Felix Kardinal von Hartmann

Erzbischof von Köln (1912-1919)

Hermann Josef Scheidgen (Köln)

Felix Kardinal von Hartmann, Porträtfoto, um 1913.

Fe­lix von Hart­mann stand dem Erz­bis­tum Köln wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges vor und setz­te sich un­ter an­de­rem für die Seel­sor­ge der Sol­da­ten ein. Der pro­mo­vier­te Ju­rist war von 1911 bis 1912 be­reits Bi­schof von Müns­ter ge­we­sen und galt über den Zu­sam­men­bruch der Mon­ar­chie hin­aus als treu­er An­hän­ger des wil­hel­mi­ni­schen Kai­ser­hau­ses. Kon­ser­va­tiv und de­mo­kra­ti­sche Be­stre­bun­gen in­ner­halb der ka­tho­li­schen Kir­che ab­leh­nend, sah sich Hart­mann in sei­ner Funk­ti­on als Vor­sit­zen­der der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz we­gen sei­ner Füh­rungs­schwä­chen auch ent­schie­de­ner Kri­tik sei­ner Kol­le­gen aus­ge­setzt.

Bru­no Fe­lix Bern­hard Al­bert von Hart­mann wur­de am 15.12.1851 in Müns­ter ge­bo­ren. Er ent­stamm­te ei­ner alt­ein­ge­ses­se­nen west­fä­li­schen Adels­fa­mi­lie, die vie­le Ju­ris­ten her­vor­ge­bracht hat­te und ver­mö­gend war. Sein Va­ter, Al­bert von Hart­mann (1805-1865), war spä­ter Ober­re­gie­rungs­rat; sei­ne Mut­ter Ma­ria (1826-1861) war ei­ne ge­bo­re­ne von Heis­ter. Der Stief­bru­der aus der ers­ten Ehe des Va­ters, Ju­li­an Wolf­gang von Hart­mann (1842-1916), war zwi­schen 1892 und 1907 Re­gie­rungs­prä­si­dent von Aa­chen.

Fe­lix von Hart­mann be­such­te zu­erst das Gym­na­si­um Pau­li­num in Müns­ter, wech­sel­te dann zum bi­schöf­li­chen Gym­na­si­um Col­le­gi­um Au­gus­ti­nia­num Ga­es­donck in Goch, aus dem vie­le ka­tho­li­sche Bi­schö­fe her­vor­ge­gan­gen sind. Zu sei­nen Leh­rern ge­hör­te hier der nach­ma­li­ge Bi­schof von Müns­ter Her­mann Din­gel­stad (1835-1911). Sein Ab­itur leg­te von Hart­mann hin­ge­gen als Ex­ter­ner in Müns­ter ab; an­schlie­ßend stu­dier­te er dort an der Staat­li­chen Aka­de­mie ka­tho­li­sche Theo­lo­gie. 1874 wur­de er in Müns­ter zum Pries­ter ge­weiht. Der an­dau­ern­de Kul­tur­kampf brach­te es mit sich, dass er als Ka­plan an die deut­sche Na­tio­nal­stif­tung San­ta Ma­ria dell´ Ani­ma nach Rom ging. An der päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Ap­po­li­n­ai­re stu­die­re er Ka­no­nis­tik und er­warb 1877 hier den Dok­tor­grad. Aus Rom zu­rück­ge­kehrt, wur­de er für zehn Jah­re in der Seel­sor­ge tä­tig, zu­erst in Ha­vix­beck und dann in Em­me­rich, Pfar­rei St. Al­de­gun­dis.

