Valentinian II.

Römischer Kaiser (371-392 n.Chr.)

Markus Kirschbaum (Koblenz)

Statue des Kaisers Valentinian II., Aydin (Türkei), 387 bis 390 n. Chr.. (public domain)

Als Vier­jäh­ri­ger ver­lor er den Va­ter, wur­de zum Kai­ser er­ho­ben und als 21-jäh­ri­ger jun­ger Mann er­hängt auf­ge­fun­den. Trotz der kur­zen Span­ne sei­nes grö­ß­ten­teils fremd­be­stimm­ten Le­bens war er kei­ne blo­ße Rand­er­schei­nung auf dem Thron. Sei­ne Herr­schaft blieb nicht oh­ne Ein­fluss auf die Ge­schich­te des Rhein­lan­des. Die Ban­de, die es kul­tu­rell und zi­vi­li­sa­to­risch mit dem Rö­mi­schen Reich ver­knüpf­ten, wur­den noch ein­mal ge­stärkt. Va­len­ti­ni­an II. war der letz­te Kai­ser, der in Trier re­si­dier­te.

Va­len­ti­ni­an II. wur­de als Fla­vi­us Va­len­ti­nia­nus im Herbst 371 n.Chr. in der kai­ser­li­chen Re­si­denz­stadt Trier als Sohn des Kai­ser­s Va­len­ti­ni­an I. und des­sen zwei­ter Frau Ius­ti­na (ge­stor­ben 388) ge­bo­ren. Aus die­ser Ehe gin­gen noch die Töch­ter Gal­la (ge­stor­ben 394), Gra­ta und Ius­ta her­vor. Aus Va­len­ti­ni­ans I. ers­ter Ehe mit Ma­ri­na Se­ve­ra (ge­stor­ben vor 375) stamm­te der Halb­bru­der Gra­ti­an (359-383). Der Va­ter wur­de von sei­nen Trup­pen am 26.2.364 zum Kai­ser pro­kla­miert. Er er­nann­te am 28.3.364 sei­nen jün­ge­ren Bru­der Va­lens (328-378) zum Mit­kai­ser im Os­ten. Va­len­ti­ni­an I. si­cher­te die Gren­zen an Rhein und Do­nau durch die An­la­ge ei­nes punk­tu­el­len Ver­tei­di­gungs­sys­tems. Im In­ne­ren misch­te sich der from­me Christ nicht in Re­li­gi­ons­fra­gen ein, son­dern ge­währ­te prak­tisch Re­li­gi­ons­frei­heit.

Als Va­len­ti­ni­an II. ge­bo­ren wur­de, be­saß ne­ben Va­ter und On­kel seit dem 24.8.367 noch sein Halb­bru­der Gra­ti­an die Kai­ser­wür­de. Das kol­le­gia­le Kai­ser­tum stell­te in den Au­gen der Zeit­ge­nos­sen ei­ne Auf­tei­lung von Zu­stän­dig­keits­ge­bie­ten dar und wur­de nicht als Reichs­tei­lung auf­ge­fasst. Als ihn am 17.11.375 der Tod er­eil­te, hielt sich der Kai­ser in Bri­ge­tio (heu­te Komárom in Un­garn) an der Do­nau auf. Sei­ne Le­gio­nen fühl­ten sich füh­rer­los und al­lein­ge­las­sen. Nun setz­te ein Ver­fah­ren ein, das für das 4. Jahr­hun­dert nor­mal und le­gi­tim war: Die Trup­pen er­nann­ten ei­nen Kai­ser. In die­ser Zeit ver­gab die Hee­res­ver­samm­lung nicht nur fak­tisch, son­dern als ab­stim­mungs­be­fug­te Kör­per­schaft Rö­mi­scher Bür­ger, auch de iu­re die Kai­ser­wür­de. Dass die Wahl auf den 4-jäh­ri­gen Kna­ben fiel, war ei­ner­seits dem Ge­schick von Ver­trau­ten der Fa­mi­lie zu ver­dan­ken, an­de­rer­seits war er ge­ra­de zur Stel­le. Er hat­te zu­sam­men mit sei­ner Mut­ter sei­nen Va­ter im Tross der Ar­mee be­glei­tet und weil­te in der kai­ser­li­chen Vil­la Mu­ro­cinc­ta (heu­te Zu­mer­zim) in Nie­der­pan­no­ni­en, nur et­wa 100 rö­mi­sche Mei­len vom Ge­sche­hen ent­fernt. Sohn und Kai­ser­wit­we wur­den fünf Ta­ge nach Va­len­ti­ni­ans I. Tod den auf Aquin­cum (heu­te Bu­da­pest) vor­rü­cken­den Trup­pen prä­sen­tiert. Am sechs­ten Tag, dem 22.11.375, wur­de das Kind im Feld­la­ger zum Kai­ser er­ho­ben.

