Familie Röchling

Unternehmerfamilie (1730-1987)

Peter Burg (Münster)

Die Völklinger Hütte, 1937.

Einleitung

Die aus West­fa­len stam­men­de Fa­mi­lie Röch­ling bau­te an der Saar ein Un­ter­neh­men auf, das auf dem Ge­biet des Han­dels mit Roh­stof­fen (Koh­le, Er­ze, Ei­sen und Stahl) und der Mon­tan­in­dus­trie ei­ne füh­ren­de Stel­lung in Deutsch­land er­rang. Des­sen geo­gra­phi­scher Schwer­punkt be­fand sich jahr­zehn­te­lang in der Grenz­re­gi­on, in die die ers­ten Fa­mi­li­en­mit­glie­der um 1730 zo­gen. Die Neu­an­kömm­lin­ge und ih­re Nach­kom­men ver­ban­den sich so­fort mit dem an­säs­si­gen Be­sitz- und Bil­dungs­bür­ger­tum.

Aus dem von Jo­hann Tho­mas Röch­ling (1690-1764) ab­ge­lei­te­ten Stamm wid­me­ten sich ei­ni­ge Mit­glie­der dem Koh­le- und Holz­han­del. Zu den be­kann­te­ren Nach­fah­ren zählt Lud­wig Hein­rich Röch­ling (1796-1870), Ab­ge­ord­ne­ter des Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­tags und der Preu­ßi­schen Zwei­ten Kam­mer, ein kon­sti­tu­tio­nel­ler Li­be­ra­ler. Von die­ser Li­nie hat sich bis heu­te ein Ast in Völk­lin­gen er­hal­ten. Die be­kann­te Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie ging aber nicht aus die­sem Zweig her­vor. We­ni­ge Jah­re nach Jo­hann Tho­mas Röch­ling mach­ten sich sei­ne Nef­fen, Kin­der des Halb­bru­ders Jo­hann Cas­par Röch­ling (1669-1738) von West­fa­len aus auf den Weg ins Links­rhei­ni­sche. Der jün­ge­re Ge­org Hein­rich (1708-1778) fand in der Pfalz (Grün­stadt) sei­ne neue Hei­mat. Der äl­te­re Jo­hann Gott­fried (1703-1780) such­te im Fürs­ten­tum Nas­sau-Saar­brü­cken sein Aus­kom­men. Von die­sem lei­tet sich die Un­ter­neh­mer­dy­nas­tie ab.

Johann Gottfried Röchling (1703-1780)

Als Hof­kel­ler war Jo­hann Gott­fried ei­ner der best­be­zahl­ten Be­am­ten der fürst­li­chen Ver­wal­tung. Sei­ne Ehe­frau, die Pfar­rers­toch­ter Ca­tha­ri­na Eli­sa­beth Beltzer (1717-1773), ge­bar ihm zwi­schen 1736 und 1754 sie­ben Kin­der. Im Jah­re 1755 wur­de er zum Lei­ter der Rent­kam­mer er­nannt. Seit 1763 ver­wal­te­te er er­folg­reich das Ei­sen­werk Schö­nau und das Stahl­ham­mer­werk Cont­wig in Pfalz-Zwei­brü­cken. Da­mit kam er in Be­rüh­rung mit dem Ge­wer­be, das für sei­ne Ur­en­kel so be­deu­tungs­voll wer­den soll­te. Sein Nach­fol­ger als Ver­wal­ter wur­de Fried­rich Phil­ip­p Stumm (1751-1835), so dass sich hier die We­ge der bei­den gro­ßen saar­län­di­schen Ei­sen­hüt­ten­fa­mi­li­en erst­mals kreuz­ten.

Johann Friedrich Röchling (1736-1814)

Jo­hann Gott­frieds äl­tes­ter Sohn, der Pfar­rer Jo­hann Fried­rich (1736-1814), wur­de zum Stamm­va­ter der Dy­nas­tie. Über ei­nen wei­te­ren Sohn war er der Ur­gro­ßva­ter des Schlach­ten­ma­lers und Buch­il­lus­tra­tors Carl Röch­ling (1855-1920), des­sen Wer­ke um 1900 sehr ge­schätzt wur­den und der auch Auf­trags­ar­bei­ten von sei­nen ent­fern­ten Ver­wand­ten er­hielt. Der Li­nie des in Saar­brü­cken tä­ti­gen Pfar­rers ent­stamm­te der Arzt Chris­ti­an Röch­ling (1772-1855), des Va­ters der vier Brü­der, die den Auf­stieg des In­dus­trie­un­ter­neh­mens meis­ter­ten.

