Friedrich IV. von Wied

Erzbischof und Kurfürst von Köln (1562-1568)

Martin Bock (Frechen)
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Erz­bi­schof Fried­rich IV. von Wied soll­te das Köl­ner Erz­stift aus der Fi­nanz­mi­se­re be­frei­en, die sein Vor­gän­ger Jo­hann Geb­hard von Mans­feld  hin­ter­las­sen hat­te. Doch statt­des­sen wei­te­te sich ei­ne for­ma­le Aus­ein­an­der­set­zung zu ei­nem so hef­ti­gen Streit aus, dass Fried­rich am En­de von sei­nem Amt zu­rück­trat.

Der Re­for­ma­ti­ons­ver­such sei­nes On­kels Her­mann V. von Wied lag kei­ne zwei Jahr­zehn­te zu­rück, als das Dom­ka­pi­tel Fried­rich am 19.11.1562 zum Erz­bi­schof wähl­te. Mit der Ent­schei­dung für die Fa­mi­lie Wied-Run­kel, aus der er stamm­te, kehr­te das Ka­pi­tel auf der ei­nen Sei­te zu ei­nem alt­ein­ge­ses­se­nen rhei­ni­schen Gra­fen­ge­schlecht, aus dem vie­le Söh­ne ih­rer­seits ei­ne Dom­her­ren­stel­le in­ne hat­ten, als In­ha­ber der Kur­wür­de zu­rück. Auf der an­de­ren Sei­te stand das Haus seit Her­mann von Wied je­doch un­ter dem stän­di­gen Ver­dacht, re­li­giö­se Neue­run­gen zu be­för­dern. Die Mit­glied­schaft im Wet­ter­au­er Gra­fen­ver­ein, die Fried­richs Va­ter Jo­hann III. von Wied-Run­kel (1485-1533) im Jahr 1511 ein­ge­gan­gen war, tat da­zu ein Üb­ri­ges. Ge­bo­ren wur­de Fried­rich 1518, sei­ne Mut­ter war Eli­sa­beth von Nas­sau-Dietz (1488-1559). Erst ver­hält­nis­mä­ßig spät stieg er in die geist­li­che Lauf­bahn ein; 1534 wur­de er Propst des Bon­ner Cas­si­us-Stif­tes, drei Jah­re spä­ter Dom­herr in Köln. Ge­ra­de in Bonn hat­te sein On­kel Her­mann ihn pro­te­giert und ge­gen ei­nen päpst­li­chen Kan­di­da­ten durch­ge­setzt, was die Zwei­fel der Ku­rie an sei­ner Recht­gläu­big­keit nur nähr­te.

Fast scheint sein Weg zum Erz­bi­schof vor­ge­zeich­net: zwei­mal über­nahm er von sei­nem Vor­gän­ger Jo­hann Geb­hard von Mans­feld ei­ne Dom­prä­la­tur, 1548 die des Chor­bi­schofs und 1558 die des Sub­de­kans, die er al­ler­dings nur we­ni­ge Mo­na­te be­hielt, um am Jah­res­en­de zum De­kan und da­mit Vor­ste­her des Ka­pi­tels auf­zu­stei­gen. Wei­te­re Pfrün­den be­saß er am Köl­ner Stift St. Ge­org so­wie in Ut­recht. Als Jo­hann Geb­hard An­fang No­vem­ber 1562 ge­stor­ben war, dräng­ten vor al­lem der Kai­ser und die Kur­fürs­ten auf ei­ne ra­sche Neu­wahl. Der al­te Kai­ser Fer­di­nand I. (Re­gie­rungs­zeit 1531-1564) woll­te sei­ne Nach­fol­ge si­chern und sei­nen Sohn Ma­xi­mi­li­an (Re­gie­rungs­zeit 1562-1576) zum rö­mi­schen Kö­nig wäh­len las­sen, und Jo­hann Geb­hards Tod hat­te das ver­zö­gert. In­ner­halb von nur zwei Wo­chen – üb­lich wa­ren et­wa sechs – muss­te das Dom­ka­pi­tel nun­mehr die Wahl vor­be­rei­ten und durch­füh­ren. Am 19. No­vem­ber er­hielt Fried­rich fast al­le Dom­her­ren­stim­men, ob­wohl er selbst das Amt gar nicht an­ge­strebt hat­te. Aber sei­ne her­vor­ra­gen­de Stel­lung als De­kan, sei­ne kon­fes­sio­nel­le To­le­ranz und sei­ne be­kann­te Spar­sam­keit, die nach den fi­nan­zi­el­len Es­ka­pa­den Jo­hann Geb­hards hilf­reich er­schien, ga­ben den Aus­schlag.