1890 be­rief ihn Bi­schof Din­gel­stad zu sei­nem Ge­heim­se­kre­tär. Seit 1894 war er in der bi­schöf­li­chen Ver­wal­tung tä­tig, zu­nächst als Ge­ne­ral­vi­ka­ri­ats­rat und seit 1904 als Ge­ne­ral­vi­kar. Be­reits seit 1903 war er Dom­ka­pi­tu­lar in Müns­ter und wur­de 1910 au­ßer­dem Dom­de­chant. Als Ge­ne­ral­vi­kar ge­wann er gro­ßen Ein­fluss in sei­ner Diö­ze­se und er­wies sich als ge­schick­ter Ver­wal­ter. Theo­lo­gi­schen Re­form­be­stre­bun­gen stand er äu­ßerst skep­tisch ge­gen­über. Ent­spre­chend war sei­ne Ein­stel­lung ge­gen­über den so ge­nann­ten „Mo­der­nis­ten", wel­che die kri­tisch-his­to­ri­sche Me­tho­de in der Ex­ege­se und der Kir­chen­ge­schich­te be­nut­zen woll­ten. Au­ßer­dem spra­chen sie sich für ei­ne Ver­söh­nung von ka­tho­li­scher Theo­lo­gie mit den mo­der­nen Na­tur­wis­sen­schaf­ten aus.

Als 1911 der Bi­schofs­stuhl von Müns­ter va­kant wur­de, galt Hart­mann von An­fang an als aus­sichts­reichs­ter Kan­di­dat, der auf­grund sei­ner streng­kirch­li­chen und an­de­rer­seits staats­loya­len Ein­stel­lung so­wohl von der Ku­rie als auch vom preu­ßi­schen Staat fa­vo­ri­siert wur­de. Letz­te­rer sah ihm auch nach, dass er 1872 ge­gen das Je­sui­ten­ge­setz ver­sto­ßen hat­te, in dem er dem Or­den die Durch­füh­rung von Volks­mis­sio­nen in sei­ner Diö­ze­se er­laubt hat­te. Re­form­ori­en­tier­te Ka­tho­li­ken rich­te­ten sich je­doch in Pres­se­ar­ti­keln ge­gen Hart­mann und spra­chen sich in ei­ner Ein­ga­be an den preu­ßi­schen Kul­tus­mi­nis­ter ge­gen ihn als neu­en Bi­schof aus. Doch noch im sel­ben Jahr wähl­te ihn das Dom­ka­pi­tel zum Bi­schof von Müns­ter; die Be­stä­ti­gung durch den Papst folg­te un­mit­tel­bar. Fe­lix von Hart­manns Amts­zeit in Müns­ter be­trug je­doch nur ein knap­pes Jahr, denn nach dem Tod des Köl­ner Erz­bi­schofs An­to­ni­us Kar­di­nal Fi­scher brach­ten ihn der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Mer­ry del Val (1865-1930) und die preu­ßi­sche Re­gie­rung ins Ge­spräch für den Köl­ner Erz­bi­schofs­stuhl.

Hart­mann wur­de mit ei­nem denk­bar knap­pen Er­geb­nis zum Erz­bi­schof von Köln ge­wählt. Er er­hielt im zwei­ten Wahl­gang le­dig­lich neun der 16 Stim­men des Dom­ka­pi­tels. Hart­mann ging nur un­gern nach Köln. So woll­te er die Trans­fe­rie­rung durch die Vor­la­ge ei­nes ent­spre­chen­den Ge­sund­heits­zeug­nis­ses ver­hin­dern. Papst Pi­us X. (Pon­ti­fi­kat 1903-1914), der in Hart­mann ei­nen Ga­ran­ten für den An­ti­mo­der­nis­mus sah, woll­te dies je­doch nicht ak­zep­tie­ren.

Als Hart­mann im Fe­bru­ar 1913 den staats­kir­chen­recht­lich vor­ge­schrie­be­nen Ho­ma­gi­aleid vor Kai­ser Wil­helm II. (Re­gie­rungs­zeit 1888-1918) in Ber­lin ab­leg­te, er­klär­te er in sei­ner Dan­kes­re­de, er leis­te die­sen Eid nicht nur, weil die­ser vor­ge­schrie­ben sei, son­dern aus vol­lem, freu­di­gen, warm er­ge­be­nen Her­zen ge­gen­über dem Kai­ser. Die An­häng­lich­keit ge­gen­über der Dy­nas­tie der Ho­hen­zol­lern sei ihm schon im El­tern­haus ein­ge­pflanzt wor­den. Das Re­de­kon­zept muss­te vor­her dem Kai­ser vor­ge­legt wer­den, der ei­gen­hän­dig dar­auf no­tiert hat­te: Bra­vo!.

