Ebert, Simon, Wilhelm Sollmann- Sozialist – Demokrat – Weltbürger (1881-1951) (Politik und Gesellschaft 97), Bonn 2014

608 S., ISBN 978-3-8012-4223-7, 58 Euro

Alena Saam (Solingen)

Wil­helm Soll­mann ge­hör­te zu den „mar­kan­tes­ten Ver­tre­ten“ der SPD in der Zeit der Wei­ma­rer Re­pu­blik, den­noch ist er heu­te, so er­öff­net Ebert in sei­ner Dis­ser­ta­ti­on  (S. 9), dem brei­te­ren Pu­bli­kum wei­test­ge­hend un­be­kannt. Ebert wid­met sei­ne Ar­beit ei­ner Per­sön­lich­keit, die in den viel­be­weg­ten Zei­ten vom En­de des Kai­ser­reichs bis über das En­de des Zwei­ten Welt­kriegs hin­aus leb­te. Hier­durch er­klärt sich der vier­tei­li­ge chro­no­lo­gi­sche Auf­bau des Haupt­teils der Ar­beit, der Soll­manns Le­bens­weg wäh­rend des Kai­ser­reichs, der Wei­ma­rer Re­pu­blik, des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus so­wie im Exil de­tail­liert nach­zeich­net. Die ers­ten bei­den Ka­pi­tel ge­hen auf Soll­manns Kind­heit in der thü­rin­gi­schen Pro­vinz ein und le­gen dann den Fo­kus auf sei­nen jour­na­lis­ti­schen Wer­de­gang in Köln so­wie sei­ne po­li­ti­sche Pro­fi­lie­rung in der rhei­ni­schen So­zi­al­de­mo­kra­tie. Da­bei ver­knüpft der ­Au­tor Soll­manns Le­bens­weg ge­schickt mit Köl­ner Stadt­ge­schich­te, ins­be­son­de­re das zwei­te Ka­pi­tel über den Ers­ten Welt­krieg und die Re­vo­lu­ti­on 1918/1919 gibt ei­nen Ein­blick in die Köl­ner So­zi­al­de­mo­kra­tie und ih­re Kom­mu­nal­po­li­tik. Als Ver­tre­ter des re­for­mis­ti­schen Flü­gels der SPD be­für­wor­te­te Soll­mann nicht nur wäh­rend der Re­vo­lu­ti­on die Ko­ope­ra­ti­on mit dem po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus und dem da­ma­li­gen Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter, Kon­rad Ade­nau­er, son­dern auch dar­über hin­aus. Die­se Hal­tung ar­bei­te­t E­bert im an­schlie­ßen­den, dem um­fang­reichs­ten Ka­pi­tel, wei­ter her­aus, in­dem er un­ter an­de­rem die Be­mü­hun­gen Soll­manns um ei­ne Re­for­mie­rung der SPD zur Volks­par­tei und um ei­ne Neu­ori­en­tie­rung der Par­tei­pres­se dar­stellt. Mit Soll­manns Wahl in den Reichs­tag  und sei­nem Amt  als Reich­sin­nen­mi­nis­ter ver­lässt der Au­tor die Ebe­ne der Kom­mu­nal­po­li­tik und kon­zen­triert sich ver­stärkt auf reichs­po­li­ti­sche Ver­hält­nis­se; da­mit wech­selt er von der bis­her chro­no­lo­gi­schen zu ei­ner sys­te­ma­ti­schen Vor­ge­hens­wei­se. Schlie­ß­lich un­ter­sucht Ebert Soll­manns Weg in die Emi­gra­ti­on nach der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten, der ihn un­ter an­de­rem nach Lu­xem­burg, ins Saar­ge­biet und schlie­ß­lich in die USA führ­te, wo er 1943 ame­ri­ka­ni­scher Staats­bür­ger wur­de und 1951 ver­starb. 

