Max Bruch

Komponist (1838-1920)

Uwe Baur (Koblenz)

Max Bruch, nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann (1825-1884), Zeichnung in der Zeitschrift 'Die Gartenlaube', 1881.

Der Kom­po­nist und Di­ri­gent Max Bruch gab dem Er­be des ro­man­ti­schen Klas­si­zis­mus sei­ne letz­te gül­ti­ge Prä­gung. Mu­si­ka­lisch früh­be­gabt hat­te Bruch sein mu­sik­theo­re­ti­sches Rüst­zeug in Bonn und Köln er­lernt, ehe er wech­seln­de Lehr­po­si­tio­nen und Ka­pell­meis­ter­stel­len im In- und Aus­land ein­nahm. Sein Schaf­fen zeich­ne­te sich durch den ly­ri­schen Zau­ber ora­to­ri­scher Ge­sän­ge und zahl­rei­che in­stru­men­ta­le So­lo­par­ti­en aus. Von der Mu­sik­welt mit ho­hen Aus­zeich­nun­gen und Äm­tern ge­ehrt, ver­lieh Bruch der Tra­di­ti­on Men­dels­sohns neue und zum Teil bis in die Ge­gen­wart fort­wir­ken­de Im­pul­se.

 

Ge­bo­ren wur­de Max Chris­ti­an Fried­rich Bruch am 6.1.1838 in Köln. Die Fa­mi­lie vä­ter­li­cher­seits stamm­te aus dem Raum Saar­brü­cken/Zwei­brü­cken, von wo sein Gro­ßva­ter Chris­ti­an Gott­lieb Bruch (1771-1836) 1803 als Su­per­in­ten­dent und Vor­ste­her der pro­tes­tan­ti­schen Ge­mein­de nach Köln be­ru­fen wor­den war. Des­sen Sohn Au­gust Carl Fried­rich Bruch (1799-1861), Max Bruchs Va­ter, hat­te Ju­ra stu­diert und war Vi­ze­prä­si­dent der Köl­ner Po­li­zei. Die Mut­ter Wil­hel­mi­ne ge­bo­re­ne Al­men­rä­der (1799-1867) stamm­te aus ei­ner Mu­si­ker­fa­mi­lie und war ei­ne be­kann­te Sän­ge­rin. Ih­re Fa­mi­lie stamm­te aus dem Ber­gi­schen Land; ih­re drei Brü­der wa­ren Mu­si­ka­li­en­händ­ler und In­stru­men­ten­bau­er (Fa­gott) in Köln und wur­den ge­mein­sam mit ih­rem Va­ter 1821 die Mit­be­grün­der der Köl­ner Mu­si­ka­li­sche Ge­sell­schaft.

Als Kind zeig­te Max Bruch zu­nächst Ta­lent zur Ma­le­rei, aber nach­dem er im Al­ter von neun Jah­ren sein ers­tes Lied kom­po­niert hat­te, wen­de­te sich das Blatt. Jetzt schrieb er in ei­nem plötz­li­chen krea­ti­ven Aus­bruch zahl­rei­che klei­ne­re und grö­ße­re Kom­po­si­tio­nen bis hin zur Ou­ver­tü­re für ei­ne ge­plan­te Oper Jung­frau von Or­leans. Die ein­zi­ge er­hal­te­ne Ju­gend­kom­po­si­ti­on ist ein 1849 ge­schrie­be­nes Sep­tett, das sich na­tur­ge­mäß an den ein­schlä­gi­gen Wer­ken Lud­wig van Beet­ho­vens (Sep­tett Es-Dur op. 20) und Franz Schu­berts (1797-1828) (Ok­tett F-Dur D 803) ori­en­tier­te.

