Joseph Emonds

Priester und NS-Widerstandskämpfer (1898-1975)

Alena Saam (Solingen)

Joseph Emonds (1898-1975). (Privatarchiv Hubert Rütten)

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Jo­seph Emonds war ein ka­tho­li­scher Pries­ter und Wi­der­stands­kämp­fer ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus; er be­schaff­te ver­folg­ten Ju­den und geist­li­chen Mit­brü­dern Ver­ste­cke und Aus­rei­se­do­ku­men­te oder brach­te sie über die bel­gi­sche Gren­ze in Si­cher­heit.

 

Jo­seph Emonds wur­de am 15.11.1898 in Er­kelenz-Ter­heeg als äl­tes­ter von drei Söh­nen des Land­wirts Pe­ter An­ton (1854–1921) und sei­ner Ehe­frau Ger­trud (1856–1921), ge­bo­re­ne Pe­ters ge­bo­ren. Zu­nächst be­such­te er das Pro­gym­na­si­um in Er­kelenz, dann das Gym­na­si­um in Mön­chen­glad­bach, an dem er 1917 das Ab­itur ab­leg­te; an­schlie­ßend dien­te er als Sol­dat im Ers­ten Welt­krieg. Ab 1918 folg­te das Stu­di­um der ka­tho­li­schen Theo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bonn. Nach dem Be­such des erz­bi­schöf­li­chen Pries­ter­se­mi­nars in Bens­berg (heu­te Stadt Ber­gisch Glad­bach) wur­de er am 13.8.1922 im Kölner Dom von Kar­di­nal Schul­te z­um Pries­ter ge­weiht. 1922-1924 war er Ka­plan an der Herz-Je­su-Kir­che in Aa­chen. Es folg­ten wei­te­re zwei Jah­re als geist­li­cher Kran­ken­haus­rek­tor in Dor­ma­gen. Die Ar­mut der un­te­rer Be­völ­ke­rungs­schich­ten, mit der er hier kon­fron­tiert wur­de, ver­an­lass­te ihn, sich so­zi­al en­ga­gier­te. Vor die­sem Hin­ter­grund rück­te er po­li­tisch stär­ker nach links, kri­tisch beoach­tet von der geist­li­chen Ob­rig­keit, die ihn 1926 Ka­plan an die St. Pe­ter-Kir­che in Köln-Eh­ren­feld ver­setz­te.

Joseph Emonds (hintere Reihe, dritter von links, stehend) während seiner Jugendjahre. (Privatarchiv Hubert Rütten)

 

Emonds be­gann mit der christ­li­chen Ju­gend­ar­beit, in­dem er die geist­li­che Lei­tung des Quick­borns, ei­ner ka­tho­li­schen Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on, über­nahm. Auch un­ter­hielt er Kon­tak­te zu ei­ner Grup­pe von Ju­gend­li­chen, die sich in der NS-Zeit in der Eh­ren­fel­der-Grup­pe der op­po­si­tio­nel­len „Edel­wei­ßpi­ra­ten“ sam­mel­ten. In die­ser Zeit lern­te Emonds den ge­rühm­ten Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phen Ro­ma­no Guar­di­ni (1885-1968) ken­nen, mit dem er re­ge Dis­kus­sio­nen führ­te. Doch Emonds' Zeit in Köln war be­grenzt: Wie­der war die Ob­rig­keit mit sei­ner po­li­ti­schen Hal­tung und sei­nem ge­sell­schaft­li­chen Um­gang nicht ein­ver­stan­den; 1928 wur­de er an der Kir­che St. Lau­ren­ti­us im Es­se­ner Stadt­teil Stee­le ver­setzt. Dort er­leb­te er den Auf­stieg des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und den end­gül­ti­gen Un­ter­gang der Wei­ma­rer Re­pu­blik. Auch nach der Be­ru­fung Adolf Hit­lers (1889-1945) zum Reichs­kanz­ler 1933 blieb Emonds sei­nen po­li­ti­schen An­sich­ten treu und kri­ti­sier­te das NS-Re­gime. In Es­sen knüpf­te er wei­te­re Kon­tak­te zur mitt­ler­wei­le ver­bo­te­nen SPD und den im Un­ter­grund le­ben­den Kom­mu­nis­ten; dort mach­te er auch die Be­kannt­schaft des spä­te­ren Bun­des­prä­si­den­ten Gus­tav Hei­nemann , mit dem ihn bis zu sei­nem Tod ei­ne Freund­schaft ver­band.

