, 2.663 An­ge­stell­te und Be­am­te so­wie 2.632 Ar­bei­ter in den kom­mu­na­len Dienst über­nom­men, am Jah­res­en­de 1932 hat­te sie nur noch 1.904 Be­am­te und An­ge­stell­te so­wie 2.105 Ar­bei­ter. Die Ein­kom­men der städ­ti­schen Be­diens­te­ten san­ken in al­len sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten deut­lich. Köln er­rech­ne­te im Jahr 1931 für sei­ne An­ge­stell­ten und Be­am­ten ei­nen Ver­lust bis zu 29 Pro­zent und für die Ar­bei­ter von 22,5 Pro­zent al­lein durch die Ver­ord­nun­gen des Reichs und Preu­ßens. Durch die­se Po­li­tik stell­ten die Per­so­nal­aus­ga­ben kei­ne wirk­li­che Ge­fahr für die Haus­hal­te der rhei­ni­schen Städ­te dar.

2.4.5 Die Finanzierung der Sozialpolitik

Es blie­ben aber die So­zi­al­aus­ga­ben und der Schul­den­dienst auf der Aus­ga­ben­sei­te der Haus­hal­te, die kaum in den Griff zu be­kom­men wa­ren. Die wach­sen­de Zahl von Emp­fän­gern städ­ti­scher Wohl­fahrts­un­ter­stüt­zung brach­te ei­ne ex­plo­si­ons­ar­ti­ge Er­hö­hung der So­zi­al­aus­ga­ben. Noch im Haus­halts­jahr 1930/1931 (1.4.1930-31.3.1931) konn­ten die Steu­er­ein­nah­men in al­len Städ­ten die Aus­ga­ben für die so­zia­le Si­che­rung de­cken. Bald dar­auf stell­te sich ein Miss­ver­hält­nis ein, das sich in Duis­burg (-Ham­born) zu­spitz­te. Schlie­ß­lich war im Haus­halts­jahr 1932/1933 (1.4.1932-31.3.1933) kei­ne Stadt mehr in der La­ge, die ge­for­der­ten Pflicht­aus­ga­ben für die so­zia­le Si­che­rung aus ih­ren Steu­er­er­trä­gen zu fi­nan­zie­ren. Al­le Spar­be­mü­hun­gen wie die Sen­kung der Un­ter­stüt­zungs­richt­sät­ze lie­fen den noch schnel­le­ren kon­junk­tur­be­ding­ten Aus­fäl­len von Steu­er­ein­nah­men, Stei­ge­run­gen der Aus­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit der Dau­er der Er­werbs­lo­sig­keit und Ver­la­ge­run­gen von Auf­wen­dun­gen des Reichs auf die Kom­mu­nen hin­ter­her, konn­ten aber im­mer­hin den An­stieg im Ver­hält­nis zur Zu­nah­me der Er­werbs­lo­sen ab­mil­dern.

Die­se Po­li­tik war stets von hef­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen in den Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lun­gen be­glei­tet. Für ih­ren so­zi­al- wie auch gleich­zei­tig fi­nanz­po­li­ti­schen Kurs er­hiel­ten die Ober­bür­ger­meis­ter die Rü­cken­de­ckung der Kom­mu­nal­auf­sicht, die ein ur­ei­ge­nes In­ter­es­se dar­an ha­ben muss­te, ihr Ri­si­ko von stei­gen­den Zu­wei­sun­gen durch hö­he­re kom­mu­na­le Aus­ga­ben zu mi­ni­mie­ren. Das Er­geb­nis wa­ren ab 1931 ganz ver­ein­heit­lich­te Richt­sät­ze und re­strik­ti­ve Hand­ha­bun­gen der of­fe­nen Wohl­fahrts­für­sor­ge der Städ­te auf nied­rigs­tem Ni­veau. Der ge­sam­te Un­ter­stüt­zungs­be­trag ein­schlie­ß­lich Ne­ben­leis­tun­gen soll­te mög­lichst 80 Pro­zent des Net­to­lohns ei­nes un­ge­lern­ten Ar­bei­ters nicht über­stei­gen.

