Die WDR-Hörfunk-Landesredaktion

Katrin Minner (Siegen/Münster)

Die WDR-Hörfunk-Landesredaktion im Jahr 1971. (WDR/Unternehmensfoto)

1. Einleitung

Die WDR-Lan­des­re­dak­ti­on ge­hör­te zwi­schen den 1960er und den 1990er Jah­ren zu den ers­ten Ak­teu­ren, die die Zeit­ge­schich­te des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len sys­te­ma­tisch the­ma­ti­sier­ten. Sie ent­stand aus ei­nem vom Sen­der wahr­ge­nom­me­nen Be­dürf­nis, re­gio­na­le The­men mitt­le­rer zeit­li­cher Reich­wei­te jen­seits ta­ges­ak­tu­el­ler Nach­rich­ten zu be­han­deln. Die Re­dak­ti­on hat­te da­bei zwei Schwer­punk­te: ei­nen po­li­tisch-ge­sell­schaft­li­chen Zu­griff und his­to­ri­sche Be­trach­tun­gen. Als Im­puls­ge­be­rin ei­ner Lan­des­zeit­ge­schich­te pro­du­zier­te die Re­dak­ti­on neu­es Wis­sen und ver­brei­te­te es. Ihr An­ge­bot fand ins­be­son­de­re in der Po­li­tik In­ter­es­se und Wür­di­gung, weil es auf dem Feld ei­nes „Lan­des­be­wusst­sein­s“ wirk­te. Dass es in dem 1946/1947 ge­grün­de­ten Bun­des­land Nord­rhein-West­fa­len dar­an feh­le, war bis weit in die 1980er Jah­re ein The­ma der Po­li­tik, wo­bei es un­ter meh­re­ren Mi­nis­ter­prä­si­den­ten An­läu­fe ge­ge­ben hat­te, ein Lan­des­be­wusst­sein zu för­dern.

Die WDR-Lan­des­re­dak­ti­on war ei­ne im Ver­gleich mit an­de­ren Lan­des­rund­funk­an­stal­ten neu­ar­ti­ge Ein­rich­tung. Auch stieß sie auf ein De­si­de­rat der aka­de­mi­schen Lan­des­ge­schichts­for­schung und nahm sich des­sen an. Die mas­sen­me­dia­le Reich­wei­te des Ra­di­os mach­te das Wis­sen um die Re­gi­on ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich. Au­ßer­dem for­cier­te die Re­dak­ti­on durch ei­ge­ne For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten den Auf­schwung der Rund­funk­ge­schich­te.

2. Der politische Kontext

Oft wird als Ver­dienst der Re­dak­ti­on ge­nannt, ei­nen we­sent­li­chen Bei­trag da­zu ge­leis­tet zu ha­ben, in der Be­völ­ke­rung ein „Lan­des­be­wusst­sein“ zu schaf­fen und zu för­dern und so­mit als In­te­gra­ti­ons­fak­tor für das Bin­de­strich-Land NRW ge­wirkt zu ha­ben. Als im Ja­nu­ar 1986 der ers­te Lei­ter der Lan­des­re­dak­ti­on, Wal­ter Först, in den Ru­he­stand ver­ab­schie­det wur­de, for­mu­lier­te Ru­dolf Mor­sey, die­ser ha­be „den Bin­de­strich kür­zer ge­mach­t“. Das ver­weist auf die Aus­gangs­la­ge, aus der her­aus sich der Sen­der zur Ein­rich­tung der Re­dak­ti­on ent­schloss.

Kurz nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­den neue Bun­des­län­der ge­grün­det, die in ei­ni­gen Fäl­len als „Bin­de­strich“-Län­der ent­stan­den. So ka­men Be­dürf­nis­se nach Me­di­en auf, die den re­gio­na­len be­zie­hungs­wei­se lan­des­wei­ten Be­reich ab­de­cken soll­ten. 1949 wur­den öf­fent­lich-recht­li­che Sen­de­an­stal­ten ge­schaf­fen und nach und nach in Lan­des­stu­di­os aus­dif­fe­ren­ziert, die auch auf lo­ka­le und re­gio­na­le Be­zü­ge ein­ge­hen soll­ten. Ers­te­re ent­spra­chen je­doch zeit­wei­se nicht dem Zu­schnitt der Bun­des­län­der, son­dern wa­ren wie der Nord­west­deut­sche Rund­funk (NW­DR) und der Süd­west­funk (SWF) grenz­über­grei­fend an­ge­legt. Die nord­rhein-west­fä­li­sche Re­gie­rung sah das ei­ge­ne Land im Pro­gramm des NW­DR nicht hin­rei­chend be­rück­sich­tigt und be­müh­te sich um ei­nen ei­ge­nen Rund­funk­sen­der, der die In­te­gra­ti­on des neu­en Bun­des­lan­des be­för­dern soll­te.

Das 1946/1947 ge­grün­de­te Bun­des­land setz­te sich aus drei Teil-Län­dern zu­sam­men: Rhein­land – der Nord­teil der ehe­ma­li­gen preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz –, West­fa­len und Lip­pe. Rhein­land und West­fa­len wa­ren zwar seit 1815 preu­ßi­sche Pro­vin­zen ge­we­sen, hat­ten aber mit Aus­nah­me des Ruhr­ge­biets kaum tie­fer­ge­hen­de Ver­bin­dun­gen un­ter­ein­an­der aus­ge­bil­det. Be­stre­bun­gen, das nach po­li­ti­schen Kri­te­ri­en ge­schaf­fe­ne „Bin­de­strich-Bun­des­lan­d“ mit mehr „Lan­des­be­wusst­sein“ zu fül­len, be­gan­nen be­reits un­ter dem ers­ten Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Karl Ar­nold (1947-1956). Ein Er­geb­nis war, den WDR aus dem NW­DR her­aus­zu­lö­sen und 1954/1955 als neue Lan­des­rund­funk­an­stalt zu er­rich­ten. Wäh­rend der Re­gie­rungs­zeit von Franz Mey­ers (1958-1966) war die För­de­rung ei­nes nord­rhein-west­fä­li­schen Lan­des­be­wusst­seins ein er­klär­tes Re­gie­rungs­ziel, das auch in den fol­gen­den Ka­bi­net­ten von Heinz Kühn (1912-1992) un­d Jo­han­nes Rau ak­tu­ell blieb.

