Walther Dürrfeld

Ingenieur (1899–1967)

Marc Zirlewagen (Wehrheim)

Walther Dürrfeld, Porträtfoto.

Walt­her Dürrfeld war ab 1941 zu­nächst tech­ni­scher Lei­ter und ab 1944 Werks­di­rek­tor des I.G.-Far­ben-Werks Ausch­witz-Mo­no­witz. Im Nürn­ber­ger IG-Far­ben­pro­zess von 1947/1948 wur­de er 1948 we­gen Ver­skla­vung und Mas­sen­mord zu acht Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Nach der vor­zei­ti­gen Haft­ent­las­sung 1950 er­reich­te er in der west­deut­schen Wirt­schaft wie­der Füh­rungs­po­si­tio­nen.

Walt­her Dürrfeld wur­de am 24.6.1899 in Saar­brü­cken ge­bo­ren. Nach Be­such des dor­ti­gen Gym­na­si­ums nahm er ab 1917 am Ers­ten Welt­krieg teil, aus dem er 1918 als Leut­nant der Re­ser­ve, aus­ge­zeich­net mit dem Ei­ser­nen Kreuz II. Klas­se, zu­rück­kehr­te. Im Rah­men ei­ner Schlos­ser­leh­re leis­te­te er zu­nächst die vor­ge­schrie­be­ne prak­ti­sche Tä­tig­keit ab und stu­dier­te seit dem Win­ter­se­mes­ter 1919/1920 an der TH Aa­chen Ma­schi­nen­bau. Dort ge­hör­te er En­de 1920 zu den Grün­dern des Ver­eins Deut­scher Stu­den­ten, des­sen Vor­sitz er zeit­wei­se in­ne hat­te. Da­ne­ben en­ga­gier­te er sich in Hoch­schul­gre­mi­en. 1923 schloss er das Stu­di­um mit dem Di­plom­in­ge­nieur ab. An­schlie­ßend ar­bei­te­te er zwei Jah­re lang als Kon­struk­teur und Bau­lei­ter in ei­nem gro­ßen Hüt­ten­werk an der Saar. 1925 wur­de er As­sis­tent an der TH Aa­chen, wo er 1927 zum Dr.-Ing. pro­mo­viert wur­de. Im sel­ben Jahr über­nahm Dürrfeld die Lei­tung ei­nes Ma­schi­nen­be­triebs der I.G.-Far­ben-In­dus­trie AG im Werk Leu­na und wur­de dort 1930 als Ober­inge­nieur Lei­ter der Hoch­druck­be­trie­be.

In Leu­na hei­ra­te­te er am 29.8.1932 To­ni Les­meis­ter; aus der Ehe gin­gen vier Kin­der her­vor.