Zwar war Va­len­ti­ni­an da­mit le­gi­tim zur Kai­ser­wür­de ge­langt, den­noch muss­te er von den bei­den an­de­ren am­tie­ren­den Kai­sern als ihr Kol­le­ge an­er­kannt wer­den. Bei­de konn­ten we­gen Ab­we­sen­heit vom Ort des Ge­sche­hens – Gra­ti­an weil­te in Trier, Va­lens in An­tio­chia – nicht kon­sul­tiert wer­den. Auf­grund des Pres­ti­ges der kai­ser­li­chen Fa­mi­lie aber hat­ten bei­de kei­ne an­de­re Wahl, als zu­zu­stim­men, um so auch die ide­el­le Grund­la­ge ih­res ei­ge­nen Kai­ser­tums zu be­stä­ti­gen. 

Gra­ti­an, ob­wohl selbst erst 16 Jah­re alt, wur­de nun zu ei­ner Schlüs­sel­fi­gur. Selbst­be­wusst be­an­spruch­te er die Herr­schaft, die vor­her sei­nem Va­ter zu­ge­stan­den hat­te. Der äl­te­re nahm nun für den jün­ge­ren Bru­der die Va­ter­rol­le ein, und an Soh­nes statt nahm Gra­ti­an Va­len­ti­ni­an als Mit­kai­ser an. Die­ses Bild, das der Er­zie­her Gra­ti­ans Auso­ni­us (310-393/94) so­wie der Kir­chen­his­to­ri­ker Phi­los­t­or­gi­os (368-433) be­nutz­ten, gibt aber kei­nen Auf­schluss dar­über, wie in­nig das Ver­hält­nis der Brü­der tat­säch­lich ge­we­sen war. In je­dem Fall cha­rak­te­ri­sier­te es tref­fend die ers­ten Jah­re des Kai­ser­tums Va­len­ti­ni­ans. 

Ne­ben den dra­ma­ti­schen Er­eig­nis­sen der Kai­ser­nach­fol­ge war das Jahr 375 ein be­son­de­res Jahr in der rö­mi­schen Ge­schichts­schrei­bung. De­ren Da­tie­rung folg­te den jähr­lich am­tie­ren­den Kon­suln. Die­ses Jahr aber war ein Jahr post con­su­la­tum, al­so ein Jahr oh­ne kon­su­la­ri­sche Amts­trä­ger. So­mit wur­de es als das ers­te Jahr nach dem drit­ten Kon­su­lat Gra­ti­ans im Jahr 374 be­zeich­net. Eben­so än­der­ten sich 375 die Ver­hält­nis­se an der Do­nau­gren­ze durch das Auf­tre­ten der Hun­nen am Don. Das müh­sam ge­hal­te­ne Gleich­ge­wicht brach durch den An­sturm des Step­pen­vol­kes schlag­ar­tig zu­sam­men.

