Karl von Egmond

Herzog von Geldern (1467-1538)

Martin Bock (Frechen)
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Das Ge­biet um das ehe­ma­li­ge Her­zog­tum Gel­dern im nie­der­län­disch-deut­schen Grenz­raum am Nie­der­rhein ge­hört zu den in der Ge­schich­te viel­fach um­kämpf­ten Ter­ri­to­ri­en. Ge­ra­de in der Frü­hen Neu­zeit war es im Wett­streit der Gro­ß­mäch­te Habs­burg und Frank­reich häu­fig Schau­platz krie­ge­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Wäh­rend der Re­gie­rungs­zeit Karl von Eg­monds, der sein Her­zog­tum zu­nächst ver­lor, dann zu­rück­er­ober­te, mit ei­ser­nem Wil­len ver­tei­dig­te und es dann schlie­ß­lich doch ganz auf­ge­ben muss­te, ver­dich­te­ten sich die kom­ple­xen Macht­an­sprü­che der gro­ßen Dy­nas­ti­en hier im Her­zen Mit­tel­eu­ro­pas an stra­te­gisch ent­schei­den­der Stel­le.

Karl war ne­ben sei­ner Zwil­lings­schwes­ter Phil­ip­pa (1467-1547) das ein­zi­ge Kind sei­ner El­tern Adolf von Eg­mond (1438-1477) und Ka­tha­ri­na von Bour­bon (1440-1469), ei­ner Toch­ter des Her­zogs Karl von Bour­bon (1401-1456) und der Agnes von Bur­gund (1407-1476). Die Fa­mi­lie von Eg­mond hat­te das Her­zog­tum Gel­dern im Jahr 1423 er­wer­ben kön­nen, seit­dem aber an­hal­ten­de Strei­tig­kei­ten dar­über aus­tra­gen müs­sen. Hier­für war Karls Gro­ßva­ter Ar­nold von Eg­mond (1410-1473) mit Er­folg ein ers­tes Bünd­nis mit Bur­gund ein­ge­gan­gen, und die Be­gehr­lich­kei­ten der be­nach­bar­ten Her­zö­ge von Berg be­zie­hungs­wei­se Jü­lich-Berg konn­ten ab­ge­wehrt wer­den.
Ge­fahr droh­te Ar­nolds Herr­schaft dann al­ler­dings von in­nen her­aus: sein Sohn Adolf, un­ter­stützt vom Bur­gun­der­her­zog Phil­ipp dem Gu­ten (1396-1467), der das Bünd­nis mit Ar­nold auf­ge­kün­digt hat­te, stell­te sich ge­gen den Va­ter und zog da­bei die gel­dri­schen Land­stän­de auf sei­ne Sei­te. 1465 nahm er Ar­nold ge­fan­gen und setz­te sich auch drei Jah­re spä­ter bei der Schlacht von Strae­len am 23.6.1468 ge­gen die mit die­sem ver­bün­de­ten Trup­pen aus dem Her­zog­tum Kle­ve durch. Nun muss­ten die Her­zö­ge von Bur­gund er­neut Stel­lung be­zie­hen, denn Ar­nold war ver­hei­ra­tet mit Ka­tha­ri­na von Kle­ve (1417-1479), als Toch­ter Ma­ri­as von Bur­gund (1393-1463) gleich­falls ei­ne Nich­te Phil­ipps des Gu­ten. So­mit stand Bur­gund zwi­schen Adolf, mit dem es ein for­ma­les Bünd­nis ein­ge­gan­gen war, und Ar­nold, zu dem ei­ne ge­wich­ti­ge dy­nas­ti­sche Ver­bin­dung be­stand. Phil­ipps Nach­fol­ger Karl der Küh­ne (1433-1477) streb­te da­her zu­nächst ei­ne Ver­mitt­lung zwi­schen Va­ter und Sohn Eg­mond an. Als die­se je­doch nicht ge­lang, nahm Karl Adolf von Eg­mond ge­fan­gen und re­sti­tu­ier­te Ar­nold als Her­zog, al­ler­dings mit der Ma­ßga­be, dem Bur­gun­der die Schutz­vog­tei über Gel­dern zu über­tra­gen, was Ar­nold ab­lehn­te. Da er sich in der Fol­ge zwi­schen den wei­ter auf­rüh­re­ri­schen Land­stän­den und dem Druck Karls des Küh­nen auf­rieb, re­si­gnier­te Ar­nold von Eg­mond schlie­ß­lich En­de 1471 und ver­pfän­de­te das ge­sam­te Her­zog­tum Gel­dern an Bur­gund, das sei­nen Macht­an­spruch im Land dann bin­nen kur­zer Zeit ge­walt­sam durch­setz­te.