Ab 1934 war Dürrfeld in Leu­na als Ab­tei­lungs­lei­ter der Werk­stät­ten für die ge­sam­ten An­la­gen zur Hoch­druck­syn­the­se tä­tig. Be­reits 1932 war der Hob­by-Se­gel­flug­leh­rer in das NS-Flie­ger­korps ein­ge­tre­ten, dem er ab 1943 als Haupt­sturm­füh­rer an­ge­hör­te. 1934 wur­de er Mit­glied der Deut­schen Ar­beits­front (DAF) und trat 1937 in die NS­DAP ein. Im März 1941 wur­de er als Pro­ku­rist zum tech­ni­schen Lei­ter des im Auf­bau be­find­li­chen I.G.-Far­ben-Werks Ausch­witz-Mo­no­witz er­nannt. Die­ses Werk gilt noch heu­te als ein Sym­bol für die Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen Wirt­schaft und Po­li­tik in der NS-Zeit, die sich bis in die Ver­nich­tungs­la­ger hin­ein er­streck­te. So pro­fi­tier­te die I.G.-Far­ben von den Häft­lin­gen des be­nach­bar­ten KZ Aus­schwitz, die für das Werk Skla­ven­ar­beit leis­ten muss­ten. Als Chef­in­ge­nieur war Dürrfeld im Werk Ausch­witz-Mo­no­witz 1942 Bau- und Mon­ta­ge­lei­ter. 1944/41945 war er als Stell­ver­tre­ter des IG-Far­ben-Vor­stands­mit­glieds Ot­to Am­bros (1901-1990) Werks­di­rek­tor. Da­ne­ben war er 1944/1945 Be­zirks­ob­mann für Ober­schle­si­en bei der Wirt­schafts­grup­pe Che­mi­sche In­dus­trie. Aus­ge­zeich­net wur­de er mit dem Kriegs­ver­dienst­kreuz II. (1941) und I. Klas­se (1944). Nach ei­nem Ur­teil von Bernd Wag­ner mach­te sich Dürrfeld als „do­mi­nie­ren­de Fi­gur im I.G. Werk Ausch­wit­z“ in „be­son­ders schlim­mer Wei­se zum Kom­pli­zen der SS“. So sei­en ei­ne ver­stärk­te Dis­zi­pli­nie­rung, ei­ne sys­te­ma­ti­sche Über­wa­chung der Häft­lin­ge und der für vie­le töd­li­che Aus­tausch ent­kräf­te­ter ge­gen „neu­e“ Häft­lin­ge auf Dürrfelds In­itia­ti­ve zu­rück­zu­füh­ren. Dürrfeld sei im­mer skru­pel­lo­ser ge­wor­den und in sei­nen An­wei­sun­gen im­mer ra­di­ka­ler.

Nach der Räu­mung des Werks­ge­län­des am 25.1.1945 ge­lang ihm über Pir­na die Flucht in den Wes­ten, wo er vom 9.-17.6.1945 und ab 5.11.1945 in US-Haft kam. Vom al­li­ier­ten Mi­li­tär­ge­richt wur­de er am 30.7.1948 beim IG-Far­ben­pro­zess, ei­nem der Nach­fol­ge­pro­zes­se der Nürn­ber­ger Pro­zes­se ge­gen die Haupt­kriegs­ver­bre­cher, we­gen des An­kla­ge­punkts „Ver­skla­vun­g“ zu acht Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Im Pro­zess hat­te er ver­geb­lich ver­sucht, das Werk in Mo­no­witz als Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger zu leug­nen und sich als „Wohl­tä­ter der Häft­lin­ge“ zu sti­li­sie­ren. Die Zeu­gen­aus­sa­gen ehe­ma­li­ger Häft­lin­ge wa­ren sei­ner An­sicht nach vol­ler Feh­ler und Über­trei­bun­gen. Ste­fan Hör­ner wer­tet die­se Pro­zess­stra­te­gie als „Flucht vor der Ver­gan­gen­heit“. Sei­ne Ver­tei­di­gung sei ei­ner Leug­nung des Mas­sen­mords der eu­ro­päi­schen Ju­den sehr na­he ge­kom­men.

1950 wur­de Dürrfeld aus der Haft in Lands­berg am Lech ent­las­sen. Sei­ne NS-Ver­gan­gen­heit war kein Hin­der­nis da­für, dass er kurz dar­auf in der In­dus­trie wie­der in lei­ten­de Po­si­tio­nen kam: So er­hielt er ei­ne lei­ten­de Stel­le bei den Feld­müh­le-Wer­ken in Lüls­dorf und Wes­se­ling bei Köln. Ei­ne Ein­stel­lung im Hoechst-Kon­zern schei­ter­te 1952 im Vor­feld sei­ner Zeu­gen­aus­sa­ge im Woll­heim-Pro­zess ge­gen die I.G. Far­ben­in­dus­trie. 1952 er­hielt er ein Pa­tent für ei­ne „Vor­rich­tung zum Ver­schwei­ßen von Ver­pa­ckungs­beu­teln“. Ab 1953 saß Dürrfeld im Vor­stand der Schol­ven Che­mie AG in Gel­sen­kir­chen-Buer, wur­de Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der Bor­ken­ber­ge Ge­sell­schaft in Reck­ling­hau­sen, Mit­glied des Auf­sichts­rats der Phe­nol­che­mie GmbH in Glad­beck, der Fries­ecke & Ho­epfner GmbH in Er­lan­gen und des Bei­rats der Ruhr­stick­stoff AG.