Be­reits 376 am­tier­te Va­len­ti­ni­an, der un­ter der Ob­hut sei­ner Mut­ter in Sir­mi­um (heu­te Srems­ka Mitro­vica in Ser­bi­en) re­si­dier­te, in sei­nem ers­ten Kon­su­lat als Kol­le­ge sei­nes On­kels Va­lens, der sei­ne fünf­te Amts­zeit ab­leis­te­te. Va­lens sei­ner­seits muss­te sich nun um das Pro­blem des Zu­zu­ges der Go­ten küm­mern, die in­ner­halb des Rö­mi­schen Rei­ches Zu­flucht vor den Hun­nen such­ten. Gra­ti­an si­cher­te sich die fak­ti­sche Al­lein­herr­schaft im Wes­ten, in­dem er Va­len­ti­ni­an Il­ly­ri­cum als ei­ge­nen Herr­schafts­be­reich zu­wies.

Die Jah­re 378 und 379 wur­den zu schick­sal­haf­ten Wen­de­punk­ten im Le­ben des jun­gen Va­len­ti­ni­an, die lan­ge Schat­ten nicht nur auf sei­ne Zu­kunft war­fen. 377 er­hielt Gra­ti­an in Trier ein Hil­fe­ge­such sei­nes On­kels Va­lens, der sich mit ei­nem Hun­ger­auf­stand der ins Reich ge­zo­ge­nen Go­ten kon­fron­tiert sah. Aber erst nach dem er­folg­rei­chen Ab­schluss ei­ner Straf­ex­pe­di­ti­on ge­gen die Ala­man­nen im Som­mer 378 mar­schier­te Gra­ti­an in Rich­tung Do­nau. Va­lens woll­te aber nicht län­ger auf Un­ter­stüt­zung war­ten. Am 9.8.378 kam es zur Schlacht von Adria­no­pel (heu­te Edir­ne). Die voll­stän­di­ge Nie­der­la­ge des rö­mi­schen Hee­res und der Tod des Va­lens wur­den von den Zeit­ge­nos­sen als ei­ne Zei­ten­wen­de emp­fun­den. Ein wei­te­rer Trie­rer, ei­ner der vier la­tei­ni­schen Kir­chen­vä­ter, Am­bro­si­us, drück­te die­ses Emp­fin­den tref­fend aus: In oc­ca­su sa­e­cu­li su­mus (wir be­fin­den uns am Aus­gang ei­nes Zeit­al­ters).

Gra­ti­an woll­te die Si­tua­ti­on zu sei­nen Guns­ten nut­zen und traf ei­ne zwie­späl­ti­ge Ent­schei­dung. Als Schild ge­gen die Go­ten und als Ge­währs­mann ge­gen die Am­bi­tio­nen der An­hän­ger­schaft Va­len­ti­ni­ans be­rief er den jün­ge­ren Theo­dosi­us (347-395) zu sei­nem Heer­meis­ter und am 19.1.379 zum Mit­kai­ser. Die­ser war der La­ge ge­wach­sen und be­ru­hig­te schnell die Kri­se um die Go­ten. Gleich­falls war durch sei­ne Er­nen­nung die Mög­lich­keit für Va­len­ti­ni­an ver­ei­telt wor­den, an die Stel­le sei­nes On­kels Va­lens zu tre­ten. An­de­rer­seits pro­vo­zier­te der selbst­herr­li­che Theo­dosi­us Gra­ti­an in re­li­giö­sen und ad­mi­nis­tra­ti­ven Fra­gen. Über­dies er­hob er aus ei­ge­nem An­trieb sei­nen Sohn Ar­ca­di­us (377-408) zum Kai­ser. 

Gra­ti­an ver­lor am 25.8.383 sein Le­ben in der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Usur­pa­tor Ma­gnus Ma­xi­mus (335-388), was Va­len­ti­ni­an im Al­ter von zwölf Jah­ren zum rang­äl­tes­ten Kai­ser mach­te. Er wei­ger­te sich, mit Ma­xi­mus zu ver­han­deln, der die Vor­mund­schaft über ihn ver­langt hat­te, und schick­te statt­des­sen Am­bro­si­us nach Trier. Va­len­ti­ni­an trat nun als Sub­jekt in die Ge­schich­te ein und be­gann mit dem Ver­such, ei­ne kai­ser­li­che Hal­tung nach dem Vor­bild sei­nes Va­ters zu ge­win­nen. Die Für­sor­ge für sei­ne Un­ter­ta­nen drück­te sich in sei­ner kon­se­quen­ten Wei­ge­rung aus, die Steu­ern nach Be­darf zu er­hö­hen. Als from­mer Christ hielt er an hei­li­gen Ta­gen kein Ge­richt. Auch über­prüf­te er – wie schon Kai­ser Ne­ro (37-68) – To­des­ur­tei­le per­sön­lich auf ih­re Recht­mä­ßig­keit. 

