1933 bis 1945 - Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
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1. Machtübernahme und Herrschaftsausbau
Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen, konnte das Rheinland nicht als Kernland der NS-Bewegung gelten. Während die NSDAP bei den Wahlen vom 5.3.1933 reichsweit 43,9 Prozent erzielte, lag ihr Stimmenanteil in den rheinischen Wahlkreisen meist etwa zehn Prozent darunter. Ein Grund hierfür war die Stärke des politischen Katholizismus: Die katholische Zentrumspartei konnte in der Rheinprovinz 1933 fast dreimal so viele Stimmen wie im Reichsdurchschnitt erringen und gewann noch zwei Monate nach der Machtübernahme in Bonn, Aachen oder Trier mehr Wähler als die NSDAP. Auch die Linksparteien erhielten zu diesem Zeitpunkt in den rheinischen Großstädten noch starke Unterstützung, vor allem die KPD, die zwischen Köln, Duisburg und Wuppertal zwischen 18 und 20 Prozent der Stimmen bekam.
Dass die Stärke des Katholizismus und der linken Arbeiterbewegung eine gewisse Barriere für die Wahl der nationalsozialistischen „Volkspartei" bildete, zeigt ein Blick auf die evangelisch geprägten Bezirke in Wuppertal oder Remscheid, im Landkreis Moers oder im Oberbergischen. Hier konnte die NSDAP wesentlich schneller Fuß fassen. Weil dies in der Region aber die Ausnahme blieb, betrachtete die NSDAP das „schwarze Rheinland" mit Misstrauen. Die auch in der Nachkriegszeit populäre Ansicht, dass katholischer Glaube und rheinische Lebensart die Durchsetzung des Nationalsozialismus im Westen des Reiches verhindert hätten, erweist sich bei genauerer Betrachtung aber als Fehleinschätzung. Auch in der Rheinprovinz schafften es die Nationalsozialisten binnen weniger Monate, eine stabile Herrschaft zu errichten. Entsprechend brachten die seit Ende 1933 inszenierten Reichstagswahlen und Volksabstimmungen hier kaum andere Ergebnisse als im übrigen Deutschen Reich: In den Stimmbezirken des Raumes Köln-Aachen und Koblenz-Trier blieben die Wähler allenfalls zehn bis 15 Prozent unter dem jeweiligen Durchschnittswert von über 90 Prozent Ja-Stimmen. Die Wahlergebnisse zeichneten das Bild einer großen Übereinstimmung mit leichten Abstrichen.
Wichtig für die rasche Etablierung des NS-Regimes im Rheinland war auch die Neubesetzung von Schlüsselstellen in Politik, Verwaltung und Verbänden. Mit Unterstützung ihrer konservativen Bündnispartner zwangen die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme die meisten der amtierenden (Ober-)Bürgermeister und Beigeordneten, Landräte, Regierungspräsidenten und Behördenchefs von Polizei und Justiz zum Rücktritt. An ihre Stelle traten meist Aktivisten aus der NSDAP, SA oder SS. Ab April 1933 wurden dann auch die mittleren und unteren Ebenen der Behörden in die „Säuberung" einbezogen. Begleitet wurde dies von verleumderischer Propaganda der NS-Presse gegen die „Parteibuchbeamten" und Repräsentanten der Weimarer Republik.
Gleichwohl blieb das Personal in den Kommunalverwaltungen, Polizeipräsidien, Justizbehörden oder Lehranstalten weitgehend unverändert. Von Entlassungen betroffen waren meist nicht mehr als zwei bis fünf Prozent der Bediensteten, darunter vor allem jüdische Beamte sowie Kommunisten und Sozialdemokraten. Die NS-Bewegung, die nicht über genügend qualifizierte Leute verfügte, vertraute auf die Kooperationsbereitschaft der traditionellen Verwaltungsstäbe und Funktionseliten. Mit Recht: Ein Großteil von ihnen zeigte sich anpassungswillig, begrüßte die nationalsozialistische Gesellschaftspolitik und suchte Karrierechancen im neuen Staat – ob als Ärzte, Lehrer, Polizisten oder Finanzbeamte.
Das Bündnis von NS-Bewegung und Staatsapparat bewährte sich auch bei der Ausschaltung oppositioneller Kräfte. Mit der Aufhebung der wichtigsten Grundrechte im Februar 1933 setzte allerorten eine rücksichtslose Verfolgung von Regimegegnerinnen und -gegnern ein. Sie wurde im Rheinland für einige Monate von einem „Höheren Polizeiführer im Westen" koordiniert, einer bereits 1932 eingerichteten Sonderdienststelle für die Überwachung und Unterdrückung der Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr.
Die Verfolgungsmaßnahmen trafen zunächst die Kommunisten, bald aber auch Sozialdemokraten und Gewerkschaftler, jüdische Menschen sowie engagierte Demokraten. Der von Partei und Polizei entwickelte Terror hatte viele Gesichter: willkürliche Festnahmen und öffentliche Demütigungen, Großrazzien und Massenverhaftungen in Arbeiterhochburgen wie Köln-Bickendorf, Düsseldorf-Gerresheim oder Wuppertal-Elberfeld, zahllose Misshandlungen und Morde.
Innerhalb weniger Wochen wurden mehrere tausend Menschen zu politischen Gefangenen und das Rheinland von einem Netz von Haft- und Folterstätten überzogen. Dies reichte von den zahlreichen Polizei- und Justizgefängnissen zwischen Kleve (Kreis Kleve) und Trier über kurzfristig eingerichtete Lager in leerstehenden Militärbauten oder Fabriken (etwa in Porz (heute Stadt Köln) oder Bergisch Gladbach (Rheinisch-Bergischer Kreis) bis zu den „Braunen Häusern" der Partei sowie den Prügelkellern von SA und SS, die in den Vierteln der größeren Städte Schrecken verbreiteten. Die wichtigsten Knotenpunkte in diesem Netz bildeten die Arbeitsanstalt Brauweiler, die 1933/1934 als Haftort für über 2.000 politische Häftlinge diente, sowie das Konzentrationslager (KZ) Kemna bei Wuppertal, in dem die SA zahlreiche Kommunisten und Sozialdemokraten aus der nördlichen Rheinprovinz internierte und misshandelte.
Der NS-Staat setzte zwar Ende 1933 eine stärker reglementierte Verfolgung durch, so dass auch die meisten der im Rheinland entstandenen Terrorstätten (zunächst) wieder geschlossen wurden; die offene Gewaltpolitik der ersten Monate hatte jedoch deutliche Spuren hinterlassen. Organisationsstrukturen, Beziehungsnetze und Selbstvertrauen der Arbeiterbewegung waren weitgehend zerstört, und auch in der übrigen Bevölkerung zeigte man sich eingeschüchtert.
Doch war Einschüchterung nicht alles; beträchtliche Teile der Gesellschaft standen dem neuen Regime aufgeschlossen gegenüber. Auch die rheinische Bevölkerung nahm die Zerstörung von Rechtsstaat und Demokratie zum Teil zustimmend und weitgehend passiv hin. Viele schauten mit gewissen Hoffnungen auf das „Dritte Reich", und auch unter jenen, die im März 1933 nicht NSDAP gewählt hatten, waren bald nicht wenige bereit, dem neuen Regime eine „Bewährungschance" zuzugestehen. Man erwartete ein Ende der vorangegangenen sozialen und wirtschaftlichen Krise, versprach sich vom Nationalsozialismus nationale Größe und politischen Gleichklang und befürwortete die Aussicht auf autoritäre Führung, Gemeinschaftsbildung und Härte gegen politische und soziale Außenseiter.
Positive Erwartungen hegte man nicht nur im nationalkonservativen Bürgertum, sondern auch unter rheinischen Industriellen, in weiten Kreisen des Mittelstandes oder der parteipolitisch nicht gebundenen Arbeiterschaft. Im schichtübergreifenden katholischen Milieu waren die Positionen gegenüber dem neuen Regime breit gestreut. Das Spektrum reichte vom republikfreundlichen und antinationalsozialistischen Linkskatholizismus über die konservative Führung des Zentrums, die – vergeblich – einen Kompromiss mit den neuen Machthabern suchte, bis zu den rechtskatholischen Kreisen um den Katholischen Akademikerverband oder die Benediktinerabtei Maria Laach, wo man die „Machtergreifung" als entscheidenden Schritt zur Verwirklichung eines autoritären Ständestaates begrüßte.
