Die Schlacht von Worringen 1288

Markus Jansen (Köln)

Schlüsselwagen in der Schlacht von Worringen, von Arnold Colyns, Öl auf Leinwand, 1582, Original im Rheinischen Bildarchiv/ rba_d035260_01 . (gemeinfrei)

Am 5.6.1288 kam es auf der Füh­lin­ger Hei­de nörd­lich von Köln zu ei­nem Auf­ein­an­der­tref­fen, das als ei­ne der grö­ß­ten Schlach­ten des deut­schen Mit­tel­al­ters gilt. Hier traf sich na­he­zu die ge­sam­te fürst­li­che Eli­te aus dem Nord­wes­ten des Hei­li­gen Rö­mi­schen Reichs auf dem Schlacht­feld. Auf­grund des ihr früh at­tes­tier­ten Cha­rak­ters als ei­ne der we­ni­gen gro­ßen Ent­schei­dungs­schlach­ten in die­ser Epo­che sind die Er­eig­nis­se um Worrin­gen häu­fig und gründ­lich un­ter­sucht wor­den.[1]

 

Da­bei war die Schlacht nur ein – wenn­gleich un­ge­mein spek­ta­ku­lä­rer – Teil des Lim­bur­ger Erb­fol­ge­streit, aus­ge­löst durch den Tod Her­zog Wal­rams V. von Lim­burg (ge­stor­ben 1279, Her­zog ab 1247) im Ok­to­ber 1279.[2] So­wohl Wal­rams Schwie­ger­sohn Rai­nald I. von Gel­dern (um 1255–1326) als auch Wal­rams Bru­der Adolf V. von Berg (1220–1259) er­ho­ben An­sprü­che auf die Nach­fol­ge. Letz­te­rer ver­kauf­te je­doch sei­ne An­sprü­che 1283 an Jo­hann I. von Bra­bant (1252/53–1294). Ge­gen den sich da­durch ab­zeich­nen­den bra­ban­ti­schen Macht­zu­wachs op­po­nier­te wie­der­um der Köl­ner Erz­bi­schof Sieg­fried von Wes­ter­burg (ge­stor­ben 1297, Erz­bi­schof ab 1275), der sich auf die Sei­te Rai­nalds stell­te und auch die Gra­fen von Lu­xem­burg, Nas­sau und Al­te­na-Isen­berg für sich ge­win­nen konn­te. Auf die Bra­ban­ter Sei­te schlu­gen sich ne­ben Adolf von Berg zu­dem die Gra­fen von der Mark und Jü­lich und nicht zu­letzt die Stadt Köln. Der Aus­gang der Schlacht be­en­de­te die Vor­macht der Köl­ner Erz­bi­schö­fe im Nord­wes­ten des Reichs, eb­ne­te den Weg für den Auf­stieg der rhei­ni­schen Graf­schaf­ten und wird üb­li­cher­wei­se mit der fak­ti­schen Un­ab­hän­gig­keit der Stadt Köln von den Erz­bi­schö­fen gleich­ge­setzt. Deut­lich zeigt dies et­wa der Ti­tel des gro­ßen Sam­mel­ban­des und Ka­ta­logs ‚Der Na­me der Frei­heit‘, der 1988 an­läss­lich des tau­send­jäh­ri­gen Ju­bi­lä­ums der Schlacht – und un­ter er­kenn­ba­rem Ein­fluss von Um­ber­to Ecos (1932–2016) 1982 in deut­scher Über­set­zung er­schie­ne­nen und 1986 ver­film­ten Klas­si­kers ‚Der Na­me der Ro­se‘ – ver­öf­fent­licht wur­de.[3] 

Siegel Walrams V. von Limburg, aus: Geschichte der Siegel von Gustav Adelbert Seyler, 1894. (gemeinfrei)

 

