Christine Englerth

Unternehmerin (1767–1838)

Regine Jägers (Bonn)

Christine Englerth, Gemälde. (Geschichtsverein Eschweiler)

Schlagworte

Chris­ti­ne Eng­lerth war ei­ne der füh­ren­den Un­ter­neh­mer­per­sön­lich­kei­ten des Aa­che­ner Re­viers und Stamm­mut­ter des Eschwei­ler Berg­werks-Ver­eins.

Chris­ti­ne Eng­lerth wur­de am 14.8.1767 als äl­tes­tes von vier Kin­dern der Ehe­leu­te Jo­hann Pe­ter Wült­gens (um 1738-1787) und An­na Ma­ria Wült­gens, ge­bo­re­ne Gil­les (ge­bo­ren 1742), in Rath bei Düs­sel­dorf ge­bo­ren. Der Va­ter, ein Land­wirt, stamm­te wahr­schein­lich aus der nie­der­län­di­schen Pro­vinz Lim­burg, die Mut­ter war zwar in Rath auf­ge­wach­sen, die Berg­baufa­mi­lie Gil­les kam je­doch ur­sprüng­lich aus dem Aa­chen-Eschwei­ler-Raum. Die ers­ten Jah­re ih­rer Kind­heit ver­brach­te Chris­ti­ne Eng­lerth auf dem el­ter­li­chen Hof der Ehe­frau Wült­gens, dem Gut Hei­li­gen­dunck bei Rath.

Schon vor 1780 zog die Fa­mi­lie nach Kin­zwei­ler, ei­nem heu­ti­gen Stadt­teil von Eschwei­ler, wo der Va­ter als Rent­meis­ter des Gra­fen Berg­he von Trips ar­bei­te­te. Ei­ni­ge Jah­re spä­ter schloss er ei­nen lang­fris­ti­gen Pacht­ver­trag mit der bay­risch-kur­pfäl­zi­schen Re­gie­rung für die jü­lich-pfäl­zi­sche Un­ter­herr­schaft Burg und Gut Kin­zwei­ler. Als Kur­fürst Karl Theo­dor den Ver­trag vor­zei­tig lös­te, ge­lang es Jo­hann Pe­ter Wült­gens ei­nen ein­träg­li­chen Scha­dens­er­satz her­aus­zu­han­deln: 1784 wur­de er mit Tei­len des Eschwei­ler Kohl­bergs be­lehnt; da­mit be­gann sein Auf­stieg vom Land­wirt zum Berg­werks­be­sit­zer.

Chris­ti­ne Wült­gens hei­ra­te­te am 28.2.1786 den elf Jah­re äl­te­ren kur­pfäl­zi­schen Of­fi­zier Carl Eng­lerth (1756-1814), ei­nen Pa­ten­sohn des Kur­fürs­ten Karl Theo­dor. Aus die­ser Ehe gin­gen 13 Kin­der her­vor, drei star­ben be­reits in ju­gend­li­chem Al­ter. Es gibt An­zei­chen, dass die Hei­rat ge­gen den Wil­len der El­tern statt­fand; hier zeig­te sich erst­mals die Durch­set­zungs­kraft, die auch die spä­te­re Un­ter­neh­me­rin aus­zeich­nen soll­te.

Mit 20 Jah­ren, am 20.10.1787, ver­lor Chris­ti­ne ih­ren Va­ter, we­ni­ge Mo­na­te zu­vor war be­reits ih­re Mut­ter ver­stor­ben. Mit Ge­schick und Um­sicht war es Jo­hann Pe­ter Wült­gens in den vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­ren ge­lun­gen, sei­nen Berg­werks­be­sitz zu ar­ron­die­ren. Chris­ti­ne und ih­re drei un­mün­di­gen Ge­schwis­ter, Fer­di­nand, Ka­tha­ri­na und Wal­bur­ga, erb­ten ei­nen be­trächt­li­chen Teil – cir­ca fünf Neun­tel – des Eschwei­ler Kohl­bergs.

Carl Eng­lerth, der schon kurz nach der Hei­rat den Mi­li­tär­dienst quit­tiert hat­te, über­nahm nun zu­sam­men mit sei­nem Schwa­ger Fer­di­nand die Ver­wal­tung des Wült­gen / Eng­ler­th­schen Berg­werks­be­sit­zes. Zeug­nis­se, die be­le­gen, dass auch Chris­ti­ne in die­sen Jah­ren ak­tiv die Fir­men­po­li­tik mit­ge­stal­te­te, exis­tie­ren nicht, doch ist an­zu­neh­men, dass sie – trotz wach­sen­der Kin­der­schar – die Zeit fand, die Ge­schi­cke ih­res Un­ter­neh­mens ge­nau zu ver­fol­gen. Wie sonst wä­re die rei­bungs­lo­se Über­nah­me der Ge­schäfts­füh­rung nach dem Tod ih­res Man­nes zu er­klä­ren?

