Die Marienwallfahrt nach Eberhardsklausen bei Wittlich

Birgit Bernard (Heidelberg)

Postkarte von Eberhardsklausen mit "Blick vom Piesporter Weg". (Kreisarchiv Bernkastel-Wittlich, KBA-06243 (Sammlung Schrot))

1. Die Anfänge im 15. Jahrhundert: Der Klausner Eberhard und seine Marienerscheinung

Im Jah­re 1440 er­rich­te­te der Ta­ge­löh­ner, Klein­bau­er und Win­zer Eber­hard (ge­stor­ben 1451) ei­nen zwölf Fuß ho­hen Bild­stock (sti­pes) mit ei­ner Schmerz­haf­ten Mut­ter­got­tes an der Stel­le der heu­ti­gen Wall­fahrts­kir­che „Ma­ria Heim­su­chun­g“ in der Ge­mein­de Klau­sen. Der Ort, an dem der Bild­stock er­rich­tet wur­de, be­fand sich in­mit­ten der frei­en Na­tur auf ei­ner An­hö­he der Süd­ei­fel über dem Mo­sel­tal und ge­hör­te zum Pfarr­spren­gel von Pie­sport an der Mit­tel­mo­sel.

Über Eber­hards Le­ben ist kaum et­was be­kannt. Er stamm­te of­fen­bar aus der nä­he­ren Um­ge­bung, ent­we­der aus dem na­he­ge­le­ge­nen Dorf Esch oder aus Fer­res (Pie­sport). Im Jah­re 1442 er­rich­te­te Eber­hard nach ei­ner Ma­ri­en­er­schei­nung ein Häus­chen an der Stel­le des Bild­stocks. Zu die­sem Zweck er­hielt er von dem Grund­her­ren Gott­hard von Esch (ge­stor­ben 1465) ein Stück Land. Nach­dem Op­fer­ga­ben ent­wen­det wor­den wa­ren, ver­kauf­te Eber­hard sei­nen we­ni­gen Be­sitz und bau­te ne­ben dem Hei­li­gen­häus­chen ei­ne Klau­se, in der er fort­an als Ein­sied­ler leb­te. In Trier hat­te er zu­vor ei­ne be­schei­de­ne Glo­cke, ei­nen klei­nen Leuch­ter und ein Ma­ri­en­bild er­wor­ben, das dem ers­ten (wohl nicht er­hal­te­nen) Bild­nis äh­nel­te. Nach­dem sich die Kun­de von Wun­dern ver­brei­tet hat­te, setz­te ei­ne Wall­fahrts­be­we­gung ein.

Be­reits 1444 wur­de das Hei­li­gen­häus­chen ab­ge­ris­sen und durch ei­ne klei­ne qua­dra­ti­sche, nicht kon­se­krier­te Ka­pel­le er­setzt. We­ni­ge Jah­re spä­ter – 1447/1448 – wur­de die­se Ka­pel­le er­wei­tert und mit ei­nem Turm ver­se­hen. Nach der Le­gen­de er­eig­ne­te sich beim Bau des Tur­mes ein Mi­ra­kel: So bat Eber­hard die Mut­ter­got­tes, dass ein Fäss­chen mit Wein für die Ar­bei­ter beim Turm­bau stets ge­füllt sein mö­ge. An die­se Le­gen­de er­in­nert das Fass, das auf der Turm­spit­ze an­ge­bracht ist.

Die neue Ka­pel­le wur­de 1449 vom Trie­rer Erz­bi­schof Ja­kob I. von Sierck ge­weiht. Als der Ein­sied­ler Eber­hard zwei Jah­re spä­ter starb, wur­de er in der Ka­pel­le be­gra­ben. Bis 1904 ruh­ten sei­ne Ge­bei­ne vor dem Gna­den­al­tar in den Gna­den­ka­pel­le. Seit­dem sind sie hin­ter ei­nem Git­ter aus­ge­stellt.

2. Das Augustinerchorherrenkloster Eberhardsklausen

Bald nach Eber­hards Tod stell­te sich die Fra­ge nach der seel­sor­ge­ri­schen Be­treu­ung der Wall­fahrt. 1456/1457 lie­ßen sich da­her Au­gus­ti­ner­chor­her­ren aus den Klös­tern Nie­der­werth bei Ko­blenz und Böd­de­ken in West­fa­len am Ort nie­der. Als Keim­zel­le des spä­te­ren Klos­ters wur­de für sie ein Wohn­haus ne­ben Eber­hards Klau­se er­rich­tet. Am 14.9.1459 über­trug der Trie­rer Erz­bi­schof Jo­hann II. von Ba­den Ka­pel­le, Ge­bäu­de und al­le Rech­te an die Win­des­hei­mer Kon­gre­ga­ti­on und ge­neh­mig­te die Ein­rich­tung ei­nes Klos­ters, das die­ser 1461 an­ge­glie­dert wur­de.