Si­mon Eberts „in­di­vi­du­al-, so­zi­al- und struk­tur­his­to­ri­sche“ (S. 10) Ar­beits­wei­se er­mög­licht ei­ne um­fas­sen­de his­to­ri­sche Kon­textua­li­sie­rung un­ter gleich­zei­ti­ger be­son­de­rer Be­ach­tung der Per­sön­lich­keit Wil­helm Soll­manns. Da­mit ord­net sich Ebert in die Rei­he der in den letz­ten Jah­ren neu auf­blü­hen­den kri­ti­schen bio­gra­phi­schen For­schung ein. Ge­ra­de Wil­helm Soll­mann bot sich für ei­ne sol­che Stu­die an, da er ei­ner­seits durch sei­ne Le­bens­da­ten als „Spie­gel der [his­to­ri­schen] Er­eig­nis­se“, so Ebert (S. 11), dient und an­de­rer­seits von der For­schung bis­her kaum be­ach­tet wur­de. Der Au­tor konn­te auf ei­ne Quel­len­fül­le aus Soll­manns um­fang­rei­chem Nach­lass und sei­ner pu­bli­zis­ti­schen so­wie red­ne­ri­schen Tä­tig­keit zu­rück­grei­fen.

Ebert prä­sen­tiert Soll­mann als ei­nen Quer­den­ker in der ei­ge­nen Par­tei, der mehr an ein bür­ger­li­ches als ein pro­le­ta­ri­sches Welt­bild an­knüpf­te. Es wur­zel­te in dem „klein­städ­ti­schen-länd­li­chen Um­fel­d“ von Soll­manns Kind­heit, in den christ­li­chen Leh­ren von Carl Ja­tho und den Be­son­der­hei­ten der rhei­ni­schen Ar­bei­ter­klas­se. Dar­aus re­sul­tier­te auch sei­ne Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft mit dem po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus. Das führ­te zu Rei­bun­gen mit sei­nen Par­tei­ge­nos­sen und schlie­ß­lich in die po­li­ti­sche Iso­la­ti­on, die in sei­ner Zeit im Exil bis zu sei­nem Tod an­dau­er­te. Ebert be­wer­tet Soll­manns in­di­vi­du­el­le Denk­wei­se den­noch po­si­tiv im Hin­blick auf sei­ne un­be­ding­te Ver­tei­di­gung der par­la­men­ta­ri­schen De­mo­kra­tie und sei­nen Re­form­wil­len. Soll­manns par­tei­über­grei­fen­des Han­deln führ­te zu Be­ginn der Wei­ma­rer Re­pu­blik je­doch auch zu Kon­tak­ten mit Na­tio­nal­so­zia­lis­ten, wie Ot­to Stras­ser (1897-1974), und zu ei­nem be­ton­ten Pa­trio­tis­mus mit ge­le­gent­li­chen an­ti­se­mi­ti­schen Äu­ße­run­gen. Der Au­tor be­ur­teilt die­se le­dig­lich als „Fehl­trit­te“ (S. 562). Hier stellt sich je­doch die Fra­ge, in­wie­weit Soll­mann ins­be­son­de­re in den An­fangs­jah­ren der Wei­ma­rer Re­pu­blik da­mit noch als po­si­ti­ver „Quer­den­ker“ gel­ten kann und nicht an­de­re Fa­cet­ten sei­ner Per­sön­lich­keit über­se­hen wer­den? Eberts Fa­zit lässt an die­ser Stel­le ei­ne grö­ße­re Dis­tanz zu der un­ter­such­ten Per­son ver­mis­sen. Den­noch hat er mit sei­ner Dis­ser­ta­ti­on ei­ne quel­len­ge­sät­tig­te, in ih­ren Schluss­fol­ge­run­gen gut nach­voll­zieh­ba­re so­wie les­ba­re Ar­beit vor­ge­legt, die dem lan­ge Zeit von der For­schung we­nig be­ach­te­ten Wil­helm Soll­mann neue Auf­merk­sam­keit zu ver­schaf­fen ver­mag.

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Saam, Alena, Ebert, Simon, Wilhelm Sollmann- Sozialist – Demokrat – Weltbürger (1881-1951) (Politik und Gesellschaft 97), Bonn 2014, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Verzeichnisse/Literaturschau/ebert-simon-wilhelm-sollmann--sozialist-%25E2%2580%2593-demokrat-%25E2%2580%2593-weltbuerger-1881-1951-politik-und-gesellschaft-97-bonn-2014/DE-2086/lido/57d2637190dd18.92175967 (abgerufen am 19.03.2024)