Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete (1919-1930)

Joachim Lilla (Krefeld)

Matthias Erzberger (Mitte) als Mitglied der deutschen Waffenstillstandskommission in Spa, 1919.Erzberger (Mitte) mit General von Hammerstein und Unterstaatssekretär Freiherr von Langwerth-Simmern. (Bundesarchiv, Bild 183-R10390)

Das im Au­gust 1923 er­rich­te­te Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te weist selbst in der an Be­son­der­hei­ten nicht ar­men deut­schen Ver­wal­tungs­ge­schich­te Ei­gen­tüm­lich­kei­ten auf, die ihm un­ter den Mi­nis­te­ri­en seit 1919 ei­ne be­son­de­re Stel­lung ein­räu­men. Es war das ein­zi­ge Mi­nis­te­ri­um auf Reichs- und Bun­des­ebe­ne, das nur für ei­nen Teil des Staats­ge­biets zu­stän­dig war. Ver­gleich­bar ist auf der Reichs­ebe­ne al­len­falls noch das kurz­le­bi­ge (1876-1879) Reichs­kanz­ler­amt für El­sass-Loth­rin­gen, das die Kon­so­li­die­rung der Ver­fas­sung im 1871 an­nek­tier­ten Reichs­land zum Ge­gen­stand hat­te.

1. Die ministeriellen Vorläufer bis 1923

In der Zeit nach der Be­set­zung der rhei­ni­schen Ge­bie­te un­ter dem Waf­fen­still­stands­ab­kom­men ab De­zem­ber 1918 war die Zu­stän­dig­keit für die be­setz­ten Ge­bie­te auf der Reichs­ebe­ne zu­nächst nicht ein­heit­lich ge­re­gelt; ge­naue­re Un­ter­la­gen lie­ßen sich hier­zu bis­lang nicht er­mit­teln. Be­fasst wa­ren in je­dem Fall die deut­sche Waf­fen­still­stands­kom­mis­si­on un­ter Lei­tung von Staats­se­kre­tär Mat­thi­as Erz­ber­ger (1875-1921) und das Aus­wär­ti­ge Amt; hier dürf­ten un­ter an­de­rem die zwi­schen dem 1.11.1918 und ver­mut­li­che En­de 1919 be­ste­hen­de Dienst­stel­le des Lei­ters der vor­be­rei­ten­den Maß­nah­men für die Frie­dens­ver­hand­lun­gen (Wirk­li­cher Ge­hei­mer Rat Jo­hann Hein­rich Graf von Bern­storff, 1862-1939) so­wie spä­ter - ab Ju­li 1919 - auch die Ab­tei­lung F (Frie­dens­ab­tei­lung) un­ter der Lei­tung von Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Ernst von Sim­son (1876-1941) zu­stän­dig ge­we­sen sein.

 

Die in­nen­po­li­ti­schen Zu­stän­dig­kei­ten für An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te wur­den ver­mut­lich Mit­te 1919 der wäh­rend des Welt­krie­ges er­rich­te­ten Ge­hei­men Re­gis­tra­tur be­zie­hungs­wei­se Un­ter­ab­tei­lung I M [Mi­li­tär­an­ge­le­gen­hei­ten] des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern (RM­dI) über­tra­gen. Nach Auf­he­bung die­ser Un­ter­ab­tei­lung und im Zu­ge ei­ner Neu­ord­nung der Ge­schäfts­ver­tei­lung des RM­dI war ab 1.1.1920 die neue (Un­ter-)Ab­tei­lung I A: [Ver­fas­sung, Po­li­tik, be­setz­te Ge­bie­te] für die An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te und die Aus­füh­rung des Frie­dens­ver­tra­ges zu­stän­dig. Re­fe­ren­ten für die­se Auf­ga­ben­ge­bie­te wa­ren Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat Dr. Ra­ban Graf Adel­mann von Adel­manns­fel­den (1877–1935), Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat Au­gust Schmid (1869–nach 1930), Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat Gott­fried von Ja­co­bi (1869–1947). Der im Ju­ni 1919 ein­ge­setz­te Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te war nach­ge­ord­ne­te Be­hör­de des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern.

Au­ßer dem Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern, zu­stän­dig für die ad­mi­nis­tra­ti­ven An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te, war mit dem Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­um noch ein zwei­tes Res­sort mit be­stimm­ten Fra­gen be­fasst. Die­ses Mi­nis­te­ri­um, mit dem Reichs­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um aus dem vor­ma­li­gen Reichs­schatz­amt im Fe­bru­ar/März 1919 her­vor­ge­gan­gen, war un­ter an­de­rem zu­stän­dig für die Ver­wal­tung der reichs­ei­ge­nen Ge­bäu­de und Grund­stü­cke. In die­sem Mi­nis­te­ri­um be­fass­te sich ei­ne ei­ge­ne Ab­tei­lung IVA mit der Reichs­schatz­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te. Nach­ge­ord­ne­te Dienst­stel­le die­ser Ab­tei­lung war die 1919 er­rich­te­te Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te mit Sitz in Ko­blenz. Die­se Dienst­stel­le war (1922) in fol­gen­de Ab­tei­lun­gen ge­glie­dert: I Lie­gen­schafts­an­ge­le­gen­hei­ten, II Ver­pfle­gung, Per­so­na­li­en der Be­am­ten, An­ge­stell­ten und Ar­bei­ter, Be­schaf­fung, Re­qui­si­ti­ons- und Ent­schä­di­gungs­we­sen, III Or­ga­ni­sa­ti­on, all­ge­mei­ne An­ge­le­gen­hei­ten au­ßer Lie­gen­schaf­ten, Rhein­land­ab­kom­men und Frie­dens­ver­trag, Ver­tre­tung bei dem Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te, Per­so­na­li­en der hö­he­ren Be­am­ten, Ver­hand­lun­gen mit Städ­ten und Ar­mee­kom­man­dos, Etat, Sta­tis­tik, Rech­nungs­we­sen, Son­der­auf­ga­ben; Bau­ab­tei­lung; De­zer­nat E (Ent­fes­ti­gungs­an­ge­le­gen­hei­ten). Zweig­stel­len der Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung sa­ßen in Köln, Mainz, Land­au, Reichs­ver­mö­gens­äm­ter in Köln (I, II), Bonn, Kre­feld, Aa­chen, Ko­blenz, Trier, Bad Kreuz­nach, Mainz (Stadt und Land), Wies­ba­den, Land­au und Kai­sers­lau­tern; Reichs­ver­pfle­gungs­äm­ter in Köln, Bonn, Kre­feld, Aa­chen, Ko­blenz, Trier, Mainz, Land­au; Ent­fes­ti­gungs­äm­ter in Köln, Ko­blenz und Mainz.