In die­se Wir­ren al­so wur­den Karl und Phil­ip­pa von Eg­mond in Arn­heim ge­bo­ren. Die bei­den Kin­der, de­ren Va­ter in Ge­fan­gen­schaft saß und de­ren Mut­ter früh ver­stor­ben war, wur­den an den Hof der Toch­ter Karls des Küh­nen, Ma­ria (1457-1482), und ih­res Man­nes Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an (1459-1519), dem spä­te­ren Kai­ser, nach Gent ge­bracht und dort er­zo­gen. Frei­lich stan­den sie un­ter Haus­ar­rest und wa­ren da­zu be­stimmt, Teil der habs­bur­gi­schen Bünd­nis­po­li­tik zu wer­den. So muss­te Karl von Eg­mond Ma­xi­mi­li­an bei des­sen Feld­zü­gen ge­gen Frank­reich be­glei­ten, de­ren Ziel es war, zwi­schen­zeit­lich durch Erb­schaft an Frank­reich ge­fal­le­ne Ge­bie­te des Her­zog­tums Bur­gund zu­rück­zu­ge­win­nen. Im Ju­li 1487 wur­den bei­de bei Béthu­ne ge­fan­gen ge­nom­men.

Wäh­rend Ma­xi­mi­li­an von Trup­pen sei­nes Va­ters Fried­rich III. (1415-1493) be­freit wer­den konn­te, blieb Karl zu­nächst in fran­zö­si­scher Haft. 1492 wur­de er dar­aus auf­grund ei­ner Lö­se­geld­zah­lung der gel­dri­schen Stän­de, die sich der bur­gun­disch-habs­bur­gi­schen Herr­schaft ent­le­di­gen woll­ten, ent­las­sen, und er ge­wann Frank­reich so­gar als Bünd­nis­part­ner ge­gen Ma­xi­mi­li­an, denn die al­ler­christ­lichs­ten Kö­ni­ge hat­ten ein ur­ei­ge­nes In­ter­es­se dar­an, die Ex­pan­si­on des Hau­ses Ös­ter­reich an den Gren­zen ih­res Herr­schafts­ge­bie­tes auf­zu­hal­ten. Mit die­ser Hil­fe ge­lang es Karl in­ner­halb ei­nes Jah­res, sei­ne Er­b­lan­de zu­rück­zu­er­obern.

Als Preis da­für führ­te er fast un­un­ter­bro­chen Krieg ge­gen Habs­burg. Be­reits 1494 hat­te der Kur­fürs­ten­rat die Wie­der­an­eig­nung Gel­derns durch Karl von Eg­mond für un­gül­tig er­klärt. Wei­ter von Frank­reich un­ter­stützt, konn­te Karl die dar­aus re­sul­tie­ren­den habs­bur­gi­schen Ver­su­che, das Land wie­der un­ter ih­re Kon­trol­le zu brin­gen, ab­weh­ren. 1498 kam es je­doch zu ei­nem Frie­dens­ver­trag zwi­schen Ma­xi­mi­li­ans Sohn Phil­ipp dem Schö­nen (1478-1506) und dem neu­en fran­zö­si­schen Kö­nig Lud­wig XII. (1462-1515), wor­auf­hin die fran­zö­si­sche Schüt­zen­hil­fe für Karl ver­sieg­te und er in Aa­chen ei­nem Waf­fen­still­stand zu­stim­men muss­te.

Die Feh­de ent­flamm­te je­doch er­neut, als Habs­burg in der Ge­wiss­heit, dass Karl oh­ne die fran­zö­si­sche Hil­fe nicht lan­ge wür­de Stand hal­ten kön­nen, im Jahr 1503 Gel­dern an­griff und in wei­ten Tei­len auch er­obern konn­te: von den vier Quar­tie­ren Arn­heim, Nim­we­gen, Ro­er­mond mit der Stadt Gel­dern und Zu­t­phen konn­te sich nur letz­te­res er­folg­reich weh­ren. Karl wur­de nach Ant­wer­pen ge­bracht und ge­zwun­gen, Phil­ipp den Schö­nen nach Spa­ni­en zu be­glei­ten, wo 1504 der Erb­fall ein­trat und Ma­xi­mi­li­ans Hei­rats­po­li­tik das habs­bur­gi­sche Welt­reich be­grün­de­te. Karl ge­lang je­doch die Flucht zu­rück nach Gel­dern, und weil Frank­reich sich nun im Sü­den und Os­ten von Habs­burg um­kreist sah, zer­brach die kur­ze habs­bur­gisch-fran­zö­si­sche Al­li­anz und eb­ne­te da­mit auch dem Eg­mon­der den Weg für neue Ag­gres­sio­nen.