Die Eber­hards­klau­se­ner Chor­her­ren wa­ren in den fol­gen­den Jah­ren in Klös­tern der Um­ge­bung re­for­mie­rend tä­tig, so zum Bei­spiel in Sprin­giers­bach oder im St.-Ni­ko­laus-Hos­pi­tal (Cu­sa­nus-Stift) in Bern­kas­tel-Ku­es. Ab dem 15. Jahr­hun­dert er­war­ben sie um­fang­rei­chen Grund­be­sitz, vor­nehm­lich an der Mit­tel­mo­sel. Am 4.7.1502 wur­de ein Kir­chen­neu­bau ge­weiht, für den die ur­sprüng­li­che Ka­pel­le er­wei­tert und in den Neu­bau ein­be­zo­gen wor­den war. Ei­ne nach­ge­bil­de­te Klau­se Eber­hards, de­ren Au­then­ti­zi­tät nicht be­legt ist, be­fin­det sich an der Nord­sei­te der Kir­che. Er­hal­ten sind ein schlich­tes Chor­ge­stühl aus der Zeit um 1500 und ein kost­ba­rer Hoch­al­tar aus der Ant­wer­pe­ner Schu­le, der um 1480 er­wor­ben wur­de. Die zeit­ge­nös­si­schen Wand­ma­le­rei­en in der Bi­blio­thek sind von ho­hem künst­le­ri­schem Wert. 

1747 wur­de die Kir­che durch ei­nen Neu­bau des Cho­res er­wei­tert. Die ra­sche bau­li­che Ent­wick­lung von Kir­che und Klos­ter so­wie die für ei­ne Ei­fel­ge­mein­de au­ßer­or­dent­li­che gro­ßzü­gi­ge Di­men­si­on der Ab­tei- und heu­ti­gen Pfarr­kir­che spre­chen für die gro­ße Be­liebt­heit der Klau­se­ner Ma­ri­en­wall­fahrt.

Vom 15. bis zum 18. Jahr­hun­dert ent­stan­den zahl­rei­che Klos­ter­ge­bäu­de, von de­nen Tei­le heu­te noch er­hal­ten sind wie die ehe­ma­li­ge Her­ber­ge aus dem 18. Jahr­hun­dert, das vor­ma­li­ge Brau­haus, das bis 1952 als Pfarr­haus dien­te, so­wie Wirt­schafts­ge­bäu­de im Sü­den des Klos­ter­be­rings. Auch Tei­le der Klos­ter­mau­er sind er­hal­ten. 1802 wur­de das Au­gus­ti­ner­chor­her­ren­stift Eber­hards­klau­sen sä­ku­la­ri­siert, die Ab­tei­kir­che wur­de zur Pfarr­kir­che um­ge­wid­met.

Ab 1803 kam es zur An­sied­lung von Gast­wirt­schaf­ten in Klau­sen. Sie über­nah­men die Be­her­ber­gung und Ver­pfle­gung der zahl­rei­chen Pil­ger, die vor 1802 in den Hän­den der Chor­her­ren ge­le­gen hat­te. Im Grun­de ge­nom­men han­del­te es sich bei dem Ort Klau­sen im 19. Jahr­hun­dert und bis weit ins 20. Jahr­hun­dert hin­ein um ei­ne Ag­glo­me­ra­ti­on von Gast­be­trie­ben. So wur­den 1922 19 „Ge­höf­te“ ge­zählt, von de­nen 14 Gast­wirt­schaf­ten wa­ren. Im 19. Jahr­hun­dert leb­ten we­ni­ger als 100 Ein­woh­ner in Klau­sen, um die Mit­te des 20. Jahr­hun­derts wa­ren es knapp 250. Seit 1927 ist Klau­sen Sitz ei­nes De­ka­na­tes.