 

Carl Röchling (1827-1910)

Die Brü­der bau­ten auf dem Er­be ih­res On­kels Fried­rich Lud­wig Röch­ling (1774-1836) auf, der mit der Er­öff­nung ei­nes Saar­brü­cker Koh­len­han­dels 1822 das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men aus der Tau­fe hob. Fried­rich Lud­wig ver­mach­te das Un­ter­neh­men den vier Söh­nen des Arz­tes: Theo­dor (1823-1885), Ernst (1825-1877), Carl (1827-1910) und Fritz (1833-1892) so­wie dem Sohn der äl­tes­ten Schwes­ter Ma­ria Ca­ro­li­na (1768-1845), Jo­hann Carl Schmidtborn (1794-1877), der kin­der­los blieb und sei­ne Un­ter­neh­mens­an­tei­le im Jah­re 1875 an die vier Cou­sins ver­erb­te. Als Arzt sam­mel­te Chris­ti­an Röch­ling gleich­falls ein be­acht­li­ches Ver­mö­gen an Im­mo­bi­li­en und Ka­pi­tal an. 1818 hat­te er am Saar­brü­cker Schloss­platz ein Haus er­wor­ben.

Die Aus­bil­dung der vier Söh­ne er­folg­te in ver­schie­de­nen eu­ro­päi­schen Han­dels­häu­sern, was für die spä­te­re Pfle­ge der Ge­schäfts­be­zie­hun­gen von gro­ßem Vor­teil war. Seit 1861 nann­te sich die Fir­ma Schmidtborn & Gebr. Röch­ling. Die Brü­der teil­ten die Auf­ga­ben un­ter sich auf. Ernst war Stell­ver­tre­ter der Fa­mi­lie für das 1849 in Lud­wigs­ha­fen ge­grün­de­te Han­dels­haus. Dort fand er über sei­ne Hei­rat An­schluss an das Mann­hei­mer Groß­bür­ger­tum. In die­ser Zeit be­gann be­reits die Aus­bil­dung ei­nes geo­gra­phi­schen Ne­ben­schwer­punk­tes des Un­ter­neh­mens am Rhein. Der für die Fir­men­ge­schich­te be­deu­tends­te der Brü­der war dank sei­ner Be­ga­bung als Tech­ni­ker, Or­ga­ni­sa­tor und Kauf­mann Carl Röch­ling. Er dach­te früh dar­an, den Ge­schäfts­be­reich vom Han­del auf die Pro­duk­ti­on aus­zu­wei­ten. Über sei­ne Ehe­frau Al­wi­ne Vo­pe­li­us (1837-1918), die Toch­ter ei­nes Sulz­ba­cher Glas­hüt­ten­be­sit­zers, fie­len ihm An­tei­le an der Gru­be Hos­ten­bach zu. Nach der deut­schen Reichs­grün­dung von 1870/1871 er­warb das Un­ter­neh­men wei­te­re Koh­le­fel­der, 1904 im west­fä­li­schen Re­vier. Kon­zes­sio­nen zum Erz­ab­bau konn­te es in Loth­rin­gen ge­win­nen.

Über Zweig­be­trie­be er­folg­te die räum­li­che Ex­pan­si­on des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens. Auf die­sem We­ge voll­zog sie auch den Schritt in das Pro­duk­ti­ons­ge­wer­be. Be­gon­nen wur­de mit der Koh­le­ver­ar­bei­tung in Koks, der für die Ei­sen­ver­hüt­tung be­nö­tigt wur­de. Der Staat, in des­sen Be­sitz sich die Gru­ben an der Saar bis auf Aus­nah­men be­fan­den, ließ die Kok­ser­zeu­gung durch die Pri­vat­wirt­schaft zu. Ers­te Er­fah­run­gen mit der Ei­sen­ver­hüt­tung sam­mel­ten die Röch­lings in Frank­reich. Ver­mit­telt durch die Saar­brü­cker Fir­ma Hal­dy über­nahm Carl Röch­ling im Jah­re 1862 ei­nen An­teil an der Hüt­te von Pont-à-Mous­son. In den Rhei­ni­schen Stahl­wer­ken in Mei­de­rich (heu­te Stadt Duis­burg) en­ga­gier­te er sich ein wei­te­res Mal und ge­lang­te hier nach kur­zer Zeit in den Auf­sichts­rat. 1879 war er ma­ß­geb­lich am Er­werb des Tho­ma­spa­tents durch die­ses Un­ter­neh­men be­tei­ligt. Nach der Pro­duk­ti­ons­auf­nah­me in Völk­lin­gen ga­ben die Röch­lings den An­teil am Ruhr­un­ter­neh­men aber wie­der auf.

