Winrich von Kniprode

Hochmeister des Deutschen Ordens (1352-1382)

Udo Arnold (Bonn)

Figur des Großmeisters Winrich von Kniprode vom Denkmal Friedrichs des Großen auf der Marienburg, heute im Hof vor dem Hochschloss, Künstler: Rudolf Simering 1872, Gießer: Hermann Gladenbeck 1878, Berlin-Friedrichshain, Foto: Margret Wensky, August 2011.

Mit der Per­son des rhei­ni­schen Ade­li­gen Win­rich von Kni­pro­de, der dem Deut­schen Or­den wäh­rend ei­ner 30-jäh­ri­gen Amts­zeit als Hoch­meis­ter vor­stand, ist die Blü­te­zeit des Or­dens­ter­ri­to­ri­ums Preu­ßen in au­ßen- wie in­nen­po­li­ti­scher, wirt­schaft­li­cher und kul­tu­rel­ler Hin­sicht ver­bun­den.

Win­rich ent­stamm­te dem Nie­dera­del des Rhein­lands. Na­men­ge­ben­der Stamm­sitz war Kni­prath bei Mon­heim (Kreis Mett­mann). Sei­ne El­tern sol­len Ni­ko­laus von Kni­pro­de und Be­la Over­stolz ge­we­sen sein, auch wenn ein ur­kund­li­cher Nach­weis da­für fehlt. Da­für spricht, dass die Fa­mi­lie Over­stolz meh­re­re Deut­schor­dens­rit­ter stell­te. Ge­bo­ren wur­de Win­rich von Kni­pro­de wohl um 1310. Wahr­schein­lich hat ihn Jo­hann Over­stolz, von 1332 bis 1334 Haus­kom­tur in Ma­ri­en­burg, nach Preu­ßen ge­holt. Erst­mals nach­weis­bar ist Win­rich 1334 als Kum­pan des Obers­ten Spitt­lers und Kom­turs von Elbing, al­so in der Funk­ti­on ei­nes per­sön­li­chen Ad­ju­tan­ten. Schon vier Jah­re spä­ter war er Kom­tur der be­deu­ten­den Kom­tu­rei Dan­zig und in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen des Deut­schen Or­dens mit dem Zis­ter­zi­en­ser­klos­ter Oli­va ein­ge­bun­den. 1342 wur­de er Kom­tur der gro­ßen Kom­tu­rei Bal­ga, ein Jahr spä­ter Gro­ß­ge­bie­ti­ger als Obers­ter Mar­schall mit Sitz in Kö­nigs­berg.

Als ein­zi­ger Gro­ß­ge­bie­ti­ger konn­te er sei­ne Po­si­ti­on beim Rück­tritt des Hoch­meis­ters Lu­dolf Kö­nig (Amts­zeit 1342-1345) hal­ten, al­le an­de­ren vier ver­lo­ren ihr Amt. 1346 stieg er zum Gro­ß­kom­tur auf, dem Stell­ver­tre­ter des Hoch­meis­ters; das Amt war zu die­sem Zeit­punkt von be­son­de­rer Be­deu­tung, da Hoch­meis­ter Hein­rich Du­se­mer (Amts­zeit 1345-1352) nicht voll re­gie­rungs­fä­hig war. In mi­li­tä­ri­scher Hin­sicht war Kni­pro­des Sieg über die Li­tau­er 1348 wich­tig. Als Du­se­mer zu­rück­trat, wur­de Win­rich 1352 zu sei­nem Nach­fol­ger ge­wählt.

 

Kni­pro­des Hoch­meis­ter­zeit war vor al­lem von zwei Fak­to­ren ge­prägt: Ers­tens durch die Ver­la­ge­rung des po­li­ti­schen Ge­wichts in Eu­ro­pa von West nach Ost, zwei­tens durch die Kon­kur­renz zu ei­ner Rei­he be­deu­ten­der ost­eu­ro­päi­scher Herr­scher, wie et­wa Ka­si­mir III. von Po­len (Re­gie­rungs­zeit 1333-1370), dem un­ga­ri­schen Kö­nig Lud­wig von An­jou (Re­gie­rungs­zeit 1342-1382), den li­taui­schen Groß­fürs­ten Ol­gierd (Re­gie­rungs­zeit 1345-1377) und Kin­stut (Re­gie­rungs­zeit nach 1341-1382) oder auch Kai­ser Karl IV. (Re­gie­rungs­zeit 1346-1378) als Kö­nig von Böh­men (seit 1347). Sie al­le ver­folg­ten ei­ne Po­li­tik der ter­ri­to­ria­len Aus­deh­nung. Das er­zeug­te zwar Span­nun­gen und ge­gen­sei­ti­ges Miss­trau­en, aber letzt­lich blieb der sta­tus quo der po­li­ti­schen Be­zie­hun­gen ge­wahrt. Von Freund­schaft wa­ren die­se Be­zie­hun­gen nicht ge­prägt, eher von küh­ler Dis­tanz, der De­mons­tra­ti­on mi­li­tä­ri­scher Stär­ke und vor­über­ge­hen­der Ge­heim­po­li­tik.