Ei­nen ers­ten mu­sik­theo­re­ti­schen Un­ter­richt er­hielt Max Bruch bei Hein­rich Brei­den­stein, seit 1822 Mu­sik­di­rek­tor der Bon­ner Uni­ver­si­tät, bald er­gänzt und dann ab­ge­löst von Fer­di­nand Hil­ler (1811-1885), seit 1850 be­zie­hungs­wei­se 1853 Di­rek­tor des Köl­ner Kon­ser­va­to­ri­ums und des Gür­ze­nich-Or­ches­ters. Un­ter Hil­lers Lei­tung ge­wann das Köl­ner Mu­sik­le­ben in­ter­na­tio­na­le Gel­tung, von der auch Max Bruch pro­fi­tier­te. Durch des­sen Ver­mitt­lung er­hielt Bruch 1852 ein Sti­pen­di­um der Frank­fur­ter Mo­zart-Stif­tung, das ihm er­mög­lich­te, 1853-1857 sor­gen­frei zu stu­die­ren, Kom­po­si­ti­on bei Hil­ler, Kla­vier bei Carl Rei­ne­cke (1824-1910), und zu rei­sen. Mit ei­ner Ver­to­nung des Sing­spiels Scherz, List und Ra­che von Jo­hann Wolf­gang von Goe­the (1749-1832), ur­auf­ge­führt in Köln 1858, leg­te er so­zu­sa­gen sein Opus 1 vor. Die nächs­ten Jah­re wa­ren Stu­di­en­jah­re, die Bruch trotz­dem nicht oh­ne wei­te­re Kom­po­si­tio­nen ver­brach­te. Schwer­punkt wur­de bald sei­ne Ver­to­nung des von Ema­nu­el Gei­bel (1815-1884) ur­sprüng­lich für Fe­lix Men­dels­sohn Bar­thol­dy (1809-1847) ge­schrie­be­nen Tex­tes zu ei­ner Oper Lo­re­ley, von de­ren Kom­po­si­ti­on bei Men­dels­sohns Tod nur we­ni­ge Frag­men­te vor­la­gen. Gei­bel hat­te dar­auf­hin jah­re­lang jeg­li­che An­fra­gen ver­schie­de­ner Kom­po­nis­ten ab­ge­lehnt, und auch Max Bruch konn­te erst bei ei­ner per­sön­li­chen Vor­spra­che in Wien die Frei­ga­be des Li­bret­tos er­rei­chen. Nach er­folg­lo­sen Be­mü­hun­gen in Mün­chen wur­de die Oper Lo­re­ley op. 16 am 14.6.1864 in Mann­heim ur­auf­ge­führt und in den nächs­ten bei­den Spiel­zei­ten in Ham­burg, Leip­zig, Köln, Mainz, Wei­mar und Co­burg ge­ge­ben. Ob­wohl er von dem Mann­hei­mer Kon­zert­meis­ter Jo­hann Na­ret-Ko­n­ing (1838-1905) da­zu ani­miert wor­den war, ein Vio­lin­kon­zert zu schrei­ben, rich­te­te sich sein kom­po­si­to­ri­sches Au­gen­merk zu­nächst auf di­ver­se Chor­wer­ke, de­ren Gip­fel Frit­h­jof op. 23 bil­det, ei­ne Kan­ta­te für So­li, Män­ner­chor und Or­ches­ter, die sein An­se­hen in der deut­schen Mu­sik­welt er­heb­lich stei­ger­te (Ur­auf­füh­rung 20.11.1864). Die­ses Re­nom­mee führ­te schlie­ß­lich mit da­zu, dass er 1865 als ei­ner von 49 Be­wer­bern auf die va­kant ge­wor­de­ne Stel­le des Mu­sik­di­rek­tors beim Ko­blen­zer Mu­sik-In­sti­tut be­ru­fen wur­de. Hier ent­stand ne­ben klei­ne­ren Chor­wer­ken sein bis heu­te po­pu­lä­res ers­tes Kon­zert für Vio­li­ne und Or­ches­ter op. 26, das am 24.4.1864 mit Ot­to von Kö­nigs­löw (1824-1898) als So­lis­ten aus dem Ma­nu­skript zum ers­ten Mal er­klang. Nach­fol­gen­de Re­vi­sio­nen, vor al­lem am So­lo-Part in Zu­sam­men­ar­beit mit Jo­seph Joa­chim (1831-1907) im Ok­to­ber 1867 in Han­no­ver, führ­ten zur end­gül­ti­gen Fas­sung, die Joa­chim am 7.1.1868 in Bre­men zum ers­ten Mal spiel­te. Über die über­gro­ße Po­pu­la­ri­tät, die das Werk schnell er­reich­te, är­ger­te sich Bruch spä­ter, vor al­lem mit Blick auf sei­ne wei­te­ren Kom­po­si­tio­nen für So­lo-Vio­li­ne, der­art, dass er sich ernst­lich mit dem Ge­dan­ken trug, wei­te­re Auf­füh­rung gar po­li­zei­lich ver­bie­ten zu las­sen.

