Wilhelm Riphahn

Architekt (1889-1963)

Jürgen A. Roder (Bad Münstereifel)

Wilhelm Riphahn, undatiert.

Wil­helm Ri­phahn wur­de am 25.7.1889 in Köln als Sohn von Gott­fried Ri­phahn (1862-1926) und sei­ner Ehe­frau Ma­ria Wil­hel­mi­ne, ge­bo­re­ne Gärt­ner (1865-1937) ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Nicht nur Va­ter Gott­fried, son­dern schon der Gro­ßva­ter Wil­helm Gärt­ner so­wie der On­kel Pe­ter Gärt­ner wa­ren in Köln als Ar­chi­tek­ten und Bau­un­ter­neh­mer tä­tig. Hein­rich J. Wietha­se zähl­te zu den Freun­den der Fa­mi­lie. 1898 kam Ri­phahn in die Sex­ta der Ober­re­al­schu­le an der Hum­boldt­stra­ße, die er mit der Mitt­le­ren Rei­fe ver­ließ. Nach Ab­schluss sei­ner Aus­bil­dung an der Köl­ner Bau­ge­werk­schu­le ging Wil­helm Ri­phahn nach Ber­lin, Dres­den und Mün­chen, wo er im Bü­ro von Bru­no (1880-1938) und Max (1884-1967) Taut ers­te Pra­xis er­warb, den Dres­de­ner Ba­rock bei Cor­ne­li­us Gur­litt (1850-1938) stu­dier­te und in Mün­chen bei Theo­dor Fi­scher (1862-1938) hos­pi­tier­te.

Zu­rück in Köln er­öff­ne­te Wil­helm Ri­phahn 1913 mit 24 Jah­ren sein ers­tes Ar­chi­tek­tur­bü­ro. Als sei­nen ers­ten Bau rea­li­sier­te er nach ei­nem Wett­be­werbs­er­folg den Ru­der­club „Ger­ma­ni­a“', sti­lis­tisch an­ge­lehnt an sei­nen Mün­che­ner Lehr­meis­ter Theo­dor Fi­scher. Da­nach ent­stan­den ers­te Wohn- und Ge­schäfts­bau­ten in Köln-Deutz und Köln-Mül­heim, mit de­nen er die ba­ro­cke Ar­chi­tek­tur Dres­dens zi­tiert ha­ben dürf­te.

Eben­falls 1913 hei­ra­te­te Ri­phahn Pau­la Ma­ria Ber­ta Schuh­ma­cher. Zwei Kin­der gin­gen aus die­ser Ehe her­vor: 1914 Toch­ter Gre­ta, 1918 Sohn Karl Heinz (ge­stor­ben 1950). Pau­la Ri­phahn starb 1919 im Al­ter von 30 Jah­ren. Ri­phahn hei­ra­te­te 1922 Ada Sil­via Fried­mann (1890-1962), die ver­wit­wet war und Toch­ter Re­na­te mit in die Ehe brach­te. 1922 wur­de die ge­mein­sa­me Toch­ter Mar­le­ne ge­bo­ren (ge­stor­ben 2004).

Wilhelm Riphahn, Original im Museum Ludwig Köln, um 1926, Foto: Werner Mantz.

 

Im Auf­trag der 1913 ge­grün­de­ten städ­ti­schen „Köl­ner Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft GA­G“ er­hielt Wil­helm Ri­phahn 1914 in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Es­se­ner Ar­chi­tek­ten Cas­par M. Grod (1878-1931) den Auf­trag zum Bau der Sied­lung Bi­cken­dorf. Grod hat­te den öf­fent­li­chen Wett­be­werb zu Kölns ers­ter Groß­sied­lung mit ei­nem mus­ter­gül­ti­gen Ent­wurf im Gar­ten­stadt­stil ge­won­nen. Preis­rich­ter wa­ren die Ar­chi­tek­ten Hein­rich Tes­se­now (1876-1950) und Her­mann Mu­the­si­us (1861-1927). Ers­te Häu­ser wa­ren schon 1915 be­zugs­fer­tig. Heu­te bis zur Un­kennt­lich­keit ver­än­dert, spie­gelt die­se ers­te Köl­ner Gar­ten­stadt-Sied­lung noch ganz den Zeit­geist der Jahr­hun­dert­wen­de mit sei­ner ro­man­ti­schen und na­tur­ver­bun­de­nen Sehn­sucht wi­der. 