Die katholische Kirchenführung, große Teile des rheinischen Klerus und viele katholische Verbände und Vereine suchten zunächst ein Arrangement mit dem neuen Regime – zwischen nationaler „Aufbruchstimmung", staatsbürgerlichem Gehorsam und christlichem Selbsterhalt. Wichtiger Bezugspunkt und rechtliche Grundlage war hierfür das im Juli 1933 zwischen NS-Regierung und Vatikan geschlossene Reichskonkordat. Der Vertrag versprach die Freiheit des Bekenntnisses wie der Religionsausübung, stellte den Erhalt der Bekenntnisschulen wie den Schutz der religiösen, kulturellen und karitativen Organisationen in Aussicht und gab vor, auch soziale und berufsständische Einrichtungen des Katholizismus anzuerkennen. Der Preis hierfür war jedoch, dass Katholiken und Kirche jede weitere parteipolitische Betätigung einstellen mussten.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund konnte der Nationalsozialismus zielstrebig seine Stellungen ausbauen. Der Zerschlagung oder Selbstauflösung der demokratischen Parteien und Gewerkschaften folgte die Auflösung der frei gewählten Gemeinderäte, städtischen Parlamente sowie des Provinziallandtages. An deren Stelle traten Gremien, die nur noch beratende Funktion hatten und ausschließlich mit Nationalsozialisten besetzt waren. Die Spitze der nun nach dem Führerprinzip organisierten Provinzialverwaltung wurde bald von NS-Aktivisten wie Josef Terboven (Oberpräsident) oder Heinz Haake (Landeshauptmann) übernommen. Gleiches galt für die Kommunen, die seit der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 in allen personalpolitischen Fragen von lokalen Beauftragten der NSDAP abhängig waren.
Als neue regionale Machtzentren jenseits des staatlichen Behördenaufbaus etablierten sich die Gaue, die ab Mitte der 1920er Jahre als Organisationseinheiten der NS-Partei entstanden waren und sich meist über mehrere Regierungsbezirke erstreckten. Die rheinischen Gauleitungen mit den Gauleitern Friedrich Karl Florian (Gau Düsseldorf), Josef Grohé (Gau Köln-Aachen), Gustav Simon (Gau Koblenz-Trier) und Josef Terboven (Gau Essen) genossen die Rückendeckung der Parteispitze in München und Berlin und konnten auf einen loyalen Mitarbeiterstab sowie einen schlagkräftigen Parteiapparat mit Hunderten von Kreis- und Ortsgruppenleitern zurückgreifen.
Die rheinischen Gauleiter nahmen nicht nur starken Einfluss auf die Arbeit der Kommunen und die Besetzung der Bürgermeisterposten, sondern entwickelten als „Gebietsfürsten" zunehmend Gewicht gegenüber der staatlichen Verwaltung in den Regionen – wenn sie nicht, wie Josef Terboven, ohnehin staatliche Schlüsselpositionen besetzten. Die Gauleitungen setzten mithilfe ihrer Machtmittel eigene politische Impulse, trieben die Verfolgung von Juden und Andersdenkenden voran, versuchten die regionale Kulturpflege und Sozialpolitik zu prägen und mischten sich in die Personalpolitik der Behörden ein. Zahlreiche parteinahe Organisationen sorgten unterdessen für die nationalsozialistische Durchdringung der Gesellschaft und die weltanschauliche Schulung der verschiedenen sozialen Gruppen. Mit einer Mischung aus Anpassungsdruck und Aufstiegsversprechen gewannen sie eine rasch wachsende Zahl von Mitgliedern.
Besondere Bedeutung für die Formung des „nationalsozialistischen Menschen" hatte die Erziehung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Deren vorrangige Ziele waren körperliche wie charakterliche „Ertüchtigung", Disziplin und bedingungsloser „Dienst" an der „Volksgemeinschaft" sowie die Ausrichtung auf die geschichts-, geo- und rassenpolitischen Vorstellungen des NS-Systems. Dem diente – neben der Schule und Einrichtungen wie dem „Reichsarbeitsdienst" – vor allem die Hitler-Jugend (HJ). Ihr gelang es, mit Zwang und Erlebnisangeboten auch im Rheinland nach und nach bis zu 90 Prozent der Jugendlichen zum Eintritt zu bewegen. Ergänzend zu den Schulen, Heimen und Lagern, in denen die Indoktrination der „normalen Volksgenossen" betrieben wurde, errichtete die Partei Erziehungsanstalten für den „Führernachwuchs": Nationalpolitische Erziehungsanstalten, Adolf-Hitler-Schulen oder „Ordensburgen", die unter anderem in Bensberg (heute Stadt Bergisch Gladbach), Königswinter (Rhein-Sieg Kreis) oder Vogelsang in der Eifel Einrichtungen unterhielten.
Obgleich die Machtentfaltung der NSDAP ihrem Anspruch nach total war, blieb sie in der Praxis lückenhaft. Für den Einzelnen bestanden weiterhin Ausweichmöglichkeiten und Rückzugsräume. Eine völlige Unterwerfung von Staat und Gesellschaft unter die „Bewegung" wurde zu keiner Zeit erreicht. Charakteristisch für die NS-Herrschaft war vielmehr das spannungsreiche Zusammenspiel von Partei und Staatsapparat, die Verknüpfung von nationalsozialistischer „Menschenführung" und eingespielten Herrschaftstechniken, weltanschaulicher Formierung und persönlichem Interesse, neuen politischen Leitideen und gesellschaftlichen Traditionen.
2. Öffentliches Leben, Kultur, Wissenschaft
Im öffentlichen und kulturellen Leben führte die nationalsozialistische Machtentfaltung zunächst zu einer starken Normierung. Dies begann bei den Medien: Während die Zeitungen der Arbeiterbewegung bereits 1933 verboten wurden, unterlagen die katholischen und bürgerlichen Blätter der ideologischen Gleichschaltung. Sie verloren zusehends an Boden gegenüber den NS-Organen wie dem „Westdeutschen Beobachter" und der „Rheinischen Landeszeitung", die bald Hunderttausende von Rheinländerinnen und Rheinländern mit der herrschenden Ideologie bekannt machten. Auch der Westdeutsche Rundfunk, der als „Reichssender Köln" dem Propagandaministerium unterstellt wurde, trug zur alltäglichen Indoktrination bei.
Die NS-Ideologie sollte den „Volksgenossen" überdies durch Massenveranstaltungen vermittelt werden. Eine Vielzahl von nationalsozialistischen Festen, Gedenkfeiern, Aufmärschen und Ausstellungen, von Kreis- und Gautagen der NSDAP, Fahnenweihen oder Vereidigungen prägte das öffentliche Leben und den Kalender. Hinzu kamen die Rheinland-Besuche prominenter Nationalsozialisten wie Adolf Hitler (1889-1945), Hermann Göring (1893-1946) oder Joseph Goebbels, populäre Spektakel, bei denen Schaulust und politische Begeisterung, Führerkult und Volksgemeinschaftsglaube ausgelebt wurden. Wie die verschiedenen Propagandaelemente ineinander greifen sollten, lässt sich gut an der 1937 in Düsseldorf gezeigten „Reichsausstellung Schaffendes Volk" zeigen. Die Schau, die fast sieben Millionen Besucher anzog, sollte dem Publikum nicht nur die Leistungen der deutschen Industrie, Siedlungsplanung und Kunst vor Augen führen, sondern diente auch als Plattform für zahlreiche nationalsozialistische Werbeveranstaltungen und als Bühne der NS-Prominenz.
Doch auch unabhängig von solchen Großereignissen veränderte sich der öffentliche Raum. Die Insignien der NS-Herrschaft, Propagandaplakate, Hakenkreuzfahnen oder SS-Banner setzten sich im Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden fest, neu benannte Straßen und Plätze rückten Partei-Führer oder lokale „Märtyrer" der NS-Bewegung täglich ins Bewusstsein.
Der Vergegenwärtigung der nationalsozialistischen Idee diente auch eine auf klare Botschaften zielende Architektur: vom „bodenständigen" Siedlungsbau über modernistische Verwaltungs- und Industriegebäude bis zu den neoklassizistischen Herrschaftsbauten von Partei und Staat. In welchem Maße der öffentliche Raum von der NS-Weltanschauung überformt werden sollte, lässt sich an den städtebaulichen Planungen für Köln, Wuppertal, Düsseldorf oder Trier erkennen. Überdimensionierte Parteigebäude, gigantische Aufmarschplätze, Versammlungshallen und Straßen sollten dort an die Stelle älterer baulicher Strukturen treten und den Städten ein völlig neues Gesicht geben. In Düsseldorf errichtete man bereits im Rahmen der Ausstellung „Schaffendes Volk" Mustersiedlungen, die die Vorstellungen von einem „volksgemeinschaftlichen" Bauen und Wohnen beispielhaft vor Augen führten und nach den nationalsozialistischen Märtyrerfiguren Albert Leo Schlageter (1894-1923) und Wilhelm Gustloff (1895-1936) benannt wurden.
