Nikolaus Simmer

Nationalsozialistischer Funktionär, Landrat und Oberbürgermeister von Koblenz (1902-1986)

Petra Weiß (Koblenz)

Otto Simmer, um 1940, Porträtfoto. (Stadtarchiv Koblenz)

Schlagworte

Ni­ko­laus Sim­mer war ein au­ßer­ge­wöhn­lich be­gab­ter Mann, der sein Wis­sen und sei­ne Fä­hig­kei­ten ganz in den Dienst der NS­DAP stell­te. Vol­ler Ehr­geiz ent­schied er sich für ei­ne Kar­rie­re in der Po­li­tik statt in der Wis­sen­schaft. In jun­gen Jah­ren stieg er in ver­ant­wort­li­che Po­si­tio­nen wie die des Land­rats von Trier und Kreuz­nach auf, mit erst 37 Jah­ren wur­de er 1940 Ober­bür­ger­meis­ter von Ko­blenz. Nach 1945 ge­lang es ihm da­ge­gen nicht mehr, be­ruf­lich Fuß zu fas­sen. 

Ni­ko­laus Sim­mer wur­de am 11.11.1902 in Besch an der Ober­mo­sel (heu­te Ge­mein­de Perl) als Sohn des Land­wirts Jo­hann Sim­mer (um 1860-1917) und sei­ner Frau An­na ge­bo­re­ne Jo­chem (ge­bo­ren 1867) ge­bo­ren. Die wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se wa­ren ge­si­chert, doch sein aus­ge­zahl­tes Erb­teil ver­lor Sim­mer spä­ter durch die In­fla­ti­on. 1923 leg­te er nach dem Be­such des Leh­rer­se­mi­nars in Witt­lich das Ex­amen ab, fühl­te sich aber un­ter­for­dert. Zwei Jah­re lang ar­bei­te­te er als kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter in Saar­brü­cken, um sich ein Stu­di­um als Werk­stu­dent zu fi­nan­zie­ren. Ab 1925 stu­dier­te Sim­mer Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten an der Han­dels­hoch­schu­le Ber­lin und ab 1926 an der Uni­ver­si­tät Frank­furt am Main. Dort freun­de­te er sich mit ei­nem Kom­mi­li­to­nen, dem spä­te­ren NS­DAP-Gau­lei­ter Gus­tav Si­mon, an. Sim­mer wur­de Mit­glied de­s­ NS-Stu­den­ten­bun­des, für den er 1927 in der Stu­den­ten­ver­tre­tung saß, und am 12.2.1927 trat er der NS­DAP bei – und nicht erst im No­vem­ber 1932, wie er spä­ter in sei­nem Spruch­kam­mer­ver­fah­ren an­gab. 

Sei­ne Ex­ami­na als Di­plom-Kauf­mann und Di­plom-Han­dels­leh­rer so­wie sei­ne Pro­mo­ti­on zum Dok­tor rer.pol. ab­sol­vier­te Sim­mer 1929 mit „sehr gut“ in nur acht Se­mes­tern, ob­wohl er gleich­zei­tig als Ex­ter­ner das Ab­itur hat­te nach­ho­len müs­sen und kei­ne fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung aus dem El­tern­haus be­kom­men hat­te. 1929/1930 war er als Di­plom-Han­dels­leh­rer an der Hö­he­ren Han­dels­schu­le der Stadt Frank­furt am Main an­ge­stellt. Die Uni­ver­si­tät woll­te sei­ne be­acht­li­chen Stu­di­en­leis­tun­gen ho­no­rie­ren und ihm ei­ne wis­sen­schaft­li­che Lauf­bahn er­mög­li­chen. Un­ter 4.000 Stu­den­ten wur­de Sim­mer für ein Aus­lands­sti­pen­di­um an der Uni­ver­si­tät von Phil­adel­phia vor­ge­schla­gen, das er 1931/1932 nach Stu­di­en­auf­ent­hal­ten in Lon­don und Pa­ris ab­sol­vier­te. Nach 1945 be­haup­te­te er, er sei erst in den USA Na­tio­nal­so­zia­list ge­wor­den, weil er dort über die Ge­fah­ren des Bol­sche­wis­mus auf­ge­klärt wor­den sei und ei­ne Syn­the­se aus Li­be­ra­lis­mus und Kol­lek­ti­vis­mus als ei­ne ge­eig­ne­te Wirt­schafts­form für Deutsch­land er­kannt ha­be. Sein frü­hes Par­tei­ein­tritts­da­tum wi­der­legt das eben­so wie die Tat­sa­che, dass Sim­mer be­reits in den USA Pro­pa­gan­da­vor­trä­ge hielt. Bei sei­ner Rück­kehr 1932 ent­schied er sich ge­gen ei­ne aka­de­mi­sche Lauf­bahn und ging in die Po­li­tik, wo ihm an­ge­sichts des aku­ten Man­gels an qua­li­fi­zier­ten Par­tei­mit­glie­dern in der NS­DAP ei­ne ra­sche Kar­rie­re ge­lang. Über die­se Pha­se sei­ner po­li­ti­schen So­zia­li­sa­ti­on ver­öf­fent­lich­te Sim­mer 1968 un­ter dem Pseud­onym Klaus Sim­mer-Jo­chem (Mäd­chen­na­me sei­ner Mut­ter) au­to­bio­gra­phi­sche Er­in­ne­run­gen, die apo­lo­ge­ti­schen Cha­rak­ter ha­ben. Auch sein jün­ge­rer Bru­der Pe­ter (1905-1971) hat­te di­ver­se Äm­ter in Par­tei und Po­li­tik in­ne. 

