Hans Globke

Staatssekretär (1898-1973)

Erik Lommatzsch (Leipzig)

Hans Globke, Porträtfoto, 1963. (Bundesarchiv, B 145 Bild-F015051-0006/ Renate Patzek)

Hans Glob­ke war von 1949 bis 1963 im Bun­des­kanz­ler­amt in Bonn tä­tig, seit 1953 als Staats­se­kre­tär; er gilt als ei­ner der wich­tigs­ten Mit­ar­bei­ter von Kon­ra­d A­de­nau­er und ist bis heu­te we­gen sei­ner Tä­tig­keit in der Zeit der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft um­strit­ten. 

Ge­bo­ren wur­de Hans Glob­ke am 10.9.1898 in Düs­sel­dorf. We­nig spä­ter ver­leg­ten die El­tern ih­ren Wohn­sitz nach Aa­chen, wo sein Va­ter ei­ne ­Tuch­gro­ßhand­lung be­trieb. 1916 be­stand Hans Glob­ke am tra­di­ti­ons­rei­chen Aa­che­ner Kai­ser-Karls-Gym­na­si­um das Ab­itur. So­fort im An­schluss dar­an wur­de er ein­ge­zo­gen und kam an der West­front zum Ein­satz. Noch 1918 konn­te er das Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten auf­neh­men. Nach dem Be­such der Uni­ver­si­tä­ten Bonn un­d Köln, der 1922 in Gie­ßen er­folg­ten Pro­mo­ti­on und den ver­schie­de­nen ju­ris­ti­schen Vor­be­rei­tungs­sta­tio­nen wur­de er 1925 in der Aa­che­ner Po­li­zei­ver­wal­tung tä­tig. Be­reits seit 1922 war Hans Glob­ke Mit­glied der Zen­trums­par­tei.

Im De­zem­ber 1929 trat er als Re­gie­rungs­rat in das Preu­ßi­sche Mi­nis­te­ri­um des In­ne­ren in Ber­lin ein. Im De­zem­ber 1933 er­folg­te die Be­för­de­rung zum Ober­re­gie­rungs­rat. 1934 wur­de das Preu­ßi­sche In­nen­mi­nis­te­ri­um mit dem Reich­sin­nen­mi­nis­te­ri­um zu­sam­men­ge­legt. Glob­ke ver­blieb bis zum Kriegs­en­de in die­ser Be­hör­de; im Ju­li 1938 wur­de er zum Mi­nis­te­ri­al­rat er­nannt. Sei­ne Zu­stän­dig­keit um­fass­te un­ter an­de­rem „Na­mens­än­de­run­gen", „Per­so­nen­stands­we­sen" so­wie „In­ter­na­tio­na­le Fra­gen auf dem Ge­biet des Staats­an­ge­hö­rig­keits­we­sens und der Op­ti­ons­ver­trä­ge". Nach Kriegs­be­ginn war er vor al­lem als Re­fe­rent für „All­ge­mei­ne An­ge­le­gen­hei­ten und Ge­schäfts­füh­rung" beim „Ge­ne­ral­be­voll­mäch­tig­ten für die Reichs­ver­wal­tung" tä­tig. 

Im Zu­ge der ge­gen die jü­di­sche Be­völ­ke­rung ge­rich­te­ten na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Po­li­tik war er mit der Aus­ar­bei­tung ent­spre­chen­der Ge­set­ze und Ver­ord­nun­gen be­fasst. Glob­ke schrieb den ers­ten Kom­men­tar zu den Nürn­ber­ger Ge­set­zen, der 1936 er­schien. Ur­sprüng­lich soll­te er ihn ge­mein­sam mit sei­nem Vor­ge­setz­ten, Staats­se­kre­tär Wil­helm Stuck­art (1902-1953), er­ar­bei­ten; Stuck­art er­krank­te aber und steu­er­te dann nur die Ein­lei­tung bei. Die von Glob­ke 1940 be­an­trag­te Auf­nah­me in die NS­DAP wur­de 1943 mit der Be­grün­dung ab­ge­lehnt, dass er noch im­mer Ver­bin­dun­gen zu ehe­mals füh­ren­den Krei­sen der 1933 auf­ge­lös­ten Zen­trums­par­tei un­ter­hal­te. 

