Gebhard Truchseß von Waldburg

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1577-1583)

Thomas P. Becker (Bonn)

Lithographie nach einem Ölbild ehedem in Schloss Roland in Düsseldorf-Grafenberg, 1579.

Geb­hard Truch­seß von Wald­burg ge­hört zu den tra­gi­schen Ge­stal­ten auf de­m Köl­ner Erz­bi­schofs­stuhl. Aus Lie­be zu dem Ger­res­hei­mer Stifts­fräu­lein Agnes von Mans­feld (1551-1637) ver­such­te er ver­geb­lich, in sei­nem Land die freie Wahl des Be­kennt­nis­ses ein­zu­füh­ren. Sein Re­for­ma­ti­ons­ver­such führ­te zum ver­hee­ren­den Köl­ner Krieg, dem ers­ten Re­li­gi­ons­krieg auf deut­schem Bo­den nach der Re­for­ma­ti­on.

Ge­bo­ren wur­de Geb­hard am 10.11.1547 auf Schloß Hei­li­gen­berg bei Ra­vens­burg. Die Truch­ses­sen von Wald­burg wa­ren in der Re­for­ma­ti­on stets ka­tho­lisch und rom­treu ge­blie­ben. Schon 1560 er­hielt Geb­hard ei­ne Ka­no­ni­ker­pfrün­de in Augs­burg, 1567 ei­ne wei­te­re Pfrün­de in Straß­burg und 1568 auch noch ei­ne in Köln.

 

Als Erz­bi­schof Sa­len­tin von Isen­burg 1577 von sei­nem Amt zu­rück­trat, ge­lang es Geb­hard Truch­seß noch im De­zem­ber des­sel­ben Jah­res, zum neu­en Erz­bi­schof un­d Kur­fürs­ten von Köln ge­wählt zu wer­den. In den ers­ten Jah­ren sei­ner Re­gie­rung ließ er an sei­ner Treue zur Kir­che kei­nen Zwei­fel auf­kom­men. Doch der Zu­fall führ­te Geb­hard Truch­seß in die Ar­me ei­ner Da­me, de­ren ade­li­ger Stand sie weit über die üb­li­chen Lieb­schaf­ten ei­nes da­ma­li­gen geist­li­chen Fürs­ten hin­aus­hob. Die Re­de ist von der Ger­res­hei­mer Ka­no­nis­se Agnes von Mans­feld, de­ren Schwa­ger Pe­ter Ernst von Krie­chin­gen (ge­stor­ben 1635) zum Hof­staat Geb­hards ge­hör­te. So kam sie auf Hof­fes­ten in Kon­takt mit dem Erz­bi­schof, des­sen heim­li­che Ge­lieb­te sie spä­tes­tens seit 1580 war. Graf Adolf von Neue­nahr (1544-1589) hat­te dem Paar sein Schloss in Mo­ers als Lie­bes­nest zur Ver­fü­gung ge­stellt.

Graf Adolf, ein en­ga­gier­ter Ver­tre­ter der cal­vi­nis­tisch ge­wor­de­nen Gra­fen­ge­schlech­ter, hat­te schon bald die Chan­cen er­kannt, die für die evan­ge­li­schen Reichs­gra­fen aus der Ver­bin­dung des Köl­ner Erz­bi­schofs mit ei­ner evan­ge­lisch ge­sinn­ten Graf­en­toch­ter er­wach­sen konn­ten. Da­bei half ihm die Re­ak­ti­on der Brü­der der Grä­fin von Mans­feld, die ih­re Schwes­ter nicht als kur­fürst­li­che Mä­tres­se dul­den woll­ten. 1582 zwan­gen sie Geb­hard zu ei­nem Ehe­ver­spre­chen, um die Eh­re ih­rer Schwes­ter wie­der her­zu­stel­len. Geb­hard war so­wohl ka­tho­li­scher Pries­ter als auch oh­ne grö­ße­res per­sön­li­ches Ver­mö­gen, da­her such­te er nach ei­nem Aus­weg. Und die­ser wur­de ihm von sei­nen gräf­li­chen Freun­den im Köl­ner Dom­ka­pi­tel ge­bo­ten. Die heim­lich evan­ge­lisch ge­wor­de­nen Gra­fen­söh­ne in den ka­tho­li­schen Dom­ka­pi­teln ver­such­ten näm­lich schon lan­ge, ei­ne Son­der­re­ge­lung des Augs­bur­ger Re­li­gi­ons­frie­dens von 1555 zu Fall zu brin­gen.

