Heinrich Böcking

Bürgermeister von Saarbrücken (1785-1862)

Peter Burg (Münster)

Heinrich Böcking, Gemälde von Louis Krevel (1801-1876), um 1835/36. (Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Saarlandmuseum Saarbrücken)

Hein­rich Bö­cking leb­te nach der Hei­rat mit ei­ner Toch­ter aus der Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie Stumm (1809) ei­ni­ge Jahr­zehn­te in Saar­brü­cken. Wäh­rend der Be­frei­ungs­krie­ge ex­po­nier­te er sich als glü­hen­der deut­scher Pa­tri­ot. Im saar­län­di­schen Staats­berg­bau war er für die Kas­sen­füh­rung zu­stän­dig. 1814 und 1832 bis 1838 war er Saar­brü­cker Bür­ger­meis­ter. Ge­gen En­de sei­ner Dienst­zeit und als Pen­sio­när en­ga­gier­te er sich auf na­tio­na­ler Ebe­ne als In­ter­es­sen­ver­tre­ter der auf­stre­ben­den saar­län­di­schen Ei­sen­in­dus­trie.

Der Ur­sprung der weit ver­zweig­ten und in ver­schie­de­nen Bran­chen tä­ti­gen rhei­ni­schen Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie Bö­cking lag im Huns­rück. Hein­rich Bö­cking wur­de in Trar­bach (heu­te Stadt Tra­ben-Trar­bach) am 1.6.1785 als Sohn des Gro­ß­kauf­manns Adolf Bö­cking (1751-1800) und sei­ner Ehe­frau Er­nes­ti­ne von Schei­bler (1760-1821) ge­bo­ren. Der Va­ter ließ sich in Saar­brü­cken nie­der. Des­sen frü­her Tod führ­te zum Zu­sam­men­bruch des Un­ter­neh­mens an der Mo­sel. Hein­rich ab­sol­vier­te in Iser­lohn bei sei­nem On­kel Fried­rich von Schei­bler (1777-1824) ei­ne kauf­män­ni­sche Leh­re. Mit 19 Jah­ren wur­de er Com­mis des Han­dels­hau­ses Go­ed­hart Cap­pel & Söh­ne in Ams­ter­dam; von dort sie­del­te er nach Saar­brü­cken um.

Nach der Hei­rat mit Char­lot­te Hen­ri­et­te (1790-1832), der Toch­ter des Hüt­ten­herrn Fried­rich Phil­ipp Stumm (1751-1835), war Hein­rich Bö­cking im Diens­te des Schwie­ger­va­ters häu­fig auf Ge­schäfts­rei­sen. Au­to­di­dak­tisch be­fass­te er sich mit Volks­wirt­schaft, Mi­ne­ra­lo­gie und Al­ter­tums­kun­de. Er er­warb sich ge­naue Kennt­nis­se über das saar­län­di­sche Stein­koh­len­vor­kom­men und die Saar­wirt­schaft.

Als die Be­frei­ungs­ar­mee im Ja­nu­ar 1814 Saar­brü­cken er­reich­te, stand er im Zen­trum der deutsch-pa­trio­ti­schen Par­tei. Der Zi­vil­gou­ver­neur Jus­tus Gru­ner (1777-1820) er­nann­te am 17.3.1814 den 28-jäh­ri­gen zum Bür­ger­meis­ter. Mit der Er­nen­nung war der Auf­trag ver­bun­den, an der Spit­ze ei­nes Pa­trio­ti­schen Ver­eins die deutsch ge­sinn­te Be­völ­ke­rung zu mo­bi­li­sie­ren und die wehr­ba­ren Män­ner zu ak­ti­vie­ren. Bö­cking be­an­trag­te schon nach we­ni­gen Wo­chen aus be­ruf­li­chen und pri­va­ten Grün­den sei­ne Ent­las­sung, gu­ten Glau­bens, dass die Wie­der­ver­ei­ni­gung mit Deutsch­land ei­ne ent­schie­de­ne Sa­che sei. Groß war die Be­stür­zung, als ent­ge­gen al­ler Er­war­tun­gen der Pa­ri­ser Frie­den vom 30.5.1814 das Kern­ge­biet des ehe­ma­li­gen Fürs­ten­tums Nas­sau-Saar­brü­cken und den alt­fran­zö­si­schen Saar­loui­ser Raum bei Frank­reich be­ließ. Er la­men­tier­te ge­gen­über deut­schen Po­li­ti­kern und Pa­trio­ten und such­te pu­bli­zis­ti­sche Un­ter­stüt­zung bei Jo­seph Gör­res, der im „Rhei­ni­schen Mer­kur“ ei­ne Kor­rek­tur der Ent­schei­dung der Al­li­ier­ten ver­lang­te. Die Rück­kehr Na­po­le­ons von der In­sel El­ba und der da­durch aus­ge­lös­te zwei­te Be­frei­ungs­krieg führ­te zur Chan­ce ei­ner Grenz­kor­rek­tur. In Saar­brü­cken bil­de­te sich ein Bür­ger­ko­mi­tee, das für die Be­frei­ung aus der fran­zö­si­schen Herr­schaft agi­tier­te. Al­len vor­an galt es den preu­ßi­schen Staats­kanz­ler Karl Au­gust von Har­den­berg (1750-1822) zu ge­win­nen. Als die­ser auf dem Weg nach Pa­ris Saar­brü­cken durch­quer­te, wur­de er am Abend des 10.7.1815 von ei­ner Ab­ord­nung der deutsch-pa­trio­ti­schen Bür­ger­schaft in der Stadt fest­lich emp­fan­gen, und er ver­si­cher­te, sich für den Wunsch ei­ner Wie­der­ver­ei­ni­gung mit Deutsch­land, ge­nau­er ge­sagt mit Preu­ßen, ein­zu­set­zen. Am fol­gen­den Tag un­ter­zeich­ne­ten 345 Bür­ger ei­ne dies­be­züg­li­che Pe­ti­ti­on und wähl­ten ei­nen Aus­schuss von sechs Bür­gern, an­ge­führt von Bö­cking und Carl Lauck­hard (1776-1851), die für die Durch­set­zung des Be­geh­rens di­plo­ma­tisch wei­ter­hin ak­tiv blei­ben soll­ten.