In der For­schung be­steht Ei­nig­keit dar­über, dass das Ra­dio in den 1950er und 1960er Jah­ren ein zen­tra­ler und macht­vol­ler Fak­tor im Trans­fer po­li­ti­scher und kul­tu­rel­ler Nor­men und Wer­te war. Es blieb auch in den 1970er Jah­ren bis zum Aus­bau ei­nes ganz­tä­gi­gen Fern­seh­pro­gramms das Leit­me­di­um. Die Ein­füh­rung und der Aus­bau der UKW-Fre­quen­zen in den 1950er und 1960er Jah­ren mach­te das Ra­dio zu ei­nem re­gio­na­len Me­di­um, tech­nisch wie in­halt­lich. Dass der WDR 1961 ei­ne Hör­funk-Lan­des­re­dak­ti­on ein­rich­te­te, un­ter­streicht, dass mehr Lan­des­be­wusst­sein von po­li­ti­scher Sei­te er­wünscht, vom Rund­funk ein In­ter­es­se und Be­dürf­nis nach Sen­dun­gen mit lan­des­be­zo­ge­nen The­men wahr­ge­nom­men und die­se von der Hö­rer­schaft an­ge­nom­men wur­den.

Ent­spre­chend be­weg­te sich die Ar­beit der Rund­funk­jour­na­lis­ten im Span­nungs­feld zwi­schen den ver­schie­de­nen Teil­re­gio­nen, die ein­an­der nä­her­ge­bracht wer­den soll­ten, um ei­ne Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit zu ent­wi­ckeln. Da lan­ge Zeit Un­si­cher­heit über ei­ne wei­te­re Län­der­re­form be­stand, ge­riet die Fra­ge ei­nes Lan­des­be­wusst­seins auch zum po­li­ti­schen Fak­tor. Das Feld der Lan­des­re­dak­ti­on be­stimm­ten nicht zu­letzt Ri­va­li­tä­ten zwi­schen Rhein­land und West­fa­len. Das dar­aus re­sul­tie­ren­de Miss­trau­en führ­te zu ei­nem Ver­fech­ten von Pro­porz. Auch gab es in West­fa­len Be­stre­bun­gen nach Ei­gen­stän­dig­keit. Re­gio­na­le Ent­wick­lun­gen als Bei­spie­le für all­ge­mei­ne Trends, aber auch ei­ne Po­si­ti­ons­su­che zwi­schen Über- und Un­ter­be­to­nung von Re­gio­na­lem spiel­ten für die Re­dak­ti­on ei­ne Rol­le. So lässt sich an­fangs ei­ne ge­wis­se Furcht des Sen­ders fest­stel­len, mit ei­nem zu star­ken Fo­kus auf den Nah­raum sich in „Pro­vin­zia­li­tät“ zu ver­lie­ren. Die Re­dak­ti­on nahm die Neu­grün­dung des Lan­des ernst: Sie ent­wi­ckel­te kein Nar­ra­tiv ei­nes un­ab­wend­ba­ren Er­geb­nis­ses ei­ner jahr­hun­der­te­lan­gen, ziel­ge­rich­te­ten Ent­wick­lung, son­dern griff die vor­han­de­ne Viel­falt auf. Först sah die In­te­gra­ti­on der Lan­des­tei­le – auch an­ge­sichts ei­ner „kar­ge[n] Art der Selbst­in­ter­pre­ta­ti­on“[1] des Lan­des bis in die 1960er Jah­re – als sei­ne Auf­ga­be an.

 

3. Die Einrichtung der Redaktion im WDR

Die Eta­blie­rung ei­ner Hör­funk-Lan­des­re­dak­ti­on ent­sprang letzt­lich auch als lo­gi­sche Kon­se­quenz der dem WDR per Ge­setz zu­ge­wie­se­nen Auf­ga­be zur „Selbst­dar­stel­lung des Lan­des“. Hör­funk­di­rek­tor Fritz Brühl (1909-1982) be­trieb 1960 die Grün­dung der Re­dak­ti­on. Er war stark an ei­nem Lan­des­be­zug be­zie­hungs­wei­se re­gio­na­len Ak­zen­ten des Pro­gramms in­ter­es­siert. Städ­te, Krei­se, Land­schaf­ten „un­ter im­mer wie­der neu­en Blick­punk­ten […] vor­zu­stel­len“[2], sah er als Auf­ga­be des Hör­funks an. Ge­dacht war zu Be­ginn an ei­ne ver­tie­fen­de Be­richt­er­stat­tung für ta­ges­ak­tu­el­le, lan­des­po­li­ti­sche Re­gio­nal­sen­dun­gen wie „Zwi­schen Rhein und We­ser“ (seit 1950) so­wie dem eher welt­po­li­tisch ori­en­tier­ten „Echo des Ta­ges“ (seit 1946). Doch Wal­ter Först, der die neu ge­schaf­fe­ne Lan­des­re­dak­ti­on über­nahm, ent­wi­ckel­te bald ei­ge­ne Vor­stel­lun­gen, wie er die Pro­gramm­plät­ze, die ihm ein­ge­räumt wur­den, ge­stal­ten woll­te. Die ers­te Sen­dung der Re­dak­ti­on ging am 11.3.1961 als sams­täg­li­ches Halb­stun­den­fea­ture über den Äther. Die Ein­füh­rung der UKW-Tech­nik (zwei­tes Pro­gramm) hat­te Mög­lich­kei­ten ge­schaf­fen, re­gio­na­le Stof­fe stär­ker auf­zu­neh­men. Statt nur ei­ner Mit­tel­wel­len-Fre­quenz stan­den nun mehr Ka­pa­zi­tä­ten zur Ver­fü­gung, um Pro­gram­me ne­ben­ein­an­der an­zu­bie­ten.

