Karl der Große

Fränkischer König und römischer Kaiser (748-814)

Matthias Becher (Bonn)

Idealbild Karls des Großen mit erst lange nach seinem Tod hergestellten Teilen der Reichskleinodien, Gemälde von Albrecht Dürer (Original im Germanischen Nationalmuseum), 1513.

Karl der Gro­ße wur­de am 2.4.748 als äl­tes­ter Sohn des frän­ki­schen Haus­mei­ers und spä­te­ren Kö­nigs (seit 751) Pip­pin (714-768) und des­sen Ge­mah­lin Ber­tra­da (um 725-783) ge­bo­ren. Er war 768-814 Kö­nig der Fran­ken und seit 800 rö­mi­scher Kai­ser. Karls Ge­burts­ort ist un­be­kannt, auch wenn Dü­ren als sein Ge­burts­ort er­wo­gen wur­de. Da sich sein Va­ter haupt­säch­lich im heu­ti­gen Frank­reich auf­hielt, dürf­te Karl dort auf­ge­wach­sen sein.

 

Das Ge­wicht der Rhein­lan­de im Fran­ken­reich hat er ent­schei­dend ver­grö­ßert, da er sich in sei­ner frü­hen Zeit als Kö­nig oft am Mit­tel­rhein auf­hielt und ab den 790er Jah­ren Aa­chen zu sei­ner stän­di­gen Win­ter­pfalz und da­mit zur wich­tigs­ten Re­si­denz des Rei­ches aus­bau­te.

Karl wur­de wäh­rend des Be­suchs Papst Ste­phans II. (Pon­ti­fi­kat 752-757) im Fran­ken­reich 754 zu­sam­men mit sei­nem Bru­der Karl­mann (751-771) zum Kö­nig ge­salbt. Nach Pip­pins Tod 768 wur­den die Brü­der zu Kö­ni­gen der Fran­ken er­ho­ben, das Reich un­ter ih­nen auf­ge­teilt. Als es in Aqui­ta­ni­en 769 zu ei­nem Auf­stand kam, wei­ger­te sich Karl­mann, sei­nen Bru­der zu un­ter­stüt­zen. Karl war zwar auch al­lein sieg­reich, aber die Brü­der wa­ren fort­an ver­fein­det. Al­lein der über­ra­schen­de Tod Karl­manns 771 ver­hin­der­te ei­nen of­fe­nen Krieg. In­ner­halb we­ni­ger Ta­ge über­nahm Karl nun auch die Herr­schaft im Reichs­teil sei­nes Bru­ders, des­sen Wit­we Ger­ber­ga zu­sam­men mit ih­ren jun­gen Söh­nen zum Lan­go­bar­den­kö­nig De­si­de­ri­us (Re­gie­rungs­zeit 757-774, ge­stor­ben nach 786) ent­floh. 

Die­se Kon­stel­la­ti­on führ­te zu ei­nem Krieg ge­gen die Lan­go­bar­den. Karl trenn­te sich von sei­ner zwei­ten Frau, der Toch­ter des De­si­de­ri­us, wäh­rend die­ser Papst Ha­dri­an (Pon­ti­fi­kat 772-795) zwin­gen woll­te, die bei­den Söh­ne Karl­manns zu Kö­ni­gen zu sal­ben, was die Al­lein­herr­schaft Karls im Fran­ken­reich in Fra­ge ge­stellt hät­te. Ha­dri­an wei­ger­te sich und bat Karl um Hil­fe.

Die­ser zog da­her im Spät­som­mer 773 über die Al­pen und be­gann mit der Be­la­ge­rung der lan­go­bar­di­schen Haupt­stadt Pa­via. Erst im Som­mer 774 ka­pi­tu­lier­te De­si­de­ri­us, so dass Karl die Kö­nigs­herr­schaft über die Lan­go­bar­den in Nord- und Mit­tel­ita­li­en über­neh­men konn­te. Wäh­rend die­ser Kämp­fe be­gab sich Karl an Os­tern 774 nach Rom. Er er­neu­er­te das al­te Bünd­nis mit dem Papst­tum und be­stä­tig­te auch die so­ge­nann­te Pip­pi­ni­sche Schen­kung. Nach sei­nem Sieg ver­stand er sich ganz selbst­ver­ständ­lich als Schutz­herr der rö­mi­schen Kir­che.