Ein Jahr nach sei­ner In­thro­ni­sie­rung als Erz­bi­schof von Köln wur­de Hart­mann noch vor Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges zum Kar­di­nal er­nannt. Hart­mann war kein volks­na­her Ober­hir­te. Von sei­ner Bi­schofs­wür­de war er voll durch­drun­gen. Be­son­de­ren Re­spekt zoll­te er dem Adel und hö­he­ren Ge­sell­schafts­schich­ten.

Als Hart­mann nach Köln kam war der so ge­nann­te Ge­werk­schafts­streit in vol­lem Gan­ge. Es zeig­te sich, dass er kein ex­tre­mer In­te­gra­list war, da er, wie sein Vor­gän­ger An­to­ni­us Fi­scher, die Bil­dung von über­kon­fes­sio­nel­len christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten be­grü­ß­te. Seit sei­nem Amts­ein­tritt hat­te er sich in­ten­siv mit der Ge­werk­schafts­fra­ge be­fasst. Die En­zy­kli­ka „Sin­gu­la­ri qua­dam" von 1912 in­ter­pre­tier­te er da­hin­ge­hend, dass päpst­li­cher­seits kei­ne Be­den­ken ge­gen die Grün­dung von christ­li­chen Ge­werk­schaf­ten be­stün­den. Die­se Vor­stel­lung teil­te auch der Volks­ver­ein für das ka­tho­li­sche Deutsch­land mit Sitz in Mön­chen­glad­bach. Die Wort­füh­rer ge­gen die Bil­dung von über­kon­fes­sio­nel­len Ge­werk­schaf­ten wa­ren der Fürst­bi­schof von Bres­lau, Ge­org Kar­di­nal Kopp (Epis­ko­pat 1887-1914), und der Trie­rer Bi­schof Fe­lix Ko­rum. Bei­de stell­ten sich auf­grund ih­rer Er­fah­run­gen im Kul­tur­kampf ge­gen je­de Form der Öku­me­ne. In­so­fern sprach man im Ge­werk­schafts­streit von den op­po­nie­ren­den Grup­pie­run­gen der Köln-Mön­chen­glad­ba­cher und der Bres­lau-Trie­rer Rich­tung. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung soll­te sich mit dem Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs von selbst er­le­di­gen.

Po­li­tisch war von Hart­mann den­noch äu­ßerst kon­ser­va­tiv. Als deutsch­na­tio­nal Ein­ge­stell­ter hat­te er zahl­rei­che Span­nun­gen mit der Zen­trums­par­tei. So war er zum Bei­spiel ein Geg­ner der Ab­schaf­fung des Drei­klas­sen­wahl­rechts in Preu­ßen. Er fürch­te­te bei ei­ner Ab­schaf­fung ei­ne Stär­kung der So­zi­al­de­mo­kra­ten, die das En­de der Kon­fes­si­ons­schu­len be­deu­ten könn­te. Zu vie­len ka­tho­li­schen Ver­ei­nen hat­te er ein ge­spann­tes Ver­hält­nis, ins­be­son­de­re zum ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­ver­ein, dem er vor­warf, er ha­be ei­ne zu dis­tan­zier­te Ein­stel­lung zur kirch­li­chen Hier­ar­chie. Auf Hart­manns Be­trei­ben muss­te der Prä­ses des Ver­eins zu­rück­tre­ten. Sein ver­such­ter Ein­griff in den Volks­ver­ein für das ka­tho­li­sche Deutsch­land blieb hin­ge­gen er­folg­los. So ließ sich sein Vor­ha­ben, die beim Volks­ver­ein an­zu­stel­len­den Geist­li­chen zu be­nen­nen, nicht durch­set­zen. Dem Volks­ver­ein warf er vor, er be­fas­se sich zu viel mit po­li­ti­schen und so­zia­len The­men, die re­li­giö­sen kä­men zu kurz.