Or­ga­ni­sa­to­risch ge­hör­te die in Köln an­säs­si­ge Hör­funk-Lan­des­re­dak­ti­on zur Haupt­ab­tei­lung Po­li­tik. Durch den selbst­be­wusst auf­tre­ten­den und pro­duk­ti­ven Först strahl­te die Re­dak­ti­on bald aus, pro­fi­tier­te von Ver­net­zun­gen im Sen­der so­wie dar­über hin­aus im po­li­ti­schen und ge­schichts­wis­sen­schaft­li­chen Um­feld. Sie mach­te sich in der Po­li­tik, der Ad­mi­nis­tra­ti­on und den Land­schafts­ver­bän­den Rhein­land und West­fa­len-Lip­pe so­wie in Krei­sen und Städ­ten be­merk­bar. Kon­ti­nu­ier­lich er­wei­ter­te Först in den ers­ten Jah­ren sei­ne Sen­de­plät­ze, die ab 1974 un­ter dem Dach „Fo­rum Wes­t“ zu­sam­men­ge­führt wur­den.

Span­nungs­fel­der in­ner­halb des Sen­ders er­ga­ben sich in Über­schnei­dun­gen zum Ma­ga­zin „Zwi­schen Rhein und We­ser“ so­wie mit den re­gio­na­len Stu­di­os, die bis­wei­len mo­nier­ten, dass sie von der in Köln zen­tra­li­sier­ten Re­dak­ti­on mit ih­ren An­re­gun­gen nicht aus­rei­chend be­rück­sich­tigt wür­den. Aus der Re­dak­ti­on des „Kri­ti­schen Ta­ge­buchs“ wur­de die Lan­des­re­dak­ti­on mit ih­ren Bei­trä­gen zur nord­rhein-west­fä­li­schen Kul­tur­land­schaft bis­wei­len als Kon­kur­renz wahr­ge­nom­men.

Die Re­dak­ti­on be­glei­te­te die Pha­se der Kon­so­li­die­rung des Lan­des in der Be­völ­ke­rung. Mit des­sen zu­neh­men­der Eta­blie­rung und ‚Nor­ma­li­tät‘ ver­lor sie an Dring­lich­keit, als In­te­gra­ti­ons­fak­tor zu wir­ken. Auch hat­ten sich un­ter Försts Ägi­de die For­ma­te in knapp drei Jahr­zehn­ten kaum ver­än­dert, wäh­rend auf den an­de­ren Ka­nä­len die Pro­gram­me im­mer stär­ker Ma­ga­zin­cha­rak­ter an­nah­men und in der Auf­ma­chung schnel­ler und ‚po­pu­lä­rer‘ wur­den, zum Bei­spiel durch Par­ti­zi­pa­ti­ons­an­ge­bo­te wie „Hal­lo Ü-Wa­gen“ und mehr Mu­sik­ein­spie­lun­gen. Ver­schie­de­ne Um­struk­tu­rie­run­gen im Sen­der, so im Zu­ge der Aus­dif­fe­ren­zie­run­gen der Ka­nä­le und Sen­der­far­ben, ver­än­der­ten Stel­lung und Ge­wicht der Lan­des­re­dak­ti­on. Be­reits seit En­de der 1970er, An­fang der 1980er Jah­re be­trie­ben In­ten­danz und Hör­funk­di­rek­ti­on ei­ne Ver­la­ge­rung der Lan­des­re­dak­ti­on nach Düs­sel­dorf, konn­ten das aber wäh­rend Försts Dienst­zeit nicht durch­set­zen. Dem Re­dak­ti­ons­lei­ter war die Un­ab­hän­gig­keit und ei­ne ge­wis­se Dis­tanz zu den Re­gie­ren­den in Düs­sel­dorf wich­tig. Spä­tes­tens mit sei­ner Pen­sio­nie­rung En­de 1985 und den Re­for­men un­ter In­ten­dant Fried­rich No­wott­ny (ge­bo­ren 1929) ge­riet die Lan­des­re­dak­ti­on in die De­fen­si­ve. Um­struk­tu­rie­run­gen lie­ßen die Re­dak­ti­on schlie­ß­lich als ei­gen­stän­di­ge Un­ter­ab­tei­lung aus dem Or­ga­ni­gramm des WDR ver­schwin­den. Mit dem al­ters­be­ding­ten Aus­schei­den von Mit­ar­bei­tern schrumpf­te sie. Wei­te­re Ver­än­de­run­gen er­ga­ben sich über den Um­zug des letz­ten ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­ters nach Düs­sel­dorf und die Um­stel­lung auf das ta­ges­ak­tu­el­le Lan­des­ma­ga­zin „West­bli­ck“. Lan­des­ge­schich­te ver­lor im Ra­dio of­fen­bar an Be­deu­tung als ge­wich­ti­ger Teil der Lan­des­po­li­tik und ge­sell­schaft­li­cher Ver­or­tung.

4. Das Team

Die Re­dak­ti­on ent­wi­ckel­te sich per­so­nell: Star­te­te die Neu­grün­dung mit ei­nem haupt­be­ruf­li­chen Re­dak­teur, dem zu­nächst nur freie Mit­ar­bei­ter und ei­ne Se­kre­tä­rin zur Sei­te stan­den, so ka­men suk­zes­si­ve wei­te­re Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen hin­zu. Die Ar­beit der Re­dak­ti­on steht häu­fig im Schat­ten der wirk­mäch­ti­gen und do­mi­nan­ten Per­sön­lich­keit ih­res Lei­ters Wal­ter Först, der die­se mit sei­nen in­halt­li­chen In­ter­es­sen, pro­gram­ma­ti­schen In­no­va­tio­nen, Ver­mitt­lungs­kom­pe­ten­zen, sei­ner Durch­set­zungs­fä­hig­keit und sei­nem Ver­net­zungs­ge­schick nach­hal­tig präg­te. Als Lei­ter folg­ten ihm 1986 Wolf Bier­bach und 2003 Hart­wig Suhr­bier.