Max Bruch. (Wikipedia / Patricia.topa / CC BY-SA 4.0)

 

Max Bruch blieb nur zwei Jah­re in Ko­blenz und nahm die schon früh ihm an­ge­tra­ge­ne Be­ru­fung zum Hof­ka­pell­meis­ter im thü­rin­gi­schen Son­ders­hau­sen an; der Ver­trag da­tiert vom 6.6.1867, die Er­nen­nung er­folg­te am 19. Ju­li. Hier stell­te er am 26.7.1868 sei­ne ers­te Sin­fo­nie op. 28 vor, de­ren Kom­po­si­ti­on er wohl schon in Ko­blenz be­gon­nen hat­te. Da es in­ner­halb ei­nes hal­ben Jah­res zu zahl­rei­chen Auf­füh­run­gen deutsch­land­weit kam, fühl­te sich Bruch ani­miert, gleich noch ei­ne zwei­te Sin­fo­nie (op. 36) zu Pa­pier zu brin­gen (Ur­auf­füh­rung 4.9.1870). Zwi­schen bei­den Sin­fo­ni­en be­fass­te er sich wie­der mit et­li­chen Chor­wer­ken. Dar­un­ter sind be­son­ders die drei Mes­se­sät­ze (Ky­rie, Sanc­tus, Agnus Dei) op. 35 zu nen­nen, mit de­nen er sich sei­nen „Lie­bes­kum­mer“ von der See­le schrieb. Er hat­te sich in Ko­blenz ver­liebt, war dann nach Son­ders­hau­sen ge­zo­gen und hat­te sich bei der jun­gen Frau erst nach über ei­nem Jahr wie­der ge­mel­det, was die­ser aber gar nicht ge­fiel, so dass aus der sich noch recht lan­ge hin­zie­hen­den An­ge­le­gen­heit zu Bruchs Leid­we­sen nichts wur­de.

Im Herbst 1870 ent­schloss sich Max Bruch, ein un­ab­hän­gi­ger, frei­schaf­fen­der Künst­ler zu wer­den, wo­zu er sich in Ber­lin nie­der­ließ. Noch in Son­ders­hau­sen hat­te er an sei­ner drit­ten Oper Her­mio­ne op. 40 ge­ar­bei­tet, die am 21.3.1872 in Ber­lin zur Ur­auf­füh­rung kam, nach­ge­spielt in Bre­men, Köln und Dres­den, je­weils mit mä­ßi­gem Er­folg. Seit Sep­tem­ber 1871 be­schäf­tig­te ihn die Idee zu ei­nem Ora­to­ri­um, zu Odys­seus op. 41 (Un­ter­ti­tel: Sce­nen aus der Odys­see), das am 8.2.1873 in Bar­men (heu­te Stadt Wup­per­tal) un­ter Bruchs ei­ge­ner Lei­tung erst­mals er­klang. Das Werk wur­de so­fort von vie­len Ge­sang­ver­ei­nen ins Re­per­toire auf­ge­nom­men und ver­schaff­te Bruch auch im Aus­land (Nie­der­lan­de, Eng­land und USA) ho­hes An­se­hen. Au­ßer­dem reg­te es ihn an, wei­te­re Wer­ke die­ses Gen­res zu ver­fas­sen, dar­un­ter ei­ne Ver­to­nung von Fried­rich Schil­lers (1759-1805) Das Lied von der Glo­cke op. 45.