Die Stel­lung des Reichs- und Staats­kom­mis­sars für die be­setz­ten west­li­chen Ge­bie­te im Be­hör­den­or­ga­nis­mus des Reichs und des Staa­tes so­wie die Fra­ge ei­ner zweck­mä­ßi­gen Um­for­mung der Ein­rich­tung wur­den in der Sit­zung des Reichs­ka­bi­netts am 12.3.1920 er­ör­tert. Ein Ver­tre­ter des Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­ums be­zeich­ne­te es als ei­nen un­mög­li­che[n] Zu­stand, dass die An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te in Ber­lin in zahl­rei­chen ver­schie­de­nen Res­sorts be­ar­bei­tet wür­den. „Ein Kom­mis­sar ge­nü­ge […] nicht, es müs­se ei­ne Be­hör­de sein; wenn kein Mi­nis­te­ri­um, dann min­des­tens ein selb­stän­di­ger Un­ter­staats­se­kre­tär.“ Nach ein­ge­hen­der Dis­kus­si­on bil­lig­te das Ka­bi­nett den Vor­schlag, für die be­setz­ten Ge­bie­te ei­ne Zen­tral­stel­le zu schaf­fen. Ob an ih­rer Spit­ze ein Prä­si­dent oder ein Un­ter­staats­se­kre­tär ste­hen sol­le, sei noch zu prü­fen. Die Zen­tral­stel­le sol­le dem ge­sam­ten Reichs­mi­nis­te­ri­um und dem Preu­ßi­schen Staats­mi­nis­te­ri­um un­ter­ste­hen. Ein Ver­tre­ter die­ser Zen­tra­le sei stän­dig im be­setz­ten Ge­biet zu sta­tio­nie­ren, um mit der In­te­r­al­li­ier­ten Kom­mis­si­on zu ver­han­deln. Die Fra­ge der Er­rich­tung ei­nes ei­ge­nen Mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te wur­de wäh­rend Aus­ein­an­der­set­zun­gen der fol­gen­den Jah­re auch im­mer wie­der an­ge­spro­chen, zu­nächst je­doch, vor al­lem aus fi­nan­zi­el­len Er­wä­gun­gen, oh­ne Er­geb­nis. Im April 1920 be­schloss zu­dem das Preu­ßi­sche Staats­mi­nis­te­ri­um die Er­rich­tung ei­ner Zen­tral­stel­le für die be­setz­ten preu­ßi­schen Ge­bie­te, setz­te dann aber die­sen Be­schluss zu­guns­ten der ge­plan­ten Zen­tral­stel­le des Rei­ches aus.

Flugblatt 'Der Besatzungswahnsinn am Rhein'. (Stadtarchiv Düsseldorf)

 