Fotografie Walter Först am 11.09.1954. (WDR/Unternehmensfoto)

 

Först, der die Re­dak­ti­on auf­bau­te, ist ein „pa­tri­ar­cha­li­scher“, bis­wei­len auch „au­to­ri­tä­rer“ Füh­rungs­stil be­schei­nigt wor­den. Bei den fes­ten Mit­ar­bei­tern gab es je­doch we­nig Fluk­tua­ti­on. Ne­ben Först ent­wi­ckel­ten ei­ne Re­dak­teu­rin und vier Re­dak­teu­re ei­ge­ne Pro­fi­le und In­ter­es­sens­schwer­punk­te: Hei­ner Lich­ten­stein[3], Dr.[4] Re­na­te Eich­holz[5], Dr. Wolf Bier­bach[6], Pe­ter Jo­sef Bock[7] und Hart­wig Suhr­bier[8].

Der An­teil weib­li­cher Re­dak­teu­re ent­sprach in et­wa dem in den 1950er bis 1970er Jah­ren üb­li­chen Ver­hält­nis von 15 Pro­zent. Von Först ab­ge­se­hen hat­ten al­le Mit­ar­bei­ter ein Stu­di­um ab­sol­viert, aber mit ver­schie­de­nen Fä­cher­kom­bi­na­tio­nen: Ge­schich­te, Ger­ma­nis­tik, Pu­bli­zis­tik, Ar­chäo­lo­gie, Ur- und Früh­ge­schich­te, Kunst­ge­schich­te, So­zio­lo­gie. Först hat­te in sei­ner Ber­li­ner Zeit En­de der 1930er Jah­re ei­ne kur­ze Gast­hö­rer­zeit an der Uni­ver­si­tät ab­sol­viert.

Für As­sis­tenz/Se­kre­ta­ri­at ge­hör­te Sieg­lin­de Stü­ben zum fes­ten Be­stand­teil des Teams; das Se­kre­ta­ri­at be­treu­te Eli­sa­beth Gil­les. Ih­nen folg­te Su­san­ne Be­ckers als Re­dak­ti­ons­se­kre­tä­rin und -ma­na­ge­rin.

Först be­trieb ei­ne ge­ziel­te Nach­wuchs­po­li­tik. Ins­be­son­de­re auf dem von ihm vor­an­ge­trie­be­nen Feld der Rund­funk­ge­schich­te för­der­te er For­schungs­ar­bei­ten wie die von Wolf Bier­bach, Eva-Ma­ria Frei­burg (ge­bo­ren 1944) und Leo Flamm.

Die Re­dak­ti­on leb­te von der Viel­zahl der zu­ar­bei­ten­den Au­to­ren aus un­ter­schied­li­chen Spar­ten, zu de­nen Först ein wei­tes Netz auf­bau­te: Für sei­ne ge­sell­schafts­po­li­ti­schen und ge­schicht­li­chen The­men lud er Wis­sen­schaft­ler aus den Uni­ver­si­tä­ten und au­ßer­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen, Ar­chi­va­re, Schrift­stel­ler und Jour­na­lis­ten (so­wohl des WDR als auch von an­de­ren Sen­dern und Me­di­en), manch­mal auch Leh­rer als po­ten­ti­el­le Bei­trä­ger ein. Ge­ra­de für jun­ge Wis­sen­schaft­ler bot die Re­dak­ti­on at­trak­ti­ve Mög­lich­kei­ten, zum ei­nen ih­re neu­en For­schungs­er­geb­nis­se in die Öf­fent­lich­keit zu brin­gen und zum an­de­ren da­mit noch Geld zu ver­die­nen. Dar­über hin­aus kris­tal­li­sier­ten sich Stamm­au­to­ren her­aus, die für meh­re­re The­men­rei­hen ver­ant­wort­lich zeich­ne­ten. Auch hier spie­gel­te die Zu­sam­men­set­zung die Ver­hält­nis­se, dass ins­be­son­de­re zwi­schen den 1950er und 1970er Jah­ren nur ein Bruch­teil der Jour­na­lis­ten, Wis­sen­schaft­ler etc. Frau­en wa­ren und ent­spre­chend in deut­lich ge­rin­ge­rem Ma­ße als Au­to­rin­nen ver­tre­ten wa­ren.

In Be­zug auf das sams­täg­li­che Lan­des­fea­ture ar­bei­te­te Först vor al­lem in den ers­ten Jah­ren mit Kol­le­gen aus an­de­ren Ab­tei­lun­gen des WDR zu­sam­men, so zum Bei­spiel mit Wer­ner Hö­cker (1924-2003), Rolf But­tler (1926-2011), Karl Fi­scher (ge­bo­ren 1920), Her­bert Koch (1920-1987), Hans Schwab-Fe­lisch (1918-1989), Ger­hard Herm (1931-2014), Frank Schür­mann (1929-2018), Paul Lud­wig (1921-1999) und He­ri­bert Bohn. Dar­über hin­aus schrie­ben wie­der­holt freie Jour­na­lis­ten oder Mit­ar­bei­ter an­de­rer Sen­der und Me­di­en als His­to­ri­ker für ihn: bei­spiels­wei­se Franz Her­re (ge­bo­ren 1926, 1962-1981 Chef­re­dak­teur der Deut­schen Wel­le in Köln), Wolf­ram Köh­ler (1924-1999, 1967-1971 Kor­re­spon­dent ver­schie­de­ner Ta­ges­zei­tun­gen und frei­er Mit­ar­bei­ter des WDR, spä­ter Re­dak­ti­ons­lei­ter beim WDR im Stu­dio Düs­sel­dorf, 1981-1987 Di­rek­tor des NDR-Lan­des­funk­hau­ses Han­no­ver), Det­lev Hüwel von der Rhei­ni­schen Post­Dirk Ba­ven­damm (ge­bo­ren 1938) und Hans-Ru­dolf Har­tung (1929-2012, 1956 Pres­se­re­fe­rent des Land­schafts­ver­bands Rhein­land, ab 1972 dort Lan­des­rat für Kul­tur, 1980-1985 au­ßer­dem Ers­ter Lan­des­rat).