Für In­thro­ni­sa­ti­on und Hul­di­gung blieb kaum Zeit, denn am 24. No­vem­ber wur­de er be­reits zur Stimm­ab­ga­be in Frank­furt er­war­tet. Erst nach sei­ner Rück­kehr konn­te er sich ge­nau­er mit den in al­ler Ei­le for­mu­lier­ten Wahl­auf­la­gen aus­ein­an­der­set­zen – und ver­blüff­te das Dom­ka­pi­tel mit ei­ner ge­ra­de­zu re­vo­lu­tio­nä­ren An­kün­di­gung. Das Gre­mi­um, so ver­lang­te er, das sich seit al­ters als ers­ter Land­stand und Mit­re­gent im Erz­stift be­trach­te­te, soll­te nicht nur wie bis­lang For­de­run­gen an den neu ge­wähl­ten Erz­bi­schof stel­len, son­dern sich ak­tiv an de­ren Er­fül­lung be­tei­li­gen. Die­se Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men lehn­te das Dom­ka­pi­tel ab; Fried­rich al­ler­dings be­harr­te auf sei­ner Po­si­ti­on und er­klär­te, nicht eher die Re­gie­rung an­zu­tre­ten, bis das Dom­ka­pi­tel ein­wil­li­ge. Die Fol­gen für Kur­k­öln wa­ren fa­tal: zwar küm­mer­te sich Fried­rich um Reichs­an­ge­le­gen­hei­ten, kam aber im Erz­stift nicht zu ei­ner fak­ti­schen Herr­schaft. Steu­ern und Ab­ga­ben wur­den nicht be­wil­ligt, Ver­ant­wor­tun­gen hin und her ge­scho­ben. Fried­rich re­gier­te oh­ne ge­lehr­te Rä­te, die er in­fol­ge Geld­man­gels nicht be­zah­len konn­te, und be­stell­te kei­nen Weih­bi­schof, wor­über er sich mit dem Dom­ka­pi­tel hät­te ei­ni­gen müs­sen. Dar­un­ter litt nicht nur die staat­li­che Ver­wal­tung: Pries­ter- und an­de­re Wei­hen konn­ten nicht voll­zo­gen, Sa­kra­men­te wie die Fir­mung nicht ge­spen­det wer­den. Die­se Stand­haf­tig­keit, die zu­wei­len als Starr­sinn be­schrie­ben wird, scha­de­te Fried­rich vor al­lem im Hin­blick auf sein Ver­hält­nis zur rö­mi­schen Ku­rie. Zu­nächst wei­ger­te er sich, dass sein Erz­stift zum drit­ten Mal in­ner­halb von sechs Jah­ren die ho­hen Be­stä­ti­gungs­ge­büh­ren be­zah­len soll­te. Dar­in er­hielt er vom Kai­ser Un­ter­stüt­zung, so dass Papst Pi­us IV. (Pon­ti­fi­kat 1559-1565) auf zwei Drit­tel der fäl­li­gen Sum­me ver­zich­te­te. Al­ler­dings wei­ger­te sich Fried­rich dar­auf­hin, die seit 1564 für al­le In­ha­ber kirch­li­cher Pfrün­den ob­li­ga­to­ri­sche „Pro­fes­sio fidei“, den Glau­benseid im Sin­ne des Tri­en­ter Kon­zils, zu leis­ten. Ob­wohl der Kai­ser sich wie­der­um für ihn ein­setz­te, blieb der Papst dies­mal un­nach­gie­big, wahr­schein­lich auch be­stärkt durch die über Fried­rich ver­brei­te­ten Hä­re­sie-Ge­rüch­te.

In­wie­fern die­se Ver­mu­tun­gen über ei­nen eher evan­ge­li­schen Glau­ben des Kur­fürs­ten be­grün­det wa­ren, ist nicht leicht zu be­ant­wor­ten. Quel­len über die Ma­ni­fes­ta­ti­on des per­sön­li­chen Glau­bens von Fürs­ten sind rar; so kön­nen Rück­schlüs­se meist nur aus ih­rem Han­deln ge­zo­gen wer­den. Da­bei be­müh­te Fried­rich sich um Fest­hal­tung an der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on. Pries­ter­ehe und Lai­en­kelch lehn­te er, ob­wohl er durch­aus die Mög­lich­keit zur Zu­las­sung ge­habt hät­te, ab. Al­ler­dings ließ er prak­tisch Glau­bens­neue­run­gen in sei­nem Erz­stift frei­en Lauf und un­ter­stütz­te die geist­li­che Frei­stel­lung, die dem Stifts­adel die of­fi­zi­el­le Kon­ver­si­on zur Con­fes­sio Au­gustana er­mög­licht hät­te. Mit die­ser un­durch­sich­ti­gen Po­li­tik iso­lier­te sich Fried­rich end­gül­tig von Rom, das mit sei­ner un­nach­gie­bi­gen Hal­tung of­fen­bar ein Ex­em­pel sta­tu­ie­ren woll­te. Al­ler­dings droh­te Fried­richs Iso­la­ti­on die­ses Mal das Ter­ri­to­ri­um ins­ge­samt in Le­thar­gie zu ver­set­zen. Er selbst un­ter­nahm kei­ne An­stren­gun­gen, die ver­fah­re­ne Si­tua­ti­on auf­zu­lö­sen, son­dern blieb, wie schon in der Fra­ge der Be­tei­li­gung des Dom­ka­pi­tels an der Ent­schul­dung des Erz­stif­tes, un­be­weg­lich.