Zu einer völligen Umgestaltung des öffentlichen Lebens kam es aber nicht. Einmal, da viele der architektonischen Großvorhaben und städtebaulichen Pläne aufgrund des Krieges nicht verwirklicht wurden, zum anderen, weil die Nationalsozialisten bestimmte kulturelle Traditionen erhalten wollten. Dies zeigt sich am Umgang mit Heimatbewegung sowie mit Schützen- und Karnevalsvereinen. Zwar bemühten sich die NS-Instanzen um die Überwachung, Zentralisierung und Lenkung des Vereinslebens. Sie zeigten sich aber zugleich interessiert an einer lebendigen Brauchtumspflege, die der Selbstdarstellung des Regimes als „volkstümlich" und „bodenständig" diente. Die Partei bediente lokale Traditionen, indem sie Trachten und Volkslieder aufgriff, Volksfeste ausrichtete und die Mundartdichtung förderte – wie beim 1937 ins Leben gerufenen Wettbewerb „Goldener Spatz von Wuppertal". Und die lokalen Schützen- und Karnevalsvereine konnten meist einer konsequenten Gleichschaltung entgehen. Sie mussten sich allerdings mit den Parteiinstanzen abstimmen und machten inhaltliche Zugeständnisse, etwa indem sie sich zu „Wehrsport" und nationalsozialistischer „Leibeserziehung" bekannten oder antisemitische Wagen in ihre Umzüge aufnahmen.
Auch in den klassischen Kultureinrichtungen gab es neben politisch-ideologischen Neuerungen weitreichende Kontinuitäten, vermischten sich künstlerische Traditionen mit nationalsozialistischer Programmatik. Das Ideal einer „neuen deutschen" und „völkischen" Kunst führte zu spürbaren Veränderungen im rheinischen Kulturleben. Ein wichtiges Signal setzten Bibliothekssäuberungen und öffentliche Bücherverbrennungen, bei denen NS-begeisterte Schüler, Vertreter der zunächst von den studentischen Korporationen dominierten, seit Anfang der 1930er Jahre nationalsozialistisch ausgerichteten „Deutschen Studentenschaft" sowie NS-nahe (Universitäts-)Lehrer mit jüdischen Autoren sowie den Vertretern von Republik und literarischer Moderne abrechneten. Die Kampagne begann mit einer Aktion der Wuppertaler HJ am 1.4.1933, erreichte Mitte Mai ihren Höhepunkt mit Veranstaltungen der Studentenschaften in Bonn und Köln sowie Bücherverbrennungen an Schulen der Rheinprovinz wie in Kleve oder Bad Kreuznach (Kreis Bad Kreuznach) und lief in einigen Städten bis in die Sommermonate weiter.
In den städtischen Kultureinrichtungen, den Schauspielensembles, Orchestern und Museen, kam es allerorten nach der Machtübernahme zu Entlassungen von jüdischen und politisch missliebigen Mitarbeitern. Im Laufe der 1930er Jahre verbannte man linke Autoren, avantgardistische Komponisten und jüdische Künstler von den Spielplänen. Werke moderner Malerei wurden aus Häusern wie dem Wallraf-Richartz-, dem Von-der-Heydt- oder dem Folkwang-Museum entfernt, vernichtet und verkauft. Einen Teil der verfemten Kunstwerke, darunter auch solche der Künstlergruppe „Junges Rheinland", präsentierten die Nationalsozialisten auf der Propagandaschau „Entartete Kunst", die im Sommer 1938 auch in der „Gauhauptstadt" Düsseldorf gezeigt wurde.
Förderung genossen vor allem politisch zuverlässige „deutsche" Künstler, „volksnahe" Werke, nationalsozialistische Lehrstücke oder „heroisch-nationale" Stoffe. In den rheinischen Theatern, Opernhäusern und Konzertsälen behielten aber auch die „Klassiker" einen wichtigen Platz, ebenso wie die beim Publikum beliebten Unterhaltungsstücke. Es waren nicht zuletzt diese weltanschaulich „neutral" gehaltenen, die „Normalität" des Regimes vorspiegelnden Seiten der Kulturproduktion, die für ein Funktionieren der NS-Herrschaft bis ins letzte Kriegsjahr sorgten.
Auch in den rheinischen Universitäten zu Aachen, Bonn und Köln und der Medizinischen Akademie in Düsseldorf gab es Bemühungen um eine „Nazifizierung" – ohne dass jedoch der Wissenschaftsbetrieb zugunsten eines parteiabhängigen „Think tank" zerschlagen worden wäre. Zwar konnten Aufsteiger mit „Parteiticket" viele akademische Schlüsselpositionen erobern. Vielfach knüpfte das lokale NS-Regime aber an die Personen, Verfahren und Ergebnisse der etablierten Wissenschaft an. Auf diese Weise blieben auch Spielräume für zentrumsnahe oder liberale Professoren und ideologieferne Untersuchungen. Kennzeichnend für die NS-Herrschaft war jedoch die Verknüpfung von Forschung, weltanschaulicher Rechtfertigung und politischer Praxis in Schwerpunktbereichen wie der Vererbungslehre und „Rassenhygiene", der Material- und Rüstungsforschung, der germanischen Altertumskunde oder der Volkstums- und Kulturraumforschung.
Auch die Kulturabteilung des rheinischen Provinzialverbandes mit den Landesmuseen in Trier und Bonn folgte dieser Linie. Sie unterstützte Forschungen, die die deutsch-germanische Prägung des westeuropäischen Raumes hervorheben und die Bedeutung des romanischen Kulturerbes in Frage stellen sollten. Das neu gestaltete Bonner Provinzialmuseum versuchte dieses Geschichtsbild mit einer Mischung aus wissenschaftlicher Gründlichkeit, modernem Ausstellungsdesign und ideologischen Schlagworten dem „Volk" nahe zu bringen.
3. Wirtschafts- und Sozialpolitik
Wesentlich für die Festigung des NS-Regimes waren auch wirtschafts- und sozialpolitische Versprechungen. Im Mittelpunkt stand hier der Abbau der Arbeitslosigkeit, die vor 1933 fast ein Drittel der rheinischen Bevölkerung von Sozialleistungen abhängig gemacht hatte. Die NS-Instanzen setzten dagegen verschiedene, zum Teil bereits in der Weimarer Zeit erprobte Instrumente ein. Auf der einen Seite nötigten sie Erwerbslose zur Aufnahme von Arbeit und gingen scharf gegen Schwarzarbeit und „arbeitsunwillige" Unterstützungsempfänger vor; auf der anderen Seite förderten sie die Rüstungswirtschaft und initiierten zahlreiche arbeitsintensive Wohnungsbau- und Infrastrukturprojekte: von den Mustersiedlungen in Düsseldorf über Kanal- und Talsperrenbauten – mit dem Großprojekt der Rurtalsperre – bis zu Flughafen- oder Autobahnerweiterungen im Umfeld des „Verkehrskreuzes" Köln. Einen Schwerpunkt der regionalen Wirtschaftsförderung bildeten das Messewesen sowie die von Rheinromantik und Brauchtum zehrende, auch auf das westeuropäische Ausland ausgerichtete Tourismusbranche.
Dass sich die rheinische Wirtschaft im Laufe der 1930er Jahre erholte und die Arbeitslosenzahlen zurückgingen, hatte mit dieser Politik, aber auch mit der ohnehin festzustellenden Entspannung der Weltwirtschaft zu tun. Von der NS-Wirtschaftspolitik profitierten besonders die Montanindustrie und der Maschinenbau im Rhein-Ruhr-Raum, während rüstungsferne Industrien oder der in Düsseldorf und in Köln ausgeprägte Dienstleistungssektor einen schwächeren Aufschwung erlebten. Dies galt ebenso für die grenznahen Gebiete zwischen Aachen und Trier, die bis 1936 entmilitarisiert waren und danach aus militärstrategischen Gründen keine besondere rüstungsindustrielle Förderung erhielten. Mit dem 1938 begonnenen Bau des Westwalls kam man aber auch im rheinischen Grenzraum der Vollbeschäftigung nahe.
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit festigte die Zustimmung der Bevölkerung zum NS-Regime. Zwar klagten viele Arbeiter über die Deckelung der Löhne und steigende Preise bei Konsumgütern, zwar wurden sie vieler innerbetrieblicher Rechte und Mitsprachemöglichkeiten beraubt, vor dem Hintergrund der zurückliegenden Wirtschaftskrise wurde die Arbeitssituation der 1930er Jahre aber meist eher positiv gesehen. Dies galt umso mehr, als der bald bemerkbare Facharbeitermangel auch Chancen auf Lohnerhöhungen und die Verbesserung des Lebensstandards eröffnete.