Nach dem To­de des Bres­lau­er Kar­di­nals von Kopp war Fe­lix von Hart­mann der rang­höchs­te preu­ßi­sche Bi­schof. Ihm kam nun der Vor­sitz der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz zu, der al­le deut­schen Bi­schö­fe bis auf die baye­ri­schen, wel­che die Frei­sin­ger Bi­schofs­kon­fe­renz bil­de­ten, an­ge­hör­ten. Als Kon­fe­renz­vor­sit­zen­der zeig­te sich Hart­mann ent­schei­dungs­schwach. Bei wich­ti­gen, aber auch bei we­ni­ger wich­ti­gen The­men, wel­che die ka­tho­li­sche Kir­che in Deutsch­land be­tra­fen, ließ er al­le Kon­fe­renz­mit­glie­der be­fra­gen. Das war kei­nes­falls ein Zei­chen für ei­ne de­mo­kra­ti­sche Grund­ein­stel­lung, son­dern weist ihn le­dig­lich als zö­ger­lich aus. Als er die Kon­fe­renz­mit­glie­der auf­for­der­te, die Kon­ku­bi­na­te von Krie­ger­wit­wen in ih­ren Diö­ze­sen zu er­mit­teln, stieß dies teil­wei­se bei den Bi­schö­fen auf Wi­der­stand. Auch brach­te die Um­fra­ge nicht das Er­geb­nis, wie es von Hart­mann er­war­tet hat­te. Das Gan­ze wur­de so­mit zu ei­ner für den Kar­di­nal pein­li­chen An­ge­le­gen­heit.

Hart­mann or­ga­ni­sier­te als Kon­fe­renz­vor­sit­zen­der die Seel­sor­ge der deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen. Er be­auf­trag­te für die Jah­re 1915 bis 1917 den Be­ne­dik­ti­ner­pa­ter Si­gis­mund von Cour­ten (von 1919 bis 1926 Sub­pri­or des Klos­ters Ein­sie­deln), die fran­zö­si­schen Ge­fan­ge­nen­la­ger zu be­su­chen. Die dar­auf er­folg­ten ma­te­ri­el­len Hil­fe­stel­lun­gen konn­ten bei der gro­ßen An­zahl der La­ger nur im be­grenz­ten Ma­ße er­fol­gen.

Hart­mann war ein Ver­trau­ter Kai­ser Will­helms II., dem er ver­schie­dent­lich per­sön­lich be­geg­ne­te, so 1916 an der West­front. Im glei­chen Jahr er­nann­te der Kai­ser ihn zum Mit­glied des Preu­ßi­schen Her­ren­hau­ses. Die Er­ge­ben­heit ge­gen­über dem Kai­ser nahm ge­le­gent­lich gro­tes­ke Zü­ge an. In ei­nem spe­zi­el­len Kriegs­hir­ten­brief rief Hart­mann die Kin­der sei­ner Diö­ze­se auf, ih­re El­tern da­zu zu be­we­gen, Gold zur Ver­fü­gung zu stel­len, um aus dem Er­lös Mu­ni­ti­on für die kämp­fen­den deut­schen Trup­pen zu fi­nan­zie­ren. Auch plan­te er den Bau von über­di­men­sio­nier­ten „Hel­den­hai­nen" für die deut­schen Ge­fal­le­nen für die Zeit nach dem Krie­ge mit. Sei­ne Ein­schät­zung der Kriegs­la­ge, ins­be­son­de­re im Jah­re 1918, ent­sprach bei wei­tem nicht der Rea­li­tät.