 

2. Die Marienwallfahrt von Eberhardsklausen

Die Ver­eh­rung des Ma­ri­en­bil­des von Eber­hards­klau­sen muss bald nach der Er­rich­tung des Bild­sto­ckes be­zie­hungs­wei­se des ers­ten Hei­li­gen­häus­chens durch Eber­hard in den Jah­ren 1440/1442 ein­ge­setzt ha­ben. Hier­für spricht ne­ben der sprung­haf­ten ar­chi­tek­to­ni­schen Ent­wick­lung, dass sich Eber­hard dau­er­haft in ei­ner Klau­se nie­der­ließ, nach­dem Op­fer ge­stoh­len wor­den wa­ren, und dass be­reits ge­gen Mit­te der 1450er Jah­re Au­gus­ti­ner­chor­her­ren zur Be­treu­ung der Wall­fahrt in die Vor­de­rei­fel über­sie­del­ten. 1472 wur­de mit dem Bau ei­ner Mau­er um den Klos­ter­be­reich be­gon­nen, um Stö­run­gen durch den Wall­fahrts­be­trieb fern­zu­hal­ten. Für das Jahr 1498 be­rich­ten die Quel­len von ei­nem star­ken Pil­ger­zu­strom. Au­ßer­dem hat sich ein Op­fer­stock aus dem 15. Jahr­hun­dert in der Kir­che er­hal­ten.

Ziel der Wall­fahrt war die Ver­eh­rung des Klau­se­ner Gna­den­bil­des in der Gna­den­ka­pel­le, die den west­li­chen Ab­schluss des nörd­li­chen Sei­ten­schif­fes bil­det. Bei dem heu­te am Ort be­find­li­chen Gna­den­bild han­delt es sich um ei­ne vier­fi­gu­ri­ge Dar­stel­lung der Schmer­zens­rei­chen Jung­frau Ma­ria mit Je­sus so­wie Mag­da­le­na und Jo­han­nes. Sie ent­stand nach 1600, wäh­rend ei­ne äl­te­re Dar­stel­lung aus der Zeit um 1440 nur Ma­ria und Je­sus zeig­te. Die frü­hes­te nach­weis­ba­re Dar­stel­lung des Klau­se­ner Gna­den­bil­des be­fin­det sich als Ab­druck auf ei­ner im Jah­re 1469 ge­gos­se­nen Glo­cke in Wald­bö­ckel­heim bei Bad Kreuz­nach.

Nach­rich­ten über Wun­der­hei­lun­gen ver­brei­te­ten sich zu­nächst auf münd­li­chem We­ge. Im Jah­re 1536 leg­te der Ka­no­ni­ker Wil­helm von Bern­kas­tel (um 1460–1536), der ers­te Chro­nist des Au­gus­ti­ner­chor­her­ren­stif­tes, ei­ne ers­te, la­tei­ni­sche Samm­lung der Wun­der an. Es han­del­te sich da­bei um 110 Mi­ra­kel aus der Zeit zwi­schen 1447-1490 und wei­te­re 600 aus den Jah­ren 1490-1536. Im Jah­re 1640 er­schien in Trier ein ers­tes Mi­ra­kel­buch im Druck, das be­reits bei Wil­helm von Bern­kas­tel do­ku­men­tier­te Wun­der ent­hielt, er­gänzt um neue Mi­ra­kel aus den Jah­ren 1616-1640. Von 1647 bis 1767 er­schie­nen drei wei­te­re Mi­ra­kel­bü­cher. Sie dien­ten da­zu, Nach­rich­ten über Wun­der­hei­lun­gen in ei­nem wei­te­ren Um­kreis zu ver­brei­ten, den Ruhm der Wall­fahrt wie auch die Ein­nah­men zu stei­gern und nicht zu­letzt da­zu, sich ge­gen­über an­de­ren Gna­den­or­ten zu be­haup­ten. So zum Bei­spiel – ein be­lieb­ter To­pos der Mi­ra­kel­li­te­ra­tur –, wenn sich an­de­re Hei­li­ge als „wir­kungs­los“ er­wie­sen hat­ten. Das 1647 er­schie­ne­ne Mi­ra­kel­buch ent­hielt un­ter an­de­rem 60 neue Wun­der aus der Zeit von 1640-1647, wäh­rend es sich bei der Aus­ga­be von 1767 le­dig­lich um ei­ne Kom­pi­la­ti­on der bis 1647 er­schie­ne­nen Aus­ga­ben han­del­te. Ein Mi­ra­kel­buch von 1726 ist bi­blio­the­ka­risch nicht nach­ge­wie­sen, so dass Aus­sa­gen über sei­nen In­halt nicht mög­lich sind.