Porträtfotografie von Heiner Lichtenstein im Jahr 1984, Redakteur 1961-1995. (WDR/Unternehmensfoto)

 

Im Zu­ge ei­nes Ge­ne­ra­tio­nen­wech­sels in der Wis­sen­schaft ge­wann Först jün­ge­re Pro­fes­so­ren und Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter als be­währ­te Bei­trä­ger für sei­ne his­to­ri­schen Sen­de­plät­ze: bei­spiels­wei­se Ru­dolf Mor­sey (ge­bo­ren 1927), Wolf­gang Köll­mann (1925-1997), Wil­helm Treue (1909-1992), Ernst Deu­er­lein (1918-1971), Pe­ter Hüt­ten­ber­ger (1938-1992), Klaus Pabst (ge­bo­ren 1934) und Horst Mat­z­er­ath (ge­bo­ren 1937). Först stütz­te sich da­bei nicht nur auf die rein his­to­ri­sche Fach­wis­sen­schaft, son­dern be­zog auch Ver­tre­ter be­nach­bar­ter Fä­cher ein wie den His­to­ri­ker und Nie­der­lan­de­for­scher Horst La­de­ma­cher (ge­bo­ren 1931), den Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Er­hard H.M. Lan­ge (ge­bo­ren 1937), den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ter Heinz-Diet­rich Fi­scher (ge­bo­ren 1937) und den Geo­gra­phen Heinz-Gün­ter Stein­berg (ge­bo­ren 1937). Aus au­ßer­uni­ver­si­tä­ren For­schungs­ein­rich­tun­gen lie­fer­te bei­spiels­wei­se Al­fred Hart­lieb von Wall­thor (1921-2011, ab 1961 beim Pro­vin­zial­in­sti­tut für west­fä­li­sche Lan­des- und Volks­for­schung in Müns­ter tä­tig, 1965-1986 des­sen Lei­ter) Bei­trä­ge. Auch Ar­chi­va­re wirk­ten an sei­nem Ent­wurf der NRW-Lan­des­ge­schich­te mit: aus Stadt­ar­chi­ven bei­spiels­wei­se Bern­hard Poll (Aa­chen, 1901-1981), Diet­rich Höroldt (Bonn, ge­bo­ren 1927), Gün­ter von Ro­den (Duis­burg, 1913-1999), Hel­muth Croon (Bo­chum, 1906-1994), Hu­go Steh­käm­per (Köln, 1929-2010), aus dem da­ma­li­gen Haupt­staats­ar­chiv Düs­sel­dorf (heu­te Lan­des­ar­chiv NRW Abt. Rhein­land) Hel­mut Dahm (1913-1996). Mehr­fach war die Ka­te­go­rie der frei­en Schrift­stel­ler durch Er­win Syl­va­nus (1917-1985), Ot­to Brües (1897-1967), Max von der Grün (1926-2005), Ger­hard Ne­bel (1903-1974) und Jo­sef Re­ding (ge­bo­ren 1929) ver­tre­ten. Als Leh­rer und Pu­bli­zist schrieb Hein­rich Hah­ne (1911-1996) für die Lan­des­re­dak­ti­on.

5. Formate, Sendereihen, Themen

Die Re­dak­ti­on ar­bei­te­te vor al­lem auf zwei Schwer­punkt­fel­dern: der Lan­des­po­li­tik und der Lan­des­ge­schich­te. Hin­zu kam vor al­lem als In­ter­es­sen­feld von Wal­ter Först und Wolf Bier­bach die Rund­funk­ge­schich­te, die vie­le For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten und Pu­bli­ka­tio­nen an­reg­te. Die­se ge­hör­te aber nicht zu den Kern­auf­ga­ben der Re­dak­ti­on und fand im wö­chent­li­chen Pro­gramm des Hör­funks we­ni­ger Nie­der­schlag.

Die Re­dak­teu­re nutz­ten ver­schie­de­ne Dar­stel­lungs­for­men wie Be­rich­te, Fea­tures, In­ter­views, Dis­kus­si­ons­run­den (zum Bei­spiel mit Lan­des­po­li­ti­kern, Land­rä­ten, Ober­bür­ger­meis­tern, Fach­wis­sen­schaft­lern oder an­de­ren Ex­per­ten), Re­zen­sio­nen und Kom­men­ta­re. Au­ßer­or­dent­li­che An­läs­se lu­den auch zu an­de­ren For­men ein: bei­spiels­wei­se hör­spiel­ar­ti­ge In­sze­nie­run­gen und Ka­ba­rett.