Aus Är­ger über den Miss­er­folg der Oper Her­mio­ne in Ber­lin sie­del­te er 1873 nach Bonn über. Hier ent­stand sein zwei­tes Ora­to­ri­um, ein Pro­dukt des Zeit­geis­tes un­mit­tel­bar nach dem Deutsch-Fran­zö­si­schen Krieg, Her­manns­schlacht, das nach ers­ten Auf­füh­run­gen in Bar­men (Ur­auf­füh­rung 4.12.1875), Bonn und Ber­gisch Glad­bach mehr­ma­li­ge Re­vi­sio­nen er­fuhr und schlie­ß­lich am 21.1.1877 in Zü­rich un­ter dem Ti­tel Ar­mi­ni­us in ei­ner end­gül­ti­gen Fas­sung als op. 43 her­aus­kam. Auf der Heim­rei­se von die­ser Auf­füh­rung lern­te Bruch den Gei­ger Pa­blo de Sa­ra­sa­te (1844-1908) ken­nen, der in Frank­furt und Wies­ba­den Bruchs ers­tes Vio­lin­kon­zert spiel­te (am 2. und 8.2.1877). Von Sa­ra­sa­tes Spiel war Bruch der­art an­ge­tan, dass er sich ent­schloss, ihm bis Herbst für des­sen ge­plan­te nächs­te Tour­nee ein neu­es Kon­zert zu schrei­ben. Es wur­de Bruchs zwei­tes Vio­lin­kon­zert op. 44, des­sen ers­te Auf­füh­rung er am 4.11.1877 im Crys­tal Pa­lace in Lon­don sel­ber di­ri­gier­te. Fünf Ta­ge spä­ter, am 9.11.1877, wie­der­hol­ten die bei­den die Auf­füh­rung in Ko­blenz, si­cher­lich in Er­in­ne­rung an die dor­ti­ge Pre­mie­re des ers­ten Kon­zer­tes.

Max Bruch, Porträt im Shakespear Memorial Album. (Das Digitale Shakespeare Memorial Album / Library of Birmingham / CC BY-ND 3.0 DE)

 

Im Au­gust 1878 wur­de Max Bruch zum Mu­sik­di­rek­tor des Stern­schen Ge­sang­ver­eins in Ber­lin be­ru­fen, ei­ne Ver­pflich­tung, die ihm viel Zeit zum Rei­sen ließ, vor al­lem nach Eng­land (Li­ver­pool, Bir­ming­ham). Bruch war 1877 zum ers­ten Mal nach Li­ver­pool ein­ge­la­den wor­den, um ei­ne Auf­füh­rung des Odys­seus zu di­ri­gie­ren, dann neu­er­lich 1879 für Das Lied von der Glo­cke, was letzt­lich da­zu führ­te, dass er im Früh­jahr 1880 zum Lei­ter der Li­ver­pool Phil­har­mo­nic So­cie­ty be­ru­fen wur­de. Über Weih­nach­ten und Neu­jahr 1880/1881 kam er noch ein­mal nach Ber­lin zu­rück, um am 3.1.1881 die Sän­ge­rin Cla­ra Tuc­zek (1854-1919) zu hei­ra­ten. 1882 kam Toch­ter Mar­ga­re­the (ge­stor­ben 1963) als ers­tes von vier Kin­dern zur Welt.