Es lässt sich für ei­ne Rei­he von Ein­zel­fäl­len nach­wei­sen, dass Glob­ke be­reit war, auch un­ter Aus­nut­zung sei­ner dienst­li­chen Stel­lung, Men­schen zu hel­fen, die durch die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ge­setz­ge­bung ent­rech­tet wa­ren. Dar­über hin­aus un­ter­stütz­te er Re­gime­geg­ner in­ner­halb der ka­tho­li­schen Kir­che, al­len vor­an den Ber­li­ner Bi­schof Kon­rad von Prey­sing (1880-1950), in­dem er In­for­ma­tio­nen wei­ter­gab. Ver­bin­dung hielt er auch zu an­de­ren Per­sön­lich­kei­ten des Wi­der­stan­des, et­wa zu Ja­kob Kai­ser (1888-1961). Ei­ner Aus­sa­ge von Ot­to Lenz (1903-1957) zu­fol­ge soll Glob­ke in den Pla­nun­gen für die Zeit nach dem – schlie­ß­lich ge­schei­ter­ten – Staats­streich vom 20.7.1944 für ei­ne ho­he Po­si­ti­on in der neu zu bil­den­den Re­gie­rung vor­ge­se­hen ge­we­sen sein. 

Vor die­sem Hin­ter­grund fällt es leich­ter, der An­sicht zu fol­gen, Glob­ke ha­be auch bei sei­ner le­gis­la­ti­ven Mit­ar­beit ver­sucht, we­nigs­tens Ver­zö­ge­run­gen und Mil­de­run­gen bei der an­ti­jü­di­schen Ge­setz­ge­bung zu er­rei­chen. Dies be­traf bei­spiels­wei­se die Stel­lung der so ge­nann­ten Halb- und Vier­tel­ju­den. Ein­schrän­ken­de Ten­den­zen las­sen sich auch in dem von Glob­ke ver­fass­ten Kom­men­tar aus­ma­chen: An­wäl­te, die in der Zeit der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft jü­di­sche Man­dan­ten ver­tra­ten, ha­ben dies nach dem Krieg aus­drück­lich be­stä­tigt. Ei­ne ab­schlie­ßen­de Aus­sa­ge über den Um­fang von Glob­kes Be­mü­hun­gen, ent­spre­chen­den amt­li­chen Ein­fluss zu neh­men, lässt sich je­doch nur schwer tref­fen. Bei dem spä­ter be­haup­te­ten Aus­maß dürf­te es sich in ei­ner Rei­he von Fäl­len um nach­träg­li­che Kon­struk­tio­nen han­deln. 

Hand­lungs­spiel­räu­me wa­ren aber ge­ge­ben und es las­sen sich Fäl­le nach­wei­sen, in de­nen ur­sprüng­lich här­te­re Maß­nah­men ge­plant wa­ren, als dann in den von Glob­ke aus­ge­ar­bei­te­ten Vor­schrif­ten er­schie­nen. Auch Ver­zö­ge­run­gen sind durch Ak­ten be­leg­bar.