1. Die Quellen zur Schlacht

Un­ter den zeit­ge­nös­si­schen und aus­führ­li­chen Be­rich­ten über die Schlacht sticht be­son­ders die Reim­chro­nik des Bra­ban­ters Jan van Hee­lu her­vor.[4] Er gilt auf­grund des De­tail­reich­tums sei­nes Tex­tes und auch sei­ner Selbst­aus­sa­gen als Au­gen­zeu­ge der Er­eig­nis­se. Die Ent­ste­hung der Reim­chro­nik dürf­te in die un­mit­tel­ba­ren Fol­ge­jah­re der Schlacht da­tie­ren.[5] Je­doch be­han­de­le van Hee­lu sei­ne Er­zäh­lung, wie Ri­chard Jahn es for­mu­liert, „wie es sei­ne Pflicht als Dich­ter ist, mit poe­ti­scher Frei­heit.“[6] Die, auch in ih­rer hoch­deut­schen Über­set­zung[7], meist nur als ‚Schlacht von Worrin­gen‘ be­zeich­ne­te Chro­nik stellt ei­gent­lich den ge­sam­ten Lim­bur­gi­schen Erb­fol­ge­krieg aus bra­ban­ti­scher Per­spek­ti­ve dar und han­delt erst im zwei­ten Teil von Worrin­gen. Die zwei­te um­fang­rei­che­re zeit­ge­nös­si­sche Dar­stel­lung der Schlacht fin­det sich in der um 1314 ver­fass­ten sog. Stei­ri­schen Reim­chro­nik des Ot­to­kar aus der Gaal (um 1265–zwi­schen 1318 und 1322), die sich Worrin­gen in über 500 Ver­sen wid­met.[8] Ot­to­kar stütz­te sich da­bei nach ei­ge­ner Aus­sa­ge auf Hö­ren­sa­gen, schloss sich aber in wei­ten Tei­len Jan van Hee­lu an. Ge­mein ha­ben bei­de Reim­chro­ni­ken ihr ade­li­ges Pu­bli­kum. Zu­dem ist ge­ra­de Jan van Hee­lu stark auf sei­nen bra­ban­ti­schen Hel­den fo­kus­siert und da­her für die Be­wer­tung der Hand­lun­gen der wei­te­ren Kriegs­par­tei­en nur dann an­satz­wei­se ver­läss­lich, wenn er sie mit den Ak­tio­nen der Bra­ban­ter in Ver­bin­dung setzt.

2. Das Vorspiel der Schlacht

Die ver­läss­lichs­te Re­kon­struk­ti­on der Er­eig­nis­se von 1288 lie­fer­ten Ul­rich Lehn­art und Chris­tel Ma­ria von Grae­ve­nitz, wo­bei letz­te­re ne­ben dem Erb­fol­ge­streit auch die Land­frie­dens­po­li­tik Kö­nig Ru­dolfs von Habs­burg (1218–1291, Kö­nig ab 1273) als we­sent­li­chen Rah­men für die Schlacht her­vor­hob. Be­reits 1279 und 1282 war der Köl­ner Erz­bi­schof Sieg­fried von Wes­ter­burg nur durch mi­li­tä­ri­sche Droh­ku­lis­sen zur Teil­nah­me an ei­nem Land­frie­dens­bund ge­zwun­gen wor­den. Auch der Marsch des Bra­ban­ter Hee­res ins Rhein­land 1288 kann zu­nächst als ein sol­cher Droh­ges­tus ge­deu­tet wer­den, der dies­mal aber er­folg­los blieb. Denn im Früh­jahr kam ein kö­nig­li­cher Land­frie­den Ru­dolfs von Habs­burg oh­ne den Köl­ner Erz­bi­schof zu­stan­de. Er be­ruh­te auf dem Main­zer Reichs­land­frie­den von 1235 und dem Rhei­ni­schen Bund von 1254. In Ab­spra­che oder so­gar in Auf­trag Kö­nig Ru­dolfs be­gan­nen der Her­zog von Bra­bant und der Graf von der Mark als Vög­te die­ses Frie­dens­bun­des im Fe­bru­ar 1288 ge­mein­sam des­sen Er­rich­tung im köl­ni­schen Macht­be­reich.

Reimchronik von Jan van Heelu und Heinricus van den Damme über die Schlacht von Wöringen 1288, um 1440, Original in der Nationalbibliothke der Niederlande, KW 76 E 23, fol. 100r. (gemeinfrei)

 

Die Kämp­fe des Jah­res 1288 wur­den durch den Erz­bi­schof er­öff­net, der im Fe­bru­ar die Graf­schaft Berg über­fiel. Ver­hand­lun­gen des Land­frie­dens­bun­des mit der Stadt Köln be­gan­nen im April 1288 und wur­den wohl zum En­de die­ses Mo­nats ab­ge­schlos­sen. Nun griff Graf Eber­hard von der Mark (ge­stor­ben 1308, Graf ab 1277), der die Ver­hand­lun­gen ge­führt hat­te, in die Kämp­fe ein und er­ober­te die köl­ni­schen Bur­gen Raf­fen­berg und Lim­burg. Zu­gleich rück­te Her­zog Jo­hann aus Bra­bant mit ei­nem gro­ßen Heer nach Os­ten vor. En­de Mai tra­fen sich die Mit­glie­der des Land­frie­dens im Tier­gar­ten zu Brühl. Nach Jan van Hee­lu emp­fing Jo­hann von Bra­bant hier auch die bes­te[n] van den Coel­ne­ren.[9] Sei­ne Reim­chro­nik stellt die Köl­ner als Bitt­stel­ler bei dem Her­zog von Bra­bant dar. Hu­go Steh­käm­per ver­mu­tet aber, dass die Rea­li­tät an­ders­her­um aus­ge­se­hen ha­be.[10] So oder so wur­de in Brühl der Be­schluss ge­fasst, ge­mein­sam die erz­bi­schöf­li­che Burg Worrin­gen zu be­la­gern. Der Chro­nist Ot­to­kar ver­bin­det dies mit dem Hin­weis, dass die Köl­ner grô­zen un­ge­mach[11] vom Erz­bi­schof zu er­lei­den hat­ten. In der Tat er­füll­ten des­sen in Worrin­gen ei­gen­mäch­tig er­ho­be­nen Zöl­le den Tat­be­stand des Land­frie­dens­bruchs, wes­halb das Vor­ge­hen ge­gen die Burg recht­lich ab­ge­si­chert war. Die Be­la­ge­rung der Burg dürf­te zu­dem den (er­folg­rei­chen) Ne­ben­ef­fekt ge­habt ha­ben, den Erz­bi­schof zu ei­nem Kampf zu be­we­gen. Zwi­schen dem 29.5. und dem 5.6.1288 wur­de die Burg Worrin­gen von den Ver­bün­de­ten ein­ge­schlos­sen. Das not­wen­di­ge Be­la­ge­rungs­ge­rät kam vor al­lem aus der Stadt Köln.[12] 