In den drei Jah­ren, die Bruch in Li­ver­pool tä­tig war, di­ri­gier­te er 35 Kon­zer­te, in de­ren Pro­gram­men er hin­sicht­lich der ei­ge­nen Wer­ke ziem­li­che Zu­rück­hal­tung üb­te. Im­mer­hin brach­te er die Schot­ti­sche Fan­ta­sie für Vio­li­ne op. 46 und Kol Ni­drei für Vio­lon­cel­lo op.47 hier her­aus. Nach­dem sich das Pro­jekt, ein in Edin­burgh zu grün­den­des Kon­ser­va­to­ri­um und die dor­ti­gen Or­ches­ter­kon­zer­te zu lei­ten, zer­schla­gen hat­te, kehr­te Bruch Li­ver­pool den Rü­cken. Wäh­rend ei­ner Ame­ri­ka­rei­se März bis Ju­ni 1883 di­ri­gier­te er im April in New York sei­ne drit­te Sin­fo­nie, de­ren Auf­trag er sei­ner­zeit von dort er­hal­ten hat­te und wo sie am 17.12.1882 ur­auf­ge­führt wor­den war.

Schon im Ja­nu­ar 1883 hat­te er sich nach Bres­lau ver­pflich­tet, auf ei­ne Stel­le, die er erst nach der Rück­kehr aus Ame­ri­ka im Sep­tem­ber an­trat. Dar­über schrieb er zu­frie­den an Fritz Sim­rock (1837-1901): „Ich ha­be mei­ne fes­te Burg, mein Haus, mein lie­bes Weib, mein Kind, und in al­len Tei­len der Welt gu­te Freun­de — in Deutsch­land so­wohl als in Eng­land und Ame­ri­ka. Um die fal­schen und hal­ben Freun­de oder Geg­ner küm­me­re ich mich je län­ger je we­ni­ger; ich las­se sie lau­fen und la­che über ih­re Af­fen­ko­mö­di­e“. Ne­ben ei­ge­nen Wer­ken mach­te er sein Bres­lau­er Pu­bli­kum mit Wer­ken von Hec­tor Ber­li­oz (1803-1869), Ca­mil­le Saint-Saëns (1835-1921), Mi­chail Glin­ka (1804-1857), An­tonìn Dvořak (1841-1904) und Pjotr Il­jitsch Tschai­kow­ski (1840-1893) durch­aus mit Wer­ken neu­es­ter Mu­sik ver­traut bis hin zu Ri­chard Strauss‘ (1864-1949) Aus Ita­li­en op. 16. Als im Früh­jahr 1884 Fer­di­nand Hil­ler 72-jäh­rig in Köln zu­rück­trat, fa­vo­ri­sier­te die­ser zu­nächst Jo­han­nes Brahms (1833-1897), nach des­sen Ab­sa­ge Max Bruch als sei­nen Nach­fol­ger, den das Köl­ner Ko­mi­tee al­ler­dings nicht wähl­te, weil man ihn für ehr­gei­zig, ego­is­tisch, in­tri­gant und ein­ge­bil­det hielt.

Bruch blieb sie­ben Jah­re lang in Bres­lau. Von den nicht ge­ra­de vie­len Kom­po­si­tio­nen, die er dort fer­tig­stell­te, sind das Ora­to­ri­um Achil­leus op. 50, des­sen Ur­auf­füh­rung er am 28.6.1885 in Bonn sel­ber di­ri­gier­te, die Kan­ta­te Das Feuer­kreuz, die er am 26.2.1889 in Bres­lau her­aus­brach­te, und der Lie­der­zy­klus auf die No­vel­le Sie­chen­trost op. 54 von Paul Heyse (1830-1914) zu nen­nen, die auf den Be­richt ei­ner Lim­bur­ger Chro­nik zu­rück­geht und de­ren Hand­lung an Rhein (St. Goar) und Mo­sel spielt.

Max Bruch, mit Signatur. (Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste)

 