4. Die Wunder

Bei den über­lie­fer­ten Wun­dern han­del­te es sich zum ei­nen um To­ten­er­we­ckun­gen – be­reits bei Wil­helm von Bern­kas­tel sind 95 Fäl­le auf­ge­führt – und die Hei­lung von di­ver­sen Krank­hei­ten und Ge­bre­chen wie Blind­heit, Taub­heit, Stumm­heit, Gicht, Läh­mun­gen, Sko­lio­sen, Gal­len­stei­ne, Was­ser­sucht, Fie­ber, Pest, aber auch psy­chi­sche Er­kran­kun­gen. Häu­fig wur­de die Jung­frau Ma­ria auch bei Un­frucht­bar­keit und als Hel­fe­rin bei der Ge­burt so­wie bei Krank­hei­ten des Viehs an­ge­ru­fen. Frü­he Mi­ra­kel­be­rich­te be­le­gen dar­über hin­aus ih­re An­ru­fung durch Sol­da­ten in Kriegs­hand­lun­gen.

5. Einzugsgebiet und Pilgerzahlen vom 15.-20. Jahrhundert

Das Ein­zugs­ge­biet der Ma­ri­en­wall­fahrt nach Eber­hards­klau­sen war im Ge­gen­satz zur „Matt­hei­ser Wall­fahr­t“ nach St. Mat­thi­as in Trier und der Hei­lig-Rock-Wall­fahrt in ers­ter Li­nie re­gio­nal. Pil­ger ka­men vor al­lem aus dem Erz­bis­tum Trier, ins­be­son­de­re aus der süd­li­chen Ei­fel und aus dem na­hen Huns­rück.

An­ders als bei dem in un­re­gel­mä­ßi­gem Tur­nus aus­ge­stell­ten Hei­li­gen Rock im Trie­rer Dom han­del­te es sich bei der Eber­hards­klau­se­ner Ma­ri­en­wall­fahrt um ei­ne Wall­fahrt mit jähr­li­chem Zy­klus. Zu­sam­men mit der Ab­tei St. Mat­thi­as und dem Dom in Trier ge­hör­te Eber­hards­klau­sen zu den be­lieb­tes­ten Wall­fahrts­stät­ten des (Erz-) Bis­tums Trier. Nach dem „Rhei­ni­schen Volks­kun­de-Fra­ge­bo­gen“ aus der Zeit um 1930 war Klau­sen der be­lieb­tes­te Wall­fahrts­ort des Bis­tums Trier, so auch in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts.

Die Haupt­wall­fahrts­zeit er­streck­te sich auf die Mo­na­te Mai bis Ok­to­ber und hier ins­be­son­de­re auf den „Ma­ri­en­mo­na­t“ Mai und die Ma­ri­en­fes­te im Au­gust und Sep­tem­ber. Hö­he­punkt der Wall­fahrt war das Fest Ma­riae Ge­burt am 8. Sep­tem­ber. Wäh­rend im 18. Jahr­hun­dert der Mo­nat Mai stär­ker fre­quen­tiert ge­we­sen zu sein scheint, ver­la­ger­te sich die Haupt­wall­fahrts­zeit im 19. und 20. Jahr­hun­dert eher auf den Herbst, ins­be­son­de­re den Mo­nat Sep­tem­ber. 

Trä­ger der Wall­fahrt wa­ren vor al­lem Ein­zel­pil­ger aus der (Erz-) Diö­ze­se Trier, die Bitt- und Dank­wall­fahr­ten un­ter­nah­men oder post­hu­me Wall­fahrts­ge­löb­nis­se er­füll­ten. Die­ser Be­fund ent­spricht der im Trie­rer Land ver­brei­te­ten Nei­gung der Gläu­bi­gen zu Pri­vat­wall­fahr­ten.

Aus ein­zel­nen Pfar­rei­en der Diö­ze­se ka­men Dank­pro­zes­sio­nen, die an­läss­lich von über­stan­de­nen Epi­de­mi­en wie der Pest im 17. und 18. Jahr­hun­dert, aber auch beim Aus­bruch an­de­rer Seu­chen wie Ty­phus, Ruhr und Cho­le­ra ge­lobt wur­den. Aber auch Vieh­krank­hei­ten oder der Bei­stand Ma­ri­as in Kriegs­si­tua­tio­nen wa­ren An­läs­se, der Mut­ter­got­tes ei­ne Wall­fahrt nach Klau­sen zu ver­spre­chen. Sie wur­den in der Re­gel ein­mal jähr­lich durch­ge­führt und sind seit dem 17. Jahr­hun­dert nach­ge­wie­sen – ne­ben schrift­li­chen Quel­len et­wa an­hand der Pla­ket­ten, die sich an den kunst­voll ge­schmie­de­ten Ker­zen­hal­tern für die Vo­tiv­ker­zen in der Gna­den­ka­pel­le be­fin­den. Es han­del­te sich – mit zeit­li­chen Schwan­kun­gen von der Frü­hen Neu­zeit bis Mit­te der 1980er Jah­re – um cir­ca 200 bis 330 Pro­zes­sio­nen.