Die­se er­folg­ten so­gleich; Karl schaff­te es so­gar, in das Her­zog­tum Bra­bant und die Graf­schaft Hol­land, bei­de im Be­sitz der Habs­bur­ger, ein­zu­drin­gen. 1508 kam es je­doch mit der Li­ga von Cam­brai zu ei­nem er­neu­ten Schul­ter­schluss nicht nur zwi­schen Habs­burg und Frank­reich, son­dern bei­na­he ganz West- und Mit­tel­eu­ro­pas: ne­ben Ma­xi­mi­li­an und Lud­wig XII. be­tei­lig­ten sich auch Papst Ju­li­us II. (1443-1513), der eng­li­sche Kö­nig Hein­rich VIII. (1491-1547) und der Kö­nig von Ara­gon und Si­zi­li­en, Fer­di­nand II. der Ka­tho­li­sche (1452-1516) so­wie die Her­zog­tü­mer Man­tua und Fer­ra­ra, um die ve­ne­zia­ni­sche Ex­pan­si­on in Ober­ita­li­en in die Schran­ken zu wei­sen. Die Statt­hal­te­rin der Nie­der­lan­de und Toch­ter Ma­xi­mi­li­ans I., Mar­ga­re­the von Ös­ter­reich (1480-1530), ver­such­te die Gunst der Stun­de zu nut­zen, um die habs­bur­gi­sche Herr­schaft im Her­zog­tum Gel­dern end­gül­tig durch­zu­set­zen, denn Karl war ein zwei­tes Mal sei­nes wich­tigs­ten Bünd­nis­part­ners be­raubt. Je­der Ver­such schei­ter­te aber am er­bit­ter­ten Wi­der­stand Karls, dem es im Ge­gen­schlag ge­lang, Tei­le der 1503 ver­lo­re­nen gel­dri­schen Ge­bie­te zu­rück­zu­ge­win­nen und auch dar­über hin­aus zu grei­fen.

Be­güns­tigt wur­de der mi­li­tä­ri­sche Er­folg des Eg­mon­ders durch das ra­sche Zer­bre­chen der Li­ga von Cam­brai, weil Kai­ser und Papst fürch­te­ten, Frank­reich kön­ne in Ober­ita­li­en zu viel Ein­fluss ge­win­nen. Lud­wig XII. such­te dar­auf­hin neue Bun­des­ge­nos­sen und fand sie un­ter an­de­rem in Karl von Eg­mond. 1514 wa­ren des­sen Trup­pen so er­starkt, dass sie das gro­ße Quar­tier Arn­heim von Habs­burg zu­rück­er­obern konn­ten. Mit 6.000 Sol­da­ten soll Karl dar­auf­hin wei­ter nach Frank­reich ge­zo­gen sein, um den neu­en Kö­nig Franz I. (1494-1547) auf sei­nem Ita­li­en­feld­zug zu be­glei­ten. Al­ler­dings nahm er per­sön­lich an den Kämp­fen nicht teil, son­dern be­gab sich im Kampf um den Er­halt sei­ner Herr­schaft im Her­zog­tum Gel­dern auf die Su­che nach im­mer neu­en Ver­bün­de­ten, bei der er teil­wei­se an recht zwie­lich­ti­ge Ge­stal­ten wie den „Schwar­zen Hau­fen“, ei­ne ma­ro­die­ren­de Söld­ner­trup­pe, und so­gar See­räu­ber ge­ra­ten sein soll.

Wie sehr Karls Schick­sal letzt­lich in der Hand der Gro­ß­mäch­te lag, zeig­te sich im Jahr 1525, als die fran­zö­si­schen Trup­pen bei Pa­via ei­ne emp­find­li­che Nie­der­la­ge er­lit­ten. Franz I. wur­de ge­fan­gen ge­nom­men und muss­te ein Jahr spä­ter den Frie­den von Ma­drid un­ter­zeich­nen. Für Karl von Eg­mond be­deu­te­te die­se star­ke habs­bur­gi­sche Po­si­ti­on das vor­läu­fi­ge En­de sei­nes Kamp­fes, da sei­ne Trup­pen mit dem fran­zö­si­schen Kö­nig ge­schla­gen wor­den wa­ren. Im Frie­den von Go­rin­chem vom 3.10.1528 muss­te er sein Her­zog­tum von Kai­ser Karl V. (1500-1558) zu Le­hen neh­men, je­des künf­ti­ge Bünd­nis mit Frank­reich aus­schlie­ßen und ei­ner Erb­fol­ge­re­ge­lung zu­stim­men, nach der Gel­dern an das Her­zog­tum Kle­ve fal­len soll­te, wenn Karl oh­ne ei­ge­ne männ­li­che Nach­kom­men ster­ben wür­de.