Dar­in war der ka­tho­li­schen Sei­te ei­ne Be­sitz­stands­ga­ran­tie für die geist­li­chen Fürs­ten­tü­mer ge­ge­ben wor­den. Woll­te ein geist­li­cher Fürst evan­ge­lisch wer­den, so muss­te er gleich­zei­tig zu­rück­tre­ten und für ei­nen ka­tho­li­schen Nach­fol­ger Platz ma­chen. Die­se Be­stim­mung, den so ge­nann­ten „Geist­li­chen Vor­be­halt", woll­ten die evan­ge­lisch ge­wor­de­nen Reichs­gra­fen zu Fall brin­gen. Nun bot sich ih­nen die Ge­le­gen­heit. Sie rie­ten dem Erz­bi­schof Geb­hard, zum evan­ge­li­schen Glau­ben über­zu­tre­ten, oh­ne auf sei­ne Äm­ter zu ver­zich­ten, weil er als evan­ge­li­scher Bi­schof ru­hig ver­hei­ra­tet sein kön­ne. Na­tür­lich war die­ser of­fe­ne Bruch ei­nes Reichs­rechts nicht oh­ne Wi­der­stand mög­lich, denn die po­li­ti­schen Kon­se­quen­zen die­ses Pla­nes wa­ren weit­rei­chend: der Kur­fürst von Köln ge­hör­te zu der Grup­pe von sie­ben Fürs­ten, die den Kai­ser wähl­ten. Bis­her hat­ten drei welt­li­chen pro­tes­tan­ti­schen Kur­fürs­ten (Sach­sen, Bran­den­burg und Pfalz) drei ka­tho­li­sche Erz­bi­schö­fe (Mainz, Trier und Köln) als Kur­fürs­ten ge­gen­über­stan­den, wäh­rend die ka­tho­li­sche böh­mi­sche Kur ruh­te.

Der Über­tritt des Köl­ner Erz­bis­tums zum Pro­tes­tan­tis­mus hät­te das Ver­hält­nis im Kur­fürs­ten­kol­leg zu­guns­ten ei­ner evan­ge­li­schen Mehr­heit ver­scho­ben und ei­ne dras­ti­sche Macht­ver­schie­bung zu Las­ten der ka­tho­li­schen Habs­bur­ger be­deu­tet. Das ge­sam­te, eng mit der rö­mi­schen Kir­che ver­bun­de­ne Kai­ser­tum wä­re durch ei­ne der­ar­ti­ge Kon­stel­la­ti­on ge­fähr­det ge­we­sen. Die­se Be­dro­hung rief den Kai­ser, den Papst und die grö­ß­te ka­tho­li­sche Ter­ri­to­ri­al­macht im Reich, das Her­zog­tum Bay­ern, auf den Plan.

Die Ver­schwö­rer gin­gen da­her zu­nächst heim­lich vor. Ihr ers­tes Ziel war die Stadt Bonn. Hier la­ger­ten die Ur­kun­den de­s kur­k­öl­ni­schen Ar­chivs un­d ­die ­Lan­des­kas­se, de­rer sich Geb­hard Truch­seß im No­vem­ber 1582 be­mäch­tig­te. Am 19.12.1582 er­ging ei­ne Er­klä­rung des Kur­fürs­ten, in der er sei­nen Kon­fes­si­ons­wech­sel be­kannt gab und gleich­zei­tig sei­nen Un­ter­ta­nen die Wahl der Kon­fes­si­on frei­stell­te. Graf Adolf von Neue­nahr, des­sen Graf­schaft Mo­ers im Nor­den des Kur­fürs­ten­tums lag, be­setz­te mit sei­nen Sol­da­ten die stark be­fes­tig­te Stadt Rhein­berg. Die Mehr­heit des Köl­ner Dom­ka­pi­tels be­kann­te sich je­doch zum Ka­tho­li­zis­mus und stell­te sich da­mit ge­gen den Erz­bi­schof. Auch von ih­rer Sei­te aus be­gan­nen jetzt Söld­ner­wer­bun­gen und mi­li­tä­ri­sche Ak­tio­nen. Auf ei­nem für En­de Ja­nu­ar in Köln ein­be­ru­fe­nen Land­tag konn­te die­se Ka­pi­tels­mehr­heit er­rei­chen, dass sich die kur­k­öl­ni­schen Städ­te für neu­tral er­klär­ten. Das ließ den Truch­ses­si­schen nur die bei­den schon be­setz­ten Städ­te Bonn und Rhein­berg.