Die Um­set­zung die­ser Be­schlüs­se ließ aber über ein Jahr auf sich war­ten. Erst nach den Sank­ti­ons­maß­nah­men vom März 1921 - Be­set­zung von Düs­sel­dorf, Duis­burg und Ham­born (heu­te Stadt Duis­burg) - kam, auch nach en­er­gi­schem Drän­gen von Ver­tre­tern des be­setz­ten Ge­biets, wie­der Be­we­gung in die An­ge­le­gen­heit. In der Ka­bi­nett­sit­zung am 18.3.1921 sprach Reichs­mi­nis­ter des In­nern Erich Koch-We­ser (1875–1944) von der Not­wen­dig­keit, so­fort ei­ne Stel­le ein­zu­rich­ten, wel­che sich mit der Ver­tre­tung der rhei­ni­schen In­ter­es­sen be­fas­sen sol­le. Er schlug vor, die Stel­le je­den­falls mit ei­nem Staats­se­kre­tär und ei­nem Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor zu be­set­zen. Zwar an­er­kann­te das Ka­bi­nett, „daß die Schaf­fung ei­ner Staats­se­kre­tärs­stel­le not­wen­dig sei“, im Üb­ri­gen soll­te aber „die Be­ar­bei­tung der rhei­ni­schen An­ge­le­gen­hei­ten aus den ein­zel­nen Mi­nis­te­ri­en nicht her­aus­ge­ris­sen“, son­dern „in Ver­bin­dung mit den in Be­tracht kom­men­den Res­sort­mi­nis­te­ri­en die An­ge­le­gen­hei­ten be­ar­bei­te[t]“ wer­den. Der Ka­bi­netts­be­schluss lau­te­te: Das Ka­bi­nett hat be­schlos­sen, die Stel­le ei­nes Staats­se­kre­tärs für die rhei­ni­schen An­ge­le­gen­hei­ten beim Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern ein­zu­rich­ten, dem die Ver­tre­tung der rhei­ni­schen In­ter­es­sen in al­len Fra­gen, die in der Reichs­ver­wal­tung be­ar­bei­tet wer­den, über­tra­gen wer­den wird. Am 13.4.1921 be­voll­mäch­tig­te die Reichs­re­gie­rung den Reichs­mi­nis­ter des In­nern, den Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Brandt in Ko­blenz mit der Wahr­neh­mung der Amts­ge­schäf­te ei­nes Staats­se­kre­tärs für die be­setz­ten Ge­bie­te zu be­auf­tra­gen. Es ist nicht ganz klar, ob Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Alex­an­der von Brandt (1873–1960), Stell­ver­tre­ter des Reichs­kom­mis­sars für die be­setz­ten Ge­bie­te in Ko­blenz, tat­säch­lich da­mit be­auf­tragt wor­den ist, denn be­reits am 3. Mai wur­de der bis­he­ri­ge Re­gie­rungs­prä­si­dent in Köln, Phil­ipp Brug­ger (1865–1943), zum Staats­se­kre­tär er­nannt und ihm die im Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern neu ge­bil­de­ten Ab­tei­lung IV über­tra­gen, die für An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te und das Reichs­kom­mis­sa­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te in Ko­blenz zu­stän­dig war. Die Ab­tei­lung IV fir­mier­te als Staats­se­kre­ta­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te. Stell­ver­tre­ter des Staats­se­kre­tärs wur­de Mi­nis­te­ri­al­rat Dr. Ra­ban Graf Adel­mann von Adel­manns­fel­den (1877–1935), Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat, schon seit 1919 als Re­fe­rent für Fra­gen der be­setz­ten Ge­bie­te im Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern tä­tig. Die Be­deu­tung die­ses Staats­se­kre­ta­ri­ats war in ers­ter Li­nie ei­ne po­li­ti­sche, weil hier­durch das Rhein­land ei­ne ein­heit­li­che An­lauf­stel­le für sei­ne An­lie­gen hat­te. Ei­ne Zu­sam­men­fas­sung sämt­li­cher Fra­gen der be­setz­ten Ge­bie­te durch das Staats­se­kre­ta­ri­at er­folg­te nicht und wä­re auch un­durch­führ­bar ge­we­sen.

Die Auf­ga­ben des Staats­se­kre­ta­ri­ats wa­ren laut Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plan des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern vom 25.1.1922 zu­nächst auf neun Re­fe­ra­te ver­teilt. Im Lau­fe des Jah­res 1922 bil­de­te sich je­doch ei­ne dif­fe­ren­zier­te­re Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur mit Un­ter­ab­tei­lun­gen her­aus, so dass sich die Or­ga­ni­sa­ti­on der Ab­tei­lung IV mit zwölf Re­fe­ra­ten im Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plan vom 15.3.1923 wie folgt dar­stell­te:
Un­ter­ab­tei­lung A (un­ter un­mit­tel­ba­rer Lei­tung des Staats­se­kre­tärs): 1. All­ge­mei­ne, po­li­ti­sche und wirt­schaft­li­che An­ge­le­gen­hei­ten; 2. Reichs­kom­mis­sa­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te.
Un­ter­ab­tei­lung B (Lei­ter: Mi­nis­te­ri­al­rat Dr. Ra­ban Graf Adel­mann von Adel­manns­fel­den, Ge­hei­mer Re­gie­rungs­rat): 3. Ver­hält­nis­se der deut­schen Be­hör­den und der Be­völ­ke­rung des be­set­zen Ge­biets zu den Be­sat­zungs­be­hör­den; 4. Kul­tu­rel­le und Wohl­fahrts­an­ge­le­gen­hei­ten; 5. Mi­li­tä­ri­sche Be­sat­zungs­an­ge­le­gen­hei­ten; 6. Land­wirt­schaft­li­che An­ge­le­gen­hei­ten, Er­näh­rungs­we­sen; 7. Kom­mu­nal- und Woh­nungs­an­ge­le­gen­hei­ten, Wohl­tä­tig­keit; 8. So­zi­al­po­li­ti­sche An­ge­le­gen­hei­ten; 9. Wirt­schaft­li­che und Ver­kehrs­an­ge­le­gen­hei­ten; 10. Be­am­ten­an­ge­le­gen­hei­ten; 11. Saar­ge­biet.
[Un­ter­ab­tei­lung C (un­ter Ober­lei­tung des Staats­se­kre­tärs)]: 12. Ar­beits­grup­pe für das Ein­bruchs­ge­biet. Die­se Ar­beits­grup­pe war am 5.2.1923 - nach dem Ein­marsch der Fran­zo­sen und Bel­gi­er ins Ruhr­ge­biet - von Reichs­mi­nis­ter Ru­dolf Oe­ser (1858–1926) ein­ge­setzt wor­den, zu­stän­dig „in­ner­halb der all­ge­mei­nen Zu­stän­dig­keit des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern“ für: 1. die Samm­lung des Nach­rich­ten­ma­te­ri­als über das Ein­bruch­ge­biet; 2. Be­sat­zungs­las­ten, Per­so­nen- und Sach­schä­den; 3. Für­sor­ge­maß­nah­men für Be­am­te; 4. Für­sor­ge für aus­ge­wie­se­ne und ver­dräng­te Per­so­nen; 5. Be­ob­ach­tung und Be­kämp­fung von Ab­lö­sungs­be­stre­bun­gen; 6. An­ge­le­gen­hei­ten der in­ne­ren Ver­wal­tung des Ein­bruchs­ge­bie­tes; 7. Mit­wir­kung bei wirt­schaft­li­chen, ver­kehrs- und so­zi­al­po­li­ti­schen so­wie bei kul­tu­rel­len Fra­gen.