Mit ei­ner Mehr­heit von 26 zu elf Mit­glie­dern be­schloss der Rat, Bö­cking und Lauck­hard als Be­voll­mäch­tig­te nach Pa­ris zu ent­sen­den, um bei den Al­li­ier­ten für den An­schluss zu wer­ben und ei­ne Be­frei­ung von den au­ßer­or­dent­li­chen Kriegs­las­ten zu er­wir­ken. Die rüh­ri­gen Saar­brü­cker ge­wan­nen mit Karl Frei­herr vom Stein (1757-1831), da­mals Be­ra­ter des Za­ren Alex­an­der (1777-1825), noch ei­nen wei­te­ren wich­ti­gen Ver­bün­de­ten. Frank­reich muss­te sich in den am 2.10.1815 ver­ein­bar­ten Frie­dens­präli­mi­na­ri­en mit der Ab­tre­tung ab­fin­den. Völ­ker­recht­lich sank­tio­niert wur­de die Über­ein­kunft im Zwei­ten Pa­ri­ser Frie­den vom 20.11.1815.

Für Saar­brü­cken be­gann die preu­ßi­sche Herr­schaft an der Saar und für Hein­rich Bö­cking ei­ne Kar­rie­re im preu­ßi­schen Staats­dienst. Am 8.12.1815 wur­de er in die Kö­nig­li­che Berg­amts-Kom­mis­si­on be­ru­fen, auf die kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung folg­te am 22.9.1816 die Er­rich­tung des Kö­nig­li­chen Berg­amts, des­sen Lei­tung Berg­meis­ter Leo­pold Sel­lo über­tra­gen wur­de. Bö­cking war als Ren­dant Lei­ter des Fi­nanz­we­sens. 1838 wur­de er nach der Nie­der­le­gung sei­nes Bür­ger­meis­ter­am­tes zum Berg­rat, 1844 im Jahr der Pen­sio­nie­rung zum Ober­ber­grat er­nannt.

Un­be­ding­te Loya­li­tät ei­ner­seits und gro­ßzü­gi­ge kö­nig­li­che Gunst an­de­rer­seits kenn­zeich­ne­ten die Be­zie­hung zwi­schen Hein­rich Bö­cking und der Ho­hen­zol­lern­mon­ar­chie. Mit an­de­ren Saar­brü­cker Be­am­ten un­ter­stütz­te er die Re­gie­rung durch ei­ne Be­ob­ach­tungs- und In­for­man­ten­tä­tig­keit. Nach der Ju­li­re­vo­lu­ti­on be­rich­te­te er über die fran­zö­si­sche Pres­se, die La­ge in der Haupt­stadt Pa­ris und im loth­rin­gi­schen Grenz­ge­biet. Im No­vem­ber 1830 wur­de er in­for­mel­ler Mit­ar­bei­ter des Lei­ters der preu­ßi­schen Nach­rich­ten­zen­tra­le Karl Fer­di­nand Fried­rich von Nag­ler (1770-1846). Die Be­richt­s­tä­tig­keit dau­er­te bis zum Jah­re 1834, al­so bis in die Bür­ger­meis­ter­zeit (1832-1838) hin­ein. In­nen­mi­nis­ter Ernst von Bo­del­schwingh (1794-1854) ver­an­lass­te 1831 nach hö­he­rer An­wei­sung, dass Hein­rich Bö­cking zum Bür­ger­meis­ter von Saar­brü­cken be­ru­fen wur­de. Die­ser trat das Amt am 1.1.1832 an, wo­bei er von sei­nen Ver­pflich­tun­gen im Berg­amt be­freit und un­ter Fort­zah­lung sei­nes Ge­hal­tes be­ur­laubt wur­de. Das war ei­ne Vor­weg­nah­me des mo­der­nen haupt­amt­li­chen Bür­ger­meis­ters, da das Amt bis da­to im­mer eh­ren­amt­lich ge­führt wur­de.