Der Ers­te Welt­krieg be­deu­te­te ei­ne schar­fe Zä­sur in Ri­phahns Ar­chi­tek­tur­auf­fas­sung mit kon­se­quen­ter Hin­wen­dung zu den Ide­en des 1919 ge­grün­de­ten Wei­ma­rer "Bau­hau­ses" und des „Neu­en Bau­en­s“ um Wal­ter Gro­pi­us (1883-1969), Bru­no Taut, Ernst May (1886-1970), Erich Men­delsohn (1887-1953) und Mar­tin Wag­ner (1885-1957). Schwer­punkt sei­nes Schaf­fens wur­de der Köl­ner Sied­lungs­bau, und zahl­rei­che Pla­nungs­auf­trä­ge für die städ­ti­sche Woh­nungs­ge­sell­schaft GAG führ­ten da­zu, dass Ri­phahn „der" Köl­ner GAG-Ar­chi­tekt wur­de, dem ex­klu­siv die Fest­le­gung der Woh­nungs-Stan­dards und Grund­riss­ty­pen so­wie die Pla­nung der grö­ß­ten Sied­lun­gen ob­la­gen.

Wilhelm Riphahn, Original im Kölnischen Stadtmuseum, 1951.

 

Der Mut zu Neu­em, die Su­che nach For­men und Prin­zi­pi­en ei­ner zeit­ge­mä­ßen Ar­chi­tek­tur be­stimm­ten fort­an Ri­phahns Schaf­fen, auch wenn sei­ne Ide­en bei Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er oft­mals als „rein geo­me­tri­sches Er­zeug­nis oh­ne künst­le­ri­schen Geis­t“ nicht im­mer auf Ver­ständ­nis stie­ßen. Der achi­tek­to­ni­sche Köl­ner „Main­stream“ kam aus Stutt­gart. Schü­ler von Paul Bo­natz (1877-1956) hat­ten ar­chi­tek­to­nisch das Sa­gen. Da­bei hat­te mit der Köl­ner „Werk­bund­aus­stel­lung" schon 1914 die Mo­der­ne ih­ren Ein­zug in Köln ge­hal­ten. Der Krieg hat­te den le­ben­di­gen Geist „nur" un­ter­bro­chen.

Doch Ri­phahn setz­te sich durch mit sei­nen Vor­stel­lun­gen ei­ner mo­der­nen Ar­chi­tek­tur, wie sie sein Freund Hans Poel­zig (1869-1936) schon 1906 in ei­ner Re­de zur „Gä­rung in der Ar­chi­tek­tur“ ein­ge­for­dert hat­te: „Der Woh­nungs­bau ist der ers­te, der sich von ei­ner äu­ßer­li­chen Auf­fas­sung zu be­frei­en be­ginnt, der von in­nen her­aus For­de­run­gen stellt, die ihm zur Echt­heit ver­hel­fen und be­rück­sich­tigt wer­den müs­sen.“

Die weiße Stadt in Köln-Buchforst. (www.werkladen.de)

 

Sach­li­che und ra­tio­nel­le Kon­struk­ti­ons­prin­zi­pi­en, die For­de­rung nach Licht und Luft, nach kla­ren For­men und gro­ßzü­gi­ger Weit­räu­mig­keit be­stim­men kon­se­quent das Schaf­fen Wil­helm Ri­phahns in den 1920er und 1930er Jah­ren. Als ers­te Hof­sied­lung in Deutsch­land ent­stand so der „Grü­ne Hof“ (1922), noch vor der Ber­li­ner „Huf­ei­sen­sied­lun­g“ (1925) von Bru­no Taut. Vor­bild dürf­ten un­ter an­de­rem die da­ma­li­gen hol­län­di­schen Sied­lungs­bau­ten ei­nes Ja­co­bus Jo­han­nes Pie­ter Oud (1890-1963) ge­we­sen sein.

Mit der Zu­nah­me sei­ner Auf­trä­ge hol­te Ri­phahn C. M. Grod 1925 als gleich­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter in sein Bü­ro - bis zu des­sen To­de im Jah­re 1931. Es ent­stan­den Ri­phahns kon­se­quen­tes­ten Sied­lungs­bau­ten, die Sied­lung „Zoll­sto­ck“ (1926/1927), der „Blaue Hof“ (1926-1932) und sein Haupt­werk in die­ser Zeit, die „Wei­ße Stadt“ (1926-1932).