Gustav Stresemann, 1925. (Bundesarchiv, Bild 146-1989-040-27)

 

Am 1.4.1923 kam als Ab­tei­lung R mit dem Auf­ga­ben­ge­biet der bis da­hin im auf­ge­lös­ten Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­um als Ab­tei­lung IV A res­sor­tie­ren­den Reichs­schatz­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te zum Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern. Die Ab­tei­lung um­fass­te in et­wa fol­gen­de Auf­ga­ben: Fi­nan­zie­rung der Be­sat­zungs­kos­ten im alt- und neu­be­setz­ten Ge­biet, Durch­füh­rung des Rhein­land­ab­kom­mens in Fra­gen der Un­ter­brin­gung und sons­ti­gen Ver­sor­gung der Rhein­land­kom­mis­si­on und der Be­sat­zungs­trup­pen, Ent­schä­di­gun­gen aus An­lass der Be­set­zung, Ent­schä­di­gung der Aus­ge­wie­se­nen, Un­ter­brin­gung der in­te­r­al­li­ier­ten Kom­mis­si­on. Lei­ter der Ab­tei­lung R wur­de der aus dem Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­um über­nom­me­ne Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Adolf Mil­ler. Mit der Ab­tei­lung R ging auch die Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te in den Ge­schäfts­be­reich des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern über.

2. Die Zentralstelle Rhein-Ruhr

Un­mit­tel­bar nach dem Ruh­r­ein­marsch am 11.1.1923 be­auf­trag­te der Staats­se­kre­tär in der Reichs­kanz­lei, Edu­ard Hamm (1849–1944), den Mi­nis­te­ri­al­rat Franz Kemp­ner (1879–1945) mit der Wahr­neh­mung der zen­tra­len Be­ar­bei­tung der „An­ge­le­gen­hei­ten des ver­ge­wal­tig­ten Ge­bie­tes“. Die Be­auf­tra­gung Kemp­ners währ­te nur kurz, denn be­reits am 6. Fe­bru­ar wur­de der seit dem 26. Ja­nu­ar aus­ge­wie­se­ne Bür­ger­meis­ter (I. Bei­ge­ord­ne­ter) der Stadt Düs­sel­dorf, Carl Chris­ti­an Schmid (1886–1955), zum Lei­ter des Ruhr­re­fe­rats in der Reichs­kanz­lei er­nannt; er über­nahm die Ge­schäf­te von Kemp­ner am Abend des 13. Fe­bru­ar. Noch im Fe­bru­ar wur­de das Re­fe­rat zur Ab­tei­lung IV der Reichs­kanz­lei um­ge­wid­met, ab März 1923 mit der Be­zeich­nung „Zen­tral­stel­le Rhein-Ruhr“, die dem Reichs­kanz­ler di­rekt un­ter­stellt war. Am 2.5.1923 er­nann­te der Reichs­prä­si­dent Bür­ger­meis­ter Schmid zum „Kom­mis­sar des Reichs­kanz­lers für die Ruhr­ab­wehr“. Hin­ter­grund der Er­nen­nung durch den Reichs­prä­si­den­ten war, wie Schmid es kurz vor­her aus­drück­te, die sach­li­che Not­wen­dig­keit ei­ner Le­ga­li­sie­rung und äu­ße­ren Kenn­zeich­nung un­se­rer seit­her ver­fas­sungs­wid­rig aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit […], ganz ab­ge­se­hen da­von, daß man uns auch per­sön­lich nicht auf die Dau­er die Rol­le ‚wil­der‘ Pri­vat­an­ge­stell­ter zu­mu­ten kann. Die be­son­de­re Stel­lung Schmids wur­de auch dar­in an­er­kannt, dass er an Ka­bi­netts­sit­zun­gen und Mi­nis­ter­be­spre­chun­gen, in wel­chen Rhein-Ruhr-An­ge­le­gen­hei­ten be­spro­chen wur­den, teil­neh­men durf­te.

Ruhrkampf, 1923, 'Der passive Widerstand muss beibehalten werden!'. (o.A.)

 

Nach ih­rer Ge­schäfts­ord­nung vom März 1923 hat­te „die zur Si­che­rung ein­heit­li­cher und ra­scher Be­ar­bei­tung der aus dem fran­zö­sisch-bel­gi­schen Ein­bruch ins Ruhr­ge­biet sich er­ge­ben­den Auf­ga­ben“ ge­bil­de­te Zen­tral­stel­le da­für zu sor­gen, daß für al­le An­ge­le­gen­hei­ten, die sich in dem Ein­bruchs­ge­biet wie im alt­be­setz­ten Ge­biet als Fol­gen des Ruh­r­ein­bruchs er­ge­ben, die Ein­heit­lich­keit und Rasch­heit der Be­ar­bei­tung und die Zu­ver­läs­sig­keit des Voll­zu­ges durch stän­di­ges en­ges Be­neh­men der be­tei­lig­ten Mi­nis­te­ri­en ge­si­chert wird. An der Zu­stän­dig­keit der ein­zel­nen Mi­nis­te­ri­en zur Er­le­di­gung der sach­li­chen Auf­ga­ben wird durch die Ein­rich­tung nichts ge­än­dert. Die Ab­stim­mung mit den üb­ri­gen Mi­nis­te­ri­en soll­te in re­gel­mä­ßi­gen Zu­sam­men­künf­ten der Staats­se­kre­tä­re er­fol­gen. Per­so­nell war die Zen­tral­stel­le mit drei Ab­tei­lungs­lei­tern (Mi­nis­te­ri­al­rä­ten) und acht Re­fe­ren­ten aus­ge­stat­tet.