In der Kon­se­quenz die­ses fi­nanz­po­li­ti­schen Di­lem­mas ver­grö­ßer­ten sich die Haus­halts­de­fi­zi­te der Städ­te im­mer mehr. Al­ler­dings zeig­te sich wie­der ein dif­fe­ren­zier­tes Bild. Düs­sel­dorfs be­kann­te sehr vor­teil­haf­te La­ge be­stä­tig­te sich auch bei den Haus­halts­ab­schlüs­sen. Die bei­den Ruhr­städ­te und be­mer­kens­wer­ter­wei­se auch Köln hat­ten die grö­ß­ten Schwie­rig­kei­ten bei der Her­stel­lung von aus­ge­gli­che­nen Haus­hal­ten.

2.4.6 Die Schulden

Dass die La­ge der Kom­mu­nal­po­li­tik in den rhei­ni­schen Städ­ten kei­nes­wegs aus­schlie­ß­lich „schick­sal­haf­t“ von un­ver­än­der­ba­ren in­ter­nen Be­din­gun­gen und Ein­grif­fen von au­ßen dik­tiert wur­de, zeigt sich bei der Ver­schul­dungs­po­li­tik. Die Hö­he der Schul­den­dienst­leis­tun­gen ei­ner Stadt war weit­ge­hend das Er­geb­nis der Po­li­tik vor Ort. Die rhei­ni­schen Groß­städ­te ge­hör­ten zu den Ge­win­nern der Hy­per­in­fla­ti­on nach dem Ers­ten Welt­krieg. Nun blieb in Fol­ge der Wäh­rungs­re­form von den al­ten Schul­den nur noch ein Bruch­teil üb­rig. Die­se Aus­gangs­la­ge ver­an­lass­te die Städ­te, durch Schul­den­auf­nah­men im In- und Aus­land bis 1929 ei­ne ex­pan­si­ve In­ves­ti­ti­ons­po­li­tik in Ver­sor­gungs- und Ver­kehrs­ein­rich­tun­gen so­wie in den Woh­nungs­bau zu fi­nan­zie­ren. Mit den Vor­grif­fen auf künf­ti­ge mög­li­che Ein­nah­men aus der Haus­zins­steu­er gin­gen die Städ­te ein be­acht­li­ches Ri­si­ko ein. Mit­tels Bürg­schaf­ten und zweit­ran­gi­gen Grund­buch­si­cher­hei­ten dehn­ten die kom­mu­na­len Fi­nanz­po­li­ti­ker die Hand­lungs­spiel­räu­me für den pri­va­ten Woh­nungs­bau wei­ter aus. Mit kurz­fris­ti­gen Kre­di­ten wur­de die Li­qui­di­tät in den städ­ti­schen Kas­sen er­hal­ten. Im Un­ter­schied zu den an­de­ren Städ­ten nutz­te Köln sei­nen gu­ten Ruf für die Auf­nah­me von Aus­lands­an­lei­hen. Au­ßer­dem kauf­ten Aus­län­der In­lands­an­lei­hen der Städ­te. Nicht die Städ­te mit den schwie­rigs­ten wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Ver­hält­nis­sen wie Duis­burg (-Ham­born) und Es­sen, son­dern Köln ge­riet in die schwers­te Li­qui­di­täts­kri­se al­ler sechs rhei­ni­schen Groß­städ­te. Am En­de des Haus­halts­jah­res 1929 am 31.3.1930 lag die Ge­samt­ver­schul­dung Kölns schon bei 559 Reichs­mark pro Ein­woh­ner im Un­ter­schied zu den üb­ri­gen Groß­städ­ten mit 132 bis 351 Reichs­mark pro Kopf. Zur Auf­nah­me von Kre­di­ten hat­te man sich vor al­lem der ei­ge­nen Spar­kas­se und der Lan­des­bank der Rhein­pro­vinz als re­gio­na­le Zen­tral­bank der rhei­ni­schen Spar­kas­sen be­dient. Die dar­aus re­sul­tie­ren­den Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen wur­den von al­len Städ­ten nur sehr schlep­pend er­füllt, so, wie sie auch an­de­re Zah­lungs­rück­stän­de bei Staats­steu­ern und an­de­ren öf­fent­lich-recht­li­chen Ab­ga­ben zu Mil­lio­nen­be­trä­gen auf­lau­fen lie­ßen. Die­ses Ver­hal­ten brach­te im Zu­sam­men­hang mit der Kre­dit­kri­se im Som­mer 1931 die Lan­des­bank in fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten.

