Herbert Zimmermann

Sportreporter (1917–1966)

Ralf Forsbach (Siegburg)

Der Sportreporter Herbert Zimmermann, Leiter der Abteilung Sport beim Norddeutschen Rundfunk, am Mikrofon, undatiert. (Westdeutscher Rundfunk, Historisches Archiv)

Die „Stim­me von Bern“ war ei­ne rhei­ni­sche. Her­bert Zim­mer­mann wur­de als Sport­re­por­ter zu ei­ner Iko­ne des nach Dik­ta­tur und Krieg wie­der zu Selbst­ver­trau­en fin­den­den Deutsch­land. Tei­le sei­ner Re­por­ta­ge vom End­spiel der Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft 1954 im Ber­ner Wank­dorf-Sta­di­on sind auch den nach­fol­gen­den Ge­ne­ra­tio­nen so­fort prä­sent, wenn die Re­de auf den ers­ten deut­schen Welt­meis­ter­ti­tel kommt.

Her­bert An­toi­ne Ar­thur Zim­mer­mann wur­de am 29.11.1917 in Als­dorf ge­bo­ren. Zu je­ner Zeit war sein Va­ter Aloys Sol­dat, muss­te aber nicht zur Front. Er hat­te 1908 die Kauf­mann­s­toch­ter Me­ta Francken ge­hei­ra­tet, ei­ne Fran­zö­sisch-Dol­met­sche­rin und Lek­to­rin. 1913 war als ers­tes Kind Her­berts äl­te­re Schwes­ter Ga­brie­le ge­bo­ren wor­den. Die Zim­mer­manns, die zu­nächst noch in Rhein­bach bei Bonn ge­wohnt hat­ten, ge­hör­ten zum Bil­dungs­bür­ger­tum und muss­ten kei­ne grö­ße­re ma­te­ri­el­le Not lei­den. In der Be­sat­zungs­zeit nach dem Ers­ten Welt­krieg ka­men der Fa­mi­lie die fran­zö­si­schen Sprach­kennt­nis­se der Mut­ter zu­gu­te. Sie wur­de von der Be­sat­zungs­kom­man­dan­tur als Dol­met­sche­rin ein­ge­setzt. Erik Eg­gers, der Bio­graph Her­bert Zim­mer­manns, weiß zu be­rich­ten, dass dies dem klei­nen Her­bert „Pri­vi­le­gi­en“ ein­brach­te: Die Sol­da­ten be­schenk­ten ihn mit Scho­ko­la­de und an­de­ren da­mals schwer er­hält­li­chen Din­gen.

In der Nach­kriegs­zeit zog die Fa­mi­lie er­neut um, ins na­he Aa­chen. Dort hat­te der Va­ter ei­ne An­stel­lung bei der Al­li­anz-Ver­si­che­rung er­hal­ten und muss­te dienst­lich häu­fig auf Rei­sen ge­hen. Zu­nächst be­glei­te­te ihn die Fa­mi­lie, doch er­wies sich die­se Pra­xis an­ge­sichts des Ba­bys Her­bert als pro­ble­ma­tisch. Schlie­ß­lich brach­te man Her­bert in ein Bon­ner S­äug­lings­heim. Aber bald be­reu­ten die El­tern die­ses Vor­ge­hen und hol­ten den kran­ken und ge­schwäch­ten Jun­gen wie­der heim. 

Das links­rhei­ni­sche Rhein­land präg­te das klei­ne Kind fort­an. Den von Erik Eg­gers aus­ge­wer­te­ten Auf­zeich­nun­gen der Mut­ter ist zu ent­neh­men, dass er 1920 die Herbst­fe­ri­en im Pfarr­haus des heu­te zu Alf­ter bei Bonn ge­hö­ren­den Wit­ter­schlick ver­brach­te. Den­noch blieb es nicht bei ei­ner Aa­che­ner Idyl­le mit Aus­flü­gen ins rhei­ni­sche Um­feld. Das Be­rufs­le­ben des Va­ters war wei­ter­hin mit zahl­rei­chen Rei­sen und auch Ver­set­zun­gen ver­bun­den. Ent­spre­chend bunt ver­lief Her­berts Schul­lauf­bahn. Nach zwei Volks­schul­jah­ren in Aa­chen muss­te er die Hei­mat ver­las­sen. Kas­sel, Frank­furt am Main, die In­ter­na­te Et­tal und Frei­burg im Breis­gau (Rotteck-Re­al­schu­le) so­wie Dort­mund, dem zeit­wei­li­gen Wohn­ort sei­ner El­tern, ge­hör­ten zu den Sta­tio­nen. Das Ab­itur be­stand er im Fe­bru­ar 1937 in Frei­burg. Ein­fach war die­se Ju­gend wahr­schein­lich nicht, zu­mal die Ehe der El­tern als zer­rüt­tet galt.