Seite 2 aus dem Sendeprotokoll vom 14. März 1974; von 22:00 bis 23:00 wurde die Sendung "Leben, Land und Leute in Rheinland und Westfalen" ausgestrahlt. (UA WDR Sendeprotokoll, WDR 2, 14.03.1974)

 

Mit dem Start 1961 sen­de­te die Re­dak­ti­on auf UKW, al­so im zwei­ten Pro­gramm. Kern­rei­he der Re­dak­ti­on war der häu­fig als „Lan­des­fea­ture“ be­ti­tel­te Sen­de­platz am Sams­tag (erst 12.00-12.30 Uhr, ab 1974 12.30-13.00 Uhr, spä­ter „Sams­tag­abend im WDR 3“), mit dem die Ar­beit der Lan­des­re­dak­ti­on im März 1961 öf­fent­lich be­gann. Im Herbst 1961 kam die Rei­he „Aus der Lan­des­ge­schich­te“ hin­zu und ent­wi­ckel­te sich zu ei­nem viel­be­ach­te­ten und er­folg­rei­chen Pro­gramm­käst­chen. Ab 1964 be­setz­te die Lan­des­re­dak­ti­on mit ei­nem „Lan­des-Kul­tur­fea­ture“ vier­zehn­tä­gig den Sonn­tag­abend (22.00-22.30 Uhr). Die bei­den Fea­ture-Rei­hen wa­ren mit ei­ner Län­ge von 30 Mi­nu­ten aus­ge­stat­tet; die meis­ten an­de­ren Pro­gramm­käst­chen ver­füg­ten über 10-15 Mi­nu­ten Sen­de­zeit, der täg­li­che Lan­des­kom­men­tar war kür­zer.

Ab 1974 wur­den die Rei­hen der Lan­des­re­dak­ti­on un­ter dem Dach „Fo­rum Wes­t“ zu­sam­men­ge­fasst und lie­fen nun auf WDR 3.

Für die (Stamm-)Hö­rer wa­ren die Sen­de­zei­ten nach In­ter­es­sen plan­bar, da Pro­gramm­hef­te über The­men und Rei­hen im Vor­feld in­for­mier­ten. Das er­for­der­te in­ner­halb der Re­dak­ti­on vor­aus­schau­en­de lang­fris­ti­ge Pla­nun­gen.

Im Lau­fe der Jah­re wan­der­ten die Sen­de­plät­ze der Lan­des­re­dak­ti­on im Zu­ge der Aus­wei­tung und Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Ka­nä­le auf Wel­len mit ei­nem Bil­dungs- und Kul­turan­spruch: zu­nächst auf UKW – dem zwei­ten Pro­gramm, das vor al­lem der Be­richt­er­stat­tung zur Re­gi­on be­zie­hungs­wei­se dem Land Nord­rhein-West­fa­len galt. Ab 1966 sen­de­te die Re­dak­ti­on auf dem zwei­ten und drit­ten: zur Re­gi­on/NRW und auf dem drit­ten für po­li­ti­sche Hin­ter­grund­be­richt­er­stat­tung bzw. an­spruchs­vol­les Wort- und Kul­tur­pro­gramm. Ab 1974 lief ihr Pro­gramm vor­ran­gig auf dem drit­ten, spä­ter auf WDR 5. Seit An­fang der 1970er Jah­re be­gann ei­ne gro­ße Pro­gramm­re­form, die die in­halt­li­chen Schwer­punk­te der Pro­gram­me ver­stärk­te. 1973 wur­den ers­te Er­geb­nis­se um­ge­setzt: WDR 3 – als Haupt­sen­de­platz der Lan­des­re­dak­ti­on – kon­zen­trier­te sich auf Sen­dun­gen für ein kul­tu­rell in­ter­es­sier­tes Pu­bli­kum, aber auch dar­auf, kon­tro­ver­se po­li­ti­sche De­bat­ten zu för­dern.

Die Sendereihen der Landesredaktion zwischen 1961 und 1974. (Eigentum der Autorin)

 

In­halt­lich wid­me­te sich die Lan­des­re­dak­ti­on vor al­lem drei The­men­fel­dern:
 

  1. Po­li­tik und Ge­sell­schaft mit mitt­le­rer Ak­tua­li­tät
  2. Lan­des­ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens
  3. Rund­funk­ge­schich­te

Grund­satz­the­men rück­ten in die Halb­stun­densen­dun­gen am Wo­chen­en­de („Lan­des­fea­ture“ / „Lan­des-Kul­tur­fea­ture“). Das zen­tra­le For­mat be­dien­te die fünf gro­ßen Be­rei­che Po­li­tik, Wirt­schaft, Ge­schich­te, Kul­tur und Ge­sell­schaft. 

Den grö­ß­ten An­teil nah­men Bei­trä­ge mit po­li­tisch-lan­des­spe­zi­fi­schem Hin­ter­grund ein. So­fern die Lan­des­po­li­tik da­von be­rührt wur­de, flos­sen auch bun­des­po­li­ti­sche The­men in die Sen­dun­gen ein. Ein gern ge­nutz­tes For­mat wa­ren Ge­sprä­che von Först mit „füh­ren­den Frau­en und Män­nern der po­li­ti­schen Land­schaft Nord­rhein-West­fa­len“ be­zie­hungs­wei­se Per­so­nen der „Lan­des­zeit­ge­schich­te“.

Zen­tra­le Bei­trä­ge der Sams­tags­sen­dung fan­den Ein­gang in die 1965 von Först her­aus­ge­ge­be­ne Pu­bli­ka­ti­ons­rei­he „Rhei­nisch-West­fä­li­sche Le­se­bü­cher“ (5 Bän­de, 1965-1978). Dar­in fin­den sich Stadt- und Land­schafts­schil­de­run­gen, Per­so­nen­por­träts, Er­in­ne­run­gen und ge­schicht­li­che Be­trach­tun­gen. Die Bän­de bil­de­ten – ähn­lich wie die Sen­dun­gen – ein Ka­lei­do­skop von The­men, die laut Först als Vor­ar­bei­ten nach und nach in ei­ne „Lan­des­kun­de“ ein­flie­ßen soll­ten.