An­de­rer­seits ist fest­zu­hal­ten, dass Hart­mann ent­ge­gen ei­nem weit ver­brei­te­ten Vor­ur­teil nie da­zu auf­ge­ru­fen oder An­ord­nun­gen ver­schickt hat, Waf­fen zu seg­nen. Sei­ne Hir­ten­brie­fe und An­spra­chen im Krieg wa­ren nie­mals über­spru­delnd pa­trio­tisch wie die ei­ni­ger sei­ner Amts­brü­der oder vie­ler füh­ren­der Ver­tre­tern der pro­tes­tan­ti­schen Kir­chen. Den Krieg hielt er aus deut­scher Sicht je­doch für sitt­lich ge­recht­fer­tigt. So pran­ger­te er in sei­nen Hir­ten­brie­fen auch nicht die welt­weit ers­te An­wen­dung von Kampf­gas in Ypern im Jah­re 1915 an.

Ver­schie­dent­lich setz­te sich Hart­mann als Ver­mitt­ler für die Al­li­ier­ten ein. Er­folg­reich er­wirk­te er bei den deut­schen staat­li­chen Be­hör­den in vie­len Fäl­len die Um­wand­lung von To­des­stra­fen für Kriegs­ge­fan­ge­ne in Haft­stra­fen. Eben­so en­ga­gier­te er sich für die Wie­der­ein­füh­rung von Fron­leich­nams­pro­zes­sio­nen im be­setz­ten Bel­gi­en im Jah­re 1916. Als er im Fall des Me­chel­ner Kar­di­nals Dé­si­ré-Jo­seph Mer­cier (Epis­ko­pat 1906-1926) mit dem Hei­li­gen Stuhl En­de 1915 im Auf­trag der Reichs­re­gie­rung ver­mit­teln soll­te, be­gann er sei­ne Tä­tig­keit erst, als er sich ganz si­cher war, dass der Kai­ser hin­ter ihm stand.

Der Me­chel­ner Kar­di­nal hat­te sich an die Spit­ze der Pro­test­be­we­gung ge­gen die deut­sche Be­sat­zung ge­stellt und die­ser un­ter an­de­rem Über­tre­tun­gen der Haa­ger Kon­ven­ti­on vor­ge­wor­fen. Die Reichs­re­gie­rung woll­te Mer­cier zu ei­ner Rei­se in den Va­ti­kan ani­mie­ren und ihn an­schlie­ßend nicht mehr in sein be­setz­tes Ge­biet ein­rei­sen las­sen. Papst Be­ne­dikt XV. (Pon­ti­fi­kat 1914-1922) stand zwar nicht hin­ter der po­li­ti­schen Agi­ta­ti­on des bel­gi­schen Kar­di­nals, doch woll­te er sei­ne Neu­tra­li­tät be­wah­ren und nicht im In­ter­es­se der Reichs­re­gie­rung han­deln. Als Hart­mann in die­ser An­ge­le­gen­heit in Rom vor­sprach, war er pein­lichst dar­auf be­dacht, Mer­cier nicht zu be­geg­nen. Ihm muss be­wusst ge­we­sen sein, dass er Mer­cier, der ei­ner der füh­ren­den Ex­per­ten der scho­las­ti­schen Phi­lo­so­phie sei­ner Zeit ge­we­sen war, in­tel­lek­tu­ell deut­lich un­ter­le­gen war.

An­fang 1916 for­der­te Mer­cier den deut­schen Epis­ko­pat auf, ei­nen bi­schöf­li­chen Ge­richts­hof ein­zu­rich­ten, wel­cher die bel­gi­sche Be­völ­ke­rung von dem Vor­wurf, ei­nen Par­ti­sa­nen­krieg zu füh­ren, frei­spre­chen soll­te. Hart­mann woll­te hier­zu ei­ne öf­fent­li­che Re­plik ver­fas­sen, wo­von er aus kirch­li­chen Krei­sen ab­ge­hal­ten wur­de. Sein im Auf­trag des Paps­tes durch­ge­führ­ter Ver­mitt­lungs­ver­such zum Schutz der Ka­the­dra­le von Reims ver­hin­der­te zu­min­dest bis 1916 de­ren Bom­bar­die­rung. Als dann die Ka­the­dra­le von Fran­zo­sen für mi­li­tä­ri­sche Zwe­cke be­nutzt wur­de, fiel der von Hart­mann er­wirk­te Schutz fort.