In den ländlichen Gebieten bewegte sich die Stimmung zwischen Einverständnis und Unzufriedenheit. Als Gewährsleute der herrschenden „Blut und Boden"-Ideologie erfuhren die Bauern zwar besondere Förderung. Die Einbindung in eine nationalsozialistische Standesorganisation und die Versuche des Regimes, die bäuerliche Lebensweise mit germanischer Symbolik zu überformen, stießen bei den katholischen Landwirten des Rheinlandes jedoch auf Skepsis. Die neuen Regelungen für Produktion und Handel landwirtschaftlicher Erzeugnisse wurden durchaus begrüßt, von manchen Bauern aber auch als übermäßiger Eingriff in ihre gewohnte Erwerbs- und Wirtschaftsweise betrachtet. Schließlich führte das nationalsozialistische Erbhofrecht, das eine Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes verhindern wollte, in den rheinischen Realteilungsgebieten zu Missstimmungen – ohne, dass es jedoch zu größeren Protesten gekommen wäre.
Neben Arbeitsbeschaffung und völkischer Agrarpolitik sollten sozialpolitische Leistungen für „verdiente Volksgenossen" die Attraktivität des NS-Staates steigern. Von großer Bedeutung hierfür waren Massenorganisationen wie die von Robert Ley geführte „Deutsche Arbeitsfront" (DAF) und die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt" (NSV). Die DAF, 1933 anstelle der Gewerkschaften gegründet, um alle „schaffenden Deutschen" klassenübergreifend zu „betreuen", fand vor allem durch ihre Abteilung „Kraft durch Freude", durch Betriebsfeste, Kulturveranstaltungen oder erschwingliche Ferienreisen positive Resonanz. Auch die NSV versuchte den Glauben an die Errungenschaften der „Volksgemeinschaft" zu fördern, indem sie Spendensammlungen für Bedürftige, Geschenkaktionen und Schulspeisungen organisierte, eigene Kindergärten betrieb, die Kinderlandverschickung und das Hilfswerk „Mutter und Kind" organisierte und die Jugendfürsorge ausbaute.
Parteiliche „Fürsorge" und staatliche Wohlfahrtsleistungen waren jedoch meist mit einer sozialen Begutachtung und erbbiologischen Prüfung verbunden. Sie kamen nur denen zugute, die als „erziehungsfähig", politisch unbedenklich und „erbgesund" galten, und waren untrennbar verknüpft mit der Ausgrenzung von Unangepassten und „Minderwertigen". Zudem war die Fürsorge mit klaren familien- und geschlechterpolitischen Leitbildern verknüpft. Die NS-Politik betrachtete die Familie als soziale und biologische „Keimzelle des Volkes" und sah für Frauen vor allem die „naturgegebene" Rolle als Hausfrau, Mutter und „Erzeugerin erbgesunden Nachwuchses" vor. Das signalisierten auch spezielle Erziehungspläne für Frauen und Mädchen in der Schule, im „Bund deutscher Mädel" (BDM) oder in der NS-Frauenschaft, Initiativen zur Verdrängung von Frauen aus Studium und Beruf sowie Prämien und Auszeichnungen für „gebärfreudige Volksgenossinnen".
Die Ausrichtung auf das Idealbild der „deutschen Mutter" wurde jedoch wiederholt infrage gestellt – nicht nur durch Frauen, die sich den familienpolitischen Vorgaben oder sittlichen Normen des Regimes entzogen, sondern auch von Seiten der Wirtschaft, die unverändert auf das weibliche Arbeitskräftereservoir zugriff. Zumal im Zweiten Weltkrieg: Im Bezirk des Landesarbeitsamts Rheinland nahm die Zahl der erwerbstätigen Frauen zwischen 1938 und 1943 um knapp 30 Prozent zu, während die regionale Pressepropaganda zunehmend den „Arbeits-" und „Kriegseinsatz" der „Volksgenossinnen" hervorhob.
4. Verfolgung, Widerstand, Verweigerung
Um die Einsprüche, Verweigerungsversuche und Widerstandshandlungen zu unterbinden, die trotz allgemeiner Unterstützungs- und Anpassungsbereitschaft die NS-Herrschaft begleiteten, entwickelte das Regime einen vielgliedrigen Verfolgungsapparat, erweiterte Kontrollmöglichkeiten und neue Strafvorschriften. Zentrale Verfolgungsinstanz war die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die über nahezu unbeschränkte Befugnisse verfügte: von der willkürlichen Verhaftung über die unbeschränkte Unterbringung in Konzentrationslagern bis zur gezielten Folter und planmäßigen Tötung. Sie wurde unterstützt von den anderen Polizeieinheiten, der Justiz mit ihren extra für politische Delikte geschaffenen Sondergerichten, den Verwaltungsbehörden und der Partei. Da selbst in den rheinischen Großstädten auf einen Gestapobeamten mehrere tausend Einwohner kamen, war die Staatspolizei auch auf die Zulieferdienste der „Volksgenossen" angewiesen. Die „Mitteilungsbereitschaft" von Denunzianten bildete den Ausgangspunkt zahlreicher Ermittlungen und Strafmaßnahmen.
Gegenstand der Verfolgung waren Unmutsäußerungen gegenüber der aktuellen Politik oder Beleidigungen von NS-Prominenten, aber auch oppositionelle Bestrebungen. Den entschiedensten Widerstand gegen das NS-Regime leisteten die im Rheinland organisatorisch fest verankerten Kommunisten. Sie hatten sich auf die Illegalität vorbereitet und versuchten vor allem in den städtischen Ballungsräumen, Industrie- und Bergbauzentren zwischen Duisburg, Aachen, Wuppertal und Köln auf ein baldiges Ende der Diktatur hinzuarbeiten. Sie organisierten Hilfeleistungen für verhaftete „Genossen", hielten Kontakt zu emigrierten Funktionären und Führungskadern jenseits der Westgrenze und waren bemüht, mit Broschüren, Flugblättern oder Wandparolen eine antifaschistische „Gegenöffentlichkeit" aufzubauen, um den Glauben an den Nationalsozialismus zu erschüttern.
Der offene Widerstand und das Festhalten der KPD an gewohnten Organisationsstrukturen erleichterten den Zugriff der staatlichen Verfolgungsinstanzen. Noch 1933 setzte eine Serie von Verhaftungsaktionen und Gerichtsprozessen ein, die alle größeren Städte des Rheinlandes erfasste und in wenigen Jahren mehrere tausend Kommunisten in die Hände von Gestapo und Justiz brachte. Auch wenn die KPD aufgrund dieser Rückschläge ihre Widerstandsstrategie veränderte, hielt sie an ihren grundsätzlichen Zielen fest. Spätestens 1936/1937 jedoch waren die KPD-Strukturen im gesamten Westen zerschlagen und ein Großteil der Funktionäre saß im Konzentrationslager oder Zuchthaus. Die in Freiheit verbliebenen Kommunisten zogen sich nun in Kleingruppen zurück und wurden erst gegen Kriegsende wieder aktiv.
Der Rückzug auf abgeschottete Gesinnungsgemeinschaften war in sozialdemokratischen Kreisen bereits seit 1933 verbreitet. Zwar entwickelten sich auch aus den Reihen der SPD und der linken Gewerkschaften offene Widerstandsaktivitäten, Flugblatt- und Aufklärungsaktionen oder Kommunikationsverbindungen zu Exilorganisationen. Organisationskultur und Selbstverständnis der SPD sorgten jedoch vielfach für politische Zurückhaltung. Oppositionelle Sozialdemokraten bildeten häufig eher unauffällig wirkende Lese- und Diskussionszirkel, in denen die politische Lage erörtert und die Traditionen der Arbeiterbewegung bewahrt werden sollten. Spätestens seit Mitte der 1930er Jahre waren die Aussichten für eine offene Opposition ohnehin düster. Das NS-Regime hatte durch Zwang und Zuwendungen die Bindekräfte der Arbeiterbewegung geschwächt oder zerstört und sich bei weiten Teilen der Bevölkerung Ansehen verschafft: Der Arbeiterwiderstand erschien als „Widerstand ohne Volk".
In den Blickpunkt von Partei und Behörden rückten somit verstärkt Verweigerungshandlungen von Christen, die den nationalsozialistischen Zugriff auf das kirchliche Leben nicht hinnehmen wollten. Dies betraf vor allem die gläubigen Katholiken. Denn Partei und Staat wollten sich schon bald nach dem 1933 geschlossenen Konkordat nicht mehr an den vereinbarten Kompromiss halten. Sie versuchten den Einfluss des rheinischen Katholizismus auf das öffentliche Leben drastisch zu beschneiden und die katholischen Laienorganisationen auf einen eng abgesteckten kirchlich-religiösen Bereich zurückzudrängen. Doppelmitgliedschaften in katholischen und NS-Organisationen wurden untersagt, die katholischen Jugendverbände in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt und schließlich verboten, die katholische Arbeiterbewegung und das Pressewesen bis Ende der 1930er Jahre unterdrückt, der Einfluss der Geistlichkeit auf das Schulwesen beseitigt und zahlreiche christlich geführte Heime und Anstalten der NSV übergeben. Die katholischen Orden hatten mit Verfolgungs- und Propagandakampagnen wegen Devisenvergehen und „Sittlichkeitsverbrechen" zu tun und waren seit den 1940er Jahren von Enteignungen bedroht.