Schon ein Jahr vor sei­nem Auf­bruch nach Ita­li­en hat­te Karl ei­nen Kriegs­zug ge­gen die Sach­sen un­ter­nom­men und die Ir­min­sul, das zen­tra­le Hei­lig­tum der heid­ni­schen Sach­sen, zer­stört. Ne­ben re­li­giö­sen Mo­ti­ven streb­te Karl ver­mut­lich auch ganz ein­fach nach ei­ner wei­te­ren Ex­pan­si­on des Fran­ken­rei­ches und nach ei­ner Stär­kung der ei­ge­nen Stel­lung. Mit dem Krieg ge­gen die Sach­sen ver­la­ger­te sich der Schwer­punkt des Fran­ken­rei­ches all­mäh­lich vom Pa­ri­ser Be­cken an den Rhein, nicht zu­letzt weil sich die­ser Krieg über rund 30 Jah­re hin­zog und die per­sön­li­che An­we­sen­heit Karls in Sach­sen selbst und den un­mit­tel­bar be­nach­bar­ten Ge­bie­ten not­wen­dig mach­te.

Ein ers­ter Rück­schlag für die Fran­ken hing mit Karls Lan­go­bar­den­krieg zu­sam­men. Wäh­rend sei­ner Ab­we­sen­heit nah­men die Sach­sen Ra­che und über­fie­len zahl­rei­che christ­li­che Kir­chen im nörd­li­chen Hes­sen. Seit 775 stieß Karl dann im­mer wie­der kon­se­quent nach Sach­sen vor und er­zwang die Un­ter­wer­fung und Chris­tia­ni­sie­rung ein­zel­ner säch­si­scher Grup­pen. Zwei Jah­re spä­ter hielt er in Pa­der­born ei­ne ers­te Reichs­ver­samm­lung auf säch­si­schem Bo­den ab. Karl schien da­mit sei­ne Kriegs­zie­le er­reicht zu ha­ben und wand­te sich ei­nem an­de­ren, eben­falls nicht­christ­li­chen Nach­barn zu.

Im Jahr 778 zog Karl auf Bit­ten des mus­li­mi­schen Statt­hal­ters von Sa­ra­gos­sa nach Spa­ni­en, um die­sen ge­gen den Emir von Cor­do­ba zu un­ter­stüt­zen. Karls Feld­zug en­de­te al­ler­dings in ei­nem De­ba­kel, un­ter an­de­rem weil es ei­nen Um­sturz in Sa­ra­gos­sa ge­ge­ben hat­te. Auf dem Rück­zug durch die Py­re­nä­en wur­de zu­dem sei­ne Nach­hut von den Bas­ken ver­nich­tet.

Die Sach­sen nutz­ten die­se Ent­wick­lung zu ei­nem er­neu­ten Ge­gen­schlag, der sie 778 so­gar bis an den Rhein führ­te. 779 sieg­te Karl in ei­ner of­fe­nen Schlacht bei Bo­cholt und er­ober­te in den fol­gen­den Jah­ren gro­ße Tei­le des Lan­des. 782 muss­te er je­doch ei­nen gro­ßen Rück­schlag hin­neh­men. Am Sün­tel­ge­bir­ge er­litt ei­nes sei­ner Hee­re ei­ne ver­hee­ren­de Nie­der­la­ge. Dies ver­an­lass­te Karl zu ei­ner – wohl auch in der Per­spek­ti­ve vie­ler Zeit­ge­nos­sen – aus­ge­spro­chen dras­ti­schen Re­ak­ti­on: In Ver­den an der Al­ler ließ er zahl­rei­che Sach­sen – in den Quel­len ist von 4.500 die Re­de – hin­rich­ten. Ein har­tes Be­sat­zungs­recht soll­te je­den Wi­der­stand so­wohl ge­gen den Herr­scher als auch ge­gen die Chris­tia­ni­sie­rung mit dem To­de be­dro­hen. Schlie­ß­lich in­ten­si­vier­te er in den fol­gen­den Jah­ren sei­ne mi­li­tä­ri­schen Maß­nah­men ge­gen wi­der­stän­di­ge Sach­sen. 