Die sanierte Wohnsiedlung Blauer Hof, 2010, Foto: Rolf Heinrich. (Rolf Heinrich / CC-BY SA 3.0)

 

Das so­zia­le En­ga­ge­ment war es, das Ri­phahn in sei­nen Pla­nun­gen in je­nen wirt­schaft­lich wie po­li­tisch har­ten Zei­ten an­trieb. Sei­ne be­son­de­re Vor­lie­be galt der öko­no­misch güns­ti­gen Wohn­kü­che mit ei­ner wohn­zim­mer­ähn­li­chen At­mo­sphä­re als mul­ti­funk­tio­na­lem Zen­trum ei­ner je­den GAG-Woh­nung, wie er sie schon im „Grü­nen Hof“ rea­li­siert hat­te. Bad, Bal­kon und Log­gia wur­den von Ri­phahn gar zum Stan­dard im Mas­sen­woh­nungs­bau er­ho­ben.

„Wir sind Kin­der un­se­rer Zeit, die in viel stär­ke­rem Ma­ße so­zi­al fühlt und denkt als ir­gend­ei­ne ver­gan­ge­ne. Es ist da­her Auf­ga­be des Ar­chi­tek­ten, mit gan­zer Stren­ge den Be­dürf­nis­sen, die die heu­ti­gen Le­bens­be­din­gun­gen mit sich brin­gen, ge­recht zu wer­den und da­bei künst­le­risch das zu leis­ten, was mög­lich ist. Mas­sen­be­dürf­nis, Not der Zeit und Ge­mein­schafts­ge­dan­ke füh­ren zum Kol­lek­tiv­bau, der sei­ner­seits wie­der den zweck­mä­ßig und lie­be­voll durch­ge­ar­bei­te­ten Typ ver­langt.“[1] 

Der Pavillon der Kölnischen Zeitung auf der Pressa, 1928, Foto: Werner Mantz.

 

Ar­chi­tek­tur­ge­schicht­lich rei­hen sich der „Blaue Hof“ und die „Wei­ße Stadt“ ein in die Rei­he der be­kann­tes­ten Sied­lun­gen Deutsch­lands aus der Wei­ma­rer Re­pu­blik, so auch Ri­phahns Wett­be­werbs­er­folg von 1928 zur be­rühm­ten „Dam­mer­stock-Sied­lun­g“ in Karls­ru­he, wo ihm ne­ben Wal­ter Gro­pi­us und Ot­to Ha­es­ler (1880-1962) der drit­te Preis zu­ge­spro­chen wur­de und er mit ih­nen zu­sam­men die da­ma­li­gen Vor­stel­lun­gen des Zei­len­baus rea­li­sie­ren konn­te. 

Er­wähnt sei auch das Köl­ner UFA-Ki­no von 1931, in Zu­sam­men­ar­beit mit C. M. Grod in ei­ner Bau­zeit von nur sechs Mo­na­ten er­rich­tet. Der Kon­trast der erst­mals nicht ge­nie­te­ten, son­dern ge­schwei­ß­ten Stahl­ske­lett-Kon­struk­ti­on mit ih­rer glat­ten Alu­mi­ni­um- und Glas-Fas­sa­de zu den Grün­der­zeit-Fas­sa­den in der Um­ge­bung konn­te nicht grö­ßer sein. Ein­zi­ger Fas­sa­den-Schmuck des Baus war die Ne­on­re­kla­me des Ki­nos. 

Der Pavillon der Kölnischen Zeitung auf der Pressa bei Nacht, 1928, Foto: Werner Mantz.

 