Noch ein­mal un­ter­nahm der ru­he­lo­se Fürst im Jahr 1534 den Ver­such, sich ge­gen die habs­bur­gi­sche Au­to­ri­tät zu be­haup­ten, und über­gab in ei­nem ge­hei­men Ver­trag sei­ne Län­der dem fran­zö­si­schen Kö­nig als Lehns­herrn. Öf­fent­lich be­kann­te er sich bei ei­nem Land­tag im Ok­to­ber 1537 zu sei­nem Plan, Franz I. als Nach­fol­ger des zwi­schen­zeit­lich 70-Jäh­ri­gen und im­mer noch kin­der­lo­sen Her­zogs zu be­stim­men, was von den Land­stän­den al­ler­dings rund­her­aus ab­ge­lehnt wur­de, weil sie der stän­di­gen Kriegs­ge­walt über­drüs­sig wa­ren. So war Karl schlie­ß­lich ge­zwun­gen, ih­rer For­de­rung zu ent­spre­chen und den Erb­prin­zen des Her­zog­tums Jü­lich-Kle­ve-Berg, Wil­helm V., als Nach­fol­ger auch in Gel­dern ein­zu­set­zen. Das En­de des Kamp­fes um Gel­dern be­deu­te­te die­se Ent­schei­dung frei­lich nicht.

Für Karl von Eg­mond en­de­te sein Weg je­doch da­mit. Trotz der fi­na­len Nie­der­la­ge ist es durch­aus be­mer­kens­wert, wie er über im­mer­hin vier Jahr­zehn­te den sich for­mie­ren­den Gro­ß­mäch­ten die Stirn bie­ten und sein Her­zog­tum Gel­dern zum „Züng­lein an der Waa­ge“ in den eu­ro­päi­schen Kon­flik­ten der ers­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts auf­wer­ten konn­te. Er starb am 30.6.1538 in Arn­heim; sein Grab­mal be­fin­det sich in der dor­ti­gen Eu­se­bi­us-Kir­che. Mit ihm starb die Li­nie der Her­ren von Eg­mond-Zu­t­phen aus. Die Li­nie der Her­ren und spä­te­ren Gra­fen von Eg­mond und Ijj­sel­stein, zu der auch der von Jo­hann Wolf­gang von Goe­the (1749-1832) li­te­ra­risch ge­wür­dig­te La­mo­ral von Eg­mond (1522-1568) ge­hör­te, hat­te sich schon früh mit der bur­gun­disch-habs­bur­gi­schen Par­tei ar­ran­giert und be­stand bis 1682.

Literatur

Hant­sche, Irm­gard/Krä­he, Ha­rald, Gel­dern-At­las. Kar­ten und Tex­te zur Ge­schich­te ei­nes Ter­ri­to­ri­ums, Gel­dern 2003.
Heid­rich, Paul, Der gel­dri­sche Erb­fol­ge­streit 1537-1543, Diss. Ber­lin 1896.
Jahn, Ralf G./Te­kath, Karl-Heinz/Keuck, Bern­hard (Hg.), Ein gu­ter Nach­bar ist ein edel Klein­od. Das Her­zog­tum Gel­dern im Span­nungs­feld von Bünd­nis und Kon­kur­renz an Maas, Rhein und Ijs­sel, Gel­dern 2005.
No­ord­zij, Art, Gel­re: dy­nas­tie, land en iden­ti­teit in de la­te Mid­de­lee­uwen, Hil­ver­sum 2008.
Stin­ner, Jo­han­nes/Te­kath, Karl-Heinz (Hg.), Gel­re – Gel­dern – Gel­der­land. Ge­schich­te und Kul­tur des Her­zog­tums Gel­dern, Gel­dern 2001.

Online

Mül­ler, Pie­ter Lo­de­wi­jk, Art. „Karl, Her­zog von Gel­dern“, in: ADB 15 (1882), S. 282-292. [On­line ]

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Karl von Egmond, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-von-egmond/DE-2086/lido/57c9320888fa91.20240348 (abgerufen am 28.03.2024)