In den Städ­ten wa­ren die Li­qui­di­täts­eng­päs­se höchst un­ter­schied­lich. Die Schul­den­struk­tur in Es­sen war das Re­sul­tat vor­sich­ti­gen Ri­si­ko­ma­nage­ments. Die Schul­den in Köln und Glad­bach-Rhe­ydt wa­ren ge­wag­ter und hat­ten ver­gleichs­wei­se kurz­fris­ti­ge Lauf­zei­ten. Kölns Ver­schul­dung er­wies sich als be­son­ders kri­sen­an­fäl­lig durch ih­re Hö­he, die star­ke Zins­last, die ge­häuf­ten Zah­lungs­ter­mi­ne und die Her­ga­be hoch­wer­ti­ger Si­cher­hei­ten. Die Kre­dit­kri­se im Som­mer 1931 deck­te ei­gent­lich nur auf, was struk­tu­rell in den Jah­ren seit der Wäh­rungs­sta­bi­li­sie­rung ge­sche­hen war. Köln ver­lor nun ei­nen gro­ßen Teil sei­ner Hand­lungs­fä­hig­keit. Die fäl­li­ge Til­gung ei­nes Teils von kurz­fris­ti­gen Schatz­an­wei­sun­gen am 1.10.1932 konn­te nicht mehr ge­leis­tet wer­den. Die Zah­lung wur­de auf An­ord­nung des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten in Köln bis zum Jah­res­en­de 1932 ge­stun­det. Im Haus­halts­jahr 1931/1932 (1.4.1931-31.3.1932) muss­te die Stadt Köln mehr als je­de fünf­te Mark der Ein­nah­men für die Be­die­nung der Schul­den auf­wen­den, was ihr den Spit­zen­platz un­ter den sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten ein­brach­te. Für ein Vier­tel sei­ner ho­hen kurz­fris­ti­gen Schul­den zahl­te die Stadt Köln 15 Pro­zent Zin­sen pro Jahr.

In ei­ne pro­ble­ma­ti­sche La­ge ge­riet Glad­bach-Rhe­ydt durch ein un­ge­schick­tes Schul­den­ma­nage­ment. Aber auch ei­ne vor­sich­ti­ge Schul­den­po­li­tik wie in Es­sen war noch kein ga­ran­tier­ter Schutz vor er­drü­cken­den Fi­nanz­pro­ble­men. In Wup­per­tal sah man sich we­gen des Ein­bruchs der or­dent­li­chen Ein­nah­men und der ex­plo­die­ren­den So­zi­al­aus­ga­ben ge­zwun­gen, mit ho­hen kurz­fris­ti­gen Kas­sen­kre­di­ten Aus­ga­ben für Löh­ne, Ge­häl­ter und Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen zu fi­nan­zie­ren, was durch­aus ty­pisch für die Pro­ble­me der Städ­te war. Dies al­les fand un­ter Kennt­nis­nah­me oder Bil­li­gung der Kom­mu­nal­auf­sicht statt. Es zeig­te sich, dass die Do­mi­nanz er­fah­re­ner und re­la­tiv kom­pe­ten­ter Ver­wal­tungs­ju­ris­ten nicht vor öko­no­mi­schen Fehl­ein­schät­zun­gen schütz­te. Noch we­ni­ge Mo­na­te vor dem Zu­sam­men­bruch der Köl­ner Fi­nan­zen be­ur­teil­ten die Gut­ach­ter den Haus­halts­plan für 1931 als „ei­nen aus­ge­zeich­ne­ten Er­fol­g“, weil er „selbst aus­ge­gli­chen und oh­ne Ein­grei­fen von Auf­sichts­we­gen ver­ab­schie­de­t“ wor­den sei. Vor dem Hin­ter­grund längst be­kann­ter Etat­pro­ble­me Ade­nau­ers war dies ein er­staun­lich nai­ves Ur­teil, das sich auf ge­schick­ter Haus­halts­kos­me­tik wie Glo­bal­kür­zun­gen von Aus­ga­ben stütz­te. Al­le Um­schul­dungs­ak­tio­nen zur Be­sei­ti­gung sol­cher Zu­stän­de und das Ver­bot von Ge­währs­trä­ger­kre­di­ten der städ­ti­schen Spar­kas­sen 1931 führ­ten nicht zu ei­ner Ver­bes­se­rung der Schul­den­pro­ble­ma­tik. Ei­ne durch­grei­fen­de Neu­ord­nung der kom­mu­na­len Schul­den er­ziel­te erst die Zwangs­kon­ver­si­on ab dem Herbst 1933.