In den Diözesen Aachen, Trier und Köln hielt man lange Zeit an einem kooperativen Kurs fest und stellte die staatspolitische Loyalität der Kirche nicht in Frage; die Bischöfe Franz Rudolf Bornewasser (Trier) und Joseph Vogt (Aachen) bekannten sich anfänglich offen zum „nationalen Neuaufbau". Die Kirchenleitungen erhoben jedoch intern Einspruch gegen die kirchenfeindliche Politik und setzten sich in Predigten, Hirtenworten oder Schriften mit den antiklerikalen Kampagnen der NSDAP auseinander. Die 1934 vom Kölner Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte gegründete, vom Domvikar Joseph Teusch geleitete „Abwehrstelle gegen die nationalsozialistische antichristliche Propaganda" befasste sich in mehreren Veröffentlichungen kritisch mit der NS-Ideologie.
Parallel dazu begannen engagierte Laien und Geistliche sich dem staatlichen Druck zu widersetzen: Jugendgruppen hielten so lange wie möglich an ihren Aktivitäten fest und Pfarrer bemühten sich um eine regelmäßige religiöse Unterrichtung von Frauen und Jugendlichen; Gläubige sprachen sich bei Unterschriftenaktionen gegen die Abschaffung der Bekenntnisschule aus, Geistliche nahmen von der Kanzel aus kritisch Stellung und gut besuchte Gottesdienste, Prozessionen und Wallfahrten demonstrierten die Lebendigkeit des Katholizismus – am deutlichsten auf den Massenveranstaltungen in Kevelaer (Kreis Kleve), der Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt (1933) und der Aachener Heiligtumsfahrt (1937). Meist ging es bei solchen Aktivitäten jedoch zuerst um die Verteidigung der Glaubensgemeinschaft und des kirchlichen Raumes gegen den nationalsozialistischen Zugriff, um Abstand von der herrschenden Weltanschauung, nicht aber um eine grundsätzliche Kritik und Zurückdrängung des Regimes.
Erst im Laufe des Zweiten Weltkrieges entschieden sich die Bischöfe von Trier, Franz Rudolf Bornewasser, und Köln, Joseph Kardinal Frings, dafür, die Menschenrechtsverletzungen des NS-Regimes auch öffentlich anzusprechen. Widerstand blieb die Sache Einzelner oder kleiner Gruppen – wie einiger Geistlicher im Umfeld des Düsseldorfer „Jugendhauses", die 1936 wegen Kontakten zu kommunistischen Jugendgruppen verhaftet wurden, oder des Kölner Ketteler-Haus-Kreises, der regimekritische Katholiken zu politischen Gesprächen zusammenbrachte und Kontakte zur Gruppe des 20. Juli 1944 entwickelte.
Dass christliche Verweigerung vor allem auf die Verteidigung des kirchlichen Raumes gerichtet war, galt auch für den evangelischen Bereich und die „Bekennende Kirche", die etwa in Wuppertal, Düsseldorf und Essen wichtige Aktivitätszentren hatte. Ihr Hauptgegner war die 1932 entstandene „Glaubensbewegung Deutsche Christen", die mit Unterstützung des NS-Staates eine vom Führerprinzip bestimmte, „völkisch" ausgerichtete und gegen Bolschewismus und Judentum in Stellung gebrachte Kirche schaffen wollte. Die Vertreter der „Bekennenden Kirche", die sich im Mai 1934 mit der Barmer Erklärung eine gemeinsame Grundlage gaben, lehnten eine Verknüpfung von christlicher Verkündigung und herrschender Weltanschauung ab, kritisierten das von den „Deutschen Christen" errichtete autoritäre Kirchenregiment und verkündeten ein „Notrecht" gegen die Ansprüche des totalen Staates. Die ins Leben gerufenen „freien" Gemeinden, Presbyterien und Synoden unterlagen zwar polizeilicher Überwachung und Einschüchterung, so lange sich die „Bekennenden" auf den innerkirchlichen Konflikt konzentrierten, blieben sie aber von weitergehenden Sanktionen verschont.
Anders war dies bei den Zeugen Jehovas. Da die „Internationalen Bibelforscher" den totalitären Anspruch des NS-Regimes grundsätzlich in Frage stellten, indem sie auf ihrer Missionierungspraxis beharrten und die Parteimitgliedschaft ebenso verweigerten wie die Teilnahme an Wahlen und den Kriegsdienst, war ihnen die Glaubensausübung verboten. Wie sich beim Blick auf die Bibelforschergruppen in Köln oder Düsseldorf zeigt, wurden die Zeugen Jehovas deutlich pauschaler verfolgt als die anderen christlichen Kirchen, wo Gefängnisstrafen und Konzentrationslager vor allem jene trafen, die durch offene Proteste oder Kontakte zu oppositionellen Gruppen auffielen.
5. Soziale Ausgrenzung und Rassenpolitik
Ausgrenzung traf nicht nur die politischen Gegner des Nationalsozialismus, sondern auch jene, die nicht den Leistungs- und Verhaltensanforderungen des NS-Regimes entsprachen. Die Verfolgung sozialer Außenseiter war wesentlich für die Herausbildung der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft". Betroffen hiervon waren auch die Homosexuellen, deren Lebensweise als „gefährliche Seuche" galt. Ihre in den rheinischen Großstädten, vor allem in Köln und Düsseldorf besonders ausgeprägte Subkultur wurde durch Razzien, Verhaftungsaktionen und Lokalschließungen sowie die Verhängung von Gefängnisstrafen und KZ-Haft nach und nach zerstört. Auch gewöhnliche Rückfallstraftäter und die so genannten „Asozialen", Randgruppen wie Bettler, Landstreicher, Unterhaltssäumige, Prostituierte oder sexuell von der Norm abweichende Frauen, waren mit Entrechtung und verschärfter Verfolgung konfrontiert. Zu den Opfern des Nationalsozialismus zählten auch die Jenischen, die sich als fahrende Händler, Tagelöhner oder Wanderhandwerker verdingten und vor allem in Eifel und Hunsrück lebten. Sie wurden von den NS-Instanzen teilweise „rassenhygienisch" erfasst und häufig in die Verfolgungsmaßnahmen gegen „Zigeuner" einbezogen.
Das Instrumentarium der Verfolgung von Randgruppen reichte von der willkürlichen Verhaftung bis zur dauerhaften, nicht selten tödlich endenden Unterbringung in Arbeits-, Sicherungsanstalten und Konzentrationslagern. Die Verfolgungsinstanzen – unter ihnen Kriminalpolizei, Justiz und Sozialbehörden – folgten dabei im Laufe der NS-Zeit immer stärker der Auffassung, es handele sich bei den Betroffenen um erblich belastete „Minderwertige" und „Schädlinge am Volkskörper", von denen die Gesellschaft „gesäubert" werden müsse.
Welche Auswirkungen solche „rassenhygienischen" Vorstellungen haben konnten, zeigte sich bereits mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom Juli 1933. Mit seiner Hilfe sollten Krankheiten, die als schädlich für die „rassische Substanz des Volkes" galten, dauerhaft „ausgemerzt" und Erkrankte an der Fortpflanzung gehindert werden. Das Gesetz sah die massenweise Zwangssterilisation von Behinderten, psychisch Kranken, sozial Schwachen und Süchtigen vor und betraute mit dieser Aufgabe neben besonderen „Erbgesundheitsgerichten" vor allem die lokale Gesundheitsverwaltung und Ärzteschaft. Ein großer Teil der Mediziner in den Ämtern, Krankenhäusern, rheinischen Vollzugs- oder Heil- und Pflegeanstalten arbeitete aktiv an der „Aufartung des deutschen Volkes" mit – auch in evangelischen Häusern. So traf das „Erbkrankengesetz" allein im Rheinland mehrere zehntausend Menschen, von Psychiatriepatienten über Arbeitshausinsassen bis zu Fürsorgezöglingen und Hilfsschülern. Eine gesonderte Opfergruppe der NS-Sterilisationspolitik stellten die „Rheinlandbastarde" dar, mehrere hundert Kinder deutscher Mütter und farbiger Soldaten aus der Zeit der alliierten Rheinlandbesetzung, die im Rahmen einer Geheimaktion erfasst wurden.