Ab­ge­se­hen da­von lie­gen ver­ein­zel­te Hin­wei­se auf „Straf­wall­fahr­ten“ aus dem 16. und 17. Jahr­hun­dert vor, die in Fäl­len von Mord und Ehe­bruch un­ter­nom­men wer­den muss­ten. Die Mi­ra­kel­bü­cher be­rich­ten dar­über hin­aus von Ge­lüb­den un­ter ver­schärf­ten Be­din­gun­gen, ent­we­der bei Brot und Was­ser oder la­nea ves­te et pe­di­bus nu­dis, das hei­ßt wöl­len und bär­wes, mit nack­ten Fü­ßen und in Wol­le ge­klei­det, der im Mit­tel­al­ter ei­ne rei­ni­gen­de Wir­kung zu­ge­schrie­ben wur­de.

Ansichtskarte der Wallfahrtskirche in Eberhardsklausen. (Kreisarchiv Bernkastel-Wittlich, KBA-06244 (Sammlung Schrot))

 

In Klau­sen spen­de­ten die Pil­ger Geld und Ker­zen oder brach­ten Wachsop­fer in Form von Glie­dern dar, die auf die Für­spra­che Ma­ri­ens hin ge­heilt wor­den wa­ren. Selbst Kin­der­fi­gu­ren aus Wachs wur­den ge­op­fert. In der Ma­ri­en­ka­pel­le lie­ßen sie Krü­cken zu­rück, Mes­ser oder Ge­gen­stän­de, die von „Ver­zau­ber­ten“ aus­ge­spien wor­den wa­ren wie Nä­gel, Na­deln oder Kno­chen. Ab dem spä­ten 19. Jahr­hun­dert wur­den in zu­neh­men­den Ma­ße Vo­tiv­tä­fel­chen mit der Auf­schrift „Ma­ria hat ge­hol­fen“ ge­stif­tet.

Um das Grab­re­lief des Rit­ters Phil­ipp von Ot­te­nesch (ge­stor­ben 1535) in der Turm­hal­le rankt sich ein Volks­brauch, der bis weit ins 20. Jahr­hun­dert in Übung war. Da­bei han­delt es sich um ei­ne für das Bis­tum Trier ty­pi­sche „Volks­ka­no­ni­sa­ti­on“. Hei­rats­wil­li­ge jun­ge Frau­en ba­ten den „Hei­li­gen Komm­hol­mi­ch“ um ei­nen gu­ten Ehe­mann, in­dem sie die Plu­der­ho­se („Bam­pel­bo­x“) des Rit­ters mit dem Glied­fut­te­ral be­rühr­ten und ihm ge­trock­ne­te Bir­nen („Hut­zel­bir­nen“) dar­brach­ten. Noch in den 1960er Jah­ren war die Be­rüh­rung der Ho­se ein in der Ge­gend all­ge­mein be­kann­ter und ge­üb­ter Brauch. 1871 ver­such­te der Pfar­rer von Detzem / Mo­sel, al­ler­dings oh­ne Er­folg, dem Trei­ben ei­nen Rie­gel vor­zu­schie­ben, in­dem er sich beim Ge­ne­ral­vi­ka­ri­at be­schwer­te. Der Brauch sei „zwei­deu­ti­g“ und: „Leicht­gläu­bi­ge Wei­ber hal­ten es für ein Hei­li­gen­bild und ver­eh­ren es.“[1] 

Erst­ma­lig ist der Ver­kauf von De­vo­tio­na­li­en in Büd­chen für das Jahr 1829 be­zeugt. Er­wor­ben wer­den konn­ten re­li­giö­se Ge­gen­stän­de oder Pil­ger­zei­chen mit der Dar­stel­lung des Klau­se­ner Gna­den­bil­des. Be­lieb­te Mit­bring­sel von der Wall­fahrt wa­ren auch Zu­cker­pfei­fen und so ge­nann­te „Ge­bild­bro­te“, Ge­bäck in Form ei­nes Ha­sen.