3. Ein Fazit zur Kommunalpolitik der rheinischen Großstädte

Für die Po­li­tik der rhei­ni­schen Groß­städ­te war die Be­wäl­ti­gung der Er­schei­nun­gen der gro­ßen De­pres­si­on und der Staats­kri­se der Wei­ma­rer Re­pu­blik die wahr­schein­lich grö­ß­te Her­aus­for­de­rung seit der Ein­füh­rung der Rhei­ni­schen Städ­te­ord­nung im Jahr 1856. Es galt mit der Kri­se als Dys­funk­ti­on der kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tung im Stein­schen Sin­ne um­zu­ge­hen. Un­ter den vor­herr­schen­den po­li­ti­schen, ju­ris­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Be­din­gun­gen und Er­kennt­nis­se wa­ren die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen der rhei­ni­schen Städ­te und ih­re Kon­se­quen­zen gro­ßen­teils un­aus­weich­lich und an­ge­mes­sen. Will man ein si­cher gül­ti­ges Fa­zit aus der Dar­stel­lung des his­to­ri­schen Ge­sche­hens in sei­ner gan­zen Dra­ma­tik zie­hen, dann die Fest­stel­lung, dass al­le sechs rhei­ni­schen Groß­städ­te wäh­rend der Welt­wirt­schafts­kri­se an At­trak­ti­vi­tät, Wirt­schafts- und Fi­nanz­kraft so­wie po­li­ti­sche Hand­lungs­spiel­räu­me ver­lo­ren hat­ten. Aber es gab gra­vie­ren­de Un­ter­schie­de. Sie sind nicht nur „schick­sal­haf­t“ in der lo­ka­len Wirt­schafts- und So­zi­al­struk­tur vor­ge­ge­ben, auch wenn die­se schon sehr be­stim­mend auf die kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen vor Ort ein­wirk­te. Im Er­geb­nis hat­te Düs­sel­dorf un­ter den sechs rhei­ni­schen Groß­städ­ten mit mehr als 200.000 Ein­woh­nern den grö­ß­ten Hand­lungs­spiel­raum und Duis­burg(-Ham­born) den kleins­ten. Da­zwi­schen la­gen die üb­ri­gen Städ­te, wo­bei Köln trotz sei­ner Ver­schul­dung im­mer noch mehr Hand­lungs­frei­heit be­saß als Es­sen, Glad­bach-Rhe­ydt und Wup­per­tal. Man­che hef­ti­ge Kri­tik an der Kom­mu­nal­po­li­tik stieß zwar auf brei­te Re­so­nanz, fu­ß­te aber of­fen­bar auf ei­ner man­geln­den Ein­sichts­fä­hig­keit in die un­aus­weich­li­chen An­pas­sun­gen kom­mu­na­ler Po­li­tik an das neue ge­sell­schaft­li­che und po­li­ti­sche Um­feld der ers­ten deut­schen Re­pu­blik. Hier­zu ge­hör­te die not­wen­di­ge Pro­fes­sio­na­li­sie­rung und Auf­ga­ben­ex­pan­si­on kom­mu­na­ler Ver­wal­tung. Von ei­ner „Kri­se der kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tun­g“ in der End­pha­se der Wei­ma­rer De­mo­kra­tie kann ge­spro­chen wer­den, wenn es um die Viel­zahl von Ein­grif­fen in die selbst­ver­ant­wort­li­che po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­fin­dung der Städ­te ging. Im Mo­ment ei­ner fun­da­men­ta­len Wirt­schafts- und Staats­kri­se zeig­te sich die am­bi­va­len­te Ein­stel­lung vie­ler Po­li­ti­ker in Reich und Preu­ßen. Das Schlag­wort von der „Kri­se der kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tun­g“ dien­te man­chem Ak­teur als Recht­fer­ti­gung für die Rich­tung zu ei­ner au­to­ri­tä­ren Herr­schaft in den Städ­ten. Es ge­hört aber zur Tra­gik der Ge­schich­te, dass die schon in Aus­sicht ste­hen­de wirt­schaft­li­che Er­ho­lung mit der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten im Früh­jahr 1933 zu­sam­men­fiel und so­mit die Früch­te des letzt­lich er­folg­rei­chen Exis­tenz­kamp­fes der Po­li­tik und Ver­wal­tun­gen der Städ­te an Rhein und Ruhr wäh­rend der Welt­wirt­schafts­kri­se an je­ne fie­len, die je­den kon­struk­ti­ven Bei­trag in den schwie­ri­gen Jah­ren ver­wei­ger­ten.