Die Völk­lin­ger Hüt­te wur­de von den Röch­lings über­nom­men, nicht neu ge­grün­det. Die Fir­ma Hal­dy hielt auch hier die Steig­bü­gel. Sie er­stei­ger­te ein im Jah­re 1879 bank­rot­tes Un­ter­neh­men und über­ließ es so­gleich dem auf­stre­ben­den Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. Ge­sell­schaf­ter wa­ren die Brü­der Theo­dor, Carl und Fritz, stil­le Teil­ha­be­rin die Wit­we von Ernst Röch­ling. Die Hüt­te stand gleich­be­rech­tigt ne­ben den Han­dels­häu­sern in Saar­brü­cken und Lud­wigs­ha­fen.

Der un­an­ge­foch­te­ne Fa­mi­li­en­pa­tri­arch war 25 Jah­re lang Carl Röch­ling. Die Völk­lin­ger Hüt­te war sein wich­tigs­tes Le­bens­werk, doch da­mit war das Un­ter­neh­men noch kei­nes­wegs sa­tu­riert. Der Aus­bau zum Kon­zern schritt kon­ti­nu­ier­lich fort. Im loth­rin­gi­schen Thion­vil­le wur­de ein Zweig­be­trieb, die „Carls­hüt­te", er­öff­net, in der Nä­he der auf­ge­kauf­ten Alg­rin­ger Mi­net­te­fel­der, der „Carls­stol­len". Die preu­ßi­sche Re­gie­rung ver­lieh Carl Röch­ling auf­grund sei­ner Ver­diens­te den Ti­tel ei­nes Kö­nig­li­chen Ge­hei­men Kom­mer­zi­en­rats, ei­ne No­bi­li­tie­rung, wie sie sei­nem gro­ßen Kon­kur­ren­ten an der Saar, Karl Fer­di­nand Stumm, zu­teil wur­de, blieb ihm aber ver­sagt.

Hermann Röchling (1872-1955)

Für die Nach­fol­ge der vier Röch­ling­brü­der sorg­te ei­ne gro­ße Kin­der­schar. Für lei­ten­de Stel­lun­gen wur­den in ers­ter Li­nie die männ­li­chen Na­mens­trä­ger her­an­ge­zo­gen, seit dem Ers­ten Welt­krieg ka­men über den Ein­satz der Schwie­ger­söh­ne in­di­rekt auch die weib­li­chen Nach­kom­men zur Gel­tung. Für die Zweig­un­ter­neh­men und die ver­schie­de­nen Auf­ga­ben­be­rei­che stan­den ge­nü­gend Füh­rungs­kräf­te zur Ver­fü­gung. Her­mann Röch­ling (1872-1955), der sieb­te Sohn Carls, tech­nisch und kauf­män­nisch glei­cher­ma­ßen ta­len­tiert, ent­wi­ckel­te sich in den Fuß­stap­fen sei­nes Va­ters zum neu­en Pa­tri­ar­chen des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens. Ne­ben ihm agier­te ei­ne Rei­he von Brü­dern und Vet­tern. An­fangs lei­te­te Her­mann das Werk in Thion­vil­le, ihm folg­te ab 1905 sein Bru­der Ro­bert (1877-1948).

Carl Röchling, Porträfoto. (Weltkulturerbe Völklinger Hütte)

 

In der neu­en Ge­ne­ra­ti­on tra­ten die Tech­ni­ker in den Vor­der­grund und lös­ten die vor­wie­gend kauf­män­nisch ori­en­tier­ten Brü­der der Grün­der­ge­ne­ra­ti­on ab. Ein mo­der­nes Draht­walz­werk er­setz­te 1903 das Pud­del­ver­fah­ren. Die me­tall­ur­gi­schen Ar­beits­ab­läu­fe wur­den ver­bes­sert. Mit­tels So­da ge­lang die Ent­schwe­fe­lung des Roh­ei­sens. Die Be­leg­schaft des Haupt­werks, der Völk­lin­ger Hüt­te, be­lief sich 1900 auf rund 6.000. In der Alg­rin­ger Erz­för­de­rung wa­ren über 1.000 Ar­bei­ter be­schäf­tigt.