Stär­ker in die Er­in­ne­rung der nord­rhein-west­fä­li­schen, der rhei­ni­schen und der west­fä­li­schen Lan­des­ge­schich­te ein­ge­schrie­ben hat sich die Re­dak­ti­on über das zwei­te The­men­feld der NRW-Lan­des­ge­schich­te. Mit der Pro­duk­ti­on von neu­em lan­des­ge­schicht­li­chem Wis­sen und der dar­aus re­sul­tie­ren­den his­to­risch un­ter­stütz­ten ‚Kon­struk­ti­on‘ des neu­en Lan­des konn­te die Re­dak­ti­on ei­nen Bei­trag zur ge­sell­schaft­li­chen Kon­sti­tu­ie­rung über Lan­des­be­wusst­sein an­bie­ten. Da­zu ge­hör­te es auch, rhei­ni­sche und west­fä­li­sche Ge­schich­te und Ent­wick­lun­gen in den ver­schie­de­nen Räu­men nä­her in Ver­bin­dung zu brin­gen. Die Re­dak­ti­on be­setz­te mit der Lan­des­zeit­ge­schich­te ein Feld, das die aka­de­mi­sche Lan­des­ge­schich­te bis­lang nicht be­ach­tet hat­te. Die re­dak­tio­nel­len Ge­schichts­bil­der zu Nord­rhein-West­fa­len setz­ten sich deut­lich von der tra­di­tio­nel­len aka­de­mi­schen Lan­des­ge­schichts­for­schung ab. Kon­zen­trier­te sich letz­te­re auf die Vor­mo­der­ne, Ter­ri­to­ri­al­ge­schich­te und his­to­ri­sche Land­schaf­ten, fo­kus­sier­te sich die Lan­des­re­dak­ti­on auf die Neue­re und vor al­lem die Zeit­ge­schich­te. Sie pos­tu­lier­te und ver­brei­te­te das Pro­gramm ei­ner „Lan­des­zeit­ge­schich­te“ und schuf da­mit neue Nar­ra­ti­ve. Die Re­dak­ti­on wand­te sich vor al­lem der Ent­ste­hung und den ers­ten Jah­ren des Lan­des NRW so­wie sei­ner Vor­gän­ger­ter­ri­to­ri­en seit dem 19. Jahr­hun­dert zu. Ge­schicht­li­che The­men grif­fen so­wohl das sams­täg­li­che Lan­des­fea­ture als Ein­zel­the­men als auch die vier­zehn­tä­gi­ge Vier­tel­stun­den-Rei­he „Aus der Lan­des­ge­schich­te“ mit mehr­tei­li­gen Rei­hen auf. Wäh­rend die Sams­tags­fea­tures be­vor­zugt von der Re­dak­ti­on ge­stal­tet wur­den, ver­fass­ten meis­tens Ex­ter­ne die Se­ri­en des Pro­gramm­käst­chens „Aus der Lan­des­ge­schich­te“.

Sendereihen der Landesredaktion zwischen 1961 und 1974. (Eigentum der Autorin)

 

Die Sen­dun­gen zu his­to­ri­schen The­men flos­sen in ei­ne zwei­te Pu­bli­ka­ti­ons­rei­he, die Först her­aus­gab: die „Bei­trä­ge zur neue­ren Lan­des­ge­schich­te des Rhein­lan­des und West­fa­len­s“ (12 Bän­de, 1967-1987). Die­se wur­de, wie die Rei­he der „Le­se­bü­cher“, von der Lan­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung (bis 1967 „Staats­bür­ger­li­che Bil­dungs­stel­le“) zur Ver­fü­gung ge­stellt. Aus der Ar­beit und der Ver­net­zung der Lan­des­re­dak­ti­on ging ei­ne Viel­zahl wei­te­rer lan­des­ge­schicht­li­cher Pu­bli­ka­tio­nen her­vor. 1965 er­schien der Sam­mel­band „Das Rhein­land in preu­ßi­scher Zeit“. Mit dem Land­tag ver­wirk­lich­te Först zu des­sen 25-jäh­ri­gem Ju­bi­lä­um das Buch­pro­jekt „Mensch und Staat in NRW“. Die For­schun­gen zur Früh­zeit des Lan­des NRW wur­den zur Mo­no­gra­phie „Ge­schich­te Nord­rhein-West­fa­lens. 1945-1949“ (1970). His­to­ri­sche Grund­la­gen und staats­bür­ger­li­che Bil­dung amal­ga­mier­ten sich zu ei­ner neu­en Schrif­ten­rei­he zur po­li­ti­schen Lan­des­kun­de, die die Lan­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung ab 1984 auf­leg­te und in de­ren An­fän­gen auch die Lan­des­re­dak­ti­on mit­wirk­te.

Mit­glie­der der Re­dak­ti­on leis­te­ten viel Auf­bau­ar­beit für die Er­for­schung der Rund­funk- und Me­di­en­ge­schich­te. Schnell ent­wi­ckel­te sich ei­ne en­ge Zu­sam­men­ar­beit mit dem 1969 ge­grün­de­ten Stu­di­en­kreis Rund­funk und Ge­schich­te, in des­sen Vor­stand Först ein­trat und des­sen Pu­bli­ka­ti­ons­or­gan (Mit­tei­lun­gen Stu­di­en­kreis Rund­funk und Ge­schich­te) der Re­dak­ti­ons­lei­ter von 1974 bis 1992 be­treu­te. Be­vor die Rund­funk- und Me­di­en­ge­schich­te im Wis­sen­schafts­be­trieb stär­ker aus­ge­baut wur­de, galt die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen der WDR-Lan­des­re­dak­ti­on und dem In­sti­tut für Pu­bli­zis­tik an der Uni­ver­si­tät in Müns­ter, wie Ed­gar Lersch es 2009 for­mu­lier­te, als „in­of­fi­zi­el­ler For­schungs­ver­bun­d“. Försts Aus­gangs­punkt der Rund­funk­ge­schich­te war zu­nächst die Ge­schich­te des ei­ge­nen Sen­ders und des­sen Vor­läu­fer. Meh­re­re Bän­de der von Först her­aus­ge­ge­be­nen „An­na­len des West­deut­schen Rund­funks“ (8 Bän­de, 1973-1993) wa­ren als Edi­tio­nen aus­ge­wähl­ter Do­ku­men­te zur (Früh)Ge­schich­te des Rund­funks an­ge­legt oder ver­öf­fent­lich­ten wis­sen­schaft­li­che Ar­bei­ten.