Als hö­he­rer Mi­nis­te­ri­al­be­am­ter wur­de Glob­ke nach Kriegs­en­de in­ter­niert. Hier dien­te er vor al­lem den bri­ti­schen Be­sat­zern als „Be­ra­ter" und fer­tig­te Aus­ar­bei­tun­gen be­züg­lich der Ge­stal­tung des künf­ti­gen deut­schen Staats­we­sens an, bei­spiel­wei­se über das Wahl­recht. Be­reits im Ju­li 1946 konn­te er das Amt des Stadt­käm­me­rers sei­ner Hei­mat­stadt Aa­chen über­neh­men. Bei der Ent­na­zi­fi­zie­rung wur­de ihm 1947 der Sta­tus „un­be­las­tet" (Ka­te­go­rie V) zu­er­kannt. Mit­tels „Per­sil­schein" setz­te sich Glob­ke für ei­ne Rei­he von frü­he­ren Kol­le­gen ein. Als ehe­ma­li­ger Mi­nis­te­ri­al­rat, der Ver­bin­dun­gen zum Wi­der­stand nach­wei­sen konn­te und nicht der NS­DAP an­ge­hört hat­te (die An­trag­stel­lung spiel­te kei­ne Rol­le), war sein Zeug­nis ge­fragt. Sehr stark en­ga­gier­te er sich zu­guns­ten von Stuck­art, der im Wil­helm­stra­ßen­pro­zess an­ge­klagt war. 

Sei­tens der CDU, de­ren Mit­glied Glob­ke seit 1946 war, wur­de er ab En­de 1948 in Pla­nun­gen für den Auf­bau ei­ner künf­ti­gen Bun­des­ver­wal­tung ein­be­zo­gen. Das Amt des Vi­ze­prä­si­den­ten des Lan­des­re­chungs­ho­fes von Nord­rhein-West­fa­len in Düs­sel­dorf, wel­ches er seit Au­gust 1949 in­ne­hat­te, dürf­te er kaum aus­ge­übt ha­ben, da er be­reits knapp zwei Mo­na­te spä­ter in das Bon­ner Bun­des­kanz­ler­amt ein­be­ru­fen wur­de. 

Im Ju­li 1950 er­folg­te die Er­nen­nung zum Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor, im Ok­to­ber 1953 zum Staats­se­kre­tär. Von Be­ginn an galt Glob­ke als der ei­gent­li­che Or­ga­ni­sa­tor des Kanz­ler­am­tes. Er wur­de sehr schnell zu ei­nem der wich­tigs­ten und ver­läss­lichs­ten Mit­ar­bei­ter und Be­ra­ter Ade­nau­ers und kam mit na­he­zu al­len Po­li­tik­be­rei­chen in Be­rüh­rung. 

Ins­be­son­de­re die Per­so­nal­po­li­tik – Glob­ke ver­füg­te hier über her­aus­ra­gen­de Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten – war sein Be­tä­ti­gungs­feld. Da­mit eng ver­bun­den wa­ren auch An­ge­le­gen­hei­ten der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung. Im­mer wie­der wur­de sei­ne im­men­se Ar­beits­kraft her­vor­ge­ho­ben. Über die ei­gent­li­chen Auf­ga­ben als Staats­se­kre­tär hin­aus dien­te er dem Bun­des­kanz­ler als Ver­mitt­ler an wich­ti­gen Schnitt­stel­len der Po­li­tik, et­wa wenn es um die Be­zie­hun­gen zu den Kir­chen ging. Auch als Par­tei­vor­sit­zen­der der CDU er­fuhr Ade­nau­er die Un­ter­stüt­zung Glob­kes, der zeit­wei­se prak­tisch als ei­ne Art Ge­ne­ral­se­kre­tär agier­te, oh­ne ein Par­tei­amt in­ne zu ha­ben. Der Glob­ke-Plan von 1959/ 1960 mit Über­le­gun­gen zur Wie­der­ver­ei­ni­gung ist mit sei­nem Na­men ver­bun­den, je­doch han­delt es sich um ei­nen sin­gu­lä­ren As­pekt, da die Deutsch­land- und erst recht die Au­ßen­po­li­tik zu den we­ni­gen Fel­dern ge­hör­te, auf de­nen Glob­ke al­len­falls am Ran­de in Er­schei­nung trat. 