Ob­wohl ei­ni­ge Pe­ri­oden der Wall­fahrts­ge­schich­te quel­len­mä­ßig nur schlecht do­ku­men­tiert sind, ins­be­son­de­re was das Pil­ge­r­auf­kom­men be­trifft, lässt sich doch ge­ne­rell ei­ne Kon­ti­nui­tät der Wall­fahrt seit dem 15. Jahr­hun­dert oh­ne nen­nens­wer­te Ein­brü­che fest­stel­len. Für die Jah­re 1498 und 1590 lie­gen punk­tu­el­le In­for­ma­tio­nen vor: sie be­rich­ten über ei­nen star­ken Pil­ger­zu­strom, glei­ches gilt für die Jah­re 1765 und 1767. In der zwei­ten Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts be­gann sich im Zei­chen der Auf­klä­rung ei­ne kri­ti­sche Hal­tung ge­gen­über Ma­ni­fes­ta­tio­nen der Volks­fröm­mig­keit durch­zu­set­zen. Im Jah­re 1784 ver­füg­te der Trie­rer Erz­bi­schof Cle­mens Wen­zes­laus von Sach­sen ein Ver­bot von Wall­fahr­ten, die sich über ei­ne Stun­de (und erst recht über Nacht) von der Hei­mat­pfar­rei ent­fern­ten. Den­noch sind zahl­rei­che Pro­zes­sio­nen nach Klau­sen do­ku­men­tiert, et­wa aus Or­ten an der Mit­tel­mo­sel wie Bullay, Alf, Neef oder Bremm. Die Gläu­bi­gen wei­ger­ten sich, von ih­rer Wall­fahrts­tra­di­ti­on ab­zu­las­sen, nicht sel­ten be­stärkt vom nie­de­ren Kle­rus. Ei­ne Rei­he von zum Teil hef­ti­gen Kon­flik­ten war die Fol­ge. Die Wall­fahrt zu un­ter­drü­cken, soll­te je­doch zu kei­nem Zeit­punkt ge­lin­gen, we­der im al­ten Erz­bis­tum Trier, noch wäh­rend der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on und der fran­zö­si­schen Be­set­zung des Rhein­lands. 1789 hat­ten die Au­gus­ti­ner­chor­her­ren ei­nen Rück­stand von 11.102 zu le­sen­den Mes­sen an­ge­häuft.

Die auf­klä­re­ri­sche, wall­fahrts­re­strik­ti­ve Pe­ri­ode en­de­te im Bis­tum Trier mit dem Be­ginn des Epis­ko­pa­tes von Bi­schof Wil­helm Ar­nol­di (1798–1864), der 1842 in­thro­ni­siert wur­de. Jetzt be­gann sich ei­ne neue Wert­schät­zung ge­gen­über den tra­di­tio­nel­len For­men der Volks­fröm­mig­keit wie bei­spiels­wei­se dem Wall­fahrts­we­sen ab­zu­zeich­nen. En­de der 1850er Jah­re ka­men al­lein in der Ok­tav von Ma­riä Ge­burt 10.000 Pil­ger nach Eber­hards­klau­sen, 1866 wur­den cir­ca 150.000 Pil­ger ge­zählt. Fried­rich Wil­helm IV. (1795–1861), preu­ßi­scher Kö­nig von 1840-1858/1861, reis­te wäh­rend sei­ner Re­gent­schaft zwei­mal nach Klau­sen und die Trie­rer Bi­schö­fe Mat­thi­as Eber­hard (1815–1876) und Mi­cha­el Fe­lix Ko­rum (1840–1921) sol­len so gut wie je­des Jahr nach Klau­sen ge­pil­gert sein. 

Im ers­ten Jahr des Deutsch-Fran­zö­si­schen Krie­ges von 1870/1871 war ein un­ge­wöhn­lich star­ker Rück­gang der Wall­fahrt zu ver­zeich­nen. Äl­te­re Ein­woh­ner konn­ten sich an kein ähn­lich schlech­tes Wall­fahrts­jahr er­in­nern, doch scheint das Phä­no­men eher auf den Aus­bruch der Po­cken um Os­tern 1870 zu­rück­zu­füh­ren zu sein. Denn ent­ge­gen der Ver­mu­tung des Klau­se­ner Pfar­rers war das Wall­fahrts­ge­sche­hen ein Jahr dar­auf wie­der re­ge. Ge­gen En­de des 19. Jahr­hun­derts ka­men cir­ca 80.000 Pil­ger pro Jahr zum Wall­fahrts­ort.