Noch vor dem 20. Le­bens­jahr war Zim­mer­manns Lei­den­schaft für die Sport­be­richt­er­stat­tung ge­weckt. Er hat­te früh Zu­gang zu Rund­funk­ge­rä­ten und wohl schon 1928 als Zehn­jäh­ri­ger die Re­por­ta­gen von den Olym­pi­schen Spie­len in Ams­ter­dam ver­folgt. Da­mals schied die deut­sche Fuß­ball-Na­tio­nal­mann­schaft im Vier­tel­fi­na­le aus, 1934 aber wur­de der Sieg im WM-Spiel um Platz drei ge­gen das zu­vor um den Ein­zug ins Fi­na­le be­tro­ge­ne und de­mo­ti­vier­te Ös­ter­reich zum „Wun­der von Nea­pel“. Mit den Olym­pi­schen Spie­len 1936 in Gar­misch-Par­ten­kir­chen und Ber­lin er­reich­te die So­zia­li­sa­ti­on zum künf­ti­gen Sport­re­por­ter ih­ren Hö­he­punkt – durch Män­ner wie Rolf Wer­ni­cke (1903–1953), dem Chef­spre­cher der Wo­chen­schau und Spre­cher in den Olym­pia­fil­men Le­ni Rie­fen­stahls (1902–2003), Paul La­ven (1902–1979) und dem über­zeug­ten Na­tio­nal­so­zia­lis­ten Ar­no Hell­mis (1901-1940), der 1936 Max Schme­lings (1905–2005) Sieg über Joe Louis (1914–1981) aus New York über­trug.

Doch ge­rad­li­nig ver­lief der Weg zum Sport­re­por­ter nicht. Dem Ab­itur folg­ten Reich­ar­beits­dienst und Wehr­macht. Den Krieg ver­brach­te Zim­mer­mann an der West- wie an der Ost­front. Im No­vem­ber 1941 wur­de er als Leut­nant der Re­ser­ve bei Ka­li­nin durch Gra­nat­split­ter am Bein so schwer ver­letzt, dass er von nun an sein rech­tes Bein et­was nach­zog. Für sei­nen wohl ge­fähr­lichs­ten Kriegs­ein­satz mel­de­te sich Zim­mer­mann im De­zem­ber 1944 frei­wil­lig in den „Kur­land-Kes­sel“, der ihm das Rit­ter­kreuz ein­brach­te. Knapp ent­kam er der rus­si­schen Kriegs­fan­gen­schaft und floh über die Ost­see. In Neu­müns­ter fiel er in eng­li­sche Hän­de. Weih­nach­ten 1945 konn­te er be­reits wie­der im fa­mi­liä­ren Kreis ver­brin­gen, bei sei­ner im west­fä­li­schen Marl woh­nen­den Schwes­ter.

Wäh­rend des Kriegs hat­te sich Zim­mer­manns Be­rufs­ziel wei­ter ver­fes­tigt. Zur Jah­res­wen­de 1942/1943 ge­lang es ihm – mög­li­cher­wei­se mit Hil­fe sei­ner neu­en Freun­din, der UFA-Pro­du­zen­tin Au­gus­te Reuß-Barth – den wich­ti­gen Kon­takt zu Rolf Wer­ni­cke zu knüp­fen. Bald dar­auf lie­fer­te Zim­mer­mann ei­ne Pro­be­re­por­ta­ge vom Städ­te­fuß­ball­spiel Ber­lin ge­gen Wien ab und be­rich­te­te vom Le­ben an der Front. Zim­mer­mann ab­sol­vier­te ein kur­zes Vo­lon­ta­ri­at, an des­sen En­de er ei­ne be­stan­de­ne Re­por­ter-Prü­fung vor­wei­sen konn­te.