In­ter­na­tio­nal be­kannt wur­de Ri­phahn mit dem Bau der „Bas­tei“ aus dem Jah­re 1924, ei­nem Aus­flugs­re­stau­rant, des­sen schwe­ben­de fi­li­gran-kris­tal­li­ne Glas- und Stahl­kon­struk­ti­on er auf ei­ner al­ten Ca­pon­nie­re der ehe­ma­li­gen preu­ßi­schen Be­fes­ti­gungs­an­la­gen in das Rhein­pan­ora­ma ein­pass­te. Die­ser viel­leicht wit­zigs­ten ex­pres­sio­nis­ti­schen Ar­chi­tek­tur­schöp­fung sei­ner Zeit dürf­ten Tauts Vi­si­on ei­nes „Dreh­ba­ren Hau­ses“ und des­sen „Glas­haus“ auf der Köl­ner Werk­bund­aus­stel­lung 1914 Pa­te ge­stan­den ha­ben. „Die­ser Bau ist ei­gent­lich das Lieb­lings­werk von Ri­phahn ge­we­sen. Er trug bis zu sei­nem To­de in sei­ner Brief­ta­sche ein Fo­to von der ‘Bas­tei’“.[2] Die Bas­tei war Ri­phahns "Som­mer­nachts­traum", wie er viel spä­ter ein­mal sei­ner 1924 ge­bo­re­nen Toch­ter Mar­le­ne ver­ra­ten soll­te.

Mit der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1933 bra­chen für Ri­phahn schwe­re Zei­ten an. Ein teil­wei­ses Be­rufs­ver­bot und der Aus­schluss von öf­fent­li­chen Auf­trä­gen wa­ren die Fol­ge der jü­di­schen Ab­stam­mung sei­ner Frau und sei­ner Kom­pro­miss­lo­sig­keit ge­gen­über der so­ge­nann­ten „Neu­en Ge­sin­nun­g“. Sei­ner Toch­ter Mar­le­ne hat­te er ver­bo­ten, in den BDM ein­zu­tre­ten. 

Ansichtskarte mit der Bastei am Rhein vor ihrer Zerstörung, Köln, 1930.

 

1937 schrieb er an den „Brief­kas­ten“ der Frank­fur­ter Zei­tung: „Ich bin Ar­chi­tekt und ha­be, wie ich oh­ne Über­he­bung sa­gen kann, ei­nen in deut­schen Fach­krei­sen sehr be­kann­ten Na­men. [...] Die ge­än­der­ten künst­le­ri­schen Ten­den­zen ha­ben mich, der ich mich nach die­ser Rich­tung hin zu kei­nen Kon­junk­tur­kon­zes­sio­nen ver­ste­hen kann, bei der Auf­trags­er­tei­lung gro­ßer öf­fent­li­cher Bau­ten in den letz­ten Jah­ren aus­ge­schal­tet. Jetzt plötz­lich tritt die Stadt Köln wie­der an mich her­an und möch­te mir ein gro­ßes öf­fent­li­ches Bau­pro­jekt über­tra­gen. [...] Es tritt da­bei aber ei­ne Schwie­rig­keit auf, die viel­leicht gar kei­ne ist: Die Ab­stam­mung mei­ner Frau [...]“.

Er wand­te sich an sei­nen Köl­ner Kol­le­gen Cle­mens Klotz, der 1933 zu den füh­ren­den Ar­chi­tek­ten­grö­ßen des „Drit­ten Rei­ches“ auf­ge­stie­gen war. Die­ser ver­wand­te sich bei den Grö­ßen der NS­DAP für ihn. Und so bau­te Ri­phahn für die GAG in Köln-Lin­den­thal ei­nen fast gänz­lich in Log­gi­en und Fens­ter auf­ge­lös­ten Sied­lungs­block, der an sei­ne Bau­ten der 1920er Jah­re an­knüpf­te und schon auf die Bau­ten der 1950er Jah­re ver­wies.

Pri­va­te Bau­auf­trä­ge hiel­ten ihn wirt­schaft­lich über Was­ser, wie zum Bei­spiel das „Ind­an­th­ren­haus“ auf der Brei­te Stra­ße (1938/1939, heu­te Du­mont-Haus), das mit sei­ner Kol­lo­na­de ei­ne städ­te­bau­li­che Neu­ig­keit in Köln dar­stell­te - sti­lis­tisch dem Stutt­gar­ter „Zep­pe­lin­haus“ von Paul Bo­natz na­he − wohl die ein­zi­ge Mög­lich­keit Ri­phahns, sein Ge­sicht nicht zu ver­lie­ren. Auf ei­ner USA-Rei­se im Jah­re 1939 dach­te er so­gar über ei­ne Emi­gra­ti­on nach, kehr­te aber wie­der nach Köln zu­rück.