Auf­ga­be der Zen­tral­stel­le war auch die Ent­ge­gen­nah­me und Wei­ter­lei­tung der aus dem Ein­bruch­ge­biet kom­men­den An­trä­ge und An­re­gun­gen so­wie die Be­schleu­ni­gung und die Ko­or­di­na­ti­on der wei­te­ren Be­ar­bei­tung zu ge­währ­leis­ten. Als eh­ren­amt­li­che Ver­trau­ens­leu­te der Zen­tral­stel­le vor al­lem ge­gen­über der Be­völ­ke­rung des be­setz­ten preu­ßi­schen Ge­biets nah­men ab April 1923 der Duis­bur­ger Ober­bür­ger­meis­ter Karl Jar­res und ab Ju­ni auch der rhei­ni­sche Ober­prä­si­dent Hans Fuchs (1874–1956), bei­de eben­falls aus­ge­wie­sen, die „stän­di­ge Au­ßen­ver­tre­tun­g“ der Zen­tral­stel­le wahr. War Jar­res zu­nächst für das ge­sam­te be­setz­te Ge­biet zu­stän­dig, be­schränk­te er sich nach dem Hin­zu­tre­ten von Fuchs, der für die links­rhei­ni­sche Rhein­pro­vinz zu­stän­dig wur­de, auf den rechts­rhei­ni­schen Teil des Re­gie­rungs­be­zirks Düs­sel­dorf und die be­setz­ten Tei­le der Pro­vinz West­fa­len. Die Be­lan­ge des Re­gie­rungs­be­zirks Wies­ba­den und der be­setz­ten Ge­bie­te des Frei­staats Hes­sen ver­trat in glei­cher Wei­se der eben­falls aus­ge­wie­se­ne Main­zer Ober­bür­ger­meis­ter Karl Külb (1870–1943).

Reichspräsident Paul von Hindenburg (Mitte) mit dem Koblenzer Oberbürgermeister Karl Russell (links) und dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (rechts) bei der Befreiungsfeier 1930 am Deutschen Eck. (Bundesarchiv, Bild 102-10168)

 

3. Die Errichtung des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete 1923

Seit 1920 war die Fra­ge der Er­rich­tung ei­nes ei­ge­nen Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te im­mer wie­der er­ör­tert wor­den und wur­de im Au­gust 1923, im Zu­ge der Bil­dung der Re­gie­rung von Reichs­kanz­ler Gus­tav Stre­se­mann (1878-1929, Reichs­kanz­ler 13.8.-28.11.1923), schlie­ß­lich rea­li­siert. Sei­ne Er­rich­tung ent­sprang nicht Er­wä­gun­gen der Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern er­folg­te aus po­li­ti­schen Grün­den. Mit dem Ab­bruch des Ruhr­kamp­fes stand die Not­wen­dig­keit der Stär­kung der be­setz­ten Ge­bie­te wei­ter­hin auf der Agen­da, so dass ein auf die Er­rich­tung ei­nes sol­chen Mi­nis­te­ri­ums zie­len­der An­trag des Zen­trums vom Reichs­tag ein­stim­mig an­ge­nom­men wur­de. So wur­de das Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te durch Er­lass des Reichs­prä­si­den­ten vom 24. Au­gust mit Wir­kung vom 27. Au­gust er­rich­tet zur Be­ar­bei­tung der be­son­de­ren An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te und der mit der Be­set­zung zu­sam­men­hän­gen­den Ver­wal­tungs­er­for­der­nis­se Es über­nahm die Auf­ga­ben fol­gen­der reichs­be­hörd­li­cher Ein­rich­tun­gen: Ab­tei­lung IV (Staats­se­kre­ta­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te) des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern; Ab­tei­lung R (Reichs­schatz­ver­wal­tung der be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te) des vor­ma­li­gen Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­ums, die bei des­sen Auf­lö­sung dem Staats­se­kre­ta­ri­at für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te im Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern un­ter­stellt wor­den war, und den Kom­mis­sar des Reichs­kanz­lers für die Ruhr­ab­wehr be­zie­hungs­wei­se die Zen­tral­stel­le Rhein-Ruhr. Dem Mi­nis­te­ri­um un­ter­stellt wur­den der Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te, die Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te so­wie vor­über­ge­hend auch die Reichs­ent­schä­di­gungs­stel­le für Aus­ge­wie­se­ne an Rhein und Ruhr so­wie die Rhei­ni­sche Volks­pfle­ge. Das Mi­nis­te­ri­um war (im Ver­gleich mit den üb­ri­gen Reichs­mi­nis­te­ri­en, die Res­sort­mi­nis­te­ri­en wa­ren) ein Re­gio­nal­mi­nis­te­ri­um, das Zu­stän­dig­kei­ten vor­nehm­lich an­de­rer Res­sorts für sein Zu­stän­dig­keits­ge­biet mit ver­wal­te­te. Die Ein­schät­zung des zeit­ge­nös­si­schen Staats­recht­lers Fritz Poetzsch-Heff­ter (1882–1935) im re­nom­mier­ten „Hand­buch des Deut­schen Staats­rechts“ (1930), das Mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te neh­me „ei­ne Zwi­schen­stel­lung ein“ zwi­schen Res­sort- und Re­gio­nal­mi­nis­te­ri­um scheint nicht nur aus heu­ti­ger Sicht an­greif­bar zu sein.

4. Leitung und Geschäftsverteilung 1923-1930

Die In­itia­ti­ve des Zen­trums zur Er­rich­tung des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te dürf­te mut­ma­ß­lich auch aus per­so­naltak­ti­schem Kal­kül er­folgt sein, wenn man be­rück­sich­tigt, dass na­he­zu al­le spä­te­ren Lei­ter des Mi­nis­te­ri­ums Zen­trums­leu­te wa­ren – schlie­ß­lich war das be­setz­te Rhein­land ei­ne der Hoch­bur­gen des Zen­trums. Gleich der ers­te Stel­len­in­ha­ber, der wei­ter­hin am­tie­ren­de, aber aus­ge­wie­se­ne rhei­ni­sche Ober­prä­si­dent Hans Fuchs, muss­te po­li­tisch ver­sorgt wer­den, da das ihm bei der Re­gie­rungs­bil­dung ur­sprüng­lich zu­ge­dach­te Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern aus Ko­ali­ti­ons­grün­den ei­nem SPD-Mit­glied (Wil­helm Soll­mann) über­tra­gen wur­de. So wur­de Fuchs be­reits am 13. Au­gust mit der Wahr­neh­mung der Ge­schäf­te des 14 Ta­ge spä­ter ge­bil­de­ten Mi­nis­te­ri­ums be­auf­tragt.