Au­gus­te Reuß-Barth konn­te ih­rem Freund auch nach dem Krieg durch ih­re Kon­tak­te be­hilf­lich sein. Das Paar war nach Ham­burg ge­zo­gen, von wo aus der Nord­west­deut­sche Run­dung (NW­DR) sein Rund­funk­pro­gramm für Ham­burg, Ber­lin, Schles­wig-Hol­stein, Nie­der­sach­sen und Nord­rhein-West­fa­len aus­strahl­te. Wich­tig dürf­te vor al­lem die Be­kannt­schaft zu dem ein­fluss­rei­chen po­li­ti­schen Re­dak­teur Axel Eg­ge­brecht (1899–1991) ge­we­sen sein, wenn­gleich Zim­mer­mann zu­nächst nur kurz in Hör­spie­len auf­tre­ten konn­te so­wie Was­ser­stands­mel­dun­gen und Such­dienst­lis­ten ver­le­sen durf­te. Bald ge­hör­te Zim­mer­mann „da­zu“: Fast täg­lich be­geg­net er da­ma­li­gen Rund­funk­stars wie Max H. Reh­bein (ge­bo­ren 1918), Jür­gen Ro­land (1925–2007), Her­mann Rock­mann (1917–1997), Hel­ga Nor­den (ge­bo­ren 1924), Ro­se­ma­rie Schwe­rin und Gün­ther Schwer­mer (1911-2005). Ein Glücks­fall war für Zim­mer­mann, dass im Jahr 1946 Lud­wig Mai­bohm (1914–1997), eben­falls ein Schü­ler Wer­ni­ckes, von Ham­burg nach Frank­furt wech­sel­te. Mai­bohm hat­te zu­nächst ge­mein­sam mit dem für den Wes­ten zu­stän­di­gen Bern­hard Ernst (1899–1957) sämt­li­che Sport­über­tra­gun­gen über­nom­men. In das Va­ku­um konn­te Zim­mer­mann vor­sto­ßen und am 1.12.1946 das ers­te grö­ße­re Sport­er­eig­nis kom­men­tie­ren. Es han­del­te sich um ei­ne leicht zeit­ver­setz­te Über­tra­gung der zwei­ten Halb­zeit ei­nes Fuß­ball­spiels zwi­schen zwei Aus­wahl­mann­schaf­ten aus Nord- und Süd­deutsch­land.

Zim­mer­mann war nun in der pro­vi­so­ri­schen Sport­re­dak­ti­on des NW­DR un­ter dem frü­he­ren Leicht­ath­le­ten Walt­her von Adel­son (1896–1963) und Pe­ter Ul­brich eta­bliert. Ob­wohl der Sport in der wirt­schaft­lich schwie­ri­gen Nach­kriegs­zeit auch nicht an­nä­hernd den heu­te ge­wohn­ten Raum in der Rund­funk­be­richt­er­stat­tung ein­nahm, wur­de Zim­mer­mann bald be­kannt. Für ei­ne Zi­ga­ret­te oder an­de­re Schwarz­markt­pro­duk­te er­hoff­te man sich von ihm Nach­rich­ten aus der Sport­welt. Da es auch sei­ner Freun­din nicht an auch wirt­schaft­lich wich­ti­gen Kon­tak­ten man­gel­te, ging es dem Paar früh ver­gleichs­wei­se gut.

1947 tön­te Zim­mer­manns „rhei­ni­scher Pa­thoss­oun­d“ (Hel­mut Böt­ti­ger, ge­bo­ren 1956) im­mer öf­ter über den Äther. Erik Eg­ger hat un­ter an­de­rem die fol­gen­den von Zim­mer­mann über­tra­ge­nen Sport­er­eig­nis­se ver­zeich­net: Fuß­ball­städ­te­spiel Ham­burg ge­gen Köln (5.1.); die Mann­schafts­fuß­ball­spie­le Ham­bur­ger Sport­ver­ein (HSV) ge­gen For­tu­na Düs­sel­dorf (4.4.) und HSV ge­gen Bo­rus­sia Dort­mund (13.7.), das End­spiel um die in­of­fi­zi­el­le Zo­nen­meis­ter­schaft; der Box­kampf Hein ten Hoff (1919–2003) ge­gen Ri­chard Gru­pe (1915–1988) (10.5.); das Ho­ckey­städ­te­spiel Ham­burg ge­gen Köln (11.5.). Im Fe­bru­ar 1947 druck­te die „Hör­zu“ auf Wunsch der Le­ser un­ter der Ru­brik „Den möch­te ich sehn!“ ein Pho­to von Zim­mer­mann.