In der Sum­me hat­ten Karls Maß­nah­men Er­folg: Der west­fä­li­sche Ad­li­ge Wi­du­kind (ge­stor­ben nach 785), An­füh­rer des Auf­stands, gab 785 sei­nen Wi­der­stand auf und wur­de in At­ti­gny ge­tauft. In der fol­gen­den Zeit wur­den die Sach­sen zwar zu­neh­mend in das Fran­ken­reich in­te­griert, aber in den 790er Jah­ren kam es er­neut zu hef­ti­gen Auf­stän­den, vor al­lem im Nor­den Sach­sens. Erst 804 un­ter­war­fen sich die letz­ten Sach­sen sei­ner Herr­schaft. Ei­ne Vor­aus­set­zung da­für war ge­we­sen, dass Karl vie­le ko­ope­ra­ti­ons­be­rei­te säch­si­sche Ad­li­ge auf sei­ne Sei­te ge­zo­gen und in sein Herr­schafts­sys­tem in­te­griert und so dem Wi­der­stand all­mäh­lich den Bo­den ent­zo­gen hat­te.

Darstellung Karls des Großen in der Chronik des Ekkehard von Aura um 1112/14.

 

Auch nach Süd­os­ten hin er­wei­ter­te Karl das Fran­ken­reich. Als sich sein Ver­hält­nis zu sei­nem Vet­ter, dem Bay­ern­her­zog Tas­si­lo III. (741- nach 11.12.794) ab dem Be­ginn der 780er Jah­re ver­schlech­ter­te, mar­schier­te Karl 787 in Bay­ern ein. Tas­si­lo un­ter­warf sich kampf­los auf dem Lech­feld, leis­te­te ei­nen Treu­eid und nahm sein Her­zog­tum vom frän­ki­schen Kö­nig zu Le­hen. Schon ein Jahr spä­ter wur­de der Her­zog auf ei­ner Reichs­ver­samm­lung in In­gel­heim des Treu­bruchs be­schul­digt und zum To­de ver­ur­teilt. Karl wan­del­te die­se Stra­fe in ei­ne le­bens­lan­ge Kla­ge­haft um. Der Kö­nig über­nahm nun selbst die Herr­schaft in Bay­ern und hielt sich ei­ni­ge Jah­re lang vor al­lem in Re­gens­burg auf. Von dort aus zog er 791 erst­mals ge­gen die Awa­ren, die als Tas­si­los Ver­bün­de­te gal­ten und seit 788 Bay­ern be­un­ru­hig­ten. Das Un­ter­neh­men en­de­te er­folg­los, und erst 795/796 konn­te Karls Sohn Pip­pin die Awa­ren end­gül­tig be­zwin­gen.

Ne­ben all die­sen äu­ße­ren Krie­gen pfleg­te Karl auch sei­ne Be­zie­hun­gen zum Papst. An­ge­sichts der Ent­fer­nung er­schien er selbst nur sel­ten in Ita­li­en, das von sei­nen Amts­trä­gern frän­ki­scher, ale­man­ni­scher und spä­ter auch baye­ri­scher Her­kunft ver­wal­tet wur­de. Zur Fei­er des Os­ter­fes­tes 781 reis­te der Kö­nig dann aber per­sön­lich nach Rom. Er und Papst Ha­dri­an er­neu­er­ten ihr Bünd­nis. Zu­dem salb­te und krön­te Ha­dri­an Pip­pin (777-810) und Lud­wig (813 Mit­kai­ser, 814-840 Kai­ser) die jün­ge­ren Söh­ne Karls, zu Kö­ni­gen (von Ita­li­en und von Aqui­ta­ni­en). Karl über­ließ dem Papst Ein­künf­te be­zie­hungs­wei­se Ge­bie­te in Tus­zi­en und dem Her­zog­tum Spole­to, er­füll­te aber wei­te­re päpst­li­che For­de­run­gen nicht. Auch folg­te er des­sen an­ti­by­zan­ti­ni­scher Hal­tung nicht, son­dern schloss ein Bünd­nis mit dem Kai­ser. Wäh­rend vor­ge­se­hen war, die­ses durch ei­ne Hei­rat von Karls Toch­ter Ro­trud (ge­stor­ben 810) mit dem jun­gen Kon­stan­tin VI. (Re­gie­rungs­zeit 780-797) ab­zu­si­chern, hielt die Ver­lo­bung nicht lan­ge: Sechs Jah­re spä­ter er­schien Karl er­neut in Ita­li­en und brach­te das Fürs­ten­tum Be­nevent in Süd­ita­li­en in sei­ne Ab­hän­gig­keit. Da­mit war er in ost­rö­mi­sches In­ter­es­sens­ge­biet vor­ge­drun­gen und das Bünd­nis mit Ostrom en­de­te.