Be­reits früh, ab Som­mer 1933, er­kann­te Emonds die Ge­fahr für Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und half Ver­folg­ten, wie Kom­mu­nis­ten, So­zi­al­de­mo­kra­ten und Ju­den, Aus­rei­se­do­ku­men­te oder Ver­ste­cke zu be­schaf­fen. Auch ka­tho­li­sche Geist­li­che, die von der Ge­sta­po als Re­gime­geg­ner ein­ge­stuft wur­den, er­hiel­ten sei­ne Un­ter­stüt­zung. Die­ses En­ga­ge­ment und sei­ne re­gime­kri­ti­schen Pre­dig­ten brach­ten ihm die Auf­merk­sam­keit der Ge­sta­po ein, die ihn be­reits seit 1933 sys­te­ma­tisch be­schat­te­te. Im Ju­ni 1934 wur­de er das ers­te Mal von der Ge­sta­po ver­hört und we­gen sei­ner „staats­ab­träg­li­chen Pre­digt­äu­ße­run­gen“ of­fi­zi­ell ver­warnt. Im Ja­nu­ar 1935 ge­riet er durch die An­zei­ge ei­ner Pri­vat­per­son we­gen des glei­chen Ver­ge­hens er­neut in das Vi­sier der Ge­sta­po; die Er­mitt­lun­gen führ­ten zwar ins Lee­re, je­doch er­höh­te sich das Ri­si­ko ei­ner Ver­haf­tung mit je­dem Tag. So wur­de er 1938 zu sei­nem Schutz er­neut ver­setzt. Als Pfar­rer war er nun in Kirch­heim (heu­te Stadt Eus­kir­chen) tä­tig, wo er zu­min­dest dem di­rek­ten Blick­feld der Ge­sta­po ent­zo­gen war und sich wie­der ver­stärkt sei­ner in­of­fi­zi­el­len Ar­beit wid­men konn­te. Zu­nächst schloss er sich ei­nem theo­lo­gi­schen Dis­kus­si­ons­kreis um den ka­tho­li­schen Arzt Dr. Jo­sef Kill (1897-1969) in Bonn an und or­ga­ni­sier­te schon bald selbst die­se Tref­fen. Wahr­schein­lich er­fuhr er bei ei­ner die­ser Zu­sam­men­künf­te von den At­ten­tats­plä­nen des 20.7.1944 und hat­te wohl auch Kon­takt zu den Ver­schwö­rern.

Joseph Emonds (1898-1975). (Privatarchiv Hubert Rütten)

 

Jo­seph Emonds un­ter­hielt au­ßer­dem Kon­takt mit sei­nem ehe­ma­li­gen Bens­ber­ger Stu­di­en­freund Jupp N., der mitt­ler­wei­le SS-Mann in der Düs­sel­dor­fer Ge­sta­po-Leit­stel­le war. Durch ihn er­hielt Emonds ver­schlüs­sel­te ­Lis­ten mit Na­men der Per­so­nen, die kurz vor dem Ab­trans­port in ein Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger stan­den. Die­se Lis­ten wur­den zu­nächst an die Adres­se von Emonds' Haus­häl­te­rin ge­schickt, dort de­chif­friert und an­schlie­ßend an ei­ne Be­kann­te nach Köln wei­ter­ge­lei­tet, die er aus sei­ner Zeit als Ka­plan in Köln-Eh­ren­feld kann­te. Die­se gab die Na­mens­lis­ten an das Ge­ne­ral­vi­ka­ri­at in Köln wei­ter, dem so die Ret­tung vie­ler Ju­den und ka­tho­li­scher Geist­li­cher ge­lang.