Der Ers­te Welt­krieg führ­te nicht zu ei­nem Rück­gang der Wall­fahrt, im Ge­gen­teil. Jetzt wur­den au­ßer­or­dent­lich vie­le Bitt­wall­fahr­ten von Sol­da­ten durch­ge­führt, die ins Feld zo­gen. 1915 wur­den cir­ca 160.000 Pil­ger ge­zählt, in den drei Mo­na­ten von Weih­nach­ten 1915 bis Os­tern 1916 wa­ren es be­reits 15.000. Der star­ke Zu­strom hielt bis zum En­de des Krie­ges an und dar­über hin­aus bis et­wa 1923 auf­grund von Ge­löb­nis­sen und Dank­wall­fahr­ten. Die Schät­zun­gen schwan­ken bis zur Mit­te der 1920er Jah­re zwi­schen 80.000 und 150.000 Wall­fah­rern pro Jahr. 1921 klag­te der Klau­se­ner Pfar­rer über die Be­ein­träch­ti­gung der Pfarr­seel­sor­ge in den Som­mer- und Herbst­mo­na­ten durch die gro­ße Zahl der Pil­ger, die sich so­gar beim Emp­fang der Sa­kra­men­te vor­drän­gel­ten. 1936 bat er beim Ge­ne­ral­vi­ka­ri­at um ei­nen Aus­hilfs­geist­li­chen für die Wall­fahrt. Im Jah­re 1938 wur­de schlie­ß­lich ei­ne Ka­plan­stel­le ein­ge­rich­tet, doch noch vier Jah­re da­nach ver­merkt ein Vi­si­ta­ti­ons­be­richt: „Die Wall­fahrt ist der Pfarr­seel­sor­ge oft hin­der­lich.“[2] 

Was der Auf­klä­rung im spä­ten 18. Jahr­hun­dert nicht ge­lun­gen war, soll­te auch den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten nicht ge­lin­gen: die Wall­fahrt in star­kem Ma­ße zu re­gle­men­tie­ren oder gar zu un­ter­bin­den. 1934 wur­de am 15. Sep­tem­ber die 500-Jahr-Fei­er der Wall­fahrt mit ei­nem Pon­ti­fi­kal­amt un­ter frei­em Him­mel mit dem Trie­rer Bi­schof Franz Ru­dolf Bor­ne­was­ser be­gan­gen, zu dem al­lein 5.000-6.000 Gläu­bi­ge er­schie­nen.

Ei­ne für den 5.5.1935 an­ge­setz­te Jung­männerwall­fahrt wur­de ver­bo­ten, das Ver­bot für die Wall­fahrt ein Jahr spä­ter je­doch zu­rück­ge­nom­men. Am 21.5.1936 tra­fen 7.000 Jung­män­ner in Klau­sen ein. 1937 un­ter­sag­te die Ge­sta­po ei­ne Ma­ri­en­fei­er der Ka­tho­li­schen Ju­gend, die am 6. Mai statt­fin­den soll­te. 1935 be­weg­te sich das Wall­fahrts­auf­kom­men mit cir­ca 100.000 Pil­gern durch­aus im üb­li­chen Rah­men. Dohms re­sü­miert: „An­fein­dun­gen und Be­hin­de­run­gen zum Trotz scheint der Wall­fahrts­ver­kehr in der Zeit von 1933-1939 un­ver­min­dert stark ge­we­sen zu sein. Dies gilt für Pro­zes­sio­nen und Ein­zel­pil­ger be­zie­hungs­wei­se klei­ne­re Pil­ger­grup­pen.“[3]   Auf­grund des Be­ginns des Zwei­ten Welt­krie­ges am 1.9.1939 war ein deut­li­cher Ein­bruch bei den im Sep­tem­ber ein­tref­fen­den Pro­zes­sio­nen auf ein Zehn­tel des üb­li­chen Um­fangs zu ver­zeich­nen, ab­ge­se­hen da­von blieb das Auf­kom­men bei Ein­zel­pil­gern je­doch nach Zeit­zeu­gen­be­rich­ten trotz des Krie­ges sehr hoch, für 1943 wird der Zu­strom an Gläu­bi­gen so­gar als „au­ßer­or­dent­lich hoch“ ge­wer­tet.[4] 

Zwi­schen den spä­ten 1940er – ty­pisch für die un­mit­tel­ba­re Nach­kriegs­zeit - und den 1960er Jah­ren be­ga­ben sich ge­schätzt 100.000 bis 150.000 Pil­ger pro Jahr auf die Ma­ri­en­wall­fahrt. Dem all­ge­mei­nen Trend im Wall­fahrts­we­sen fol­gend, mach­te sich dann auch in Klau­sen in den spä­ten 1960er und 1970er Jah­ren ein leich­ter Rück­gang im Wall­fahrts­be­trieb be­merk­bar, wäh­rend seit den 1980er Jah­ren wie­der ein An­stieg re­gis­triert wird.