Sim­mer wur­de im Früh­jahr 1932 Gau­red­ner. Im Au­gust 1932 war er Grün­dungs­mit­glied des „Ver­eins zur Um­schu­lung frei­wil­li­ger Ar­beits­kräf­te Ko­blenz e.V.“, der spä­ter im Reichs­ar­beits­dienst (RAD) auf­ging und des­sen Vor­sit­zen­der der spä­te­re Ko­blen­zer Ober­bür­ger­meis­ter Ot­to Witt­gen wur­de. Bei ­den Wah­len im März 1933 er­rang Sim­mer so­wohl im preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­land­tag ein Man­dat als auch in der Trie­rer Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung, wo er Vor­sit­zen­der der 14-köp­fi­gen NS­DAP-Frak­ti­on wur­de. Kom­mis­sa­risch war er zu­dem vom No­vem­ber 1932 bis En­de April 1933, al­so in ei­ner ganz ent­schei­den­den Pha­se des po­li­ti­schen Macht­kampfs, Kreis­lei­ter von Trier. In die­ser Funk­ti­on küm­mer­te sich Sim­mer um die Re­or­ga­ni­sa­ti­on der Trie­rer Orts­grup­pen. Am 1.3.1933 droh­te er dem Trie­rer Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Hein­rich Weitz (1890-1962), er wer­de 120 be­waff­ne­te SA-Leu­te zum Schutz der Ha­ken­kreuz­flag­ge auf­bie­ten, wenn die­ser ge­gen die seit dem 28. Fe­bru­ar il­le­gal auf dem Haupt­markt auf­ge­zo­ge­ne Par­tei­fah­ne vor­ge­he. Die­se Dro­hung wie­der­hol­te Sim­mer am 7. März in ähn­li­cher Form an­läss­lich ei­ner Mas­sen­kund­ge­bung.  

Nach der „Macht­er­grei­fung“ wur­de Sim­mer am 13.4.1933 zu­nächst kom­mis­sa­risch Trie­rer Land­rat, am 11. No­vem­ber er­folg­te sei­ne Be­stä­ti­gung. Mit gro­ßem Ehr­geiz und fach­li­cher Kom­pe­tenz ging Sim­mer die Be­kämp­fung der re­gio­na­len Wirt­schafts­pro­ble­me an. 

Am 30.3.1935 hei­ra­te­te er in Trier die 1913 ge­bo­re­ne Toch­ter ei­nes Maye­ner Rechts­an­walts, die Jung­mä­del­füh­re­rin Hed­wig Du­jar­din (1913-2011), mit der er drei Töch­ter be­kam. 

