Adolf Raskin

NS-Rundfunkintendant (1900-1940)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Adolf Raskin, 1930er Jahre, Porträtfoto, Foto: Fritz Mittelstaedt. (Deutsches Rundfunkarchiv)

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Adolf Ras­kin war ein aus Köln stam­men­der Mu­sik­wis­sen­schaft­ler, Jour­na­list, In­ten­dant des Reichs­sen­ders Saar­brü­cken und Kom­mis­sa­ri­scher In­ten­dant des Deut­schen Kurz­wel­len­sen­ders.

Adolf Ras­kin wur­de am 17.11.1900 in Köln-Eh­ren­feld in ei­ne ka­tho­li­sche Fa­mi­lie klein­bür­ger­li­chen Zu­schnitts ge­bo­ren. Er war der äl­tes­te Sohn von fünf Kin­dern des Post­schaff­ners Bern­hard Ras­kin (1871-1925) und der Kö­chin Jo­han­na Ras­kin, ge­bo­re­ne Gie­sen (1874-1961). Ras­kins 1902 ge­bo­re­ner Bru­der Hein­rich (ge­stor­ben 1990) ar­bei­te­te als pro­mo­vier­ter Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler 1930-1936 in der Köl­ner Stadt­ver­wal­tung und war 1949-1963 Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Trier. Die 1909 ge­bo­re­ne Schwes­ter Lui­se er­hielt ei­ne Aus­bil­dung zur Er­zie­he­rin und war in die­ser Ei­gen­schaft zeit­wei­se im Haus des Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter­s Kon­rad Ade­nau­er be­schäf­tigt.

Von 1906 bis 1918 be­such­te Ras­kin Volks­schu­le und Re­al­gym­na­si­um in Köln. Sei­ne Schul­zeit wur­de von Ju­ni bis No­vem­ber 1918 durch die Teil­nah­me am Ers­ten Welt­krieg als Richt­ka­no­nier in ei­nem Feld­ar­til­le­rie­re­gi­ment un­ter­bro­chen. En­de 1918 leg­te er das No­ta­b­itur in Köln ab und stu­dier­te ab 1919 Mu­sik- und Thea­ter­wis­sen­schaft, Kunst­ge­schich­te, Ger­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie (Psy­cho­lo­gie) an den Uni­ver­si­tä­ten Köln un­d Bonn 1923 pro­mo­vier­te er im Fach Mu­sik­ge­schich­te zum The­ma „Jo­hann Joa­chim Quantz, sein Le­ben und Werk – ei­ne stil­kri­ti­sche Un­ter­su­chun­g“.

Durch fa­mi­liä­re Kon­tak­te er­hielt Ras­kin ei­ne Lehr­stel­le an der Röch­lingbank in Saar­brü­cken. Par­al­lel da­zu eta­blier­te sich Ras­kin, dem der Brot­be­ruf ei­nes Bank­an­ge­stell­ten nicht be­hag­te, als Thea­ter­kri­ti­ker der „Saar­brü­cker Zei­tun­g“. Im Jah­re 1924 hei­ra­te­te er Ma­ria Dun­sche (1896-1960), ihr Sohn Karl-Bernd wur­de 1927 ge­bo­ren (ge­stor­ben 1968). 1929 wech­sel­te Ras­kin als Feuille­ton­jour­na­list zur „Rhei­nisch-West­fä­li­schen Zei­tun­g“ nach Es­sen. Als Kor­re­spon­dent und Re­zen­sent ar­bei­te­te er un­ter an­de­rem für die „Deut­sche All­ge­mei­ne Zei­tun­g“, für die Mu­sik­zeit­schrift „Me­los“ und den neu­sach­li­chen „Schein­wer­fer“, die Thea­ter­zeit­schrift der Es­se­ner Büh­ne, und er­griff wie­der­holt Par­tei für Kom­po­nis­ten und In­ter­pre­ten zeit­ge­nös­si­scher Mu­sik wie et­wa Ernst Kre­nek, Al­ban Berg oder Ru­dolf Schulz-Dorn­burg.

Im Jah­re 1933 stand ein wei­te­rer Kar­rie­re­sprung an. Auf Emp­feh­lung der Es­se­ner NS-Gau­lei­tung wur­de Ras­kin, der be­reits wäh­rend der „Sys­tem­zeit“ Kon­tak­te zum Kampf­bund für deut­sche Kul­tur ge­knüpft hat­te, zum 1.5.1933 Lei­ter des Mu­sik­res­sorts bei der West­deut­schen Rund­funk GmbH in Köln. Vor der Über­nah­me die­ser Po­si­ti­on trat er im April 1933 in die NS­DAP ein. Hein­rich Glas­mei­er, der In­ten­dant des Reichs­sen­ders Köln (1933-1937) und spä­te­re Reichs­rund­funk­in­ten­dant (1937-1945), und Reichs­pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Jo­seph Go­eb­bels er­kann­ten in Ras­kin ei­ne „ein­ma­li­ge rund­funk­pro­pa­gan­dis­ti­sche Be­ga­bun­g“. In der Per­son Ras­kins ver­ban­den sich ab­so­lu­te Fach­kennt­nis mit wi­der­sprüch­li­chen Ten­den­zen wie op­por­tu­nis­ti­sches Kar­rie­re­stre­ben bei gleich­zei­ti­ger Ab­leh­nung des NS-Sys­tems und der Re­kla­ma­ti­on per­sön­li­cher Frei­räu­me.