Als füh­ren­de fran­zö­si­sche ka­tho­li­sche Theo­lo­gen un­ter der Fe­der­füh­rung des Kir­chen­his­to­ri­kers Al­fred Baudril­larts (1859-1942) 1915 das Buch „La Gu­er­re Al­le­man­de et le Ca­tho­li­cism" ver­öf­fent­lich­ten, in der die The­se ver­tre­ten wur­de, der Geist sei ka­tho­lisch und fran­zö­sisch und der Un­geist deutsch und pro­tes­tan­tisch - hier wur­den ins­be­son­de­re die Phi­lo­so­phen Kant und Nietz­sche ver­ur­teilt - setz­te sich Hart­mann im Epis­ko­pat mit sei­ner Mei­nung durch, kei­ne of­fi­zi­el­le Ent­geg­nungs­schrift sei­tens der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz zu ver­fas­sen, was ihm vor al­lem der Pa­der­bor­ner Bi­schof Karl Jo­seph Schul­te ver­übel­te.

Zu­sam­men mit dem Vor­sit­zen­den der Frei­sin­ger Bi­schofs­kon­fe­renz, dem Mün­che­ner Erz­bi­schof Franz Kar­di­nal von Bet­tin­ger (Epis­ko­pat 1909-1917), ver­fass­te Hart­mann bloß ein kur­zes förm­li­ches Pro­test­schrei­ben. Schul­te sorg­te schlie­ß­lich da­für, dass Theo­lo­gen sei­ner Pa­der­bor­ner theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le ei­ne Re­plik ver­fass­ten. Der Pa­der­bor­ner Bi­schof er­lang­te nun zu­neh­mend die Mei­nungs­füh­rer­schaft im deut­schen Epis­ko­pat, was da­zu führ­te, dass das preu­ßi­sche Kriegs­mi­nis­te­ri­um häu­fi­ger die Amts­kom­pe­tenz Hart­manns un­ter­lief und sich di­rekt an Schul­te wand­te, ins­be­son­de­re wenn es um die Er­mitt­lung von ver­miss­ten deut­schen Sol­da­ten ging. Schul­te hat­te mit der „Pa­der­bor­ner kirch­li­chen Kriegs­hil­fe" ein spe­zi­el­les Bü­ro ein­ge­rich­tet, das sehr er­folg­reich ar­bei­te­te. Schlie­ß­lich soll­te Schul­te nach Hart­manns Tod im Jah­re 1920 des­sen Nach­fol­ger als Köl­ner Erz­bi­schof wer­den.

Es fällt auf, dass von Hart­mann wäh­rend des gan­zen Welt­krie­ges kei­nen Kon­takt zur Zen­trums­par­tei hat­te, auch nicht zu dem um­trie­bi­gen Mat­thi­as Erz­ber­ger (1875-1921), der die bes­ten Ver­bin­dun­gen zum Hei­li­gen Stuhl pfleg­te und sich zeit­wei­se ei­nes ehe­ma­li­gen Mit­glieds der Frei­mau­rer als In­for­man­ten über die po­li­ti­schen Zie­le der Ku­rie be­dien­te. Ins­be­son­de­re war es Hart­mann su­spekt, dass das Zen­trum den „Geist des Kul­tur­kamp­fes" ab­strei­fen woll­te. Als Fe­lix von Hart­mann nach der deut­schen Ka­pi­tu­la­ti­on von 1918 aus Angst vor der Aus­hun­ge­rung Deutsch­lands durch die Al­li­ier­ten Papst Be­ne­dikt XV. um ei­ne ent­spre­chen­de Stel­lung­nah­me bat, kam dies ei­ner Auf­for­de­rung zur Be­en­di­gung von des­sen Neu­tra­li­täts­po­li­tik gleich. Doch kann die­ser Ap­pell auf­grund der Not­si­tua­ti­on Hart­mann nicht vor­ge­hal­ten wer­den.