Bruchs Weg­gang aus Bres­lau wur­de un­ter an­de­rem be­dingt durch Un­stim­mig­kei­ten mit po­li­ti­schen Grup­pie­run­gen in der Stadt, die ihm sei­ne lei­den­schaft­li­che Par­tei­nah­me für Ot­to von Bis­marck (1815-1898) übel nah­men. So zog er An­fang 1890 mit un­ge­wis­sen Aus­sich­ten wie­der ein­mal nach Ber­lin, dies­mal mit Frau und Kin­dern. Als ers­tes voll­ende­te er hier in Zu­sam­men­ar­beit mit Jo­seph Joa­chim (1831-1907) sein drit­tes Vio­lin­kon­zert op. 58, die Ur­auf­füh­rung spiel­te je­doch Pa­blo de Sa­ra­sa­te am 31.5.1891 in Düs­sel­dorf. Joa­chim hat­te an der Kö­nig­li­chen Aka­de­mie der Küns­te, der er seit 1869 als Di­rek­to­ri­ums­mit­glied an­ge­hör­te, ei­ne Meis­ter­klas­se für Kom­po­si­ti­on ein­ge­rich­tet. Als Hein­rich von Her­zo­gen­berg (1843-1900), der seit 1886 die­se Stel­le in­ne­hat­te, 1891 sei­nen Rück­tritt ein­reich­te, wur­de Bruch mit Wir­kung vom 1.4.1892 be­ru­fen, ver­bun­den mit der Mit­glied­schaft im Se­nat der Aka­de­mie und dem Ti­tel Pro­fes­sor. Al­ler ma­te­ri­el­len Sor­gen le­dig konn­te Bruch jetzt viel Zeit mit Kom­po­nie­ren ver­brin­gen, so dass er meh­re­re Vo­kal- und In­stru­men­tal­wer­ke zu Pa­pier brach­te, Lie­der, kür­ze­re Chor­wer­ke, Kam­mer­mu­sik.

1890 wur­de ihm vom baye­ri­schen Prinz­re­gen­ten der Ma­xi­mi­li­ans­or­den ver­lie­hen und 1893 die Eh­ren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Cam­bridge, die er al­ler­dings 1914 aus Em­pö­rung über Eng­lands Kriegs­er­klä­rung zu­rück­gab. Aus An­lass der Wie­ner Ur­auf­füh­rung sei­ner Kan­ta­te Leo­ni­das op. 66, sei­ner ers­ten grö­ße­ren Män­ner­chor-Kom­po­si­ti­on seit Frit­h­jof, im Ok­to­ber 1893, wur­de er Eh­ren­mit­glied des Wie­ner Män­ner-Ge­sang­ver­eins. 1894 nahm er die Ar­beit an ei­nem seit 1889 ge­plan­ten neu­en Ora­to­ri­um auf, Mo­ses op. 67, das am 19.1.1895 in Bar­men un­ter sei­ner ei­ge­nen Lei­tung ur­auf­ge­führt wur­de. Ge­gen En­de 1898 wur­de Bruch so­gar zum kor­re­spon­die­ren­den Mit­glied der Aca­dé­mie des Beaux Arts in Pa­ris er­nannt. Im fol­gen­den Jahr wur­de er Mit­glied des Di­rek­to­ri­ums der Kö­nig­li­chen Hoch­schu­le für Mu­sik, 1907 Vor­sit­zen­der des Se­nats und Vi­ze­prä­si­dent als Nach­fol­ger Jo­seph Joa­chims. Eh­run­gen er­fuhr er auch durch die Aka­de­mie in Stock­holm, die Schwei­zer Mu­sik­ge­sell­schaft, die Nie­der­län­di­sche Ge­sell­schaft zur Be­för­de­rung der Ton­kunst und die phil­har­mo­ni­sche Ge­sell­schaft in Lon­don. Schon 1898 war er auf­grund sei­nes Ora­to­ri­ums Gus­tav Adolf op. 73 beim deut­schen Kai­ser und sei­ner Gat­tin per­so­na gra­ta ge­wor­den. Das Werk war am 22.5.1898 un­ter Bruchs Lei­tung in Bar­men her­aus­ge­kom­men; es soll­te sein letz­tes gro­ßes Chor­werk sein. Den Win­ter 1903/1904 ver­brach­te er auf An­ra­ten sei­ner Ärz­te in Ita­li­en, be­such­te Rom und Nea­pel, schlie­ß­lich für ei­nen Mo­nat Ca­pri, wo er die An­re­gung für sei­ne Sui­te für Or­ches­ter und Or­gel op. 88b emp­fing, die spä­ter in nicht ganz glück­li­chen Be­ar­bei­tun­gen als Kon­zert für zwei Kla­vie­re op.88a be­kannt wur­de.