An­fang 1934 wech­sel­te Ras­kin nach Frank­furt, wo er die Lei­tung des „West­deut­schen Ge­mein­schafts­diens­tes“ über­nahm, der die Rund­funk­ak­ti­vi­tä­ten im Vor­feld des Saar-Re­fe­ren­dums vom Ja­nu­ar 1935 ko­or­di­nier­te. Am 4.12.1935 über­nahm er of­fi­zi­ell die In­ten­danz des neu­ge­grün­de­ten Reichs­sen­ders Saar­brü­cken. Doch zu­vor galt es, Kar­rie­re­tur­bu­len­zen des Jah­res 1935 zu über­ste­hen. Die Per­so­na­lie Ras­kin war im Gau Saar­pfalz nicht un­um­strit­ten, da er sich zum Bei­spiel über die Zä­sur von 1933 hin­aus für „Kul­tur­bol­sche­wis­ten“ wie den Bild­hau­er Chris­toph Voll (1897-1939) ein­ge­setzt hat­te. Und im Jah­re 1934/1935 er­schüt­ter­te ei­ne Kor­rup­ti­ons­af­fä­re den Reichs­sen­der Köln, bei der der Lei­ter des Res­sorts für Kam­mer­mu­sik in sei­ner Ei­gen­schaft als Re­dak­teur für die „Bun­ten Aben­de“ zu­guns­ten des Win­ter­hilfs­wer­kes ab 1933 Gel­der der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Volks­wohl­fahrt un­ter­schla­gen hat­te. Ras­kin ver­moch­te sich als (nun nicht mehr am­tie­ren­der) aber zum Zeit­punkt der Un­ter­schla­gun­gen for­mal zu­stän­di­ger Ab­tei­lungs­lei­ter je­doch dem Sog der Af­fä­re zu ent­zie­hen, wäh­rend In­ten­dant Glas­mei­er für zehn Mo­na­te von sei­nem Amt  sus­pen­diert wur­de. Ras­kins of­fe­ne Par­tei­nah­me in der Af­fä­re und zu­guns­ten Glas­mei­ers und auch Reichs­sen­de­lei­ter Eu­gen Ha­da­mo­v­kys (1904-1945) leg­ten den Grund­stein für sei­ne wei­te­re Pro­tek­ti­on in­ner­halb der Füh­rungs­spit­ze des deut­schen Rund­funks und für sei­nen stei­len Auf­stieg in­ner­halb des Sys­tems.

Un­term Strich er­ar­bei­te­te sich Ras­kin in den Jah­ren bis zu sei­nem Tod im Jah­re 1940 ei­ne Son­der­stel­lung als rech­te Hand des Reichs­rund­funk­in­ten­dan­ten Glas­mei­er und des­sen engs­ter Be­ra­ter in Fra­gen des Mu­sik­pro­gramms. 

Beim „An­schlus­s“ Ös­ter­reichs im März 1938 fun­gier­te Ras­kin als Son­der­be­auf­trag­ter der Reichs­rund­funk­in­ten­dan­ten zur Li­qui­die­rung der ös­ter­rei­chi­schen Rund­funk­ge­sell­schaft RA­VAG und die Über­füh­rung des Sen­ders Wien in den spä­te­ren Reichs­sen­der; kurz­fris­tig am­tier­te er in Wien auch als in­te­ri­mis­ti­scher In­ten­dant. Nach Ber­lin zu­rück­be­or­dert, über­trug ihm Glas­mei­er die Lei­tung der Ab­tei­lung Zeit­ge­sche­hen in­ner­halb der Reichs­sen­de­lei­tung der Reichs-Rund­funk-Ge­sell­schaft. Ab­ge­se­hen da­von war Ras­kin Be­auf­trag­ter des Reichs­in­ten­dan­ten in Fern­seh­fra­gen und re­gier­te als Graue Emi­nenz in die Ge­schäf­te des neu ge­grün­de­ten Fern­seh­sen­ders hin­ein, un­ter an­de­rem in Fra­gen der Per­so­nal­po­li­tik. So ver­moch­te es Ras­kin, ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter oder Weg­ge­fähr­ten beim Fern­se­hen un­ter­zu­brin­gen, das nicht im Fo­cus von Go­eb­bels’ In­ter­es­se stand, be­zie­hungs­wei­se beim Kurz­wel­len­sen­der (KWS), in des­sen Pro­gram­men für das Aus­land wei­ter­hin Sen­dun­gen mit kul­tur­kon­ser­va­ti­vem Zu­schnitt aus­ge­strahlt wur­den.