Die letzte Konsequenz der nationalsozialistischen Gesellschaftspolitik, die den Menschen nur nach Kosten und „volksgemeinschaftlichem" Nutzen, Erbwert, Anpassungs- und Leistungsfähigkeit beurteilte, stellte der Mord an den psychisch Kranken und Behinderten dar. Die im Sommer 1939 begonnene Aktion zur „Vernichtung unwerten Lebens" lief im Westen zwar mit Verzögerungen an, doch wurden auch im Rheinland Tausende von Kranken per Meldebogen erfasst, von Ärzten „ausgesondert" und über die Zwischenanstalten Andernach und Galkhausen in Tötungsanstalten überführt.
Der im August 1941 abgebrochenen, zentral gesteuerten Vernichtungsaktion folgten dezentral organisierte Transporte und Tötungen, an denen die regionale Medizinalverwaltung und die rheinischen Gauleiter hohen Anteil hatten. Ab 1942 wurden mehrere tausend Psychiatriepatienten aus rheinischen Anstalten (etwa in Bad Kreuznach, Bedburg-Hau (Kreis Kleve), Bonn, Düren (Kreis Düren), Düsseldorf-Grafenberg, Mönchengladbach, Neuss (Rhein-Kreis Neuss) oder Zülpich/Kloster Hoven (Kreis Euskirchen) „verlegt" und umgebracht, weil man ihre Betten für verletzte Soldaten und Kranke aus den bombengefährdeten Gebieten reklamierte. Die rheinische Provinzialverwaltung, zentraler Träger der regionalen Krankenversorgung und Betreiber zahlreicher Heil- und Pflegeanstalten, war maßgeblich an den Anstaltsräumungen beteiligt und leistete so wesentliche Vorarbeiten für die Patiententötungen.
Die Rassenpolitik richtete sich nicht nur gegen die vermeintlich „Minderwertigen" und „Erbkranken", sondern auch gegen jene, die in der NS-Ideologie als „fremdvölkisch" galten. Die jüdische Bevölkerung (die etwa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte) unterlag seit 1933 einem Trommelfeuer von Ausgrenzungsmaßnahmen: Jüdische Bürgerinnen und Bürger wurden aus dem öffentlichen Dienst, den Pflege- und Rechtsberufen verdrängt, sie verloren ihren angestammten Platz im Kulturleben, wurden mit den „Nürnberger Gesetzen" 1935 zu Staatsangehörigen zweiter Klasse erklärt sowie scharfen Kontakt- und Eheverboten gegenüber „Deutschblütigen" unterworfen. Auch in den Schulen setzten die Nationalsozialisten die „Rassentrennung" durch. Boykottmaßnahmen der NS-Partei, die antisemitische Wirtschaftspolitik der Kommunen und der Druck von Banken und Handelskammern veranlassten viele jüdische Geschäftsleute bereits kurz nach der Machtübernahme dazu, ihren Besitz an „arische" Käufer abzugeben. Für alle sichtbar wurde aus der Leonhard Tietz die Westdeutsche Kaufhof AG oder aus dem Duisburger Kaufhaus Gebr. Alsberg das Warenhaus Horten.
Während der „Reichskristallnacht" am 9. und 10.11.1938 wurden selbst in den rheinischen Landgemeinden systematisch jüdische Gottes- und Bethäuser, Geschäfte und Wohnungen zerstört und allein im Nordteil der Rheinprovinz über 100 Synagogen in Trümmer gelegt (in der gesamten Rheinprovinz wohl etwa 200). Dem Novemberpogrom folgte die endgültige staatlich gelenkte Enteignung und völlige gesellschaftliche Isolierung. Die verbliebenen Juden, die eine Flucht aus Deutschland nicht mehr geschafft hatten, wurden gekennzeichnet, in separaten „Judenhäusern" untergebracht und durch Verbote und Zwangsarbeit ihrer letzten Bewegungsspielräume beraubt. Ab Oktober 1941 brachten Sonderzüge die rheinischen Juden über die Bahnhöfe in Köln, Düsseldorf oder Koblenz in die osteuropäischen Ghettos und Vernichtungslager (wie Lodz, Minsk, Riga, Izbica, Theresienstadt, Majdanek und Sobibor). Unter Leitung der Gestapo wurden allein von Köln aus etwa 11.000, aus dem Düsseldorfer Gestapo-Bezirk schätzungsweise 6.000 Menschen verschleppt.
Parallel zur Deportation der Juden wurden auch die Sinti und Roma aus dem Rheinland abtransportiert. Die „Zigeuner" hatten bereits vor 1933 als Außenseiter gegolten, unterlagen seit der Machtübernahme aber verschärfter Diskriminierung und wurden von den NS-Instanzen als Angehörige einer „fremden Rasse" verfolgt. Berufs- und Eheverboten, der Streichung von Fürsorgeleistungen und Zwangssterilisationen folgte die Kasernierung in bestimmten Straßenzügen oder „Zigeunerlagern" und die Festsetzung an ihren Aufenthaltsorten. Mitte der 1930er Jahre gingen Kriminalpolizei und Reichsgesundheitsamt zur systematischen Registrierung, Vermessung und rassistischen Kategorisierung der Sinti und Roma über.
Die Folgen der Erfassung sollten sich in den westlichen Grenzgebieten besonders schnell zeigen: Unter Leitung der Kölner Kriminalpolizei wurden bereits im Mai 1940 knapp 1.000 „Zigeuner" aus den Bezirken zwischen Trier und Düsseldorf verhaftet und ins besetzte Polen verschleppt. Im März 1943 deportierten die Behörden schließlich den Großteil der noch im Rheinland verbliebenen Sinti und Roma. Sie kamen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, wo sie, ebenso wie die jüdischen Opfer, bis auf wenige ermordet wurden.
Ausgrenzung und Völkermord waren ein arbeitsteiliger Prozess, an dem sich neben dem Sicherheitsapparat und der Partei auch die lokale Sozial- und Finanzverwaltung, Kommunen oder Wirtschaftsverbände beteiligten. Zu den Akteuren zählten nicht nur langjährige NS-Aktivisten, sondern auch „altgediente" Polizisten, rassistisch denkende Wissenschaftler oder „pflichtbewusste" Verwaltungsbeamte. Die Verfolgung äußerte sich in gewalttätigen Übergriffen ebenso wie in bürokratischen Verfahren, die Entrechtung und Ausstoßung als einen Verwaltungsvorgang erscheinen ließen.
Viele der verfolgten Randgruppen trafen in der Mehrheitsbevölkerung auf starke Vorurteile. Doch selbst gegen die Diskriminierung der meist assimiliert und bis 1933 sozial anerkannt lebenden rheinischen Juden regte sich kaum Widerstand. Zwar stießen die rabiaten antisemitischen, offen gewalttätigen Aktionen der rheinischen NS-Organisationen bei großen Teilen der – zumal katholischen – Bevölkerung auf Missbilligung. Doch begegneten die „Volksgenossen" der „geregelten", staatlich gelenkten Judenverfolgung gewöhnlich mit Passivität und Indifferenz. Die Ausgrenzung fand zudem viele Profiteure, von den Geschäftsleuten, die sich an der „Arisierung" jüdischer Unternehmen beteiligten, bis zu den „kleinen Volksgenossen", die sich den öffentlich versteigerten Besitz der deportierten Juden aneigneten. Nur wenige bekundeten den Verfolgten ihre Solidarität oder leisteten Hilfe, etwa bei Fluchtversuchen ins westliche Ausland, die viele jüdische Familien vom rheinischen Grenzgebiet aus unternahmen.
Selbst die Kirchen traten bis auf einzelne Pastoren oder Pfarrer nicht offen gegen die Judenverfolgung an. Christlich begründete Einsprüche betrafen eher die Zwangssterilisationen und die Krankenmorde. Vor allem katholische Ärzte und Pfleger versuchten sich der „rassenhygienischen" Politik zu entziehen. Somit fanden die meisten Verfolgten nur im eigenen Umfeld Unterstützung: in Protesten von Verwandten, in einem verstärkten familiären Zusammenhalt – wie er unter Sinti und Roma ausgeprägt war – oder im Gemeinschaftsleben, das die jüdischen Gemeinden entfalteten. Sie kümmerten sich bis zuletzt um Hilfe bei der Auswanderung, Ausbildung, medizinische Versorgung und Fürsorge und bemühten sich zusammen mit dem „Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr" um die Aufrechterhaltung eines eigenen Kulturlebens.