We­gen des Dau­er­bom­bar­de­ment Kölns durch die Al­li­ier­ten in den letz­ten Kriegs­jah­ren hat­te sich Ri­phahn mit sei­ner Fa­mi­lie nach En­gels­kir­chen im Ber­gi­schen Land zu­rück­ge­zo­gen. Dort dach­te er schon kon­kret über den Wie­der­auf­bau Kölns nach, das schlie­ß­lich am 6.3.1945 vom Ober­kom­man­do der Wehr­macht „als Trüm­mer­hau­fen Köln dem Feind über­las­sen“ wur­de. Die Köl­ner In­nen­stadt war bei Kriegs­en­de zu 90 Pro­zent zer­stört.

Gleich nach Kriegs­en­de war un­ter der Lei­tung der Köl­ner Ar­chi­tek­ten Eu­gen Blanck (1901-1980) und spä­ter Ru­dolf Schwarz die Köl­ner 'Wie­der­auf­bau­ge­sell­schaft' ge­grün­det wor­den. Wil­helm Ri­phahn wur­de als frei­er Ar­chi­tekt zum Bei­rat be­stellt. Und schon 1946 be­gann er im Rah­men des Wie­der­auf­baus mit der Pla­nung der Hah­nen­stra­ße. Ur­sprüng­lich als pro­vi­so­ri­sche La­den­bau­ten mit Blick auf die kom­men­de Wäh­rungs­re­form an­ge­dacht, wies Ri­phahn dies als un­sin­nig zu­rück und setz­te schlie­ß­lich sei­nen städ­te­bau­li­chen Vor­schlag mit ein­ge­schos­si­gen Flach­bau­ten zur Hah­nen­stra­ße und ei­ner nach hin­ten hin ge­staf­fel­ten mehr­ge­schos­si­gen Block­be­bau­ung durch.

An­knüp­fend an sei­ne Sied­lungs-Bau­ten in den 1920er Jah­ren schul­de­te sein ganz­heit­li­ches Pla­nungs­kon­zept der Idee ei­nes städ­te­bau­lich durch­dach­ten, durch­grün­ten und durch­lüf­te­ten Stra­ßen­rau­mes, der mit der Hah­nen­stra­ße als ei­ne der Haupt­ver­kehrs­ach­sen Kölns auch ei­ne Rei­he kul­tu­rel­ler At­trak­tio­nen mit ein­be­zie­hen soll­te: die Kunst­ga­le­rie "Mo­el­ler", das bri­ti­sche Kul­tur­in­sti­tut "Die Brü­cke" und die "Hah­nen­tor­licht­spie­le". Bei der Er­öff­nung am 19.8.1948 be­ein­druck­te der Ki­no­neu­bau mit "sei­ner glück­li­chen Ver­ei­ni­gung von Sach­lich­keit und Schön­heit aus Glas, Wei­ß­me­tall und Licht - sehr viel Lich­t“. 

Mit Blick auf ein mo­der­nes Ge­sicht sei­ner Hei­mat­stadt hat­te Ri­phahn schon Mit­te der 1940er Jah­re über den Bau ei­ner neu­en Köl­ner Oper nach­ge­dacht, die den al­ten, teil­zer­stör­ten Grün­der­zeit­bau von Carl Mo­ritz (1863-1944) er­set­zen soll­te. Mit dem Er­folg ei­nes en­ge­ren Wett­be­werbs und der po­li­ti­schen Ent­schei­dung für ei­nen zen­tra­len in­ner­städ­ti­schen Stand­ort für die neue Oper er­griff Ri­phahn die ein­zig­ar­ti­ge Her­aus­for­de­rung, ei­nen gan­zen in­ner­städ­ti­schen Be­reich mit sei­nen Pla­nun­gen zu be­ein­flus­sen.

Die Bastei am Rhein, 2008. (Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons))

 

„Köln wird [...] wie­der ent­ste­hen, ja es wird sich, wenn auch in spä­ter Zu­kunft, zur gro­ßen Me­tro­po­le West­eu­ro­pas ent­wi­ckeln [...]“. Er sah die ein­ma­li­ge Chan­ce zu ei­nem ra­di­ka­len städ­te­bau­li­chen Neu­an­fang, blieb aber mit sei­nen Vi­sio­nen über die Zu­kunft Kölns im Rah­men des Wie­der­auf­bau­es, der mit der Be­bau­ung der Hah­nen­stra­ße sei­nen An­fang ge­nom­men hat­te, eher al­lein. Doch zu ei­nem „Ar­chi­tek­ten­streit" wie im na­he ge­le­ge­nen Düs­sel­dorf soll­te es in Köln nicht kom­men - wo „Hit­lers Ar­chi­tek­ten"[3] die Wie­der­auf­bau-Pla­nungs­ho­heit über­nom­men hat­ten.