Als Kon­rad Ade­nau­er im Ok­to­ber 1963 vom Amt des Bun­des­kanz­lers zu­rück­trat, hat­te Glob­ke die Al­ters­gren­ze er­reicht und ging in den Ru­he­stand. Bis En­de der 1960er Jah­re war er in CDU-Krei­sen noch ein ge­frag­ter Be­ra­ter. Am 13.2.1973 starb Hans Glob­ke, nach län­ge­rer Krank­heit, in Bonn. 

Bis heu­te ist das Bild Glob­kes sehr stark ge­prägt von den Kam­pa­gnen, die seit Be­ginn der 1950er Jah­re ge­gen ihn we­gen sei­ner Tä­tig­keit im Preu­ßi­schen be­zie­hungs­wei­se Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­ne­ren ge­führt wur­den. Ei­gent­li­ches Ziel der An­grif­fe dürf­ten al­ler­dings eher Ade­nau­er be­zie­hungs­wei­se sei­ne Re­gie­rung ge­we­sen sein. Ins­be­son­de­re die DDR tat sich mit mas­si­ven An­schul­di­gun­gen her­vor; Hö­he­punkt war der im Ju­li 1963 ge­führ­te Schau­pro­zess, in dem Glob­ke in Ab­we­sen­heit zu le­bens­lan­gem Zucht­haus ver­ur­teilt wur­de. Bei den Kam­pa­gnen han­del­te es sich nicht in ers­ter Li­nie um ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung über durch­aus dis­kus­si­ons­wür­di­ge Wi­der­sprüch­lich­kei­ten, son­dern um star­ke Ver­zeich­nun­gen und zum Teil fal­sche An­schul­di­gun­gen mit pro­pa­gan­dis­ti­scher Ab­sicht. 

Bei Ade­nau­er ver­füg­te Glob­ke zwei­fels­frei über Ein­fluss, er ar­bei­te­te ef­fek­tiv und ge­räusch­los und hielt sich im Hin­ter­grund. Ihn je­doch als „graue Emi­nenz" zu be­zeich­nen, dürf­te Glob­ke nicht ge­recht wer­den, es wür­de die Di­men­si­on sei­ner Wir­kungs­macht und sei­nes Wir­kungs­wil­lens zu hoch ver­an­schla­gen. Selb­stän­di­ge po­li­ti­sche Pro­jek­te, wie dies et­wa sein Amts­vor­gän­ger Ot­to Lenz tat, ver­folg­te er nicht, sei­ne Ar­beit stand ganz im Dienst Ade­nau­ers und des­sen Re­gie­rung, er blieb stets ein „zwei­ter Mann". 

Literatur

Got­to, Klaus (Hg.), Der Staats­se­kre­tär Ade­nau­ers. Per­sön­lich­keit und po­li­ti­sches Wir­ken Hans Glob­kes, Stutt­gart 1980.
Hehl, Ul­rich von, Hans Glob­ke (1898-1973), in: Jür­gen Aretz / Ru­dolf Mor­sey / An­ton Rau­scher (Hg.), Zeit­ge­schich­te in Le­bens­bil­dern. Aus dem deut­schen Ka­tho­li­zis­mus des 19. und 20. Jahr­hun­derts, Band 3, Mainz 1979, S. 247-259.
Ja­cobs, Nor­bert, Der Streit um Dr. Hans Glob­ke in der öf­fent­li­chen Mei­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land 1949-1963. Ein Bei­trag zur po­li­ti­schen Kul­tur in Deutsch­land, Diss., Bonn 1992.
Lom­matzsch, Erik, Hans Glob­ke (1898-1973). Be­am­ter im Drit­ten Reich und Staats­se­kre­tär Ade­nau­ers, Frank­furt/M., New York 2009.

 
Zitationshinweis

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Lommatzsch, Erik, Hans Globke, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-globke/DE-2086/lido/57c6c8f6a1bde9.92003249 (abgerufen am 19.04.2024)