Der Be­sitz­an­teil der ein­zel­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­der an dem Un­ter­neh­men än­der­te sich fort­wäh­rend, nicht nur in­fol­ge der un­ter­schied­li­chen Kin­der­zahl, son­dern auch der in­di­vi­du­el­len Leis­tung. In Ge­sell­schafts­ver­trä­gen wur­den die Be­tei­li­gungs­ver­hält­nis­se nach dem Aus­schei­den und der Auf­nah­me von Mit­glie­dern von Zeit zu Zeit auf den neu­es­ten Stand ge­bracht. 1885 ent­fie­len auf Carl Röch­ling 50 Pro­zent des Ka­pi­tals, bis 1896 wuchs der von ihm und sei­nen Kin­dern ge­hal­te­ne An­teil noch wei­ter an.

Auf die­ser star­ken Po­si­ti­on konn­te der zu ei­nem au­to­ri­tä­ren Füh­rungs­stil nei­gen­de Her­mann Röch­ling auf­bau­en. Die an­de­re Sei­te sei­nes Pa­tri­ar­chen­tums war sein ge­mein­nüt­zi­ges Han­deln, die Un­ter­stüt­zung der Evan­ge­li­schen Kir­che so­wie so­zia­le und ka­ri­ta­ti­ve Schen­kun­gen und Stif­tun­gen. In po­li­ti­scher Hin­sicht kenn­zeich­ne­te ihn ei­ne na­tio­na­lis­ti­sche Ge­sin­nung. Im Ers­ten Welt­krieg trat er für ei­ne wei­te­re West­aus­deh­nung des Deut­schen Rei­ches ein. Die Völk­lin­ger Hüt­te wur­de auf ei­ne Kriegs­pro­duk­ti­on um­ge­stellt. Sie lie­fer­te 90 Pro­zent des Spe­zi­al­stahls, der für die Hel­me des Fron­thee­res ver­wandt wur­de. Her­mann Röch­ling wur­de nach dem ver­lo­re­nen Krieg Mit­glied der Waf­fen­still­stands­kom­mis­si­on.

Theodora und Hermann Röchling, Porträtfoto. (Weltkulturerbe Völklinger Hütte)

 

Frank­reich warf den Brü­dern Ro­bert und Her­mann Röch­ling schwe­ren Dieb­stahl und Sach­be­schä­di­gung als Kriegs­ver­bre­chen vor und ver­ur­teil­te sie zu zehn Jah­ren Ge­fäng­nis. Die Ver­mö­gens­schä­den der Fa­mi­lie in Frank­reich be­lie­fen sich auf 115 Mil­lio­nen Mark, wäh­rend die Aus­gleichs­zah­lung nur et­wa 5 Pro­zent be­trug. Ro­bert wur­de nach 22 Mo­na­ten Haft vor­zei­tig ent­las­sen. Der in Hei­del­berg wohn­haf­te Her­mann Röch­ling ent­ging der dro­hen­den Ge­fäng­nis­stra­fe, doch ei­ne Rück­kehr an die Saar war ihm vor­erst nicht mög­lich. Als po­li­tisch un­be­las­te­tes Fa­mi­li­en­mit­glied hielt Louis Röch­ling (1863-1926) zwi­schen­zeit­lich in Völk­lin­gen die Stel­lung. Ei­ne fran­zö­si­sche Ein­fluss­nah­me konn­ten die Röch­lings – an­ders als die Fa­mi­lie Stumm, de­ren Werk zu 60 Pro­zent in fran­zö­si­sche Hand ge­riet – ab­weh­ren.

Als die Zeit der Völ­ker­bunds­herr­schaft über das Saar­ge­biet 1935 ab­lief und die Be­völ­ke­rung das Recht er­hielt, über den Sta­tus quo oder die Zu­ge­hö­rig­keit zum Deut­schen Reich ab­zu­stim­men, en­ga­gier­te sich Her­mann Röch­ling un­ter dem Mot­to „Wir hal­ten die Saar!" für die Rück­kehr. Er schloss sich dem na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Zeit­geist an und stell­te sich in den Dienst der Re­gie­rung. Mit der Sus­pen­die­rung der de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en war er ein­ver­stan­den.