1957 wur­de die neue Oper ein­ge­weiht, als ein weit­hin sicht­ba­rer ar­chi­tek­to­ni­scher Ak­zent Kölns, im Volks­mund auch kri­tisch „Grab­mal des un­be­kann­ten In­ten­dan­ten“ oder „Ai­da-Bun­ker“ ge­nannt. Mit der Fer­tig­stel­lung des be­nach­bar­ten Schau­spiel­hau­ses, den Opern­ter­ras­sen und der Opern­ga­ra­ge ent­stand bis zu Ri­phahns Tod im Jah­re 1963 mit­ten im Zen­trum Kölns ein gan­zes Thea­ter­vier­tel.  

Mit wei­te­ren pri­va­ten Ge­schäfts­bau­ten in der Nä­he lie­fer­te Ri­phahn so die städ­te­bau­li­che Ori­en­tie­rung für die räum­li­che und hö­hen­mä­ßi­ge Ent­wick­lung für ei­nen der zen­tra­len in­ner­städ­ti­schen Be­rei­che Kölns bis zum heu­ti­gen Tag. Die Oper hat sich heu­te ein­ge­passt in die Be­bau­ung um den Of­fen­bach­platz. Da­mit hat sich er­wie­sen, dass Ri­phahn vor­aus­schau­en­der war als sei­ne da­ma­li­gen Kri­ti­ker, de­nen das Opern­haus zu mons­trös und ge­wal­tig er­schien.

Der künst­le­ri­sche Mut zu Neu­em war es, der ihn trieb, wie er es bei sei­ner Re­de zur Er­öff­nung des Schau­spiel­hau­ses im Jah­re 1962 mit ei­nem Zi­tat von Max Frisch (1911-1991) aus­drück­te: „Dem neu­en Haus ge­be ich, wie bei der Oper, die Wor­te Max Frischs mit auf dem Weg aus sei­nem Buch ‘Stil­ler’: 'Ver­zicht auf das Wag­nis, ein­mal zur Ge­wohn­heit ge­wor­den, be­deu­tet im geis­ti­gen Be­zirk ja im­mer den Tod, ei­ne ge­lin­de un­merk­li­che Art von Tod.'“ 

1950 war Ri­phahn mit der Eh­ren­dok­tor­wür­de (Dr.-Ing. e. h.) der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Braun­schweig aus­ge­zeich­net wor­den. 1953 wur­de ihm der „Gro­ße Kunst­preis von Nord­rhein-West­fa­len“ zu­ge­spro­chen mit den Wor­ten: „Der Ar­chi­tekt Wil­helm Ri­phahn steht un­ter den Bau­künst­lern des Lan­des an her­vor­ra­gen­der Stel­le. Er hat in ei­nem Le­bens­werk von un­be­irr­ter Fol­ge­rich­tig­keit Bau­ten al­ler Art ge­schaf­fen. Sie zeich­nen sich durch ein­falls­rei­che Fri­sche und Kraft der Ge­stal­tung aus. Vor­wärts­drän­gen­de Ur­sprüng­lich­keit und Sinn für Ein­ord­nung ver­bin­den sich glück­lich in sei­nen Wer­ken. So wur­den sie vor­bild­lich für das Bau­schaf­fen der Ge­gen­wart.“[4] Die Ver­lei­hung des Bun­des­ver­dienst­kreu­zes hat­te Ri­phahn kurz vor­her ab­ge­lehnt mit Hin­weis auf so man­chen der aus­ge­zeich­ne­ten Or­dens­trä­ger je­ner Zeit. Die Aka­de­mie der Küns­te in Ber­lin be­rief Ri­phhahn 1955 zum or­dent­li­chen Mit­glied.

Das Kölner Opernhaus kurz nach seiner Eröffnung, 1957, Foto: Teubner. (Bundesarchiv, B 145 Bild-F004426-0005 / Teubner / CC-BY-SA 3.0)

 

Am 27.12.1963 starb Wil­helm Ri­phahn nach ei­ner 50-jäh­ri­gen Schaf­fens­zeit, die sich mit ganz we­ni­gen Aus­nah­men auf Köln kon­zen­triert hat­te. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Fried­hof Me­la­ten.  