Fuchs war üb­ri­gens bis auf wei­te­res der ein­zi­ge re­gu­lä­re Mi­nis­ter die­ses Res­sort, in der Fol­ge­zeit (bis 1929) wur­de die Lei­tung des Mi­nis­te­ri­ums stets ei­nem an­de­ren Reichs­mi­nis­ter, mehr­heit­lich dem Reichs­mi­nis­ter der Jus­tiz, über­tra­gen (sie­he Ka­pi­tel 6). Dies er­folg­te zu­nächst aus haus­halts­tech­ni­schen Grün­den; so hat­te der Reichs­rat be­schlos­sen  wo­bei die­ser Be­schluss spä­ter vom Reichs­tag kas­siert wur­de, - von den Stel­len des Mi­nis­ters und des Staats­se­kre­tärs dür­fe je­weils nur ei­ne plan­mä­ßig be­setzt sein. Spä­ter bil­de­te die­se Pra­xis ei­nen Kom­pro­miss zwi­schen der Mög­lich­keit der Auf­lö­sung des Mi­nis­te­ri­ums und dem wei­te­ren Wunsch, die be­setz­ten Ge­bie­te an­ge­mes­sen zu re­prä­sen­tie­ren. Auf­fal­lend ist die Tat­sa­che, dass die bei­den letz­ten Mi­nis­ter 1929-1930 das Res­sort plan­mä­ßig in­ne­hat­ten. Un­ty­pisch war auch zu­nächst die Re­ge­lung der Stell­ver­tre­tung des Mi­nis­ters. Im Ge­gen­satz zur üb­li­chen Pra­xis (spä­ter in § 4 Abs. 1 des All­ge­mei­nen Teils der Ge­mein­sa­men Ge­schäfts­ord­nung der Reichs­mi­nis­te­ri­en [GGO I] nor­miert) lei­te­te zu­nächst kein Staats­se­kre­tär als stän­di­ger Ver­tre­ter des Mi­nis­ters den Ge­schäfts­be­trieb des Mi­nis­te­ri­ums, son­dern der bis­he­ri­ge Kom­mis­sar des Reichs­kanz­lers für die Ruhr­ab­wehr und Lei­ter der Zen­tral­stel­le Rhein-Ruhr, Carl-Chris­ti­an Schmid (1886-1955), der mit der Amts­be­zeich­nung Ge­ne­ral­kom­mis­sar des Reichs für Rhein und Ruhr und Stell­ver­tre­ter des Reichs­mi­nis­ters in das Mi­nis­te­ri­um ge­wech­selt war. Erst am 1.6.1926 wur­de Schmid zum Staats­se­kre­tär er­nannt.

Das Mi­nis­te­ri­um war in zwei Ab­tei­lun­gen ge­glie­dert, die Ge­schäfts­ver­tei­lung stell­te sich 1929 wie folgt dar:
Dem Staats­se­kre­tär un­mit­tel­bar un­ter­stellt wa­ren Reichs­mi­nis­te­ri­al­sa­chen, Per­so­na­li­en des Mi­nis­te­ri­ums; Haus­halts-, Kas­sen- und Rech­nungs­an­ge­le­gen­hei­ten;
Ab­tei­lung I: Po­li­ti­sche und wirt­schaft­li­che Ab­tei­lung (Auf­ga­ben­kreis: Po­li­ti­sche An­ge­le­gen­hei­ten der be­setz­ten Ge­bie­te; Rhein­land­ab­kom­men und er­gän­zen­de Ver­trä­ge; Or­don­nan­zen der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on; Rechts­pfle­ge; kul­tu­rel­le Für­sor­ge; Für­sor­ge für Aus­ge­wie­se­ne und Ver­dräng­te; An­ge­le­gen­hei­ten der Land­wirt­schaft, des Wein­bau­es, der In­dus­trie, des Han­dels und Hand­werks; Geld-, Bank-, Fi­nanz- und Steu­er­fra­gen; so­zi­al­po­li­ti­sche Fra­gen). Die Ab­tei­lung I wur­de vom Ge­ne­ral­kom­mis­sar be­zie­hungs­wei­se Staats­se­kre­tär ge­lei­tet, dem als Di­ri­gent ein Mi­nis­te­ri­al­rat (mit Ti­tel Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor) bei­ge­ge­ben war.

Ab­tei­lung II: Ver­wal­tungs­ab­tei­lung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te (Auf­ga­ben­kreis: Be­sat­zungs­kos­ten; Fi­nan­zie­rung der Be­sat­zungs­kos­ten im alt- und neu­be­setz­ten Ge­biet. Durch­füh­rung des Rhein­land­ab­kom­mens und des Lon­do­ner Ab­kom­mens in Fra­gen der Un­ter­brin­gung und sons­ti­gen Ver­sor­gung der Rhein­land­kom­mis­si­on und der Be­sat­zungs­trup­pen; Ent­schä­di­gun­gen aus An­lass der Be­set­zung; Ent­schä­di­gung der Aus­ge­wie­se­nen). Lei­ter der Ab­tei­lung war Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Adolf Mil­ler.