6. Außenpolitik und nationalsozialistischer Krieg
Für die nationalsozialistische Außenpolitik, die auf eine Abschaffung der nach dem Ersten Weltkrieg errichteten Versailler Friedensordnung und eine rasche Ausdehnung des deutschen Machtbereichs setzte, war das Rheinland eine wichtige Plattform. Dies galt schon allein aufgrund seiner Nähe zu den seit 1919 vom Deutschen Reich abgetrennten Gebieten Elsass-Lothringen und Eupen-Malmedy sowie zu dem vorübergehend unter Völkerbundsverwaltung stehenden Saargebiet. Nachdem die dortige Bevölkerung im Januar 1935 über die Rückkehr des Saarlandes zum Deutschen Reich entscheiden sollte, entwickelte sich eine prodeutsche, seit 1933 von Nationalsozialisten angeführte Sammlungsbewegung, die auch von den angrenzenden rheinischen Gebieten aus unterstützt wurde. Aufgrund des positiven Votums der Saarländer wurde das Gebiet im März 1935 wieder dem Deutschen Reich angeschlossen. Zu der vor allem im Trierer Raum erhofften Rückgliederung in die Rheinprovinz kam es jedoch nicht.
Dass der Nationalsozialismus seine außenpolitischen Ziele im Zweifelsfalle mit kriegerischen Mitteln zu erreichen beabsichtigte, gab das Regime bereits frühzeitig mit der raschen Umstellung auf eine Rüstungswirtschaft, der Einführung der Wehrpflicht 1935 und der völkerrechtswidrigen Besetzung des seit dem Ersten Weltkrieg entmilitarisierten Rheinlands (Remilitarisierung des Rheinlandes) im Jahr 1936 zu verstehen. Der breit inszenierte Einmarsch deutscher Truppen, die Aufstellung von Garnisonen im westlichen „Grenzland" und der Bau von Kasernen in den rheinischen Städten bereitete die Bevölkerung genauso auf den Krieg vor, wie die bald regelmäßig abgehaltenen Luftschutzübungen.
Ab September 1939 sollte die Gesellschaft dann ganz auf die Kriegsziele ausgerichtet werden. Das zeigte sich im Kulturleben wie in der Presse, die weitgehend auf die propagandistische Mobilisierung der Bevölkerung zugeschnitten wurde. Die NS-Partei konnte ihren Machtbereich ausdehnen, indem sie sich verstärkt im Luftschutz engagierte und die „Betreuung" der vom Krieg betroffenen „Volksgenossen", besonders der „Bombengeschädigten", organisierte. Deutlich wurde der kriegsbedingte Bedeutungszuwachs der NSDAP auch durch die Ernennung der rheinischen Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren.
Die lokalen Behörden hatten seit 1939 zwar mit Personalengpässen und organisatorischen Problemen zu tun. Sie nahmen den Krieg aber zum Anlass, die in den 1930er Jahren begonnenen Verfolgungsmaßnahmen weiter zu radikalisieren. Der propagandistische Verweis auf die „Kriegsnotwendigkeiten" begleitete nicht nur die Krankenmorde, sondern auch die Deportation der Juden, Sinti und Roma. Die Angst der Behörden vor einem Zusammenbruch der „Heimatfront" und die Vorstellung, mangelnde Geschlossenheit im Innern könnte den Vormarsch der deutschen Truppen in Europa gefährden, ließ die rheinischen Behörden immer häufiger und früher gegen abweichendes Verhalten einschreiten – ob gegen öffentliche Ansammlungen von Jugendlichen, mangelnde Arbeitsdisziplin oder das Abhören ausländischer Rundfunksender.
Um die „Volksgenossen" von einem Ausbrechen aus der „Kriegsgemeinschaft" abzuhalten, verhängte die Justiz drakonische Strafen. Im Kölner „Klingelpütz", der zentralen Hinrichtungsstätte für das Rheinland (und Teile des Ruhrgebiets), wurden während der 1940er Jahre wohl über tausend Todesurteile vollstreckt, denen oft nur Eigentumsdelikte zugrunde lagen.
Mit dem Krieg kam es auch zu einer Ausweitung der NS-Herrschaft und der Ausdehnung des Wahrnehmungshorizonts über die Grenzen der rheinischen „Heimatfront" hinaus. Zahlreiche Männer beteiligten sich als Wehrmachtssoldaten an Fronteinsätzen; die Angehörigen der im Rheinland aufgestellten Polizeibataillone wirkten in Westeuropa, Polen, der Sowjetunion und auf dem Balkan an Sicherungs-, Ausbeutungsmaßnahmen und Mordaktionen mit. Richter, Verwaltungs- oder Finanzbeamte sowie Mitarbeiter rheinischer Firmen stützten die deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten, und das „Frontgeschehen" war über die Medien in der „Heimat" permanent gegenwärtig.
Besondere Bindungen entstanden zu den 1940 besetzten westeuropäischen Gebieten, die mit Unterstützung rheinischer Verwaltungs- und Parteistellen unterworfen und an das Deutsche Reich angebunden wurden. Fuß fassen konnten die Parteiinstanzen und Behörden aus den Bezirken Koblenz, Trier und Köln besonders in Belgien und in Luxemburg, das mit dem NSDAP-Gau Koblenz-Trier (seit 1941 Gau „Moselland") verschmolzen werden sollte. Die politische Durchdringung des Benelux-Raumes wurde begleitet von kulturellen Projekten, wirtschaftlichen Kontakten und wissenschaftlichen Forschungen, aber auch von Raubzügen durch die Märkte und Museen der Nachbarländer.
Für Verfolgungsaktionen in den „Westgebieten" standen Polizei, Gerichte und Gefängnisse des Rheinlandes zur Verfügung. Das zeigte sich auch, als ab Ende 1941 bei der von Hitler veranlassten „Nacht und Nebel-Aktion" Oppositionelle aus den besetzten westlichen Gebieten unter Geheimhaltung nach Deutschland verschleppt wurden: Nun waren die rheinischen Gestapostellen und Justizanstalten, das im Hunsrück gelegene Sonderlager Hinzert (Kreis-Trier-Saarburg) sowie die Sondergerichte Essen und Köln für Transport, Unterbringung und Aburteilung von mehreren tausend Franzosen, Belgiern und Niederländern zuständig.
Ein zentraler Aspekt der Kriegführung war der Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter in Industrie und Landwirtschaft, bei Unternehmen und Kommunen, aber auch in geringem Umfang bei den Kirchen. Zu Zentren der Zwangsarbeit wurden im Rheinland die Arbeitsamtsbezirke Duisburg, Düsseldorf, Essen, Moers-Geldern und Neuß mit ihren zahlreichen metallverarbeitenden Betrieben, das Kölner Stadtgebiet sowie die vom Steinkohlebergbau geprägte Gegend um Aachen und Eschweiler (Städteregion Aachen). Doch waren auch die meisten bäuerlichen Betriebe auf „Fremdarbeiter" angewiesen. Im Sommer 1944 registrierte man in den rheinischen Arbeitsamtsbezirken etwa 400.000 ausländische Zivilarbeiter, unter ihnen mehrheitlich Sowjetrussen, gefolgt von Niederländern, Polen und Franzosen. Ausländische Arbeitskräfte machten etwa ein Fünftel, in manchen Betrieben sogar die Hälfte der Arbeitnehmerschaft aus.
Krupp in Essen allein beschäftigte gegen Kriegsende über 10.000 ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene (1943 sogar über 20.000); eine vergleichbare Zahl von Menschen stand in Köln bei der Reichsbahn, Klöckner-Humboldt-Deutz, Ford, Glanzstoff-Courtaulds sowie Felten & Guilleaume in Zwangsarbeit; und in Düsseldorf befanden sich in der zweiten Kriegshälfte bei der Rheinischen Bahngesellschaft, Rheinmetall-Borsig, Henkel-Thompson und Mannesmann mehrere tausend Ausländerinnen und Ausländer im „Arbeitseinsatz".
Infolge des Zwangsarbeitseinsatzes zog sich ein Netz von Barackensiedlungen, Ausländer-, Kriegsgefangenen- und KZ-Außenlagern über das Rheinland. Selbst in einer mittelgroßen Stadt wie Bonn zählte man im Laufe des Krieges weit über hundert Lager und Sammelunterkünfte. Auf diese Weise entstanden Kontakte zu den Angehörigen der „Feindstaaten", aber auch verschärfte Grenzziehungen. Während die aus Westeuropa stammenden Zivilarbeiter den Deutschen weitgehend gleichgestellt wurden, Bewegungsfreiheit genossen und mitunter auch in ihre besetzte Heimat jenseits der Grenze reisen konnten, waren die als „fremdvölkisch" geltenden Polen und Russen fast schutzlos der wirtschaftlichen Ausbeutung ausgesetzt und sozial weitgehend isoliert. Sie hatten unter miserablen Lebensbedingungen, Kontaktverboten, rigoroser polizeilicher Verfolgung und häufig unter negativen Vorurteilen der „Volksgenossen" zu leiden.