1794 be­setz­ten die Fran­zo­sen das Eschwei­ler Re­vier. Mit klu­gem Kal­kül ver­stand die Fa­mi­lie es, die po­li­tisch un­ru­hi­ge Zeit zu ih­ren Guns­ten zu nut­zen: Auf­grund sei­ner Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft und her­vor­ra­gen­den Fran­zö­sisch­kennt­nis­se wur­de Carl Eng­lerth im Ok­to­ber 1800 zum Mai­re der Bür­ger­meis­te­rei Eschwei­ler er­nannt. Nun war es nur noch ein klei­ner Schritt, um 1805 von der fran­zö­si­schen Re­gie­rung die Kon­zes­si­on für den Ab­bau des über­wie­gen­den Teils der im Kan­ton Eschwei­ler vor­han­de­nen Stein­koh­len­vor­kom­men zu er­hal­ten. Die Neu­fas­sung des fran­zö­si­schen Berg­ge­set­zes von 1791 mach­te die Fa­mi­lie Eng­lerth im Jahr 1810 zu Ei­gen­tü­mern – nicht mehr nur Päch­tern – zahl­rei­cher Gru­ben im Aa­che­ner Re­vier. Bis 1814 ge­lang es der Fa­mi­lie, fast den ge­sam­ten Berg­bau der In­de-Mul­de so­wie ei­ni­ge klei­ne­re Gru­ben im Wurm-Re­vier in ih­ren Hän­den zu ver­ei­ni­gen.

Carl Eng­lerth starb am 25.8.1814, sein Schwa­ger Fer­di­nand war be­reits zehn Jah­re zu­vor ver­stor­ben. Sei­ne 47-jäh­ri­ge Wit­we Chris­ti­ne blieb zu­rück mit zehn Kin­dern, von de­nen das jüngs­te erst fünf Jah­re alt war.

Oh­ne zu zö­gern über­nahm Chris­ti­ne Eng­lerth nach dem Tod ih­res Man­nes die kauf­män­ni­sche Lei­tung der Gru­ben, die tech­ni­sche Lei­tung hat­te seit 1802 Jo­hann Hein­rich Gra­e­ser (1774-1856) in­ne, der ihr bis zu ih­rem Tod und dar­über hin­aus der Fa­mi­lie bis 1847 zur Sei­te stand. Die Über­nah­me der Fir­men­lei­tung war ihr nach dem fran­zö­si­schen Code de Com­mer­ce von 1803 er­laubt, für die Er­zie­hung ih­rer fünf noch un­mün­di­gen Kin­der be­nö­tig­te sie in­des ei­nen Vor­mund. Hier­zu wur­de der Gru­ben­di­rek­tor Gra­e­ser be­stellt, ein deut­li­cher Hin­weis auf das Ver­trau­en, wel­ches die­ser pri­vat und ge­schäft­lich ge­noss.

Noch im glei­chen Jahr 1814 fand Chris­ti­ne Eng­lerth ih­re Schwes­tern mit ei­ner statt­li­chen Ein­mal­zah­lung so­wie ei­ner jähr­li­chen Leib­ren­te ab. Dies führ­te in den ers­ten Jah­ren zu fi­nan­zi­el­len be­trieb­li­chen Eng­päs­sen, doch be­reits ab den 1820er Jah­ren ver­bes­ser­te sich die Ver­mö­gens­si­tua­ti­on und Chris­ti­ne konn­te in der Fol­ge­zeit die Ex­pan­si­ons­po­li­tik des Un­ter­neh­mens wei­ter vor­an­trei­ben. Um das Un­ter­neh­men zu len­ken, muss­te Chris­ti­ne Eng­lerth ne­ben Füh­rungs­qua­li­tä­ten auch Ver­ständ­nis für tech­ni­sche und kauf­män­ni­sche Zu­sam­men­hän­ge so­wie un­ter­neh­me­ri­schen Weit­blick mit­brin­gen. Dass sie sol­che Ei­gen­schaf­ten be­saß, trat bei­spiels­wei­se 1832 deut­lich zu­ta­ge: Klug ver­band sie ein Kon­zes­si­ons­ge­such, wel­ches die Über­tra­gung der Was­ser­kunst in ihr end­gül­ti­ges Ei­gen­tum zum Ge­gen­stand hat­te, mit dem An­trag auf Ver­lei­hung zu­sätz­li­cher Flö­ze; bei­des wur­de ihr 1833 von der preu­ßi­schen Berg­be­hör­de ge­neh­migt. Auch ihr En­ga­ge­ment 1837 bei der Rhei­ni­schen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft, de­ren viert­grö­ß­ter Ak­tio­när sie und ih­re Schwes­ter Ka­tha­ri­na wa­ren, zeigt, dass sie die Be­deu­tung der In­dus­tria­li­sie­rung für den Aus­bau ih­res Un­ter­neh­mens früh er­kannt und ziel­stre­big ge­nutzt hat.