1964 ging Walt­her Dürrfeld in den Ru­he­stand. Er starb am 1.3.1967 in Kett­wig (heu­te Stadt Es­sen).

Quellen

Das Ur­teil im I.G.-Far­ben-Pro­zeß, hg. vom Mi­li­tär­ge­richt VI der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, Of­fen­bach 1948.
Tri­als of War Cri­mi­nals be­fo­re the Nu­rem­berg Mi­li­ta­ry Tri­bu­nals un­der Con­trol Coun­cil Law No. 10. Vol. VII und VIII. The Far­ben Ca­se, Wa­shing­ton 1951. Der Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zeß 1946/47. Wort­pro­to­kol­le, An­kla­ge- und Ver­tei­di­gungs­ma­te­ri­al, Quel­len zum Um­feld. Er­schlie­ßungs­band zur Mi­kro­fi­che-Edi­ti­on, Mün­chen 2000, S. 90.

Werke

Die Er­zeu­gung geo­me­trisch ge­nau­er Zahn­flan­ken an Ke­gel­rä­dern mit Ra­di­al­zäh­nen und die Tre­gol­d‛­sche An­nä­he­rung, Saar­brü­cken 1927 [zu­gleich Diss. TH Aa­chen].
Was das Gol­de­ne Buch des Saal­gau­ver­ban­des vom VDSt Hal­le-Wit­ten­berg er­zählt, in: Ver­ein Deut­scher Stu­den­ten Hal­le-Wit­ten­berg 1881–1931, o. O. o. J., S. 52-55.

Literatur

Kuhn, Ot­to, Zur Er­in­ne­rung an Walt­her Dürrfeld, in: Aka­de­mi­sche Blät­ter 69 (1967), S. 92.
Wag­ner, Bernd C., IG Ausch­witz. Zwangs­ar­beit und Ver­nich­tung von Häft­lin­gen des La­gers Mo­no­witz 1941–1945, Mün­chen 2000.
Klee, Ernst, Das Per­so­nen­le­xi­kon zum Drit­ten Reich, 2. Auf­la­ge, Frank­furt a. M. 2007, S. 121.
Lind­ner, Ste­phan H., Hoechst. Ein I.G. Far­ben Werk im Drit­ten Reich, Mün­chen 2005.
Schmaltz, Flo­ri­an, Die IG Far­ben­in­dus­trie und der Aus­bau des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz 1941–1942, in: So­zi­al.Ge­schich­te. Zeit­schrift für his­to­ri­sche Ana­ly­se des 20. und 21. Jahr­hun­derts 21 (2006), Heft 1, S. 33-67.
Rumpf, Joa­chim R., Der Fall Woll­heim ge­gen die I.G. Far­ben­in­dus­trie AG in Li­qui­da­ti­on. Die ers­te Mus­ter­kla­ge ei­nes ehe­ma­li­gen Zwangs­ar­bei­ters in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land: Pro­zess, Po­li­tik und Pres­se, Frank­furt a. M. 2010.
Hör­ner, Ste­fan, Pro­fit oder Mo­ral. Struk­tu­ren zwi­schen I.G. Far­ben­in­dus­trie AG und Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, Bre­men 2012.

Online

Kurz­bio­gra­phie auf „Woll­heim Me­mo­ri­al“ (Woll­heim-Kom­mis­si­on der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Zirlewagen, Marc, Walther Dürrfeld, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/walther-duerrfeld-/DE-2086/lido/57c6991d65af78.08390995 (abgerufen am 25.04.2024)