Her­mann Röch­ling und sei­ne bei­den Kin­der Karl Theo­dor (1902-1944) und El­len­ruth (1900-1977), ver­hei­ra­tet mit Hans-Lo­thar Frei­herr von Gem­min­gen-Horn­berg (1893-1975), be­sa­ßen nach dem Fa­mi­li­en­ver­trag von 1936 18 Pro­zent der An­tei­le bei ei­nem Ge­sell­schaf­ter­kreis von 47 Per­so­nen. Der Schwie­ger­sohn von Her­mann trat in die Ge­schäfts­füh­rung des Edel­stahl­werks Röch­ling und der Röch­ling­s­chen Ei­sen- und Stahl­wer­ke ein, was ein No­vum dar­stell­te. Auf Fa­mi­li­en­ta­gen traf sich die in­zwi­schen be­trächt­lich an­ge­wach­se­ne Nach­kom­men­schaft der In­dus­tri­el­len­dy­nas­tie.

Am 30.1.1938 wur­de Her­mann Röch­ling von Her­mann Gö­ring (1893-1946) zum Wehr­wirt­schafts­füh­rer er­nannt. Er war Mit­glied des Wehr­wirt­schafts­ra­tes bei der Reichs­wirt­schafts­kam­mer und als Treu­hän­der in Po­len und Frank­reich tä­tig. Al­bert Speer (1905-1981) er­nann­te ihn zum Reichs­be­auf­trag­ten für Ei­sen und Stahl in den be­setz­ten Ge­bie­ten. Die Carls­hüt­te ge­wann er, nach­dem das Werk in der Völ­ker­bunds­zeit von Frank­reich ein­ge­zo­gen wor­den war, wie­der zu­rück. Her­mann Röch­ling wur­de 1941 Prä­si­dent der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer in Metz. Seit dem Früh­som­mer 1940 ka­men in den Röch­ling­wer­ken auch Zwangs­ar­bei­ter zum Ein­satz.

Al­le Ak­ti­vi­tä­ten in der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Zeit wur­den ihm in Ge­richts­ver­fah­ren zur Last ge­legt, fer­ner sei­nem Nef­fen Ernst Röch­ling (1888-1964), sei­nem Schwie­ger­sohn Frei­herr von Gem­min­gen-Horn­berg so­wie den Di­rek­to­ren Al­bert Mai­er und Wil­helm Ro­den­hau­ser. Die An­kla­ge­punk­te lau­te­ten: Kriegs­het­ze, Raub und Plün­de­rung in den be­setz­ten Ge­bie­ten so­wie Aus­beu­tung frem­der Ar­beits­kräf­te. Nach ei­nem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wur­de die Ge­fäng­nis­stra­fe für Her­mann Röch­ling von sie­ben auf zehn Jah­re er­höht, der zu­erst frei­ge­spro­che­ne Ernst Röch­ling er­hielt fünf Jah­re Haft, die Ur­tei­le für Frei­herr von Gem­min­gen und Ro­den­hau­ser blie­ben bei drei Jah­ren, Al­bert Mai­er wur­de in bei­den Ver­fah­ren frei­ge­spro­chen.

Al­le In­haf­tier­ten wur­den vor­zei­tig ent­las­sen, Ro­den­hau­ser 1949, Ernst und Her­mann Röch­ling 1951. Das Völk­lin­ger Werk wur­de von Frank­reich be­schlag­nahmt und un­ter die Se­ques­ter­ver­wal­tung von Ge­or­ges Thédrel ge­stellt. Im Jah­re 1949 wur­de der Un­ter­neh­mens­sitz nach Mann­heim ver­legt, dem heu­ti­gen Stand­ort des Fa­mi­li­en­kon­zerns. Mitt­ler­wei­le leb­ten vie­le Fa­mi­li­en­mit­glie­der im Rhein-Ne­ckar-Ge­biet. Die Ei­gen­tü­mer­zahl war auf 70 ge­wach­sen. Ein Mit­glie­der­aus­schuss lei­te­te das Un­ter­neh­men.