6. Ausblick

Die WDR-Lan­des­re­dak­ti­on schuf neu­es lan­des­ge­schicht­li­ches Wis­sen und mach­te die­ses über den mas­sen­me­dia­len Ka­nal des Ra­di­os, kom­bi­niert mit wei­te­ren Dis­tri­bu­ti­ons­we­gen wie der Ver­schi­ckung von Sen­de­ma­nu­skrip­ten be­zie­hungs­wei­se durch Pu­bli­ka­ti­ons­rei­hen und die Be­tei­li­gun­gen an Aus­stel­lung­pro­jek­ten, für ei­ne brei­te Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich. Sie be­weg­te sich da­bei im Span­nungs­feld zwi­schen fach­wis­sen­schaft­li­cher Dis­kus­si­on, öf­fent­li­cher po­li­ti­scher Nut­zung und Hö­rer­in­ter­es­sen. Be­ein­flusst wur­den die Bei­trä­ge durch die me­dia­len Rah­men­be­din­gun­gen des Ra­di­os: Die Tex­te muss­ten zum Hö­ren ein­la­den, so­fort ver­ständ­lich sein und kom­ple­xe The­men auf meh­re­re Epi­so­den her­un­ter­bre­chen.

Die Sen­dun­gen fan­den bald ein Stamm­pu­bli­kum. Als In­diz für ein be­acht­li­ches Hö­rer­in­ter­es­se wer­te­ten Sen­der­ver­ant­wort­li­che und Re­dak­ti­ons­lei­ter die Zu­schrif­ten und Ma­nu­skript­an­for­de­run­gen. Sie ver­wie­sen auf die Wei­ter­ver­wen­dung durch Mul­ti­pli­ka­to­ren an Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten. Das Pro­gramm der Lan­des­re­dak­ti­on galt aber auch als et­was für ei­ne „sehr in­ter­es­sier­te Min­der­heit“ be­zie­hungs­wei­se für „In­ter­es­sier­te und Ge­bil­de­te“. Dass es Wir­kung er­ziel­te und Qua­li­tät­vol­les prä­sen­tier­te, un­ter­strei­chen viel­fäl­ti­ge Eh­run­gen und Aus­zeich­nun­gen, wie für Re­dak­ti­ons­lei­ter Först und den Re­dak­teur Hei­ner Lich­ten­stein.

Ver­schie­de­ne me­dia­le Aus­drucks­for­men, die po­li­tisch-kul­tu­rel­len Wür­di­gun­gen und Ver­net­zun­gen sorg­ten für ei­ne Sicht­bar­keit der Re­dak­ti­on, die sich in spä­te­ren Dar­stel­lun­gen des Lan­des und der lan­des­ge­schicht­li­chen Re­prä­sen­ta­ti­on nach­hal­tig fort­schrieb. Auch die ge­schäf­ti­ge Selbst­in­sze­nie­rung Försts als „Ma­cher“ der NRW-Lan­des­ge­schich­te trug da­zu bei.

Stie­ßen die an­fäng­li­chen Im­pul­se der Re­dak­ti­on in der aka­de­mi­schen Lan­des­ge­schichts­for­schung zu­nächst auf Skep­sis, so eta­blier­te sich bald ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit meist jün­ge­ren Wis­sen­schaft­lern. Par­al­lel ge­wan­nen in den 1960er und 1970er Jah­ren ei­ne an re­gio­na­len Fall­bei­spie­len auf­ge­zo­ge­ne So­zi­al­ge­schich­te und die neu­zeit­lich ori­en­tier­te Re­gio­nal­ge­schich­te an Be­deu­tung.

Ei­ne en­ge­re Ver­net­zung mit der aka­de­mi­schen Welt über die Sen­der­ar­beit hin­aus brach­te Först En­de der 1970er Jah­re mit dem „Brau­wei­ler Kreis für Lan­des- und Zeit­ge­schich­te“ in Gang, des­sen Halb­jah­res­zeit­schrift „Ge­schich­te im Wes­ten“ nach Försts Pen­sio­nie­rung ab 1986 die lan­des­ge­schicht­li­che Pu­bli­ka­ti­ons­rei­he der Lan­des­re­dak­ti­on ab­lös­te. Die Re­dak­ti­on setz­te in den 1960er bis 1980er Jah­ren wich­ti­ge Im­pul­se für ei­ne neu­zeit­lich ori­en­tier­te Lan­des­ge­schichts­schrei­bung und de­ren me­dia­le Ver­mitt­lung.

Quellen

Un­ter­neh­mens­ar­chiv WDR

Lan­des­ar­chiv NRW Abt. Rhein­land (LAV NRW R) RW 0497 (Nach­lass Wal­ter Först) und NW O (Or­dens­ak­ten)

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WDR-Mit­ar­bei­ter­zei­tung Fünk­chen bzw. spä­ter WDR-Print

Die WDR-Hörfunk-Landesredaktion am 11.3.1981, stehend von links nach rechts: Heiner Lichtenstein, Renate Eichholz, Walter Först, Peter Josef Bock; sitzend von links nach rechts: Hartwig Suhrbier, Sieglinde Stüben, Elisabeth Gilles. (WDR/Unternehmensfoto)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Minner, Katrin, Die WDR-Hörfunk-Landesredaktion, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-wdr-hoerfunk-landesredaktion/DE-2086/lido/624bd228eb9432.10360756 (abgerufen am 23.04.2024)