1910 wur­de er von der Kö­nig­li­chen Aka­de­mie der Küns­te in den wohl­ver­dien­ten Ru­he­stand ent­las­sen. Wie sehr er mitt­ler­wei­le ins Ab­seits ge­ra­ten war, zeig­te sich bei­spiels­wei­se an der Re­ak­ti­on der Pres­se auf sei­ne Se­re­na­de für Vio­li­ne und Or­ches­ter op. 75, die man als „wi­der­wär­tig sü­ß“ emp­fand, de­ren „Sac­cha­rin-Zau­ber“ Un­be­ha­gen her­vor­ge­ru­fen ha­be, wo­zu man la­ko­nisch fest­hielt: „Wir än­dern uns und die Mu­sik mit un­s“. Der Ru­he­stand sorg­te zu­nächst noch für ei­nen Schub neu­er Kom­po­si­tio­nen. Es ent­stan­den Lie­der, ein Chor­werk auf Schil­lers Die Macht des Ge­san­ges op. 87, acht Stü­cke für Kla­ri­net­te, Brat­sche und Kla­vier op. 83 und als letz­tes grö­ße­res Werk das Dop­pel­kon­zert für Kla­ri­net­te und Brat­sche mit Or­ches­ter op. 88. Ab­ge­se­hen von Rei­sen zur Er­ho­lung oder zu Auf­füh­run­gen sei­ner Wer­ke ver­brach­te Bruch sei­ne letz­ten Jah­re im We­sent­li­chen in Ber­lin, nör­gel­te an al­lem und je­dem her­um, an den Di­ri­gen­ten und vor al­lem an der Mu­sik der jün­ge­ren Kom­po­nis­ten-Kol­le­gen, re­agier­te ver­bit­tert auf die Zeit-Um­stän­de - es herrsch­te schlie­ß­lich der Ers­te Welt­krieg -, fei­er­te aber trotz­dem am 6.1.1918 hoch­ge­ehrt sei­nen 80. Ge­burts­tag. Die Ber­li­ner Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät (heu­te Hum­boldt-Uni­ver­si­tät) ver­lieh ihm 1918 die Eh­ren­dok­tor­wür­de.

Max Bruch und Joseph Joachim, 1907. (Signale für die Musikalische Welt, Vol. 65, November 1907, pp. 1172-1175)

 

Am 27.8.1919 starb sei­ne Frau Cla­ra nach lan­gem Lei­den, und auch Bruchs ei­ge­ne Ge­sund­heit nahm ste­tig ab, bis er am 2.10.1920 in Ber­lin-Frie­denau ver­starb (nicht am 20.10.1920, wie in et­li­chen Le­xi­ka zu le­sen ist). Sei­ne Grab­stät­te be­fin­det auf dem Al­ten St.-Mat­thä­us-Kirch­hof in Ber­lin (Eh­ren­grab). 

In ver­schie­de­nen deut­schen Städ­ten, dar­un­ter in Ber­gisch Glad­bach, Bonn, Ko­blenz, Köln, Mün­chen und Son­ders­hau­sen, tra­gen Stra­ßen sei­nen Na­men. In Ber­gisch Glad­bach ist nicht nur die Städ­ti­sche Mu­sik­schu­le nach ihm be­nannt, son­dern auf der Mar­gar­ten­hö­he er­in­nert seit 1935 ein Denk­mal nach ei­nem Ent­wurf des Köl­ner Bild­hau­ers Wolf­gang Wall­ner (1884-1964) an ihn. In Köln wur­de er 1990 mit ei­ner Fi­gur am Rat­haus­turm ver­ewigt, die Fi­gur schuf der Bild­hau­er Olaf Höh­nen (1933-2009). 