Gau­lei­ter Si­mon war von Sim­mers po­li­ti­scher Zu­ver­läs­sig­keit und fach­li­chen Fä­hig­kei­ten so über­zeugt, dass er ihn im Fe­bru­ar 1935 – er­folg­los – als Er­satz für den Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­den­ten vor­schlug. Ei­nen Mo­nat zu­vor hat­te Sim­mer kom­mis­sa­risch und eh­ren­amt­lich das Par­tei­amt des Gau­wirt­schafts­be­ra­ters über­nom­men. Er ver­öf­fent­lich­te Schrif­ten, für de­ren Ver­brei­tung er selbst­be­wusst sorg­te, be­müh­te sich um die Be­sei­ti­gung der Ar­beits­lo­sig­keit in der struk­tur­schwa­chen Re­gi­on und or­ga­ni­sier­te zum Bei­spiel Ak­tio­nen zur Stei­ge­rung des Wein­ab­sat­zes. Als Si­mon und die Par­tei­pro­pa­gan­da sei­ne Er­fol­ge als Land­rat und Gau­wirt­schafts­be­ra­ter ein­sei­tig für sich ver­buch­ten, ge­riet Sim­mer nach ei­ge­nen An­ga­ben zwi­schen die Fron­ten von Par­tei und Staat, per­so­ni­fi­ziert durch die Ri­va­len Si­mon und den Ober­prä­si­den­ten Jo­sef Ter­bo­ven. Ter­bo­ven ha­be ihn vor die Al­ter­na­ti­ve ge­stellt, ei­nes sei­ner bei­den Äm­ter auf­zu­ge­ben. Sim­mer leg­te dar­auf­hin am 26.10.1935 das Par­tei­amt nie­der. Sei­ne spä­te­re Be­haup­tung, er ha­be we­gen der Ver­ein­nah­mung sei­ner per­sön­li­chen Er­fol­ge durch die Par­tei in­ner­lich mit ihr ge­bro­chen, ist zu­min­dest für die­sen frü­hen Zeit­punkt un­glaub­wür­dig, denn er stell­te sich wei­ter­hin in den Dienst der NS­DAP. Doch dürf­te sei­ne Ei­tel­keit er­heb­lich ge­kränkt ge­we­sen sein, denn am 23. No­vem­ber er­litt Sim­mer ei­nen Ner­ven­zu­sam­men­bruch, den sein Arzt auf Über­ar­bei­tung zu­rück­führ­te. Wäh­rend sei­nes Ge­ne­sungs­ur­laubs wur­de Sim­mer am 30. De­zem­ber un­ter dem Vor­wurf des fahr­läs­si­gen Lan­des­ver­rats in den einst­wei­li­gen Ru­he­stand ver­setzt, an­geb­lich, weil er in ei­nem Pres­se­ar­ti­kel und in ei­nem Vor­trag den Gau Ko­blenz-Trier für den Kriegs­fall als „Räu­mungs­ge­bie­t“ be­zeich­net hat­te. Aber schon im Ja­nu­ar 1936 wur­de Sim­mer durch sei­ne zu­nächst kom­mis­sa­ri­sche Be­ru­fung zum Land­rat von Kreuz­nach re­ak­ti­viert. Da­ne­ben nahm er so­gar das nie­der­ge­leg­te Amt als Gau­wirt­schafts­be­ra­ter wie­der auf. Die­ser Pos­ten be­an­spruch­te ihn so sehr, dass der Re­gie­rungs­prä­si­dent mo­na­te­lang zö­ger­te, Sim­mers end­gül­ti­ge Be­stä­ti­gung zu be­an­tra­gen, weil er be­fürch­te­te, Sim­mer ver­nach­läs­si­ge sein Land­rats­amt. Ober­prä­si­dent Ter­bo­ven mach­te die end­gül­ti­ge Ein­wei­sung im März 1937 von der er­neu­ten Nie­der­le­gung des Par­tei­am­tes ab­hän­gig. Als Kreuz­nach­er Land­rat ge­riet Sim­mer in stän­di­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Par­tei, und zwar vor al­lem in Per­son des ört­li­chen Kreis­lei­ters, des­sen Ein­mi­schungs­ver­su­che er zu­rück­wies. Schon als Trie­rer Land­rat hat­te sich Sim­mer 1935 bei ei­ner Per­so­nal­ent­schei­dung über den dor­ti­gen Kreis­lei­ter hin­weg­ge­setzt. 