Ne­ben Karls Vor­ge­hen hat­te auch das Kon­zil von Nicäa im Jahr 787 die frän­kisch-by­zan­ti­ni­schen Be­zie­hun­gen be­las­tet. Wäh­rend Papst Ha­dri­an die Ab­sicht un­ter­stütz­te, mit die­sem Kon­zil den so­ge­nann­ten Bil­der­streit und da­mit die Spal­tung der Kir­che zu be­en­den und Le­ga­ten nach Nicäa ent­sand­te, blie­ben Karl der Gro­ße und die frän­ki­schen Bi­schö­fe au­ßen vor. Als Re­ak­ti­on er­kann­ten die Fran­ken die Be­schlüs­se des Kon­zils nicht an. Da­mit hat­te Karl der Gro­ße in ei­ner der zen­tra­len Fra­gen der Chris­ten­heit ei­ne ei­ge­ne Po­si­ti­on be­zo­gen und mach­te da­mit deut­lich, dass sein Reich selbst in theo­lo­gi­schen Fra­gen ei­ne ei­gen­stän­di­ge Rol­le ne­ben den bei­den Uni­ver­sal­ge­wal­ten spiel­te. 

En­de 795 ver­starb Papst Ha­dri­an. An­schei­nend kam es dar­auf­hin in Rom zu ei­nem Macht­wech­sel. Nicht wie bis­her ein Ver­tre­ter der Aris­to­kra­tie, son­dern mit Leo III. (Pon­ti­fi­kat 795-816) wur­de ein Auf­stei­ger aus dem Kle­rus zum Nach­fol­ger des hei­li­gen Pe­trus ge­wählt. Die in­ne­ren Span­nun­gen ent­lu­den sich in ei­nem Auf­stand, bei dem im Früh­jahr 799 der Papst an­geb­lich ge­blen­det und der Zun­ge be­raubt wur­de. 

Leo flüch­te­te und fand Schutz bei Karl, der sich da­mals in Pa­der­born auf­hielt. Dort wur­de we­ni­ger über ei­ne mög­li­che Kai­ser­krö­nung ver­han­delt als viel­mehr um die Re­ha­bi­li­tie­rung des Paps­tes, ge­gen den sei­ne Geg­ner schwe­re An­kla­gen er­ho­ben. Karl ließ Leo im Herbst nach Rom zu­rück­füh­ren, aber die Vor­wür­fe ge­gen den Papst blie­ben im Raum ste­hen. Erst als Karl ein Jahr spä­ter selbst nach Rom kam, wur­den die An­kla­gen auf ei­ner Syn­ode ver­han­delt. Die­se konn­ten nur aus der Welt ge­räumt wer­den, in­dem Leo ei­nen Rei­ni­gungs­eid leis­te­te. 

Im Ge­gen­zug vo­tier­te der Papst an der Spit­ze der Syn­ode da­für, Karl zum Kai­ser zu er­he­ben. Am Weih­nachts­tag des Jah­res 800 wur­de der Fran­ken­kö­nig vom Papst zum Kai­ser ge­krönt und von den Rö­mern ak­kla­miert. Für sei­ne An­er­ken­nung als Kai­ser war je­doch das Ver­hält­nis zu Ostrom ent­schei­dend. Kai­ser Ni­ke­pho­ros I. (802-811) woll­te den Fran­ken je­doch kei­nes­falls als gleich­be­rech­tig­ten Kai­ser an­er­ken­nen. Di­plo­ma­ti­sche We­ge schei­ter­ten spä­tes­tens als sich Karl in ei­nen in­ne­ren Kon­flikt in dem zu By­zanz ge­hö­ren­den Ve­ne­dig ein­misch­te. Es kam zum Krieg, der un­ent­schie­den en­de­te. Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen wur­de Karl En­de 812 vom neu­en ost­rö­mi­schen Kai­ser Mi­cha­el I. (Kai­ser 811-813, ge­stor­ben 844) als Kai­ser letzt­lich an­er­kannt. 