Zu Be­ginn der 1830er Jah­re war die Fir­ma Eng­lerth so zu ei­nem der be­deu­tends­ten Un­ter­neh­men im Stein­koh­len­berg­bau her­an­ge­wach­sen: 1833 lag die För­de­rung bei 43.000 Ton­nen, der Er­lös bei rund 38.000 Ta­lern. Bis 1838 wur­de die Jah­res­för­de­rung auf 76.000 Ton­nen und der Er­lös auf 60.000 Ta­ler ge­stei­gert. Um ihr Le­bens­werk un­ge­teilt zu si­chern, griff Chris­ti­ne Eng­lerth zu un­ge­wöhn­li­chen Maß­nah­men: Sie er­rich­te­te ei­ne Art Fa­mi­li­en-Fidei­kom­miss und ver­band die­sen – ein No­vum in der Wirt­schafts­ge­schich­te – mit der Grün­dung ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft. Am 2.8.1834 schloss sie hier­über ei­nen Ver­trag mit ih­ren Kin­dern, die Kon­zes­si­on für die Ak­ti­en­ge­sell­schaft des Eschwei­ler Berg­werks-Ver­eins wur­de am 31.5.1835 er­teilt. Den Nieß­brauch der Ak­ti­en­an­tei­le ih­rer Kin­der be­hielt sie sich bis zu ih­rem Tod selbst vor.

Am 4.5.1838 starb Chris­ti­ne Eng­lerth. Erst mit ih­rem Tod trat der Eschwei­ler Berg­werks-Ver­ein of­fi­zi­ell in Funk­ti­on, am 19.5.1838 er­folg­te die Grün­dungs­ver­samm­lung. Der Ver­ein blieb über 150 Jah­re ei­ne be­deu­ten­de Ak­ti­en­ge­sell­schaft der Aa­che­ner Re­gi­on.

Als Un­ter­neh­menser­bin war Chris­ti­ne Eng­lerth in die von Män­nern do­mi­nier­te Ar­beits­welt des Berg­baus ge­langt. An­ders als vie­le ih­rer Zeit­ge­nos­sin­nen ver­stand sie sich je­doch nicht als blo­ße Platz­hal­te­rin für die männ­li­chen Er­ben, son­dern leg­te Wert dar­auf, das Un­ter­neh­men ei­gen­ver­ant­wort­lich bis zu ih­rem Tod zu füh­ren. Mit Sach­ver­stand, Or­ga­ni­sa­ti­ons­ta­lent und un­ter­neh­me­ri­schem Fin­ger­spit­zen­ge­fühl, aber auch aus­ge­stat­tet mit Macht­in­stinkt und ei­nem star­ken Wil­len, ge­lang es ihr nicht nur den Be­sitz zu wah­ren und zu kon­so­li­die­ren, son­dern auch wei­ter zu ver­meh­ren. Un­ter Aus­nut­zung der fran­zö­si­schen Rechts­vor­schrif­ten voll­brach­te sie mit der Grün­dung der ers­ten Ak­ti­en­ge­sell­schaft ei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Pio­nier­leis­tung und konn­te ihr Un­ter­neh­men so über Ge­ne­ra­tio­nen für die Zu­kunft si­chern.

Literatur

Cle­mens-Wendt­land, Hans, Die Fa­mi­lie Eng­lerth und der „Eschwei­ler Berg­werks Ver­ein", in: Tra­di­ti­on 10 (1965), S. 23-33.
Eyll, Kla­ra van, Ge­wer­kin­nen – Un­ter­neh­me­rin­nen – das Bei­spiel Chris­ti­ne Eng­lerth, in: Kro­ker, Eve­lyn / Kro­ker, Wer­ner,  Frau­en und Berg­bau. Zeug­nis­se aus fünf Jahr­hun­der­ten, Bo­chum 1989, S. 76-83.
Oel­lig, Wil­helm, Die Fa­mi­lie Eng­lerth und der Berg­bau in Eschwei­ler, in: Schin­zin­ger, Fran­ce­sca / Mül­ler-Tho­mas, An­ge­li­ka  (Hg.), Sym­po­si­on über Un­ter­neh­me­rin­nen. Re­fe­ra­te ei­nes Sym­po­si­ons an der Rhei­nisch-West­fä­li­schen Tech­ni­schen Hoch­schu­le Aa­chen im No­vem­ber 1988, Aa­chen 1988, S. 85-96.
Ste­ge­mann, Os­kar (Be­arb.): Der Eschwei­ler Berg­werks-Ver­ein und sei­ne Vor­ge­schich­te. Zum hun­dert­jäh­ri­gen Be­ste­hen der Ge­sell­schaft. o.O. 1938.
Quad­flie­ge, An­na, Die Berg­bau­un­ter­neh­me­rin Chris­ti­ne Eng­lerth (1767-1838). Be­grün­de­rin des Eschwei­ler Berg­werk­ver­eins, in: Tho­mes, Paul/  Quad­flieg, Pe­ter M., Un­ter­neh­mer in der Re­gi­on Aa­chen (Rhei­nisch-West­fä­li­sche Wirt­schafts­bio­gra­phi­en, Bd. 19), Müns­ter 2015, S. 48-67.

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Jägers, Regine, Christine Englerth, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christine-englerth-/DE-2086/lido/57c6a4c0a2c2f2.98339107 (abgerufen am 16.04.2024)