Gro­ßen Ver­dienst über sei­ne Erz­diö­ze­se Köln hin­aus er­warb sich Hart­mann als Grün­der und För­de­rer des Ju­gend­bun­des „Neu­deutsch­land", der vom Je­sui­ten­or­den geist­lich be­treut wur­de, in der An­fangs­pha­se ins­be­son­de­re von den Pa­tres Lud­wig Esch (1883-1956) in Köln und Jo­hann Zen­der (1877-1948) in Düs­sel­dorf. Die­ser Bund, dem Gym­na­si­as­ten der Ober­stu­fe bei­tre­ten konn­ten, ver­stand sich ähn­lich wie ka­tho­li­sche Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen als ein Le­bens­bund. Er hat­te auch Ele­men­te der ers­ten deut­schen Ju­gend­be­we­gung vor dem Ers­ten Welt­krieg auf­ge­nom­men. Der Bund Neu­deutsch­land wur­de in der Wei­ma­rer Re­pu­blik ma­ß­geb­lich von der von Ma­ria Lach aus­ge­hen­den Lit­ur­gi­schen Be­we­gung ge­prägt.

Hart­mann hat­te auf­grund sei­ner Rei­sen an die West­front und der Ab­hal­tung von Pon­ti­fi­ka­l­äm­tern für deut­sche Sol­da­ten in Bel­gi­en und in Frank­reich nach Kriegs­en­de bei den Be­sat­zungs­mäch­ten kein gu­tes An­se­hen. So ent­stand in Kür­ze das Ge­rücht, die En­tente wol­le den Papst da­zu be­we­gen, von Hart­mann ab­zu­be­ru­fen. Die­se Nach­richt wur­de aber bald von of­fi­zi­el­ler Sei­te de­men­tiert. Über die Ab­dan­kung Wil­helms II. hin­aus hielt Hart­mann Kon­tak­te zu dem ab­ge­setz­ten Mon­ar­chen. So schrieb er ihm nach Dorn - voll­kom­men wirk­lich­keits­fremd - er mö­ge sich un­ter den Schutz des Paps­tes be­ge­ben, um ei­ner Ent­füh­rung sei­tens der All­li­ier­ten zu ent­ge­hen. Nach Kriegs­en­de stell­te sich Hart­mann en­er­gisch ge­gen die rhei­ni­schen Se­pa­ra­tis­ten. An­de­rer­seits fand er auch kei­ne Be­zie­hung zu der jun­gen De­mo­kra­tie. In den neu­en ge­sell­schaft­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten konn­te er sich nicht zu Recht fin­den.

Er starb am 11.11.1919 in Köln und wur­de im Dom bei­ge­setzt. Der Tod, ein Jahr nach Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on von 1918, so der Kir­chen­his­to­ri­ker Nor­bert Trip­pen, muss für Hart­mann selbst, der noch ganz mit der Mon­ar­chie ver­bun­den ge­we­sen war, ei­ne Er­lö­sung ge­we­sen sein.

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Scheid­gen, Her­mann-Jo­sef, Deut­sche Bi­schö­fe im Ers­ten Welt­krieg. Die Mit­glie­der der Ful­da­er Bi­schofs­kon­fe­renz und ih­re Or­di­na­ria­te 1914-1918, Köln/Wei­mar/Wien 1991.

Online

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Zitationshinweis

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Scheidgen, Hermann Josef, Felix Kardinal von Hartmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/felix-kardinal-von-hartmann/DE-2086/lido/57c827409b2535.18655212 (abgerufen am 19.04.2024)