Im In­nern such­te Karl mit Hil­fe von schrift­li­chen Er­las­sen, den so­ge­nann­ten Ka­pi­tu­la­ri­en, der in­ne­ren Pro­ble­me sei­nes Rei­ches Herr zu wer­den: Man­geln­de Dis­zi­plin so­wohl der ho­hen Geist­lich­keit als auch der welt­li­chen Amts­trä­ger, feh­len­de Rechts­ein­heit und vor al­lem ein un­ge­nü­gen­der Bil­dungs­stand in kirch­li­chen Krei­sen. Mit dem Ka­pi­tu­lar von Her­s­tal (779) for­der­te er ei­ne bes­se­re Amts­füh­rung und ei­nen kor­rek­te­ren Le­bens­wan­del von Kle­ri­kern und Mön­chen ein.

Die Ad­mo­ni­tio ge­ne­ra­lis (789) han­del­te eben­falls von den Pflich­ten und dem Le­bens­wan­del der Geist­li­chen. Da­bei streb­te Karl ei­ne ein­heit­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on des kirch­li­chen Le­bens im ge­sam­ten Fran­ken­reich an. Ins­be­son­de­re soll­ten Bi­schö­fe die Seel­sor­ge in den Mit­tel­punkt ih­rer Tä­tig­keit stel­len, re­gel­mä­ßig Diö­ze­san­syn­oden ab­hal­ten und den Kle­rus re­gel­mä­ßig vi­si­tie­ren. Zen­tra­les An­lie­gen aber war ei­ne Ver­bes­se­rung des Bil­dungs­stands von Geist­li­chen und Mön­chen. Da­her soll­ten Schu­len an Bi­schofs­kir­chen und in Klös­tern ein­ge­rich­tet wer­den. 

Die Ver­bes­se­rung der Bil­dung war kein Selbst­zweck, son­dern soll­te ei­ne ein­heit­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on des kirch­li­chen Le­bens im ge­sam­ten Fran­ken­reich för­dern. Da­zu ge­hör­te auch ei­ne ein­heit­li­che und leicht les­ba­re Schrift, die ka­ro­lin­gi­sche Mi­nus­kel, die ei­ne wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für die Ver­brei­tung neu­er Ide­en und al­ter Tex­te war. Die Lai­en soll­ten schlie­ß­lich der Ad­mo­ni­tio ge­ne­ra­lis zu­fol­ge die Zehn Ge­bo­te ein­hal­ten und am Sonn­tag die Mes­se be­su­chen, wäh­rend ih­nen an die­sem Tag das Ar­bei­ten un­ter­sagt wur­de. 

Die Er­he­bung Karls zum Kai­ser ver­an­lass­te ihn zu noch mehr ge­setz­ge­be­ri­schen An­stren­gun­gen. In den 802 ent­stan­de­nen Aa­che­ner Ka­pi­tu­la­ri­en for­der­te Karl von sei­nen Un­ter­ta­nen zu­nächst vor al­lem Loya­li­tät in Form von Treu­ei­den, aber auch ei­ne christ­li­che Le­bens­füh­rung. Ein zen­tra­les An­lie­gen war der Schutz von Kir­chen, Wit­wen, Wai­sen und Pil­gern, ei­ne Auf­ga­be, die schon der Kir­chen­va­ter Au­gus­ti­nus (354-430) dem christ­li­chen Herr­scher zu­ge­wie­sen hat­te. Ins­ge­samt folg­ten sei­ne Er­las­se die­sen Idea­len, ei­nem zu­tiefst im christ­li­chen Glau­ben ver­wur­zel­ten Herr­sche­re­thos und sei­nem neu­en Selbst­ver­ständ­nis als Kai­ser. 