Ein Ein­fall der Jut­hun­gen 383 er­mög­lich­te Va­len­ti­ni­an, den Macht­an­spruch von Ma­xi­mus zu brem­sen. Va­len­ti­ni­ans Heer­meis­ter Bau­to (ge­stor­ben nach 388) so­wie sei­ne Bünd­ner Ala­nen und Hun­nen wehr­ten den Vor­stoß ab und dran­gen bis an die Gren­ze Gal­li­ens vor. Da nun das Herr­schafts­ge­biet von Ma­xi­mus be­droht war, bat er Va­len­ti­ni­an, sei­ne Trup­pen an­zu­hal­ten, was die­ser auch tat. Ma­xi­mus aber wur­den so die Gren­zen sei­ner Macht auf­ge­zeigt. 

Um Zeit zur Be­sei­ti­gung des Ma­xi­mus zu ge­win­nen, tra­fen sich Va­len­ti­ni­an und Theo­dosi­us im Au­gust 384 in Ve­ro­na und ei­nig­ten sich auf ei­ne einst­wei­li­ge Dul­dung der An­sprü­che des Usur­pa­tors.

Am 23.1.386 war Va­len­ti­ni­an in Mai­land und er­ließ ein To­le­ran­ze­dikt zu­guns­ten der Aria­ner, de­nen das Ver­samm­lungs­recht zu­ge­si­chert wur­de. Die­se an­er­kann­ten nicht die Be­schlüs­se der Kon­zi­le von Ni­caea (325) und Kon­stan­ti­no­pel (381) zur Gott­gleich­heit Chris­ti, son­dern lehr­ten des­sen Gottähn­lich­keit. Va­len­ti­ni­ans An­sin­nen, die­ser Glau­bens­ge­mein­schaft, der sei­ne Mut­ter an­ge­hör­te, die Ba­si­li­ka Por­tia­na vor den To­ren Mai­lands zu über­las­sen, mo­bi­li­sier­te die Geg­ner­schaft. Va­len­ti­ni­an sah da­von ab, sei­ne Au­to­ri­tät mit Ge­walt durch­zu­set­zen. Sei­ne Geg­ner aber muss­ten hin­neh­men, dass die Aria­ner in sei­nem Herr­schafts­ge­biet nach wie vor ih­ren Glau­ben aus­üben durf­ten.

Vor dem Hin­ter­grund die­ser schein­ba­ren Schwä­che er­griff Ma­xi­mus 387, dem Jahr des drit­ten Kon­su­lats Va­len­ti­ni­ans, die Ge­le­gen­heit, durch die Be­set­zung Ita­li­ens sich den ge­sam­ten Wes­ten ein­zu­ver­lei­ben. Va­len­ti­ni­an zog sich nach Thes­sa­lo­ni­ke zu Theo­dosi­us zu­rück, bei­de ver­ab­re­de­ten ein Zweck­bünd­nis. Va­len­ti­ni­an, der sich schon ein­mal ge­schickt dem Zu­griff des Ma­xi­mus ent­zo­gen hat­te, wähl­te mit der Nä­he zu Theo­dosi­us den Um­weg, der ihn zu­rück auf die brei­te Stra­ße zum Kai­ser­tum füh­ren soll­te. Theo­dosi­us sei­ner­seits hoff­te, mit Va­len­ti­ni­an in Glau­bens­fra­gen über­ein­zu­kom­men. Über­dies konn­te er aus ei­nem Sieg über Ma­xi­mus ab­lei­ten, der Ur­he­ber von Va­len­ti­ni­ans Kai­ser­tum zu sein.