5. Auflösung des Ministeriums 1930

Die Auf­lö­sung des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te stand be­reits An­fang 1926, nach der Räu­mung der Köl­ner Zo­ne, zur Dis­kus­si­on. Für ei­ne Auf­he­bung wur­de ne­ben der ge­nann­ten Räu­mung auch die Ent­las­tung des Mi­nis­te­ri­ums durch die Wie­der­er­rich­tung des Reichs­kom­mis­sa­ri­ats in Ko­blenz ins Feld ge­führt. Die Reichs­re­gie­rung be­schloss aber am 24.2.1926: Das Rhein­mi­nis­te­ri­um soll zur Zeit auf­recht­er­hal­ten blei­ben. Als die Räu­mung der 3. (Main­zer) Zo­ne am 1.7.1930 be­vor­stand, be­schäf­tig­te sich auch die Reichs­re­gie­rung am 17.6.1930 mit dem wei­te­ren Schick­sal des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te, nach­dem Reichs­rat und Haupt­aus­schuss des Reichs­tags be­schlos­sen hat­ten, das Mi­nis­te­ri­um zum 1. Ok­to­ber auf­zu­lö­sen. Für die Reichs­re­gie­rung er­gab sich ei­ne un­be­que­me Si­tua­ti­on, „als nach dem 1.Ok­to­ber die Fort­füh­rung des Am­tes des Reichs­mi­nis­ters für die be­setz­ten Ge­bie­te schwie­rig ge­wor­den sei“. Das Pro­blem lag al­ler­dings we­ni­ger in den oh­ne­hin aus­lau­fen­den sach­li­chen Auf­ga­ben des Mi­nis­te­ri­ums als in der Per­so­na­lie des Reichs­mi­nis­ters für die be­setz­ten Ge­bie­te, Tre­vi­ra­nus, des­sen Ver­bleib im Ka­bi­nett „aus po­li­ti­schen Grün­den“ er­wünscht war (er soll­te das Reichs­kom­mis­sa­ri­at für die Ost­hil­fe über­neh­men). Als die de­fi­ni­ti­ve Auf­lö­sung des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te zum 1. Ok­to­ber fest­stand, be­schloss die Reichs­re­gie­rung am 29.9.1930 „dem Herrn Reichs­prä­si­den­ten vor­zu­schla­gen, daß Reichs­mi­nis­ter Tre­vi­ra­nus nach sei­ner Ent­bin­dung vom Amt als Reichs­mi­nis­ter für die be­setz­ten Ge­bie­te zum Zwe­cke der Durch­füh­rung der Ost­hil­fe zum Reichs­mi­nis­ter oh­ne Ge­schäfts­be­reich be­stellt wird Fer­ner be­schloss das Reichs­ka­bi­nett, die Mi­nis­ter-Plan­stel­le vom Haus­halt des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te auf den Etat des Reichs­mi­nis­te­ri­ums, des Reichs­kanz­lers und der Reichs­kanz­lei zu über­tra­gen.“ Staats­se­kre­tär Schmid und Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tor Mil­ler wa­ren be­reits durch Ka­bi­netts­be­schluss vom 16. Sep­tem­ber zum 1. Ok­to­ber in den einst­wei­li­gen Ru­he­stand ver­setzt wor­den.

Die Auf­lö­sung des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te er­folg­te durch Ver­ord­nung des Reichs­prä­si­den­ten vom 28.7.1930, Durch­füh­rungs­fra­gen re­gel­te ein Er­lass des Reichs­mi­nis­ters des In­nern vom 6.9.1930. Hier­nach gin­gen die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben des auf­ge­lös­ten Mi­nis­te­ri­ums über:
a) auf das Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern:
-  die An­ge­le­gen­hei­ten der frü­he­ren Ab­tei­lung I des Reichs­mi­nis­te­ri­ums für die be­setz­ten Ge­bie­te, oh­ne Saar­gän­ger­fra­gen,
-  die Ent­schä­di­gun­gen aus An­lass der Be­set­zung ein­schlie­ß­lich Ab­wick­lung des Son­der­ver­fah­rens so­wie des Här­te­fonds­ver­fah­rens zur Ab­gel­tung von all­ge­mei­nen Ge­schäfts­schä­den aus An­lass des Ruhr­kampfs und des Trans­port­mehr­kos­ten­ver­fah­rens, des Ver­wal­tungs­hilfs­ver­fah­rens und des Ver­fah­rens zur Ab­gel­tung von Se­pa­ra­tis­ten­schä­den;
b) auf das Reichs­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um: die Ver­wal­tung der reichs­ei­ge­nen Lie­gen­schaf­ten so­wie die sons­ti­gen Auf­ga­ben der Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te und die Ab­wick­lung der die­se Ver­wal­tung be­tref­fen­den An­ge­le­gen­hei­ten, die Ver­wer­tung von be­weg­li­chem Reichs­ei­gen­tum, die An­ge­le­gen­hei­ten der frü­he­ren Mi­li­tärgrund­stü­cke im Saar­ge­biet, die die in­te­r­al­li­ier­ten Über­wa­chungs­aus­schüs­se und Ver­miss­ten­kom­mis­si­on be­tref­fen­den An­ge­le­gen­hei­ten so­wie die Rest­auf­ga­ben der Un­ter­brin­gungs­stel­le für die An­ge­stell­ten und Ar­bei­ter der Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te,
c) auf das Reichs­ar­beits­mi­nis­te­ri­um: die Saar­gän­ger­fra­gen.