Auch auf der prak­ti­schen Ebe­ne mach­te der Kai­ser neue Vor­ga­ben: Im Ge­richts­we­sen ver­bes­ser­te er die Stel­lung der Är­me­ren und Macht­lo­sen, in­dem er Selbst­hil­fe und Blut­ra­che ein­schränk­te und die An­nah­me ei­nes Süh­ne­gel­des ver­pflich­tend mach­te. Auch die Rechts­spre­chung selbst re­for­mier­te er: Bei Ge­richt führ­ten Gra­fen oder ih­re Ver­tre­ter im Na­men des Kö­nigs den Vor­sitz und voll­streck­ten das Ur­teil, das von rechts­er­fah­re­nen Män­nern aus dem Volk, so­ge­nann­ten Schöf­fen (sca­bi­ni) ‚ge­fun­den’ wur­de. Wei­ter führ­te Karl so­ge­nann­te Rü­ge­zeu­gen ein, die als An­klä­ger auf­zu­tre­ten hat­ten, wenn ein Ver­bre­chens­op­fer dies nicht selbst tat. Mit die­sen Än­de­run­gen re­agier­te Karl auf die Miss­stän­de bei der ‚Ver­wal­tung‘ sei­nes Rei­ches, et­wa durch Macht- be­zie­hungs­wei­se Amts­miss­brauch. Mit ih­rer Kon­trol­le be­auf­trag­te er Kö­nigs­bo­ten (mis­si do­mi­ni­ci). Sie reis­ten im Reich um­her, kon­trol­lier­ten die ört­li­chen Wür­den­trä­ger und brach­ten den Wil­len des Herr­schers zur Gel­tung. 

In sei­ner per­sön­li­chen Le­bens­füh­rung rich­te­te sich Karl al­ler­dings nicht im­mer nach den kirch­li­chen Idea­len. Sei­ne bei­den ers­ten Ehe­frau­en, Hi­mil­trud und ei­ne na­ment­lich nicht be­kann­te Toch­ter des Lan­go­bar­den­kö­nigs De­si­de­ri­us hat er aus po­li­ti­schen Grün­den ver­sto­ßen. Da­nach hat er noch zwei- oder drei­mal ge­hei­ra­tet. Sei­ne drit­te Ge­mah­lin Hil­de­gard (ge­stor­ben 783) schenk­te ihm die drei für die Nach­fol­ge aus­er­se­he­nen Söh­ne Karl, Pip­pin und Lud­wig, von de­nen aber nur der letz­te­re den Va­ter über­leb­te. Wei­te­re un­ehe­li­che Nach­kom­men spiel­ten po­li­tisch kei­ne Rol­le. Als er im Herbst des Jah­res 813 sein En­de na­hen fühl­te, krön­te er Lud­wig in Aa­chen ei­gen­hän­dig zum Mit­kai­ser, ver­zich­te­te al­so auf ei­ne Be­tei­li­gung des Paps­tes. Karl der Gro­ße starb am 28.1.814 in Aa­chen, wo er noch am sel­ben Tag in der Pfalz­ka­pel­le an heu­te un­be­kann­ter Stel­le bei­ge­setzt wur­de.

Quellen (Auswahl)

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Co­dex Ca­ro­li­nus, ed. Wil­helm Gund­lach, in: MGH Epis­to­lae III, Han­no­ver 1892, S. 469-657.
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Literatur (Auswahl)

Be­cher, Mat­thi­as, Karl der Gro­ße, 6. Auf­la­ge, Mün­chen 2014.
Col­lins, Ro­ger, Char­le­ma­gne, Ba­sing­s­to­ke [u.a.] 1998.
Fa­vier, Jean, Char­le­ma­gne, Pa­ris 1999.
Fried, Jo­han­nes, Karl der Gro­ße. Ge­walt und Glau­be. Ei­ne Bio­gra­phie, Mün­chen 2013.
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Schief­fer, Ru­dolf, Die Zeit des ka­ro­lin­gi­schen Gro­ß­reichs 714-887 (Geb­hardt. Hand­buch der deut­schen Ge­schich­te 2), Stutt­gart 2005.
Schief­fer, Ru­dolf, Die Ka­ro­lin­ger, 5. Auf­la­ge, Stutt­gart 2014.
Wein­fur­ter, Ste­fan, Karl der Gro­ße. Der hei­li­ge Bar­bar, Mün­chen 2013.

Online

Schief­fer, Theo­dor, „Karl der Gro­ße“ in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 11 (1977), S. 157-174 [On­line-Ver­si­on, ab­ge­ru­fen am 2017-03-24]; URL: https-blank://www.deut­sche-bio­gra­phie.de/gn­d118560034.html#ndbcon­tent

Karl (links mit seinem Sohn Pippin von Italien (rechts)), aus dem Liber legum des Lupus Ferrariensis, Original in der Biblioteca Capitolare in Modena.

 
Zitationshinweis

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Becher, Matthias, Karl der Große, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-der-grosse/DE-2086/lido/5acdc9f2207d09.41489983 (abgerufen am 19.03.2024)