Merk­mal der Amts­füh­rung Hein­rich Bö­ckings war ei­ne Stär­kung der staat­li­chen Au­to­ri­tät und ei­ne Be­kämp­fung jeg­li­cher Op­po­si­ti­on, sei sie so­zi­al oder po­li­tisch mo­ti­viert. An­de­rer­seits war er durch­aus ein Ver­tre­ter Saar­brü­cker In­ter­es­sen, für die er sich an höchs­ter Stel­le ein­setz­te. So ge­lang un­ter sei­ner Amts­zeit die Ein­rich­tung ei­nes Land­ge­richts in Saar­brü­cken. Die vor­ge­setz­ten Be­hör­den in Trier und Ko­blenz hiel­ten Bö­ckings Stre­ben für un­ge­setz­lich und un­zweck­mä­ßig. Der per­sön­lich in Ber­lin wer­ben­de Bür­ger­meis­ter war je­doch er­folg­reich, am 21.1.1835 er­ging die Ka­bi­netts­or­der zur Er­rich­tung des Land­ge­richts.

Wäh­rend Hein­rich Bö­cking in der Um­set­zung der Spar­kas­sen­idee we­ni­ger er­folg­reich war, ge­lan­gen ihm auf dem Ge­bie­te ka­ri­ta­ti­ver Ein­rich­tun­gen (Un­ter­stüt­zung ar­mer Frau­en, Klein­kin­der­be­treu­ung, Hos­pi­tal­grün­dung) Fort­schrit­te. Für die Er­nen­nung zum Land­rat er­hielt er nicht die Un­ter­stüt­zung der vor­ge­setz­ten Be­hör­den. Im Jah­re 1837 sprach sich der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent we­gen ei­ner feh­len­den theo­re­tisch-wis­sen­schaft­li­chen Aus­bil­dung ge­gen ihn aus. Auch warf er ihm ei­nen Neue­rungs­ei­fer vor, der über die Gren­zen der be­ste­hen­den For­men und Ge­set­ze hin­aus­ge­he. Ver­är­gert leg­te Bö­cking am 30.1.1838 das Bür­ger­meis­ter­amt nie­der und nahm den Dienst im Berg­amt wie­der auf. In den letz­ten Be­rufs­jah­ren wand­te er sich zu­neh­mend ge­samt­wirt­schaft­li­chen Fra­gen zu, wo­bei sei­ne Be­ur­lau­bun­gen sehr gro­ßzü­gig ge­neh­migt und fi­nan­zi­ell ge­re­gelt wur­den. 1839 führ­te ihn ei­ne Stu­di­en­rei­se nach Eng­land.

Seit 1838 küm­mer­te sich Hein­rich Bö­cking fer­ner um die Huns­rück­hüt­ten, die sei­ne Söh­ne 1835 von Fried­rich Phil­ipp Stumm, sei­nem Schwie­ger­va­ter, ge­erbt hat­ten. Ge­gen En­de sei­ner Dienst­zeit und nach der Pen­sio­nie­rung rück­ten die ei­sen­in­dus­tri­el­len In­ter­es­sen im­mer mehr in den Vor­der­grund. In Ver­bän­den plä­dier­te er für ei­ne pro­tek­tio­nis­ti­sche Zoll­po­li­tik auf na­tio­na­ler Ebe­ne, wo­bei er so­wohl in der Re­gie­rung als auch im rhei­ni­schen Un­ter­neh­mer­tum auf Geg­ner stieß. 1858 sie­del­te er nach Bonn über, wo er ei­nen ge­sel­li­gen Kon­takt mit Freun­den des rhei­ni­schen Al­ter­tums und al­ten Kol­le­gen vom Berg­fach pfleg­te und nach ei­nem Schlag­an­fall am 6.5.1862 ver­starb.

Literatur

Burg, Pe­ter, Saar­brü­cken 1789-1860. Von der Re­si­denz­stadt zum In­dus­trie­zen­trum, Blies­kas­tel 2000.
Hell­wig, Fritz, Hein­rich Bö­cking, in: Saar­län­di­sche Le­bens­bil­der 2 (1984), S. 117-159.
Klein, Hanns, Kurz­bio­gra­phi­en der Bür­ger­meis­ter (Alt)-Saar­brü­ckens, St. Jo­hanns, Mal­statt-Bur­bachs und der Groß­stadt Saar­brü­cken, in: Zeit­schrift für die Ge­schich­te der Saar­ge­gend 19 (1971), S. 510-538.
Klein, Hanns, Lo­kal­po­li­ti­sches zur frü­hen Preu­ßen­zeit an der Saar, in: Zeit­schrift für die Ge­schich­te der Saar­ge­gend 36 (1988), S. 83-123.

Online

Con­rad, Joa­chim, Hein­rich Bö­cking, in Saar­land-Bio­gra­phi­en. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Burg, Peter, Heinrich Böcking, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-boecking-/DE-2086/lido/57c584c9580fe3.27932283 (abgerufen am 29.03.2024)