Der Kur­fürst mach­te der­weil in Bonn sein Ver­spre­chen wahr und hei­ra­te­te am 2.2.1583 Agnes von Mans­feld. Dar­auf­hin wur­de er von Papst Gre­gor XIII. (Pon­ti­fi­kat 1572-1585) als Erz­bi­schof ab­ge­setzt und ex­kom­mu­ni­ziert. Am 23. Mai wur­de der Hil­des­hei­mer Bi­schof Ernst II. von Bay­ern, der in der Wahl von 1577 knapp un­ter­le­gen ge­we­sen war, zum neu­en Köl­ner Erz­bi­schof ge­wählt. Da Geb­hard Truch­seß sei­ne Ab­set­zung nicht an­er­kann­te, war ein mi­li­tä­ri­scher Kon­flikt un­ver­meid­lich.

In mi­li­tä­ri­scher Hin­sicht sah er sich je­doch ei­ner schwie­ri­gen Si­tua­ti­on aus­ge­setzt, da die drin­gend er­war­te­te Un­ter­stüt­zung durch die mäch­ti­gen evan­ge­li­schen Fürs­ten aus­blieb. We­der Sach­sen noch Hes­sen oder Bran­den­burg schick­ten Geld oder Sol­da­ten. Bald brach der Krieg ge­gen die von Sa­len­tin von Isen­burg be­feh­lig­ten kur­k­öl­ni­schen Trup­pen of­fen aus. Auf ka­tho­li­scher Sei­te grif­fen nun auch Spa­ni­en und das Her­zog­tum Bay­ern, aus­ge­stat­tet mit Geld­mit­teln des Va­ti­kans, in die Kampf­hand­lun­gen ein. Im evan­ge­li­schen La­ger stell­te sich al­lein der Pfalz­graf Jo­hann Ca­si­mir (1543-1592), der jün­ge­re Bru­der des Kur­fürs­ten Lud­wig VI. von der Pfalz (1529-1583), of­fen auf Geb­hards Sei­te. Im Ju­li 1583 er­reich­ten cir­ca 7.000 Mann des Pfalz­gra­fen das rechts­rhei­ni­sche Ge­biet bei Bonn. Doch der Pfäl­zer hat­te zwar Sol­da­ten mit­ge­bracht, aber kei­nen Sold, um sie zu be­zah­len. Die Ar­mee des Dom­ka­pi­tels auf der lin­ken Rhein­sei­te war kurz nach der An­kunft der Pfäl­zer durch baye­ri­sche Söld­ner aus dem Bis­tum Lüt­tich und durch ein spa­ni­sches Re­gi­ment ver­stärkt wor­den. Die bei­den Ar­me­en ver­mie­den die of­fe­ne Feld­schlacht und blie­ben je­weils auf ih­rer Sei­te des Rheins.