Jo­seph Emonds war auch in ei­nem or­ga­ni­sier­ten Ring ak­tiv, der Ju­den und an­de­re Re­gi­me­ver­folg­te vor der Ge­sta­po ver­steck­te oder über die bel­gi­sche Gren­ze brach­te. Als die Lei­te­rin des Rings, Grä­fin Ma­ria Eli­sa­beth zu Stol­berg (1912-1944) aus Dü­ren, bei ei­nem Bom­ben­an­griff ums Le­ben kam, über­nahm der Kirch­hei­mer Pfar­rer die Or­ga­ni­sa­ti­on. Ab 1944 war Emonds De­chant des De­ka­na­tes Müns­ter­ei­fel (heu­te Stadt Bad Müns­ter­ei­fel); er stell­te auch sein Pfarr­haus als Un­ter­kunft für Ver­folg­te zur Ver­fü­gung. Zu ei­ner be­son­ders ge­fähr­li­chen Si­tua­ti­on kam es, als sich das ver­folg­te Ehe­paar Barz im Dach­ge­schoss des Pfarr­hau­ses ver­steck­te, wäh­rend sich im Erd­ge­schoss ein SS-Trupp be­fand. Der Ma­ler Ma­thi­as Barz (1895-1982) war mit der jü­di­schen Schau­spie­le­rin Brun­hil­de Stein (1896-1965) ver­hei­ra­tet; sie, leb­ten in ei­ner so­ge­nann­ten „Misch­ehe“. Nach ei­nem Ge­fäng­nis­auf­ent­halt und Jah­ren der Ver­fol­gung soll­te sich Brun­hil­de schlie­ß­lich zur De­por­ta­ti­on mel­den. Das Paar floh und kam im Pfarr­haus von De­chant Emonds un­ter. Im Zu­ge der Vor­be­rei­tun­gen der Ar­den­nen-Of­fen­si­ve war je­doch zur glei­chen Zeit ei­ne Grup­pe von SS-Män­nern dort un­ter­ge­bracht. Emonds konn­te die An­we­sen­heit des Ehe­paa­res ge­heim hal­ten und es so­gar von den Es­sens­res­ten der SS heim­lich er­näh­ren. Al­len Be­tei­lig­ten war je­doch klar, dass die bei­den dort nicht län­ger blei­ben konn­te; Emonds or­ga­ni­sier­te wei­te­re Un­ter­künf­te und sie blie­ben bis zum Kriegs­en­de un­ent­deckt.

Die Haushälterin Joseph Emonds Anna Schürkes. (Privatarchiv Hubert Rütten)

 

Das Ehe­paar Barz war es auch, wel­ches die mu­ti­gen Ta­ten des De­chan­ten Emonds pu­blik mach­te: In ei­ner Sen­dung des WDR mit dem Ti­tel „Der 20. Ju­li“ (20.7.1961) - Zweit­aus­strah­lung un­ter dem Ti­tel „Von der Ge­sta­po ge­jag­t“ (20.7.1964) - be­rich­te­ten sie über Jo­seph Emonds und wie er sie und an­de­re Ver­folg­te ge­ret­tet hat­te.

Jo­seph Emonds blieb bis zu sei­nem Tod am 7.2.1975 in Kirch­heim De­chant des De­ka­na­tes Müns­ter­ei­fel. Sei­ne letz­te Ru­he­stät­te fand er in Er­kelenz.

Seit 1984 trägt ei­ne Schu­le in Ku­chen­heim (heu­te Stadt Eus­kir­chen) sei­nen Na­men. In sei­ner Ge­burts­stadt Er­kelenz soll ein Neu­bau­ge­biet nach ihm be­nannt wer­den.

Im Som­mer 2014 soll er von der is­rae­li­schen Ho­lo­caust-Ge­denk­stät­te „Yad Vas­he­m“ für sei­ne Ver­diens­te als „Ge­rech­ter un­ter den Völ­kern“ ge­ehrt wer­den. 

Werke

Hei­mat und Er­de, Re­gens­burg 1936, 1938.
Glau­be und Sym­bol, Re­gens­burg 1936.
Kühn­heit des Her­zens, Die hei­li­ge The­re­sia von Li­sieux, Hei­del­berg 1949.

Literatur

Arntz, Hans-Die­ter, Ju­den­ver­fol­gung und Flucht­hil­fe im deutsch-bel­gi­schen Grenz­ge­biet. Kreis­ge­biet Schlei­den, Eus­kir­chen, Mons­chau, Aa­chen und Eu­pen/Malme­dy, Eus­kir­chen 1990, S. 712-716.
Arntz, Hans-Die­ter, Ju­dai­ca. Ju­den in der Vor­ei­fel, Eus­kir­chen 1983, S. 456-459.
Hehl, Ul­rich von (Hg.), Pries­ter un­ter Hit­lers Ter­ror. Ei­ne bio­gra­phi­sche und sta­tis­ti­sche Er­he­bung, 3. Auf­la­ge, Band 1, Pa­der­born [u.a.], S. 715-716.
Rüt­ten, Hu­bert, Le­bens­spu­ren – Spu­ren­su­che. Jü­di­sches Le­ben im ehe­ma­li­gen Land­kreis Er­kelenz, Er­kelenz 2008.

Joseph Emonds bei einer Grundsteinlegung nach 1945. (Privatarchiv Hubert Rütten)

 
Zitationshinweis

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Saam, Alena, Joseph Emonds, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-emonds/DE-2086/lido/58298a30b8fe41.52552087 (abgerufen am 19.03.2024)