4. Quellen

Ar­chi­va­li­sche Quel­len mit über­ört­li­cher Be­deu­tung im Über­blick
Ge­hei­mes Staats­ar­chiv Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz Ber­lin, I. Haupt­ab­tei­lung Rep. 77 (Mi­nis­te­ri­um des In­nern)
Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len, Ab­tei­lung Rhein­land, Stand­ort Düs­sel­dorf, Be­stand Re­gie­rung Düs­sel­dorf (Ge­wer­be­auf­sicht, Kom­mu­nal­auf­sicht)
Lan­des­ar­chiv Ber­lin, Be­stand 142/1 (Deut­scher und Preu­ßi­scher Städ­te­tag)
Stadt­ar­chiv Duis­burg (Rhei­ni­scher Städ­te­tag, Ver­wal­tungs­kon­fe­ren­zen).
 
Ver­öf­fent­lich­te Quel­len in Aus­wahl
Ver­wal­tungs­be­rich­te
Sta­tis­tik­ver­öf­fent­li­chun­gen
Haus­halts­plä­ne und Pro­to­kol­le der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lun­gen der Städ­te
Ver­hand­lun­gen des Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­ta­ges
Zeit­schrift des Deut­schen Städ­te­ta­ges („Der Städ­te­ta­g“ mit Bei­la­ge „Städ­te und Sta­tis­ti­k“)
Sta­tis­ti­sches Jahr­buch deut­scher Städ­te Wirt­schaft und Sta­tis­tik Vier­tel­jahrs­hef­te zur Sta­tis­tik des Deut­schen Reichs
Ein­zel­bän­de der Sta­tis­tik des Deut­schen Reichs u. a. zu Zäh­lun­gen
Sta­tis­ti­sches Jahr­buch für das Deut­sche Reich
Zeit­schrif­ten der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern und Wirt­schafts­ver­bän­de in der Rhein­pro­vinz
Jahr­buch für den Ruhr­koh­len­be­zirk
Ge­schäfts­be­rich­te Fried.  Krupp AG, Duis­burg-Ruhr­or­ter Hä­fen, di­ver­se Stadt­wer­ke und Stadt­spar­kas­sen, Hoch­tief AG, Mo­to­ren­fa­brik Deutz AG, Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG. Jah­res­be­rich­te der Ge­wer­be­auf­sichts­be­am­ten und Berg­be­hör­den Mit­tei­lun­gen zur Sta­tis­tik des rhei­ni­schen Ar­beits­mark­tes 

5. Literatur

Bütt­ner, Ur­su­la, Wei­mar. Die über­for­der­te Re­pu­blik 1918-1933. Leis­tung und Ver­sa­gen in Staat, Ge­sell­schaft, Wirt­schaft und Kul­tur, Stutt­gart 2008.
Heim, Mi­cha­el, Die Ur­sa­chen der Welt­wirt­schafts­kri­se. Ana­ly­se ei­ner öko­no­mi­schen Es­ka­la­ti­on 1929-1933, Sankt Ka­tha­ri­nen 2007.
Kind­le­ber­ger, Charles P./Ot­te, Max, Die Welt­wirt­schafts­kri­se 1929-1939, Mün­chen 2010.
Kolb, Eber­hard, Deutsch­land 1918-1933. Ei­ne Ge­schich­te der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Mün­chen 2010.
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Arbeitslose vor einer Schlafbaracke in Essen-Karnap, um 1930, Foto: Willy van Heekern. (Fotoarchiv Stiftung Ruhr Museum)

 
Zitationshinweis

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Weiß, Lothar, Die rheinischen Großstädte während der Weltwirtschaftskrise 1929-1933 (Teil II – Verlauf der Weltwirtschaftskrise), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-rheinischen-grossstaedte-waehrend-der-weltwirtschaftskrise-1929-1933-teil-ii-%25E2%2580%2593-verlauf-der-weltwirtschaftskrise/DE-2086/lido/57d133d2f32b58.15719391 (abgerufen am 18.04.2024)