Als En­de 1939 die Stel­le des Ober­bür­ger­meis­ters von Ko­blenz va­kant wur­de, schlug der NS­DAP-Kreis­lei­ter trotz der noch lau­fen­den Be­wer­bungs­frist Sim­mer für die­sen Pos­ten vor. Der Re­gie­rungs­prä­si­dent schloss sich die­sem Vor­schlag an, und Ober­prä­si­dent Ter­bo­ven er­klär­te per Eil­bo­ten sein Ein­ver­ständ­nis mit der Be­ru­fung, so­dass Sim­mer schon am 6.1.1940 in der Rats­her­ren­ver­samm­lung fei­er­lich in sein Amt ein­ge­führt wer­den konn­te. Die not­wen­di­ge Be­ur­lau­bung von sei­nem Land­rats­amt sprach das In­nen­mi­nis­te­ri­um erst vier Ta­ge spä­ter aus. Sim­mer war mit sei­nen erst 37 Jah­ren das jüngs­te Stadt­ober­haupt, das Ko­blenz je hat­te. Au­ßer­dem war er der ers­te kon­fes­si­ons­lo­se Ober­bür­ger­meis­ter, denn er war be­reits 1937 aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­ge­tre­ten. 

Selbst wenn es spä­ter zu Dif­fe­ren­zen zwi­schen den Duz-Freun­den Si­mon und Sim­mer kam, muss der Gau­lei­ter 1940 noch von Sim­mers un­ein­ge­schränk­ter Loya­li­tät und po­li­ti­schen Zu­ver­läs­sig­keit über­zeugt ge­we­sen sein. In sei­ner Ei­gen­schaft als Chef der Zi­vil­ver­wal­tung in Lu­xem­burg mach­te Si­mon Sim­mer zu­sätz­lich zum Lei­ter der dor­ti­gen Wirt­schafts­ab­tei­lung, zum Staats­kom­mis­sar in Bad Mon­dorf und kom­mis­sa­ri­schen Lei­ter des Staats­ba­des Mon­dorf, was die häu­fi­ge An­we­sen­heit des Ko­blen­zer Ober­bür­ger­meis­ters in Lu­xem­burg mit sich brach­te. Da­ne­ben blieb Sim­mer als Gau­red­ner ak­tiv und be­wies da­durch, dass er wei­ter­hin auf dem Bo­den der NS-Ideo­lo­gie stand. 

Sim­mers Amts­zeit als Ober­bür­ger­meis­ter war ge­prägt vom Zwei­ten Welt­krieg, der sich in der Gar­ni­son­stadt Ko­blenz in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zur West­front in viel­fäl­ti­ger Wei­se be­merk­bar mach­te. Da­zu ge­hör­ten zum Bei­spiel Ein­quar­tie­run­gen, um­fang­rei­che Luft­schutz­maß­nah­men wie der Bun­ker­bau und die „So­fort­maß­nah­men“ nach Bom­ben­an­grif­fen. Schwer­punk­te von Sim­mers Tä­tig­keit wa­ren ein am­bi­tio­nier­tes Kul­tur­pro­gramm zur He­bung des Pres­ti­ges der Gau­haupt­stadt so­wie ei­ne Stand­ort­po­li­tik, die ei­ne Er­wei­te­rung des wirt­schaft­li­chen Spek­trums so­wie Aus­bau und Ver­le­gung des Ha­fens von der Mo­sel an den Rhein an­streb­te. Mit sei­ner Image­po­li­tik ge­riet Sim­mer in ei­nen ei­fer­süch­ti­gen Kon­flikt mit Par­tei­dienst­stel­len und dem Gau­pro­pa­gan­dalei­ter, sei­ne Wirt­schafts­pro­jek­te ver­ei­tel­te schlie­ß­lich der Krieg. Auch sei­ne ehr­gei­zi­gen Bau­plä­ne für ein groß­spu­ri­ges Gau­fo­rum blie­ben eben­so un­ver­wirk­licht wie sein un­sen­ti­men­ta­ler Plan, die his­to­ri­sche Alt­stadt kom­plett nie­der­zu­rei­ßen, zum Hoch­was­ser­schutz auf­zu­schüt­ten und in ein mo­der­nes Wohn­vier­tel zu ver­wan­deln. Bei sei­ner Per­so­nal­po­li­tik um­ging Sim­mer auch in Ko­blenz Par­tei­wün­sche, in­dem er zum Bei­spiel ei­nen 1933 zwangs­pen­sio­nier­ten Bei­ge­ord­ne­ten bei sei­ner kriegs­be­ding­ten Re­ak­ti­vie­rung fak­tisch wie­der mit ei­nem lei­ten­den Pos­ten be­trau­te und im städ­ti­schen Kran­ken­haus Kem­per­hof die ka­tho­li­schen Or­dens­schwes­tern be­ließ. Nach Aus­sa­gen von Zeu­gen in sei­nem Spruch­kam­mer­ver­fah­ren üb­te er an ein­zel­nen Par­tei­grö­ßen we­gen ih­rer Un­fä­hig­keit un­miss­ver­ständ­li­che Kri­tik. Wie Gau­lei­ter Si­mon klein von Ge­stalt, wur­de Sim­mer als her­risch und an­ma­ßend, aber auch um­sich­tig und ver­ant­wor­tungs­voll be­schrie­ben. Un­ter den städ­ti­schen Be­diens­te­ten war er als streng und cho­le­risch be­kannt. 