 

Im Herbst 387 be­such­te Theo­dosi­us ihn und sei­ne Mut­ter im dal­ma­ti­schen Sa­lo­na (heu­te So­lin in Kroa­ti­en, un­weit von Split). Bei die­ser Ge­le­gen­heit lern­te er auch Va­len­ti­ni­ans Schwes­ter Gal­la ken­nen und hei­ra­te­te sie. Theo­dosi­us, der sei­nem Schwa­ger den Be­fehl über die Flot­te gab, kämpf­te sich im Früh­jahr 388 den Weg nach Ita­li­en frei. Bei Aqui­leia traf er auf Ma­xi­mus, der sich über­ra­schen­der­wei­se kampf­los er­gab und kurz dar­auf, am 28.8.388, von sei­nen ent­täusch­ten Trup­pen er­schla­gen wur­de. Im Herbst des Jah­res war auch Gal­li­en wie­der in der Hand des Kai­sers.

Va­len­ti­ni­an II. nahm 389 of­fi­zi­ell sei­ne Stel­lung als Kai­ser im Wes­ten mit der Haupt­stadt Trier ein und wur­de 390 zum vier­ten Mal Kon­sul. Im Herr­schafts­be­reich Va­len­ti­ni­ans lag die rea­le Macht aber in den Hän­den sei­nes Heer­meis­ters Ar­bo­gast (ge­stor­ben 394), ei­nes treu­en Ge­folgs­man­nes des Theo­dosi­us. Ar­bo­gast ver­folg­te ei­ne ei­gen­stän­di­ge Po­li­tik. Aber nicht in dem Sin­ne, durch sei­nen Ein­fluss auf den jun­gen Kai­ser des­sen Herr­schafts­be­reich in die Hän­de der Fran­ken zu über­füh­ren (trans­la­tio im­pe­rii ad Fran­cos), son­dern aus dem ganz ei­gen­nüt­zi­gen Mo­tiv, sich bei Theo­dosi­us un­ent­behr­lich zu ma­chen. No­mi­nell un­ter Va­len­ti­ni­ans Be­fehl ste­hend, ging Ar­bo­gast ge­gen die Fran­ken vor, die den Ab­zug Ma­xi­mus´ nach Ita­li­en ge­nutzt hat­ten, um Köln zu plün­dern. Des Wei­te­ren si­cher­te er die von Va­len­ti­ni­ans Va­ter lan­ge un­ver­sehrt ge­hal­te­ne Rhein­gren­ze. Er be­herrsch­te auch zu­neh­mend die zi­vi­le Ver­wal­tung und sei­ne Macht wuchs be­stän­dig.

Für Va­len­ti­ni­an wa­ren die letz­ten Jah­re sei­nes jun­gen Le­bens ei­ne Zeit des Rin­gens um Wür­de. No­mi­nell war er im Be­sitz der höchs­ten Ge­walt, konn­te sie aber kaum aus­üben. Zu do­mi­nant war die Per­son des Theo­dosi­us, der durch Ar­bo­gast die Kon­trol­le über Va­len­ti­ni­an aus­zu­üben such­te. Dass er Ar­bo­gasts wah­ren Cha­rak­ter nicht er­kann­te, soll­te Theo­dosi­us noch mit ei­nem Bür­ger­krieg be­zah­len müs­sen. Einst­wei­len aber über­nahm er sicht­bar die kai­ser­li­che Va­ter­schaft nicht nur über sei­ne Söh­ne Ar­ca­di­us und Ho­no­ri­us (384-423), son­dern auch über den dienst­äl­te­ren Va­len­ti­ni­an.