Ri­phahn war kein Theo­re­ti­ker, nicht der in­tel­lek­tu­el­le, er war der prak­ti­sche Vi­sio­när, der „Bau­men­sch“, wie sein Kol­le­ge Eu­gen Blank ge­sagt hat­te. Als sol­cher ge­hört er mit sei­nem Werk in die ers­te Rei­he der gro­ßen deut­schen Ar­chi­tek­ten der Mo­der­ne, ne­ben Mies van der Ro­he (1886-1969), Gro­pi­us, Taut, Poel­zig, Men­delsohn, Wag­ner, May und all den an­de­ren, die der mo­der­nen Ar­chi­tek­tur nach den his­to­ris­ti­schen Ex­zes­sen der Grün­der­zeit den Weg bahn­ten und sich nach 1933 nicht dem NS-Re­gime an­dien­ten. Sei­ner Hei­mat­stadt ist Ri­phahn da­bei treu ge­blie­ben, eben je­nem Köln, das sich heu­te als in­ter­na­tio­na­le Me­tro­po­le be­greift und des­sen Er­schei­nungs­bild er vor und nach dem Krie­ge ma­ß­geb­lich mit­ge­stal­tet hat - auch wenn vie­le sei­ner Bau­ten in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten sind oder bis zur Un­kennt­lich­keit ver­än­dert wur­den. 

„Er ist im­mer Köl­ner ge­blie­ben, er ist nie Ma­na­ger ge­wor­den, der hier und dort und in der gan­zen Welt und nir­gend­wo zu­hau­se is­t“, hieß es in ei­nem Nach­ruf in der „Bau­welt“ im Jah­re sei­nes To­des. Ähn­lich hat­te auch der mit ihm be­freun­de­te Hans Schmitt-Rost (1901-1978) an­läss­lich Ri­phahns 70. Ge­burts­tag be­merkt: „Schlie­ß­lich weiß Ri­phahn, was der Mensch ist. Nicht ei­ner, der im­mer fährt, im­mer ar­bei­tet, im­mer auf Tou­ren is­t“. An­ge­sichts sei­nes um­fang­rei­chen Le­bens­wer­kes, das in die Köl­ner Bau­ge­schich­te als „Ära Ri­phahn“ ein­ge­gan­gen ist, heut­zu­ta­ge kaum zu glau­ben.

Die Stadt Köln ehr­te Ri­phahn, in­dem sie ei­ne Stra­ße nach ihm be­nann­te.

Das Familiengrab der Riphahns auf dem Kölner Melaten-Friedhof, 2014. (Geolina / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons))

 

Bauten (Auswahl)