Das Re­fe­ren­dum der saar­län­di­schen Be­völ­ke­rung vom 23.10.1955, in dem das Eu­ro­pa­s­ta­tut ab­ge­lehnt wur­de, ver­bes­ser­te die Chan­ce der Röch­lings, ihr Ei­gen­tum zu­rück­zu­er­hal­ten, ganz er­heb­lich. Frank­reich ließ sei­ne An­sprü­che fal­len, ver­lang­te aber ei­ne Ent­schä­di­gung von 36 Mil­lio­nen Mark für die wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges be­trie­be­ne Carls­hüt­te im loth­rin­gi­schen Thion­vil­le. Die Se­ques­ter­ver­wal­tung der Hüt­te Völk­lin­gen wur­de am 27.11.1956 auf­ge­ho­ben. Auch die Gebr. Röch­ling Bank kehr­te 1957 wie­der an die Saar zu­rück, an de­ren Stel­le 1947 die Ban­que Na­tio­na­le pour le Com­mer­ce et l’In­dus­trie ge­tre­ten war. Der Pro­zess der Ver­la­ge­rung des Kon­zerns von der Saar an den Rhein war aber nur auf­ge­scho­ben.

Im Jah­re 1969 er­reich­te der Be­leg­schafts­stand der Völk­lin­ger Hüt­te den Re­kord­stand von 17.000 Be­schäf­tig­ten. Nur we­ni­ge Jah­re spä­ter, 1978, trenn­ten sich die Nach­fah­ren der Röch­lings von ihr und der Gebr. Röch­ling Bank. In de­m Düs­sel­dor­fer Un­ter­neh­men Rhein­me­tall (Pro­duk­ti­ons­be­reich: Waf­fen, Ma­schi­nen­bau, Elek­tro­nik) hat­ten sie zwi­schen­zeit­lich ei­nen ad­äqua­ten Nach­fol­ger ge­fun­den und die Ak­ti­en­mehr­heit er­wor­ben. Ein Rich­tungs­streit um den Sitz der Zen­tra­le in Saar­brü­cken oder Mann­heim ging zu Guns­ten der letz­te­ren Stadt aus. Die Zahl der Ge­sell­schaf­ter war auf über 200 an­ge­wach­sen. Der Zu­sam­men­halt der Fa­mi­lie brö­ckel­te; Aus­trit­te und Kün­di­gun­gen führ­ten zu ei­ner Ver­klei­ne­rung des Ver­ban­des auf rund 180.

Mi­cha­el Röch­ling, ein Ur­en­kel von Carl Röch­ling, war der letz­te Na­mens­trä­ger, der ei­ne lei­ten­de Po­si­ti­on im Un­ter­neh­men wahr­nahm. Er schied 1987 aus. Nur ver­ein­zelt fin­den sich noch Bluts­ver­wand­te im Top­ma­nage­ment. Im Jah­re 1990 kam es zur Grün­dung ei­ner Röch­ling Stif­tung GmbH, ei­ner ge­mein­nüt­zi­gen Ge­sell­schaft, in die kin­der­lo­se Röch­lings ihr Er­be ein­flie­ßen las­sen kön­nen. Ein Fa­mi­li­en­rat und ein Exe­ku­tiv­aus­schuss be­auf­sich­ti­gen und ver­wal­ten heu­te die glo­bal ver­streu­ten Be­tei­li­gun­gen. Al­le sechs Jah­re fin­det in der Re­gel ein Fa­mi­li­en­tag statt.

Literatur

Bart­mann, Do­mi­nik, Carl Röch­ling, in: Saar­län­di­sche Le­bens­bil­der, Band 3, Saar­brü­cken 1986, S. 199-217.
Fuchs, Kon­rad, Her­mann Röch­ling, in: Saar­län­di­sche Le­bens­bil­der, Band 2, Saar­brü­cken 1984, S. 221-251.
Ja­e­ger, Hans, Karl Röch­ling, in: Saar­län­di­sche Le­bens­bil­der, Band 2, Saar­brü­cken 1984, S. 201-220.
Sei­bold, Ger­hard, Röch­ling. Kon­ti­nui­tät und Wan­del, Stutt­gart 2001.

Online

Ban­ken, Ralf, "Röch­ling", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 21 (2003), S. 702-703. [On­line]

Die Völklinger Hütte, 1937.

 
Zitationshinweis

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Burg, Peter, Familie Röchling, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-roechling/DE-2086/lido/57cd2113c42191.01427025 (abgerufen am 29.03.2024)