Im Ja­nu­ar/Fe­bru­ar 1948 ge­hör­te Zim­mer­mann mit sei­nem eins­ti­gen Men­tor Wer­ni­cke, der jetzt für den Süd­west­funk ar­bei­te­te, und Jo­sef Kir­mai­er (1897–1967) vom Baye­ri­schen Rund­funk zu der drei­köp­fi­gen De­le­ga­ti­on, die von den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len in Sankt Mo­ritz be­rich­ten konn­te. Ob­wohl kei­ne deut­schen Ath­le­ten teil­neh­men durf­ten und die zwei abend­li­chen Schal­tun­gen man­ches Mal aus tech­ni­schen Grün­den schei­ter­ten, wur­de die Be­richt­er­stat­tung zu ei­nem gro­ßen Er­folg in der Hei­mat. Vor Ort ge­noss Zim­mer­mann die Vor­zü­ge ei­ner in ver­gleichs­wei­se gro­ßem Wohl­stand le­ben­den Ge­sell­schaft in ele­gan­ter Um­ge­bung.

Dar­über ver­lor Zim­mer­mann die po­li­ti­sche Di­men­si­on des Sports und sei­ner Be­richt­er­stat­tung nicht aus den Au­gen. In ei­nem von Erik Eg­gers zi­tier­ten Olym­pia­rück­blick schreibt er: „Gleich­gül­tig, ob Schwei­zer oder Aus­län­der, al­le sind gleich hilfs­be­reit und freund­lich. Wir Deut­sche emp­fin­den das sehr wohl­tu­end und spü­ren die star­ke ver­bin­den­de Kraft des Sports. […] Wir Deut­sche wol­len zu­ver­sicht­lich hof­fen, dass wie bei den nächs­ten Win­ter­spie­len als gleich­be­rech­tig­te Teil­neh­mer mit da­bei sein wer­den!“ Die­se Hoff­nung soll­te sich er­fül­len. Zu­vor aber bril­lier­te Zim­mer­mann als Re­por­ter der Lon­do­ner Som­mer­spie­le, wo er bei der Über­tra­gung der Schluss­fei­er deut­lich wur­de. Es han­delt sich um das äl­tes­te er­hal­te­ne Ton­do­ku­ment mit der Stim­me Zim­mer­manns: „Mö­gen bei den Olym­pi­schen Spie­len in Os­lo und Hel­sin­ki auch die Na­tio­nen an den Start ge­hen, die heu­te noch feh­len oder feh­len müs­sen.“

In­tern setz­te er sich im NW­DR für ei­ne Neu­struk­tu­rie­rung der Sport­be­richt­er­stat­tung ein und knüpf­te an Ge­dan­ken sei­nes Chefs Pe­ter Ul­brich an, der den mo­no­to­nen Er­geb­nis­dienst re­for­mie­ren woll­te. Die­ser in­ter­es­sier­te nicht nur Sport­be­geis­ter­te, son­dern auch die von Zim­mer­mann kri­tisch ge­se­he­nen Teil­neh­mer an Sport­wet­ten. Ob­wohl er selbst auf Pfer­de setz­te und auch dem Rou­let­te zu­ge­neigt war, stell­ten für Zim­mer­mann die Wet­ten „ei­ne wach­sen­de Ge­fahr für die ur­sprüng­li­che Idee des Sports dar“. Sein Ide­al be­schrieb er ge­gen­über den Vor­ge­setz­ten fol­gen­der­ma­ßen: „Die wirk­li­che Sinn des Sports ist die kör­per­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit und Schu­lung, die Er­hal­tung von Ge­sund­heit und Kraft, die glück­li­che Ver­qui­ckung von Geist und Kör­per zur Leis­tungs­stei­ge­rung des Men­schen und nicht zu­letzt der Ge­dan­ke des Fair Play, der auf die cha­rak­ter­li­che Ent­wick­lung von ent­schei­den­der Be­deu­tung ist. Al­le die­se Din­ge müss­ten von Ju­gend auf ge­lehrt wer­den. Die Spit­zen­sport­ler soll­ten ei­gent­lich nur der sicht­ba­re Be­weis für den ge­lun­ge­nen Brei­ten­sport sein. Aber wie weit sind wir heu­te von die­sen sport-ethi­schen Grund­sät­zen ent­fernt! Fa­na­tis­mus und Sieg um je­den Preis re­gie­ren.“