Seit 1966 ist das 1949 von Ewald Bruch (ge­bo­ren 1890), ei­nem Sohn des Kom­po­nis­ten, ge­grün­de­te Max-Bruch-Ar­chiv dem Mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut der Uni­ver­si­tät zu Köln an­ge­schlos­sen. Es sam­melt und ver­wahrt Do­ku­men­te zum Le­ben und Werk des Kom­po­nis­ten und stellt sie der For­schung zur Ver­fü­gung.

Werke (Auswahl)

Opern
Scherz, List und Ra­che, op. 1, 1858.
Die Lo­re­ley, op. 16, 1862.
Her­mio­ne, op. 40, 1872.

_ Vo­kal­wer­ke mit Or­ches­ter_
Frit­h­jof, op. 23, 1864.
Odys­seus, op. 41, 1872.
Das Lied von der Glo­cke, op. 45, 1879.

_ Sym­pho­ni­sche Wer­ke_
Sin­fo­nie Es, op. 28, 1870.
Sui­te nach rus­si­schen Volks­me­lo­di­en, op. 79b, 1905.
Kon­zert­mu­sik für Vio­li­ne mit Or­ches­ter
Vio­lin­kon­zer­te g, op. 26, 1868, d, op. 44, 1878, d, op. 58, 1891.
Se­re­na­de a, op. 75, 1900.
Kol ni­drei, Ada­gio nach he­bräi­schen Me­lo­di­en für Vio­lon­cel­lo, Or­ches­ter und Har­fe, op. 47, 1881.
Dop­pel­kon­zert für Kla­ri­net­te, Brat­sche und Or­ches­ter, op. 88,  

Literatur (Auswahl)

Baur, Uwe, Max Bruch und Ko­blenz (1865-1867). Ei­ne Do­ku­men­ta­ti­on, Mainz 1996.
Fel­le­rer, Karl Gus­tav, Max Bruch (1838-1920), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 5 (1973, 2. Aufl. 1982), S. 175-189.
Fi­field, Chris­to­pher, Max Bruch. Bio­gra­phie ei­nes Kom­po­nis­ten, Zü­rich 1990.
Käm­per, Diet­rich (Hg.), Max Bruch-Stu­di­en, ei­ne Köln 1970.
Lar­sen, Pe­ter (Hg.), Max Bruch in Son­ders­hau­sen. Bei­trä­ge zum mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen Sym­po­si­um am 14./15. Ju­ni 2001 in Son­ders­hau­sen an­läss­lich des ers­ten Max Bruch Fes­tes, Göt­tin­gen 2004.
Lauth, Wil­helm, Max Bruchs In­stru­men­tal­mu­sik, Köln 1967.
Neu­hau­ser, Hil­de­gard, Mu­sik­pfle­ge in Ber­gisch Glad­bach im 19. Jahr­hun­dert – die Un­ter­neh­me­rin Ma­ria Zan­ders und der Kom­po­nist Max Bruch, Fern­wald 2004.
Rie­de­rer-Sit­te, Pe­tra (Hg.), Max Bruch. Brie­fe an Lau­ra und Ru­dolf Be­ckerath in: Mu­sik-Kul­tur, Es­sen 1997.
Schwar­zer, Mat­thi­as, Die Ora­to­ri­en von Max Bruch, ei­ne Quel­len­stu­die, Kas­sel 1988. 

Online

Bruch, Max, in: Das Di­gi­ta­le Shake­speare Me­mo­ri­al Al­bum. Her­aus­ge­ge­ben von Chris­ta Jan­sohn. [on­line]
Ott, Al­fons, Bruch, Max, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 24 (2010), S. 710-711. [on­line]
Max Bruch-Ar­chiv. [on­line]

Das Ehrengrab Max Bruchs und seiner Ehefrau Clara auf dem alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin. (Wikipedia / Phaeton1 / CC BY-SA 3.0)

 
Zitationshinweis

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Baur, Uwe, Max Bruch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/max-bruch/DE-2086/lido/5cbecc67e20e32.14882136 (abgerufen am 19.03.2024)