Um die Jah­res­wen­de 1944/1945 ent­stand in ei­ner Sit­zung ein Streit mit Gau­lei­ter und Reichs­ver­tei­di­gungs­kom­mis­sar Si­mon über die Eva­ku­ie­rung der Stadt, für de­ren Durch­füh­rung Sim­mer die Ver­ant­wor­tung ab­lehn­te. Im Ja­nu­ar 1945 wei­ger­te sich Sim­mer ge­gen­über dem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, sich über den Rhein ab­zu­set­zen. Zwei Wo­chen spä­ter er­hielt er sei­ne Ein­be­ru­fung zur Wehr­macht in ei­nem Mann­schafts­dienst­grad. Schon im Herbst 1944 hat­ten sich In­nen­mi­nis­te­ri­um und Gau­lei­ter ge­gen ei­ne er­neu­te Un­ab­kömm­lich­keits­stel­lung Sim­mers aus­ge­spro­chen, weil er in Lu­xem­burg nicht sehr rühm­lich auf­ge­fal­len sei. An­fang Fe­bru­ar 1945 en­de­te das letz­te Zu­sam­men­tref­fen mit dem Gau­lei­ter auf ei­ner Sit­zung da­mit, dass Si­mon ihm we­gen ei­nes Ein­wands er­bost das Wort ent­zog. Am 11. Fe­bru­ar wur­de Sim­mer Sol­dat. 

Sim­mer ge­riet am 23.3.1945 bei Op­pen­heim in ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Nach sei­ner Ent­las­sung im Ok­to­ber 1945 wur­de er von No­vem­ber 1945 bis Fe­bru­ar 1946 in­ter­niert; wo, ist un­klar. Im Fe­bru­ar 1947 er­folg­te sei­ne Aus­lie­fe­rung an Lu­xem­burg als mut­ma­ß­li­cher Kriegs­ver­bre­cher. An­fang Ju­li 1948 wur­de er aus der Haft ent­las­sen, oh­ne dass ei­ne An­kla­ge er­folgt war. Bei sei­ner an­schlie­ßen­den Ent­na­zi­fi­zie­rung konn­te Sim­mer vie­le Ent­las­tungs­zeu­gen und gu­te Leu­munds­zeug­nis­se vor­wei­sen und mit sei­ner ge­schick­ten Ver­gan­gen­heits­po­li­tik ge­lang es ihm im­mer wie­der, von sei­ner po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung ab­zu­len­ken. Am 16.3.1950 kam der Un­ter­su­chungs­aus­schuss Trier dann zu dem Er­geb­nis, es kön­ne sich bei Sim­mer nur um die Ein­rei­hung in die Grup­pe III der Min­der­be­las­te­ten han­deln und schlug der Spruch­kam­mer die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens vor. Die Er­öff­nung ei­nes Spruch­kam­mer­ver­fah­rens war ge­mäß Lan­des­ge­setz über den Ab­schluß der po­li­ti­schen Säu­be­rung in Rhein­land-Pfalz vom 19.1.1950 nur noch sol­chen Fäl­len vor­be­hal­ten, in de­nen der Be­trof­fe­ne vor­aus­sicht­lich in die Grup­pe I oder II ein­ge­reiht wer­den soll­te. Noch am sel­ben Tag er­ging der ent­spre­chen­de Be­schluss der Spruch­kam­mer Trier, die ge­mäß Lan­des­ge­setz ei­ner Ein­stu­fung als Mit­läu­fer gleich­kam. 