Die Ein­füh­rung der Ul­tra­kurz­wel­le 1950 er­laub­te nicht nur die Re­gio­na­li­sie­rung des Pro­gramms, son­dern auch ei­ne Neu­kon­zep­ti­on der Sport­be­richt­er­stat­tung, die nach Zim­mer­mann kri­ti­schen Hin­ter­grund­jour­na­lis­mus ein­be­zie­hen soll­te. Gleich­zei­tig wur­de Zim­mer­mann zum „Lei­ter des Sport­funks“ im NW­DR be­för­dert. Hier muss­te er zwar bald ei­ne hef­ti­ge Feh­de mit dem „Spie­gel“ durch­fech­ten, in dem un­ter an­de­rem die Qua­li­tät des deut­schen Sport­jour­na­lis­mus in Zwei­fel ge­zo­gen und die Rol­le von Le­bens­ge­fähr­tin Au­gus­te Reuß-Barth kom­men­tiert wor­den war. Doch die fol­gen­de Nicht­be­rück­sich­ti­gung als Re­por­ter bei den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len 1952 in Os­lo stell­te nur ei­nen klei­nen Kar­rie­re­knick dar. Schon zu den Som­mer­spie­len in Hel­sin­ki war er wie­der da­bei. We­ni­ge Wo­chen spä­ter in­iti­ier­te er die ers­te „Kon­fe­renz­schal­tun­g“ bei den Über­tra­gun­gen von den Fuß­ball­spie­len der Ober­li­ga Nord.   

Zim­mer­manns Nach­ruhm aber grün­det in ers­ter Li­nie auf sei­ner Re­por­ta­ge vom End­spiel der Fuß­ball-WM 1954 in Bern. Wie spä­ter sein Kol­le­ge Ru­di Mi­chel (1921-2008) be­rich­te­te, ar­bei­te­te Zim­mer­mann der­art pro­fes­sio­nell, dass er sich im Vor­feld vie­le Ge­dan­ken über die­se Re­por­ta­ge mach­te. Er muss­te da­von aus­ge­hen, dass die deut­sche Elf wie im Grup­pen­spiel zu­vor hoch ge­gen Un­garn ver­lie­ren wür­de. Bei den Kol­le­gen such­te er Rat, wie er die Er­war­tun­gen des Pu­bli­kums dämp­fen könn­te. Tat­säch­lich prä­sen­tier­te er zu Be­ginn sei­ner Li­ve-Kom­men­tie­rung mit Hil­fe vor­be­rei­te­ter Text­bau­stei­ne be­reits die deut­sche Fi­nal­teil­nah­me als „Rie­sen­sen­sa­ti­on“, „ein ech­tes Fuß­ball­wun­der“. Doch bald konn­te er hoff­nungs­vol­ler spre­chen. Sei­ne Wor­te zum Sieg­tor Hel­mut Rahns (1929–2003) in der 84. Mi­nu­te wis­sen noch heu­te vie­le Fuß­ball­be­geis­ter­te aus­wen­dig zu zi­tie­ren: „Sechs Mi­nu­ten noch im Wank­dorf-Sta­di­on in Bern, kei­ner wankt, der Re­gen pras­selt un­auf­hör­lich her­nie­der, es ist schwer, aber die Zu­schau­er, sie har­ren nicht [sic] aus. Wie könn­ten sie auch – ei­ne Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft ist al­le vier Jah­re und wann sieht man ein sol­ches End­spiel, so aus­ge­gli­chen, so pa­ckend. Jetzt Deutsch­land am lin­ken Flü­gel durch Schä­fer. Schä­fers Zu­spiel zu Mor­lock wird von den Un­garn ab­ge­wehrt – und Boz­sik, im­mer wie­der Boz­sik, der rech­te Läu­fer der Un­garn am Ball. Er hat den Ball – ver­lo­ren dies­mal, ge­gen Schä­fer. Schä­fer nach in­nen ge­flankt. Kopf­ball – ab­ge­wehrt. Aus dem Hin­ter­grund müss­te Rahn schie­ßen – Rahn schie­ßt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“