Bis ins letz­te Drit­tel des 19. Jahr­hun­derts hin­ein blieb das Er­schei­nungs­bild der Klau­se­ner Wall­fahrt als das ei­ner re­gio­na­len Fuß­wall­fahrt sta­bil. Erst mit dem Auf­kom­men mo­der­ner Ver­kehrs­mit­tel im 19. Jahr­hun­dert setz­te ein Struk­tur­wan­del ein. So er­mög­lich­ten die Er­öff­nung der Ei­sen­bahn­li­ni­en zwi­schen Saar­brü­cken und Trier (1858/1860), der Stre­cke Trier – Ko­blenz (1874/1879) und der Mo­sel­tal­bahn (1903/1905) den Pil­gern, mit der Bahn zu na­he­ge­le­ge­nen Bahn­hö­fen zu rei­sen und nur den Rest der Stre­cke zum Wall­fahrts­ort zu Fuß zu­rück­zu­le­gen. Durch die Nut­zung des neu­en Trans­port­mit­tels wa­ren nun auch (ins­ge­samt kür­ze­re) Wall­fahr­ten im Win­ter mög­lich, die zu ei­nem wei­te­ren An­stieg der Pil­ger­zah­len führ­ten. Al­lein an drei Ta­gen im Sep­tem­ber 1890 wur­den am Bahn­hof im na­he­ge­le­ge­nen Het­zer­ath knapp 2.500 Fahr­kar­ten ver­kauft. Die Wall­fahrts­sai­son ver­län­ger­te sich über die tra­di­tio­nel­len Mo­na­te Mai bis Sep­tem­ber hin­aus und ver­la­ger­te sich in zu­neh­men­dem Ma­ße von den stär­ker fre­quen­tier­ten Wo­chen­en­den auf Werk­ta­ge.

In den 1920er Jah­ren wur­den zu­sätz­li­che Bus­ver­bin­dun­gen nach Klau­sen ein­ge­rich­tet. Auch der mo­to­ri­sier­te In­di­vi­du­al­ver­kehr trug zur Zu­rück­drän­gung der klas­si­schen Fuß­wall­fahrt bei. Im Jah­re 1983 ka­men nur noch ein Sechs­tel der Pil­ger zu Fuß nach Klau­sen. Seit den spä­ten 1990er Jah­ren hat sich ei­ne Mo­tor­rad­wall­fahrt eta­bliert, bei der Mo­tor­rad­fah­rer und ih­re Ge­fähr­te den Se­gen er­hal­ten. 

Quellen

Hoff­mann, Paul/Dohms, Die­ter (Be­arb.), Die Mi­ra­kel­bü­cher des Klos­ters Eber­hards­klau­sen, Düs­sel­dorf 1988. 

Literatur

Dohms, Pe­ter, Die Ge­schich­te des Klos­ters und Wall­fahrts­or­tes Eber­hards­klau­sen an der Mo­sel von den An­fän­gen bis zur Auf­lö­sung des Klos­ters im Jah­re 1802, Bonn 1968.
Dohms, Pe­ter, Eber­hards­klau­sen. Klos­ter, Kir­che, Wall­fahrt, Trier 1985.
Dohms, Pe­ter, Das frü­he­re Klos­ter Eber­hards­klau­sen mit der Wall­fahrts­kir­che in Klau­sen bei Witt­lich, Köln 1989.
Dohms, Pe­ter, Klau­se­ner Pil­ger­buch, Trier 2001.
Irsch, Ni­ko­laus, Klau­sen, Trier 1952.
Persch, Mar­tin/Em­bach, Mi­cha­el/Dohms, Pe­ter (Hg.), 500 Jah­re Wall­fahrts­kir­che Klau­sen, Mainz 2003.
Wis­niew­ski, An­dre­as, Ge­mein­de Klau­sen, in: Hes­se, Gün­ter/Wis­niew­ski, An­dre­as (Hg.), Witt­lich Land. Ge­schich­te ei­ner Ver­bands­ge­mein­de zwi­schen Vul­kan­ei­fel und Mo­sel, Bern­kas­tel-Ku­es 1990, S. 879-912.

Luftaufnahme von Eberhardsklausen. (Kreisarchiv Bernkastel-Wittlich, KBA-07216)

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Die Marienwallfahrt nach Eberhardsklausen bei Wittlich, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-marienwallfahrt-nach-eberhardsklausen-bei-wittlich/DE-2086/lido/6041f8ee7459e0.73761006 (abgerufen am 05.12.2024)