Sei­ne letz­te Stüt­ze brach weg, als der neu­ge­wähl­te Trie­rer Erz­bi­schof Ja­kob III. von Eltz im Früh­jahr 1567 als ers­ter Reichs­bi­schof den Tri­den­ti­ni­schen Glau­benseid leis­te­te. Da­mit war Fried­richs Haupt­ar­gu­ment, die Geist­li­chen der Reichs­kir­che hät­ten die Pro­fes­sio sämt­lich nicht ge­leis­tet und könn­ten da­zu auch nicht ver­pflich­tet wer­den, der Bo­den ent­zo­gen. Als schlie­ß­lich Papst Pi­us V. (Pon­ti­fi­kat 1566-1572) an­deu­te­te, dem Dom­ka­pi­tel sein Wahl­recht zu ent­zie­hen, da es bei den ver­gan­ge­nen Wah­len nur un­wür­di­ge Kan­di­da­ten ge­fun­den ha­be, re­bel­lier­ten selbst die pro­tes­tan­tisch ge­sinn­ten Ka­no­ni­ker of­fen. Es war da­her nur kon­se­quent, wenn Fried­rich im Spät­som­mer 1567 sei­nen Rück­zug vom erz­bi­schöf­li­chen Amt in Aus­sicht stell­te. Er hat­te, an­ders als es sei­nen Ge­wohn­hei­ten wohl ent­sprach, es nicht ge­schafft die Ver­wei­ge­rung sei­ner An­er­ken­nung durch die Ku­rie aus­zu­sit­zen, und ver­lor zu­dem die kai­ser­li­che Un­ter­stüt­zung. Ma­xi­mi­li­an hat­te zwar noch ei­ne Ge­sandt­schaft nach Köln ge­schickt mit der Auf­ga­be, Erz­bi­schof und Dom­ka­pi­tel wie­der mit­ein­an­der zu ver­söh­nen. Tat­säch­lich ging es je­doch nur noch dar­um, ei­nen grö­ße­ren Scher­ben­hau­fen zu ver­mei­den und ei­nen ge­ord­ne­ten Über­gang zu er­mög­li­chen. Ge­sund­heit­lich ge­schwächt und of­fen­bar auch amts­mü­de ver­han­del­te Fried­rich noch über ei­ne Ver­sor­gungs­re­ge­lung, be­vor er am 25.10.1567 of­fi­zi­ell re­si­gnier­te. Von sei­ner nicht un­er­heb­li­chen Ab­fin­dung, die ihm un­ter an­de­rem ei­nen Platz im Köl­ner Dom­ka­pi­tel be­ließ, konn­te er al­ler­dings kaum ein Jahr pro­fi­tie­ren: am 23.12.1568 starb Fried­rich von Wied und wur­de, nicht mehr Erz­bi­schof, in der Köl­ner Do­mi­ni­ka­ner­kir­che bei­ge­setzt, die mit­samt sei­nem Grab­mal im Zwei­ten Welt­krieg zer­stört wur­de.

Literatur (Auswahl)

Bos­bach, Franz, Wied, Fried­rich Graf zu (+ 1568), in: Gatz, Er­win (Hg.), Die Bi­schö­fe des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches 1448 bis 1648, Ber­lin 1996, S. 252-257.
Mo­li­tor, Hans­ge­org, Das Erz­bis­tum Köln im Zeit­al­ter der Glau­bens­kämp­fe 1515-1688 (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 3), Köln 2008, S. 186-192.
Rei­mann, Edu­ard, Über den Streit des Köl­ner Kur­fürs­ten Fried­rich von Wied mit dem Paps­te (1563-1567), in: For­schun­gen zur deut­schen Ge­schich­te 11 (1871), S. 15-39 (Teil 1); 13 (1873), S. 354-371 (Teil 2).
Wolf, Gus­tav, Aus Kur­k­öln im 16. Jahr­hun­dert, Ber­lin 1905.

Online

Fran­zen, Au­gust, Ar­ti­kel „Fried­rich IV. Graf von Wied", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 5 (1961), S. 512-513. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Friedrich IV. von Wied, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-iv.-von-wied/DE-2086/lido/57c6c00ecd25d6.78621617 (abgerufen am 29.03.2024)