Un­mut ver­ur­sach­te hin­ge­gen sein Lob auf den Na­tio­nal­tor­hü­ter To­ni Tu­rek in der­sel­ben Re­por­ta­ge: „Tu­rek, du bist ein Teu­fels­kerl! Tu­rek, du bist ein Fuß­ball­gott!“ Die­ser als Ver­stoß ge­gen das ers­te Ge­bot an­ge­se­he­ne Aus­ruf führ­te zu Be­schwer­den, un­ter an­de­rem de­s Ade­nau­er-Ver­trau­ten und Ban­kier­s Ro­bert Pferd­men­ges, so­wie zu ei­ner Rü­ge durch den NW­DR. Tat­säch­lich zeig­te Zim­mer­manns Pa­thos bei jun­gen Men­schen Wir­kung. Fried­rich Chris­ti­an De­li­us (ge­bo­ren 1943) hat in sei­ner Er­zäh­lung „Der Sonn­tag, an dem ich Welt­meis­ter wur­de“ (1994) den durch die Über­tra­gung aus Bern be­feu­er­ten Frei­heits­drang ei­nes elf­jäh­ri­gen Jun­gen in ei­ner von got­tes­fürch­ti­gen Au­to­ri­tä­ten ge­präg­ten At­mo­sphä­re li­te­ra­risch be­schrie­ben.

Her­bert Zim­mer­mann pfleg­te ein mon­dä­nes Le­bens, lieb­te gu­te Re­stau­rants, trug stets Ma­ß­an­zü­ge. Ger­ne ließ er sich scherz­haft als „Pe­ter Stuy­ves­an­t“ („Der Duft der gro­ßen wei­ten Welt“) und „Ste­wart Gran­ger“ (1913–1993) be­zeich­nen. Trotz der vie­len ihm nach­ge­sag­ten Af­fä­ren blieb die 1943 ein­ge­gan­ge­ne Ver­bin­dung zu Au­gus­te Reuß-Barth be­ste­hen. Er wid­me­te sich auch dem Un­ter­hal­tungs­gen­re, wirk­te et­wa in Ro­bert Lembkes (1913–1989) be­lieb­ter Ra­dio­ra­te­show „17 und 4“ mit. Lembke hat­te er 1962 als ARD-Sport­ko­or­di­na­tor be­erbt und konn­te nun selbst ent­schei­den, wer von wel­chen in­ter­na­tio­na­len Sport­er­eig­nis­sen für die Sen­der der ARD be­rich­te­te. 1966 über­trug er aus Lon­don er­neut das WM-Fi­na­le, die Nie­der­la­ge der Bun­des­re­pu­blik ge­gen Eng­land. Nun aber hat­te das Fern­se­hen an­ders als 1954 ei­nen ei­ge­nen Re­por­ter vor Ort und mehr Zu­schau­er als das Ra­dio Zu­hö­rer. Die­se Re­por­ta­ge mit der Schil­de­rung des lan­ge Zeit um­strit­te­nen „Wem­bley-Tor­s“ war Zim­mer­mann letz­te gro­ße von über­re­gio­na­ler Be­deu­tung.

Am 11.12.1966 fuhr Her­bert Zim­mer­mann mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin zu ei­nem In­ter­view­ter­min mit dem DFB-Prä­si­den­ten Her­mann Gös­mann (1904–1979) nach Os­na­brück. Dort ka­men bei­de nie an. Auf ge­ra­der Stre­cke und bei gu­tem Wet­ter kam der Mer­ce­des 220 SC von der Fahr­bahn ab. Bei­de In­sas­sen wur­den so schwer ver­letzt, dass sie ei­ni­ge Ta­ge spä­ter star­ben, Her­bert Zim­mer­mann am 16.12.1966 im Ham­bur­ger Uni­ver­si­täts­kran­ken­haus Ep­pen­dorf.

Literatur

Eg­gers, Erik, Die Stim­me von Bern. Das Le­ben von Her­bert Zim­mer­mann. Re­port­er­le­gen­de bei der WM 1954. Mit ei­nem Vor­wort von Man­ni Breuck­mann, Augs­burg 2004.
Lin­ke, Da­ni­el/Schwarz, Mar­tin Ma­ria, Der 12. Mann von Bern – Her­bert Zim­mer­mann, CD mit Book­let, Ham­burg 2004.
De­li­us, Fried­rich Chris­ti­an, Der Sonn­tag, an dem ich Welt­meis­ter wur­de. Er­zäh­lung, Rein­bek 1994.

Online

Das Wun­der von Bern. [On­line]
Der 12. Mann von Bern. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Forsbach, Ralf, Herbert Zimmermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/herbert-zimmermann/DE-2086/lido/57c82bb93526c6.12084938 (abgerufen am 20.04.2024)