Preu­ßen war das ein­zi­ge Ter­ri­to­ri­um, das nicht auf Ge­biets­er­werb bau­en konn­te, im Ge­gen­satz zu Po­len, Un­garn, Li­tau­en und dem Kai­ser, der sei­ne In­ter­es­sensphä­re bis nach Li­tau­en er­wei­ter­te. Karl IV. stör­te da­mit die Aus­gleichs­po­li­tik des Hoch­meis­ters mit Li­tau­en, so dass Win­rich er­neut zu mi­li­tä­ri­schen Mit­teln grei­fen muss­te und Be­fes­ti­gun­gen ent­lang der Me­mel bis nach Kau­nas an­leg­te. "Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Li­tau­en zei­gen die­sen Hoch­meis­ter nicht nur als Heer­füh­rer, son­dern auch als Staats­mann, der po­li­ti­sche Lö­sun­gen an­streb­te." (Klaus Con­rad). Auch ge­gen­über Dä­ne­mark han­del­te Win­rich po­li­tisch ge­schickt. Im Kon­flikt des Kö­nigs Wal­de­mar At­ter­d­ag (Re­gie­rungs­zeit 1340-1375) mit der Han­se zog der Hoch­meis­ter die Fä­den im Hin­ter­grund, in­dem er sei­ne Städ­te vor­ge­hen ließ und die­se ins­ge­heim un­ter­stütz­te. So konn­te er den Kö­nig täu­schen, der 1370 mit ei­nem Hilfs­be­geh­ren in Preu­ßen er­schien, wäh­rend die preu­ßi­schen Städ­te trei­ben­de Kräf­te bei der Ent­ste­hung und Vor­ge­hens­wei­se der Köl­ner Kon­fö­de­ra­ti­on ge­gen Dä­ne­mark wa­ren, was schlie­ß­lich zur Nie­der­la­ge Dä­ne­marks und zum Stral­sun­der Frie­den von 1370 führ­te. Auch den Dau­er­streit mit dem Erz­bi­schof von Ri­ga konn­te Win­rich zeit­wei­se mil­dern; doch die Ge­gen­sät­ze im Stre­ben nach der Lan­des­herr­schaft in Liv­land wa­ren zu groß, als dass sie sich dau­er­haft hät­ten bei­le­gen las­sen.

In­nen­po­li­tisch griff Win­rich mit Neu­ord­nun­gen in die Lan­des­ver­wal­tung ein, in­dem er durch sei­ne re­gel­mä­ßi­ge Prä­senz die Be­völ­ke­rung stär­ker an die Per­son des Hoch­meis­ters band. Mit den Städ­ten fan­den zahl­rei­che Tag­fahr­ten statt, meist in Ma­ri­en­burg. Hier wur­den so­wohl wirt­schaft­li­che als auch au­ßen­po­li­ti­sche Fra­gen be­spro­chen. Der Lan­des­aus­bau ging plan­voll vor­an, der Wohl­stand vor al­lem der Han­dels­städ­te wuchs. Al­ler­dings wach­te der Hoch­meis­ter auch dar­über, dass die Ei­gen­stän­dig­keit der Städ­te nicht zu groß wur­de.