Ar­bo­gasts Ver­hal­ten in­des wur­de so an­ma­ßend, dass die Si­tua­ti­on für den jun­gen Kai­ser im­mer un­er­träg­li­cher wur­de. Ab dem Win­ter 391/392 war er ihn in sei­nem Pa­last in Vi­en­na (heu­te Vi­en­ne an der Rhô­ne süd­lich von Ly­on) prak­tisch ein Ge­fan­ge­ner Ar­bo­gasts. Zum Aus­bruch of­fe­ner Feind­schaft und dem Be­ginn des letz­ten Ak­tes in die­sem Dra­ma kam es, nach­dem Ar­bo­gast wäh­rend ei­ner Be­ra­tung und trotz des aus­drück­li­chen Ver­bo­tes Va­len­ti­ni­ans das Rats­mit­glied Har­mo­ni­us vor al­ler Au­gen tö­te­te. Das konn­te Va­len­ti­ni­an nicht mehr hin­neh­men. Als er Ar­bo­gast an den Thron her­an­tre­ten und ihm sein Ent­las­sungs­schrei­ben über­rei­chen ließ, warf die­ser ihm die Schrift­rol­le mit dem Hin­weis vor die Fü­ße, er ha­be ihm sein Amt nicht ver­lie­hen, al­so kön­ne er es ihm auch nicht neh­men. Trotz die­ses Af­fronts un­ter­nahm Va­len­ti­ni­an ei­nen letz­ten Ver­such, mit Ar­bo­gast zu­recht zu kom­men. Er bat Am­bro­si­us, nach Vi­en­na zu kom­men, um ihn mit Ar­bo­gast zu ver­söh­nen und ihm selbst die Tau­fe zu spen­den. Am­bro­si­us mach­te sich auf den Weg nach Gal­li­en und schick­te sich ge­ra­de an, die Al­pen zu über­schrei­ten, als er die Nach­richt vom Tod des Kai­sers er­hielt. Am 25.5.392 war Va­len­ti­ni­an II. in sei­nem Pa­last in Vi­en­na er­hängt auf­ge­fun­den wor­den. 

Ein Rät­sel blie­ben die ge­nau­en Um­stän­de sei­nes To­des – für die Zeit­ge­nos­sen wie bis heu­te für die Wis­sen­schaft. Die Selbst­mord­the­se war und ist da­bei die plau­si­bels­te. Ei­ner­seits sprach der Wunsch des Kai­sers, die Tau­fe zu emp­fan­gen, für ein selbst­be­stimm­tes Le­bens­en­de. Es war da­mals üb­lich, dass sich auch from­me Chris­ten, wenn über­haupt, erst im An­ge­sicht des To­des tau­fen lie­ßen. An­de­rer­seits wies die Tat­sa­che, dass so­wohl Theo­dosi­us als auch Ar­bo­gast mo­na­te­lang in Un­tä­tig­keit ver­harr­ten, deut­lich dar­auf hin, dass bei­de von die­sem Er­eig­nis über­rascht wur­den. Al­so gab es kei­nen Cae­sa­ren­mord an der Rhô­ne.

Va­len­ti­ni­ans Leich­nam wur­de nach Mai­land über­ge­führt, wo er in der wäh­rend sei­ner Mai­län­der Zeit er­bau­ten Ba­si­li­ka des hei­li­gen Lau­ren­ti­us (San Lo­ren­zo Mag­gio­re) im kai­ser­li­chen Mau­so­le­um an der Süd­sei­te der Kir­che (heu­te Ca­pel­la di Sant´Aqui­li­no) ne­ben sei­nem Bru­der Gra­ti­an bei­ge­setzt wur­de. Er war der letz­te Kai­ser, der in Trier re­si­dier­te. Ob­schon der Vor­hang für ihn sehr früh fiel, war er doch im Le­ben wie im Tod ein Cha­rak­ter von be­mer­kens­wer­ter Kon­se­quenz. Da­zu fand Am­bro­si­us wie­der die rich­ti­gen Wor­te: „Lie­ber woll­te er den Tod für sich wäh­len, als dass er die To­des­ur­sa­che für an­de­re wür­de.“ 

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Solidus aus der Regierungszeit Valentinians II., auf der Rückseite werden Theodosius und Valentinian als siegreich dargestellt, 388-392 n. Chr.. (Classical Numismatic Group / CC BY-SA 3.0)

 
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Kirschbaum, Markus, Valentinian II., in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/valentinian-ii.-/DE-2086/lido/5e3a85d48c7004.76193831 (abgerufen am 19.04.2024)