1913/1914 – Boots­haus des Ru­der­klubs „Ger­ma­ni­a“ in Köln (zer­stört)
1914 – Wohn- und Ge­schäfts­haus­grup­pe Jus­ti­ni­an­stra­ße/Deut­zer Frei­heit in Köln-Deutz
1920/1921 − Wohn­an­la­ge am Nord­fried­hof in Köln-Mau­en­heim, Ab­riss 2014/2015, Er­satz durch Neu­bau­ten
1922–1924 − Wohn­an­la­ge Grü­ner Hof in Köln-Mau­en­heim (Er­wei­te­rung der vor­ge­nann­ten Wohn­sied­lung)
1922–1931, 1938 − GAG-Wohn­sied­lung Bi­cken­dorf II in Köln (Farb­ge­stal­tung un­ter an­de­rem von Hein­rich Ho­er­le)
1923–1924 − Re­stau­rant „Bas­tei“ in Köln, heu­ti­ges Kon­rad-Ade­nau­er-Ufer, nach Kriegs­zer­stö­rung Wie­der­auf­bau durch Ri­phahn 1958
1925–1930 − Sied­lung Zoll­stock in Köln-Zoll­stock
1926–1932 − Sied­lung Kal­ker­feld, heu­te Köln-Buch­forst: Wei­ße Stadt und Blau­er Hof
1927–1929 − Bau­grup­pen 4 und 14 der Sied­lung Dam­mer­stock in Karls­ru­he
1929–1930 − Bü­ro- und Ge­schäfts­haus Ind­an­th­ren-Haus, Schil­der­gas­se in Köln, 1950-1951 be­zie­hungs­wei­se 1954 Wie­der­auf- und Um­bau durch Ri­phahn
1930–1931 − Ka­tho­li­sche Pfarr­kir­che St. Pe­trus Ca­ni­si­us in Köln-Buch­forst (ver­än­dert)
1931 − UFA-Pa­last, Köln, Ho­hen­zol­lern­ring 22–24
1934 − Zehn Rei­hen­häu­ser am heu­ti­gen Gus­tav-Hei­nemann-Ufer in Köln
1938–1939 – Ind­an­th­ren-Haus, Bü­ro- und Ge­schäfts­haus Du­Mont in der Brei­te Stra­ße, 1954 nach Kriegs­zer­stö­rung Wie­der­auf­bau und Er­wei­te­rung durch Ri­phahn
1947–1949 − Wohn- und Ge­schäfts­bau­ten in der Hah­nen­stra­ße in Köln
1948 − Sar­t­o­ry-Sä­le, Köln, Frie­sen­stra­ße 
1950 – Ate­lier- und Wohn­haus für den Bild­hau­er Ger­hard Marcks (1889-1981), Köln-Mün­gers­dorf
1950 − Bri­ti­sches Kul­tur­in­sti­tut Bri­tish Coun­cil („Die Brü­cke“), nach des­sen Schlie­ßung En­de der 1990er Jah­re seit 2002 Sitz des Köl­ni­schen Kunst­ver­eins Hah­nen­stra­ße 6, Köln
1950–1952 – Bü­ro­hoch­haus Con­cor­dia-Haus, Köln, Ho­hen­zol­lern­ring 2–10 (mit Paul Do­e­tsch)
1951 − Wohn­haus für Jo­sef Hau­brich, Köln-Mün­gers­dorf
1951–1953 − In­sti­tut Français, Köln, Sach­sen­ring 77
1952–1953 − Ver­wal­tungs­ge­bäu­de der Pro­vin­zi­al Feu­er- und Le­bens­ver­si­che­rungs­an­stal­ten, Düs­sel­dorf (mit Eu­gen Blanck und Hans Schwip­pert)
1954–1957 − Oper Köln, der­zeit in Re­no­vie­rung
1958–1961 − Dresd­ner Bank Köln (1. Bau­ab­schnitt: Ko­mö­di­en­st­ra­ße 1958–1960, 2. Bau­ab­schnitt: Turm­bau Un­ter Sach­sen­hau­sen 1960–1961)
1959 − Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­che Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät zu Köln
1960–1962 − Schau­spiel­haus Köln, der­zeit in Re­no­vie­rung

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Quellen

Nach­lass Ri­phahn, His­to­ri­sches Ar­chiv der Stadt Köln, Be­stand 1225. Wie­weit der Nach­lass so­wie an­de­re für die­sen Bei­trag her­an­ge­zo­ge­nen Be­stän­de den Ein­sturz des Ar­chivs 2009 über­stan­den ha­ben, ist der­zeit nicht be­kannt. 

Literatur

Fries, Hein­rich de, Wil­helm Ri­phahn, Ber­lin [u.a.] 1927, Nach­druck Ber­lin 1996.
Funck, Brit­ta (Be­arb.), Wil­helm Ri­phahn, Ar­chi­tekt in Köln. Ei­ne Be­stands­auf­nah­me. (Ka­ta­log zur Aus­stel­lung Wil­helm Ri­phahn – Ar­chi­tekt in Köln im Mu­se­um für An­ge­wand­te Kunst Köln vom 18. Sep­tem­ber 2004 bis 2. Fe­bru­ar 2005), Köln 2004, 2. Auf­la­ge 2012,
Hag­spiel, Wolf­ram, Der Köl­ner Ar­chi­tekt Wil­helm Ri­phahn. Sein Le­bens­werk von 1913 bis 1945, Diss., Köln 1982.  

Film

Die Blaue Kü­che - Die Ar­chi­tek­tur des Wil­helm Ri­phahn. Fern­seh­film von Jür­gen A. Ro­der. WDR 1997.  

Das Concordia-Haus in Köln, verm. 1950er Jahre.

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Roder, Jürgen A., Wilhelm Riphahn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/wilhelm-riphahn/DE-2086/lido/5ce55ee9d8c5c6.63566681 (abgerufen am 19.04.2024)