Sim­mer ar­bei­te­te vor­über­ge­hend als Steu­er­be­ra­ter in Ge­rol­stein und Ko­bern. Die Stadt Ko­blenz zahl­te ihm zu­nächst ei­nen Un­ter­halts­bei­trag. Ei­nen ers­ten An­trag auf Pen­sio­nie­rung aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den lehn­te sie 1952 ab. Sim­mers recht­li­che Si­tua­ti­on än­der­te sich aber zu sei­nen Guns­ten, als er ab 1.4.1951 im Sin­ne des Ar­ti­kels 131 Grund­ge­setz als Be­am­ter zur Wie­der­ver­wen­dung galt. Jetzt stand ihm ein Über­gangs­ge­halt zu und er hat­te An­spruch auf ei­ne sei­ner frü­he­ren Stel­lung ent­spre­chen­den Wie­der­ver­wen­dung im Öf­fent­li­chen Dienst. Sei­ne Be­mü­hun­gen um ei­nen ent­spre­chen­den Pos­ten wur­den zwar al­lein aus fi­nan­zi­el­len Grün­den von Sei­ten der Stadt­ver­wal­tung un­ter­stützt, aber trotz­dem konn­te der glän­zend aus­ge­bil­de­te und zwei­fel­los be­fä­hig­te Sim­mer be­ruf­lich nie wie­der Fuß fas­sen. Schlie­ß­lich be­an­trag­te er im Ja­nu­ar 1954 sei­ne Pen­sio­nie­rung zum 1. Fe­bru­ar. Die Stadt ent­sprach dem An­trag wie ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben und zahl­te seit­dem ein mo­nat­li­ches Ru­he­ge­halt. Sim­mer starb am 17.3.1986 in sei­nem Hei­mat­ort Besch. 

Quellen

Bun­des­ar­chiv Ber­lin-Lich­ter­fel­de R 1501/2056.
Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz Best. 441 Nr. 35592; Best. 856 Nr. 90202; Best. 403 Nr. 17248; Best. 441 Nr. 43657.
Stadt­ar­chiv Ko­blenz 623 Nr. 3232, Nr. 3395, Nr. 8907; 623,8 Nr. 161, Fa­mi­li­en­blatt Ab­la­ge Rhein­au; ebd. Nr. 138 Haus­blatt Main­zer Stra­ße 109.

Werke

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Sim­mer, Ni­ko­laus, Die Lö­sung der Win­zer­fra­ge, Schweich o. J. [1933].
Sim­mer, Ni­ko­laus, Die Lö­sung des Saar­grenz­pro­blems im Land­krei­se Trier“, Schweich o. J. [1933].
Sim­mer, Ni­ko­laus, Das Ar­beits­be­schaf­fungs­pro­gramm des Gau­es Ko­blenz-Trier als Bei­spiel ei­ner Pla­nungs­ar­beit im neu­en Staat, in: Zeit­schrift für Be­triebs­wis­sen­schaft 12 (1935), S. 262-278.
Sim­mer, Ni­ko­laus, Wirt­schafts­struk­tu­rel­le Pro­ble­me des Gau­es Ko­blenz-Trier und Vor­schlä­ge zu ih­rer Lö­sung, in: Der Grenz­gau Ko­blenz-Trier-Bir­ken­feld, Aus­ga­be Ju­li 1936, S. 107-114.
Sim­mer, Ni­ko­laus, Über­le­gun­gen zu den Ide­en­skiz­zen zur Neu- und Um­ge­stal­tung der Gau­haupt­stadt Ko­blenz, Ko­blenz 1941.
Sim­mer-Jo­chem, Klaus (Hg.) [Pseud­onym für Ni­ko­laus Sim­mer], Ge­ne­ra­ti­on oh­ne Hoff­nung. Auf­zeich­nun­gen des Ro­bert Grenz­mann aus den Jah­ren 1913-1933, Han­no­ver 1968.

Literatur

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Volk­mann, Hans-Erich, Lu­xem­burg im Zei­chen des Ha­ken­kreu­zes. Ei­ne po­li­ti­sche Wirt­schafts­ge­schich­te 1933 bis 1944, Pa­der­born 2010, S. 182, 191.192., 288-289, 387, 465-466.

Online

Weiß, Pe­tra, Die Stadt­ver­wal­tung Ko­blenz im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, Diss. Fern­Uni­ver­si­tät Ha­gen 2012. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Weiß, Petra, Nikolaus Simmer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nikolaus-simmer/DE-2086/lido/57c9512443d468.10396907 (abgerufen am 28.03.2024)