Kai­ser Ru­dolf II. (Re­gie­rungs­zeit 1576-1612) stell­te sich nun auf die Sei­te des Dom­ka­pi­tels und ge­bot Jo­hann Ca­si­mir, sei­ne Söld­ner zu ent­las­sen. Dem kam da­her der Um­stand sehr ge­le­gen, dass am 12.1.1583 sein Bru­der, der Kur­fürst, starb. Das nahm der Pfäl­zer zum An­lass, sein Heer auf­zu­lö­sen und so­fort in die Kur­pfalz zu­rück zu keh­ren. Die baye­ri­schen Trup­pen rück­ten nun in das kur­k­öl­ni­sche Ober­stift ein, um die Stadt Bonn zu er­obern. Am 17.12.1583 ge­lang es ih­nen, die als un­ein­nehm­bar gel­ten­de Go­des­burg im Sü­den von Bonn ein­zu­neh­men, in­dem sie ei­nen Stol­len in den Burg­berg trie­ben und die Burg­mau­ern mit­samt dem hal­ben Berg in die Luft spreng­ten. Nach­dem auch die Was­ser­burg Pop­pels­dorf (heu­te Stadt Bonn) er­obert wor­den war, über­ga­ben die truch­ses­si­schen Söld­ner die Stadt Bonn am 19.1.1584.

Geb­hard selbst war zu die­ser Zeit in West­fa­len, wo er sich nach dem Fall Bonns aber nicht mehr hal­ten konn­te. Zu­sam­men mit den Res­ten sei­ner Ar­mee schlug er sich in die Nie­der­lan­de durch. Der Köl­ner Krieg ging auf die­se Wei­se in den Spa­nisch-Nie­der­län­di­schen Krieg über.

Nach­dem sei­ne Sa­che end­gül­tig ver­lo­ren war, zog sich Geb­hard 1589 zu­rück. Im­mer noch hat­te er ein Ka­no­ni­kat am Straß­bur­ger Dom in­ne, wo­hin er sich nun zu­sam­men mit sei­ner Frau Agnes wand­te. Durch die Hil­fe des evan­ge­li­schen Stadt­ra­tes konn­ten er und vier an­de­re evan­ge­lisch ge­wor­de­ne Dom­ka­pi­tu­la­re die Stifts­häu­ser und ei­nen Teil der Ein­künf­te an sich brin­gen. Trotz­dem reich­ten sei­ne Mit­tel nicht ein­mal, um re­gel­mä­ßig sei­ne Be­diens­te­ten zu be­zah­len. Un­ter Gicht und Ko­li­ken lei­dend, starb Geb­hard Truch­seß von Wald­burg nach lan­ger Krank­heit am 31.5.1601. Sei­ne Frau hat­te er un­ter den Schutz des würt­tem­ber­gi­schen Her­zogs Fried­rich I. (1582-1628) be­foh­len. Sie leb­te zu­rück­ge­zo­gen und starb 1637 in Sulz­bach.

Quellen

Be­zold, Fried­rich von (Hg.), Brie­fe des Pfalz­gra­fen Jo­hann Ca­si­mir mit ver­wand­ten Schrift­stü­cken, 3 Bän­de, Mün­chen 1882-1903.

Literatur

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Kohl, Wil­helm, Ar­ti­kel "Wald­burg, Geb­hard Truch­seß von", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 13 (1998), Sp. 189-191.
Lo­je­w­ski, Gün­ther von, Bay­erns Weg nach Köln. Ge­schich­te der baye­ri­schen Bis­tums­po­li­tik in der 2. Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts, Bonn 1962.
Los­sen, Max, Der köl­ni­sche Krieg, 2 Bän­de, Go­tha u. Mün­chen / Leip­zig 1882-1897.
Mo­li­tor, Hans­ge­org, Das Erz­bis­tum Köln im Zeit­al­ter der Glau­bens­kämp­fe (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 3), Köln 2008, S. 1515-1688.
Pe­tri, Franz, Im Zeit­al­ter der Glau­bens­kämp­fe, in: Franz Pe­tri / Ge­org Dro­ege, Rhei­ni­sche Ge­schich­te, Band 2, Düs­sel­dorf 1976, S. 1-218. 

Online

Fran­zen, Au­gust, Ar­ti­kel "Geb­hard Frhr. zu Wald­burg", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 6 (1964), S. 113-114. 

Gebhard Truchseß von Waldburg, Porträt. (Historisches Archiv des Erzbistums Köln)

 
Zitationshinweis

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Becker, Thomas P., Gebhard Truchseß von Waldburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gebhard-truchsess-von-waldburg/DE-2086/lido/57c6c6b3b93163.78841413 (abgerufen am 28.03.2024)