6. Die Reichsminister für die besetzten Gebiete

Dr. Hans Fuchs (Zen­trum) (13.8.1923 mit der Wahr­neh­mung der Ge­schäf­te be­auf­tragt, 27.8.–30.11.1923)
Reichs­post­mi­nis­ter Dr. An­ton Höf­le (Zen­trum) (be­auf­tragt, 30.11.1923–9.1.1925)
Reichs­kanz­ler Wil­helm Marx (Zen­trum) (kom­mis­sa­risch, 10.–15.1.1925)
Reichs­kanz­ler Dr. Hans Lu­ther (DVP) (kom­mis­sa­risch, 15.–19.1.1925)
Reichs­mi­nis­ter der Jus­tiz Dr. Jo­seph Fren­ken (Zen­trum) (be­auf­tragt, 19.1.–21.11.1925)
Reichs­ar­beits­mi­nis­ter Dr. Hein­rich Brauns (Zen­trum) (be­auf­tragt, 22.11.1925–20.1.1926)
Reichs­mi­nis­ter der Jus­tiz (17.5.1926 Reichs­kanz­ler) Wil­helm Marx (Zen­trum) (mit der Wahr­neh­mung der Ge­schäf­te be­auf­tragt, 20.1.–16.7.1926)
Reichs­mi­nis­ter der Jus­tiz Dr. Jo­han­nes Bell (Zen­trum) (be­auf­tragt, 16.7.1926–29.1.1927)
Reichs­kanz­ler Wil­helm Marx (Zen­trum) (mit der Wahr­neh­mung der Ge­schäf­te be­auf­tragt, 29.1.1927–29.6.1928)
Reichs­ver­kehrs­mi­nis­ter Theo­dor von Gué­r­ard (Zen­trum) (be­auf­tragt, 29.6.1928–6.2.1929)
Reichs­mi­nis­ter des In­nern Carl Se­ve­ring (SPD) (kom­mis­sa­risch, 7.2.–13.4.1929)
Dr. Jo­seph Wirth (Zen­trum) (13.4.1929–27.3.1930)
Gott­fried Rein­hold Tre­vi­ra­nus (Kon­ser­va­ti­ve Volks­par­tei) (30.3.–30.9.1930)

Quellen

Ak­ten der Reichs­kanz­lei. Wei­ma­rer Re­pu­blik [On­line]:
Das Ka­bi­nett Schei­de­mann (1919), be­arb. von Ha­gen Schul­ze, Bop­pard 1971. Das Ka­bi­nett Feh­ren­bach (1920/21), be­arb. von Pe­ter Wulf, Bop­pard 1972. Das Ka­bi­nett Wirth I/II (1921/22), be­arb. von In­grid Schul­ze-Bid­ling­mei­er, Bop­pard 1973. Das Ka­bi­nett Cu­no (1922/23), be­arb. von Karl-Heinz Harbeck, Bop­pard 1968. Die Ka­bi­net­te Stre­se­mann I und II, be­arb. von Karl Diet­rich Erd­mann/Mar­tin Vogt, Bop­pard 1978. Das Ka­bi­nett Lu­ther I/II (1925/26), be­arb. von Karl-Heinz Mi­nuth, Bop­pard 1977. Das Ka­bi­nett Brü­ning I (1930/31), be­arb. von Til­man Ko­ops, Bop­pard 1982.
Bun­des­ar­chiv: Ak­ten des Reichs­mi­nis­te­ri­ums des In­nern (v.a. R 1501/1 und R/1501/2) und der Reichs­kanz­lei (R 43 I/1964).
Denk­schrift des Reichs­schatz­mi­nis­te­ri­ums über den not­wen­di­gen Aus­bau der Reichs­ver­mö­gens­ver­wal­tung für das be­setz­te rhei­ni­sche Ge­biet [Ju­li 1920], in: Ver­hand­lun­gen des Reichs­tags Band 363, I. Wahl­pe­ri­ode 1920, An­la­gen zu den Ste­no­gra­phi­schen Be­rich­ten Nr. 1 bis 452), An­la­ge Nr. 182, S. 133–139.

Literatur

Büh­ler, Ott­mar, Über­sicht über die Be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­on des Reichs, in: Hand­buch des Deut­schen Staats­rechts, hg. von Ger­hard An­schütz und Ri­chard Tho­ma, Band 1, Tü­bin­gen 1930, S. 586–594.
Hand­buch für das Deut­sche Reich, hg. vom Reichs­mi­nis­te­ri­um des In­nern, 41 (1922), Er­gän­zungs­heft 1923, 42 (1924), 43 (1926), 44 (1929).
Las­sar, Ger­hard, Reichs­ei­ge­ne Ver­wal­tung un­ter der Wei­ma­rer Ver­fas­sung. Zwei Stu­di­en, in: Jahr­buch des öf­fent­li­chen Rechts der Ge­gen­wart 14 (1926), S. 1–231.
Poetzsch-Heff­ter, Fritz, Or­ga­ni­sa­ti­on und Ge­schäfts­gang der Reichs­re­gie­rung, in: Hand­buch des Deut­schen Staats­rechts, hg. von Ger­hard An­schütz und Ri­chard Tho­ma, Band 1, Tü­bin­gen 1930, S. 511–520.
Ro­meyk, Horst, Die lei­ten­den staat­li­chen und kom­mu­na­len Ver­wal­tungs­be­am­ten der Rhein­pro­vinz 1816–1945, Düs­sel­dorf 1994.
Ro­meyk, Horst, Ver­wal­tungs- und Be­hör­den­ge­schich­te der Rhein­pro­vinz 1914–1945, Düs­sel­dorf 1985.

Karte des besetzten Rheinlandes, Stand: 1. Juli 1923, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. (Public Domain Mark 1.0)

 
Zitationshinweis

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Lilla, Joachim, Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete (1919-1930), in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/das-reichsministerium-fuer-die-besetzten-gebiete-1919-1930/DE-2086/lido/57d12a0da73104.85780877 (abgerufen am 19.04.2024)