1939/1940 stand Ras­kin auf dem Hö­he­punkt sei­ner Kar­rie­re. Am 7.3.1940 wur­de er zum kom­mis­sa­ri­schen In­ten­dan­ten des KWS und Di­rek­tor der Aus­lands­ab­tei­lung der Reichs-Rund­funk-Ge­sell­schaft be­stellt. Der KWS war zu dem Zeit­punkt so­wohl in Hin­sicht auf das Pro­gramm­vo­lu­men als auch die An­zahl der Fremd­sprach­diens­te welt­weit füh­rend. Die Po­si­ti­on wur­de nur in­te­ri­mis­tisch ver­ge­ben, da sich der Stel­len­in­ha­ber, Kurt von Boeck­mann (er pfleg­te mut­ma­ß­lich Kon­tak­te zu Carl von Go­er­de­ler) der Amts­aus­übung durch fort­ge­setz­te ärzt­li­che At­tes­te ent­zog. Als kom­mis­sa­ri­scher Stel­len­in­ha­ber war Ras­kin nun in Per­so­nal­uni­on  e­ben­falls zu­stän­dig für die Lei­tung der deut­schen Ge­heim­sen­der. Die­se dien­ten der psy­cho­lo­gi­schen Krieg­füh­rung, zum Bei­spiel durch Maß­nah­men der „Schwar­zen Pro­pa­gan­da“ wie ge­ziel­ter Des­in­for­ma­ti­on be­zie­hungs­wei­se ge­tarn­ten Sen­dern. So gab der Ge­heim­sen­der „Ra­dio Hu­ma­nité“ vor, von fran­zö­si­schen Kom­mu­nis­ten im Un­ter­grund be­trie­ben zu wer­den, wäh­rend sich „Ra­dio Voix de la Pai­x“ den An­strich gab, ein Sprach­rohr bür­ger­li­cher Pa­trio­ten zu sein. Die Wirk­sam­keit der Pro­pa­gan­da­maß­nah­men wur­de so­wohl von Go­eb­bels als auch in Ge­heim­ak­ten des fran­zö­si­schen Post­mi­nis­te­ri­ums als hoch ein­ge­schätzt.

Nach Be­en­di­gung des Frank­reich­feld­zu­ges ar­bei­te­te Ras­kin dann an der an­ti­bri­ti­schen Pro­pa­gan­da und ei­nem gan­zen, „Ra­dio Con­cor­di­a“ ge­nann­ten, Set an Ge­heim­sen­dern.

Adolf Ras­kin starb am 8.11.1940 bei ei­nem Flug­zeug­ab­sturz bei Ka­menz in der Nä­he von Dres­den an­läss­lich ei­ner Dienst­rei­se auf den Bal­kan. Die Trau­er­fei­er fand zwei Ta­ge spä­ter im Gro­ßen Sen­de­saal des Ber­li­ner Funk­hau­ses statt. Ras­kins Leich­nam wur­de nach Köln über­führt und im Fa­mi­li­en­grab in Bock­le­münd be­stat­tet. Nach­fol­ger wur­de der In­ten­dant des Reichs­sen­ders Köln, Dr. To­ni Win­kelnk­em­per.

Werke

Jo­hann Joa­chim Quantz, sein Le­ben und Werk – ei­ne stil­kri­ti­sche Un­ter­su­chung, Diss. 1923.

Literatur

Ber­nard, Bir­git, „Ras­kin, Adol­f“, in: Bautz Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon, Bd. XXXI, 2010.
Ber­nard, Bir­git, „Ei­ne ein­ma­li­ge rund­funk­pro­pa­gan­dis­ti­sche Be­ga­bun­g“. Adolf Ras­kin (1900-1940), in: Mu­sik­wis­sen­schaft im Rhein­land um 1930. Hg. von Klaus Piet­sch­mann und Ro­bert von Zahn, Kas­sel 2012, S. 137-193.
Ber­nard, Bir­git, Kor­rup­ti­on im NS-Rund­funk. Die Af­fä­re um die „Bun­ten Aben­de“ des Reichs­sen­ders Köln, in: Ge­schich­te im Wes­ten 23 (2008), S. 173-203.

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Adolf Raskin, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-raskin/DE-2086/lido/57c95bd9318396.94499419 (abgerufen am 19.03.2024)