In der rheinischen Bevölkerung war zu Kriegsbeginn nur selten Euphorie zu spüren. Der Drang des Regimes nach Ausdehnung des deutschen Machtbereichs traf jedoch bei vielen auf Zustimmung; die Pflichterfüllung gegenüber „Volk" und „Vaterland", zu der auch die Kirchen seit 1939 aufriefen, wurde nicht in Frage gestellt. Besondere Maßnahmen wie die kriegsbedingte Rationierung von Lebensmitteln oder drastische Strafen gegen „Volksschädlinge" und „Kriegsschieber" fanden Unterstützung. Und mit den ersten, schnell errungenen Siegen stieg die Popularität des Regimes nochmals deutlich an.
Erst gegen Kriegsmitte lässt sich ein Stimmungsumschwung feststellen. Ausschlaggebend dafür waren neben den Niederlagen der Wehrmacht vor allem die Intensivierung des Bombenkrieges an der „Heimatfront" und die im Westen besonders ausgeprägten Flächenbombardements der Alliierten. Sie richteten sich nicht nur gegen Rüstungsbetriebe und Infrastruktur, sondern gegen zivile Ziele und sollten sowohl militärischen Nachschub unterbinden als auch Stimmung und Folgebereitschaft der Bevölkerung beeinträchtigen („Moral bombing").
Einen wichtigen Einschnitt markierte in diesem Zusammenhang der britische Luftangriff auf Köln vom 30./31.5.1942, der erste gegen eine deutsche Stadt geführte „1.000 Bomber-Angriff", dessen Folge knapp 500 Tote, über 5.000 Verletzte und mindestens 60.000 Ausgebombte waren. Spätestens seit Frühjahr 1943, seit Beginn der „Ruhrschlacht" im Westen des Reiches, unterlagen dann alle großen rheinischen Städte regelmäßigen Angriffen der Alliierten und wachsenden Zerstörungen. Im Herbst 1944 wurde ein letzter Höhepunkt erreicht, nachdem Amerikaner und Engländer während des Unternehmens „Market Garden" – einer Luft-Boden-Operation, die den Westwall umgehen und über die Niederlande ins Rheinland vorstoßen sollte – auf heftige Gegenwehr der deutschen Truppen stießen und die Luftangriffe auf Westdeutschland nochmals intensivierten. Parallel dazu wurde die zweite „Ruhrschlacht" eröffnet, mit der Folge, dass nun auch die Klein- und Mittelstädte der Region heftigen Bombardements unterlagen.
In den größeren Städten kostete der Bombenkrieg jeweils mehreren tausend Menschen das Leben, Köln zählte etwa 20.000 Luftkriegstote. In Düren und Jülich (Kreis Düren) waren gegen Kriegsende 99 beziehungsweise 97 Prozent des Wohnraums zerstört, in Koblenz und Mayen über 60 Prozent, und Duisburg und Köln gehörten mit 65 beziehungsweise 70 Prozent zu den drei deutschen Großstädten mit den massivsten Schäden an Wohngebäuden.
Die stete Bombengefahr und die erzwungene Obdachlosigkeit, eigene Fluchten und die von den NS-Instanzen angeordneten Evakuierungen hielten die Menschen ständig in Bewegung und setzten soziale Bezugssysteme wie Familie und Nachbarschaft einer dauernden Belastung aus. Im Rahmen der „Erweiterten Kinderlandverschickung" brachten die NS-Instanzen Zehntausende von Kindern aus den bombengefährdeten Städten des Westens in ländliche Gebiete, wo sie in Familienpflegestellen oder in extra eingerichteten, von der HJ verwalteten Lagern betreut wurden. Frauen aus der Unterschicht und Jugendliche wurden vermehrt zu Arbeits- und Kriegseinsätzen (auch am Westwall) genötigt, die in der Industrie arbeitenden Männer hatten immer weitere Sonderschichten zu leisten.
Dies alles blieb nicht ohne Auswirkungen: Die zahlreichen Opfer, persönlichen Verluste und Belastungen, die Zerstörung von Wohnung und Eigentum, das Leben im dauernden Alarmzustand sowie die schlechter werdende Versorgungslage schwächten das Vertrauen der „Volksgenossen" in das NS-System und die innere Bindung an Führung und „Volksgemeinschaft". Die mögliche Erosion der NS-Herrschaft beschäftigte auch die regionalen Parteileitungen und nationalsozialistisch dominierten Kommunalverwaltungen: Sie versuchten dem befürchteten Verfall der „Kriegsmoral" zu begegnen, indem sie Fliegergeschädigten „unbürokratische Hilfe" zusicherten und Sonderzuteilungen verschafften; sie appellierten an „Disziplin" und „Gelassenheit" der rheinischen Bevölkerung, entwickelten eine aggressive Propaganda gegen die „Terrorangriffe" der Alliierten und die „schändliche" Zerstörung rheinischer Kulturgüter (insbesondere des Kölner Doms) und versprachen „Vergeltung".
Auch in den letzten Kriegsjahren kündigte die Mehrzahl der „Volksgenossen" dem Regime keineswegs die Loyalität auf. Es mehrten sich jedoch Äußerungen von Unzufriedenheit und Friedenssehnsucht. Viele Kriegsbetroffene zogen sich in private Nischen zurück, kümmerten sich um die Sicherung des eigenen Überlebens oder suchten Ablenkung in kurzfristiger Zerstreuung. Das Pflichtbewusstsein gegenüber der „Kriegsgemeinschaft" wich der Bereitschaft zu kriegsbedingtem Normbruch und Schwarzhandel. Das Krisenmanagement, die Mobilisierungsversuche und Evakuierungsmaßnahmen der NS-Partei stießen in der rheinischen Bevölkerung vermehrt auf Kritik und Widerstreben.
Dass das Regime gegen Ende an Bindekraft verlor, zeigten auch die unangepassten Jugendlichen, die als „Navajos", „Kittelbach-" oder „Edelweißpiraten" im Laufe des Krieges verstärkt auf sich aufmerksam machten. Sie bildeten eigenständige Überlebensgemeinschaften in den Trümmerlandschaften der rheinischen Großstädte und verteidigten ihren Wunsch nach selbstbestimmtem Freizeitverhalten mit wachsender Entschiedenheit gegen Partei und Polizei. Eine umfassende Politisierung und Widerstandshaltung gegen das NS-Regime blieb unter den Jugendlichen jedoch – wie in der gesamten rheinischen Bevölkerung – die Ausnahme.
Ab Herbst 1944 war die Situation im Rheinland von der nahenden Front bestimmt, nachdem die alliierten Truppen im September die deutsche Grenze überschritten und im Oktober Aachen als erste größere deutsche Stadt eroberten. Zwar startete die Wehrmacht nach dem Stocken des amerikanischen Vormarsches und der verlustreichen Schlacht im Eifeler Hürtgenwald Mitte Dezember 1944 von den Stellungen im Grenzgebiet aus mit der Ardennenoffensive einen letzten großen Gegenangriff. Der Vormarsch der Alliierten wurde aber nur verzögert: Im Frühjahr 1945 eroberten sie die linksrheinischen Gebiete und überschritten im März bei Remagen und Wesel den Rhein.
Die Errichtung einer vorläufigen Besatzungsherrschaft hinter der Front stieß dabei nur selten auf Schwierigkeiten, nachdem die verbliebene Bevölkerung überwiegend „kriegsmüde" war und die jahrelange Mangelwirtschaft gern gegen die von den Alliierten eröffneten Konsummöglichkeiten tauschte. Während die besetzten Ortschaften so meist schnell „befriedet" wurden, entstand vor der heranrückenden Kampflinie im Westen eine durch Luftangriffe und Evakuierungsmaßnahmen weitgehend entvölkerte Zone. Die Bombengeschädigten suchten Zuflucht im Umland und NS-Funktionäre zogen sich in die rechtsrheinischen Gebiete zurück. In den Ruinenfeldern der rheinischen Großstädte sammelten sich unterdessen Illegale, geflohene Zwangsarbeiter, Deserteure oder flüchtige Straftäter. Ein Teil von ihnen bildete kriminelle Banden, die sich zahlreiche bewaffnete Auseinandersetzungen mit den nationalsozialistischen Sicherheitskräften lieferten.
Wenngleich der Staats- und Parteiapparat seit Ende 1944 zusehends zerfiel, begegnete er der drohenden Auflösung der NS-Herrschaft doch mit einer nochmaligen Verschärfung des Terrors. Die Folge war eine Vielzahl von Mordaktionen an Ausländern, politischen Gefangenen, Flüchtenden und Nicht-Durchhaltewilligen. Sie fanden nicht nur in Großstädten wie Köln statt, wo die Gestapo mehrere hundert Menschen exekutierte, sondern auch in Ratingen (Kreis Mettmann), Bergisch Gladbach oder dem Eifelraum. Für die Ausgegrenzten und Gegner des NS-Staates war die Ankunft der Amerikaner und Briten im Frühjahr 1945 im existenziellen Sinne eine Befreiung.
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