Win­rich grenz­te die Kom­pe­ten­zen zwi­schen Hoch­meis­ter und Amts­trä­gern des Or­dens neu ab, nicht zu­letzt durch ei­ne Re­form der Hoch­meis­ter­kanz­lei. Auch in das In­nen­ver­hält­nis des geist­li­chen Or­dens griff er mit zahl­rei­chen Ge­set­zen ein, in de­nen er vor al­lem auf die Or­dens­dis­zi­plin und das ge­mein­sa­me Le­ben ab­hob. Da­mit ver­bun­den war ei­ne In­ten­si­vie­rung der Vi­si­ta­tio­nen der Or­dens­nie­der­las­sun­gen ein­schlie­ß­lich neu­er Vi­si­ta­ti­ons­vor­schrif­ten. Das scheint nö­tig ge­we­sen zu sein, stellt man doch ei­ne schlei­chen­de Ver­welt­li­chung des Or­dens fest. Preu­ßen galt, ne­ben Bur­gund, zu je­ner Zeit als letz­ter Hort des Rit­ter­tums, was re­gel­mä­ßig vie­le ho­he und nie­de­re Ade­li­ge aus ganz Eu­ro­pa zur Teil­nah­me an den Kriegs­zü­gen ge­gen die noch heid­ni­schen Li­tau­er an­lock­te. Doch auch für den liv­län­di­schen und den deut­schen Or­dens­zweig wur­den of­fen­sicht­lich die Vi­si­ta­tio­nen ver­stärkt. Es war das wirk­sams­te Mit­tel, den all­mäh­lich ein­tre­ten­den Zen­tri­fu­gal­kräf­ten in­ner­halb des Or­dens ent­ge­gen zu steu­ern.

Win­richs hielt die Ver­bin­dung zu sei­ner Fa­mi­lie in all den Jah­ren auf­recht, was sich an der För­de­rung sei­ner gleich­na­mi­gen Nef­fen er­ken­nen lässt. Nach über 30-jäh­ri­ger Amts­zeit starb er am 24.06.1382 und wur­de in der Hoch­meis­ter­gruft in Ma­ri­en­burg bei­ge­setzt.

Win­richs Per­sön­lich­keit ist, wie bei den meis­ten mit­tel­al­ter­li­chen Herr­schern, nur schwer zu er­fas­sen. Viel­leicht neig­te er zum Jäh­zorn, an­de­rer­seits lässt sich deut­lich ei­ne Kon­ti­nui­tät in der Ko­ope­ra­ti­on mit un­ter­ge­ord­ne­ten Amts­trä­gern des Or­dens fest­stel­len: Die­se „Fä­hig­keit zur Zu­sam­men­ar­beit meint man im­mer wie­der aus den Quel­len her­aus­zu­spü­ren… Auch im Zu­sam­men­spiel mit den Ver­tre­tern der preu­ßi­schen Han­se­städ­te scheint sich die­se Fä­hig­keit be­währt zu ha­ben… „Den­noch ver­mit­teln die Quel­len stets den Ein­druck, daß Or­den und Or­dens­land von ihm mit fes­ter Hand und un­an­ge­foch­te­ner Au­to­ri­tät ge­führt wur­den. Es war ein Glücks­fall für das Or­dens­land, daß die lan­ge Re­gie­rungs­zeit Win­richs von Kni­pro­de mit ei­nem Sta­di­um der Ent­wick­lung die­ses Lan­des zu­sam­men­fiel, in der sein Wohl­stand noch un­ge­stört von den in­ne­ren Span­nun­gen und Ge­gen­sät­zen wuchs, un­ter de­nen es spä­ter litt. Dies hat die Zeit Win­richs von Kni­pro­de in den Au­gen spä­te­rer Ge­ne­ra­tio­nen ver­klärt." (Con­rad).

Literatur

Con­rad, Klaus, Win­rich von Kni­pro­de, in: Ar­nold, Udo (Hg.), Die Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens 1190-1994, Mar­burg 1998, S. 84-88.
Hubatsch, Walt­her, Win­rich von Kni­pro­de, Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens 1352-1382, in: Blät­ter für deut­sche Lan­des­ge­schich­te 119 (1983), S. 15-32.
Jäh­nig, Bern­hart, Win­rich von Kni­pro­de - Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens 1352-1382, in: Jahr­buch Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz 19 (1982), S. 249-276.
Masch­ke, Erich, Der deut­sche Or­dens­staat. Ge­stal­ten sei­ner gro­ßen Meis­ter, 2. Auf­la­ge, Ham­burg 1936, S. 75-87.
Oels­nitz, A[lex­an­der] B[ern­hard] E[rnst] von der, Her­kunft und Wap­pen der Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens 1190-1525, Kö­nigs­berg 1926, S. 67-68.
Wei­se, Erich, Win­rich von Kni­pro­de, Hoch­meis­ter des Deut­schen Or­dens, in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 2 (1966), S. 25-42.

Online

Loh­mey­er, Karl, "Win­rich von Kni­pro­de", in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 16 (1882), S. 295-297. [On­line]

Vorder- und Rückseite einer Münze des Deutschen Ordens aus der Zeit Winrichs von Kniprode. (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

 
Zitationshinweis

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Arnold, Udo, Winrich von Kniprode, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/winrich-von-kniprode/DE-2086/lido/57c93641297b52.96689355 (abgerufen am 29.03.2024)