Bald nach dem for­mel­len Bünd­nis zo­gen Jo­hann von Bra­bant und die Gra­fen von Berg, Mark und Jü­lich in die Stadt Köln ein. Auf dem Ge­län­de der di­rekt ne­ben dem Dom ge­le­ge­nen Kir­che St. Ma­ria ad Gra­dus be­schwo­ren sie ge­mein­sam mit der Bür­ger­schaft den Land­frie­den. Dem dar­auf­fol­gen­den Marsch nach Worrin­gen schloss sich ein gro­ßes Auf­ge­bot Köl­ner Bür­ger un­ter ih­rer Stan­dar­te an. 

3. Die Stadt Köln und der Erzbischof vor der Schlacht

Für die Stadt Köln war die Schlacht ei­ner­seits (re­tro­spek­tiv) enorm be­deu­tend, da der Sieg von Worrin­gen mit der Er­rin­gung ei­ner fak­ti­schen Reichs­un­mit­tel­bar­keit gleich­ge­setzt wird. An­de­rer­seits nahm sie aber auch in den Er­eig­nis­sen von 1288 ei­ne wich­ti­ge Rol­le ein. Ne­ben den Trup­pen, die sie in die Schlacht führ­te, lag der Wert der Stadt Köln für den Land­frie­dens­bund vor al­lem in ih­rer Rol­le als Ver­sor­gungs­zen­trum. 

Wenn­gleich die Be­zie­hun­gen zwi­schen der Stadt Köln und ih­rem Erz­bi­schof Sieg­fried von Wes­ter­burg vor al­lem un­ter dem Ein­druck der Es­ka­la­ti­on 1288 ste­hen, wa­ren sie an­fäng­lich durch­aus po­si­tiv. In der Tat be­en­de­te Sieg­fried zu­nächst den hef­tig aus­ge­foch­te­nen Kon­flikt, der un­ter sei­nem Vor­gän­ger En­gel­bert II. von Val­ken­burg (um 1220–1274; Erz­bi­schof ab 1261) aus­ge­bro­chen war und den Erz­bi­schof wich­ti­ge Macht­po­si­tio­nen in sei­ner Stadt ge­kos­tet hat­te. Franz-Rei­ner Er­kens skiz­zier­te dies in sei­ner Bio­gra­phie Sieg­frieds wie folgt: „In­dem er [d.h. Sieg­fried] die Pri­vi­le­gi­en der Stadt und die un­ter sei­nen Vor­gän­gern er­folg­ten Rechts­ent­schei­dun­gen ak­zep­tier­te und auf­nahm, der Stadt al­so ih­re ver­brief­ten Rech­te zu­er­kann­te, gab er die feind­li­che Hal­tung be­son­ders sei­nes di­rek­ten Vor­gän­gers auf, ver­zich­te­te da­mit weit­ge­hend auf stadt­herr­li­che An­sprü­che, ge­wann aber Frie­den und so­gar Rück­halt bei sei­nen Bür­gern, was be­son­ders in Hin­sicht auf sei­ne Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik von Be­deu­tung war.“[13]

Dies zeigt sich auch da­durch, dass die Köl­ner Bür­ger als Part­ner des Erz­bi­schofs in sei­nem Kon­flikt mit Jü­lich auf­tra­ten. So be­gann Sieg­fried am 25.11.1276 mit ih­rer Hil­fe den Bau ei­ner Burg beim nörd­lich der Stadt ge­le­ge­nen Ort Worrin­gen auf al­lo­dia­lem Grund der Kir­che – eben je­ner Burg, die 1288 den An­stoß zur Schlacht ge­ben soll­te. Die­se Be­fes­ti­gung rich­te­te sich ge­gen ei­ne in der Nä­he be­find­li­che Burg des Gra­fen von Jü­lich. Sieg­fried ver­sprach den Bür­gern, dass sie bei­de Worrin­ger Bur­gen ab­bre­chen durf­ten, als­bald die Jü­li­cher Burg er­obert sei.[14] Letz­te­res ge­schah am 12.10.1277, ers­te­res blieb aber aus. Auch im wei­te­ren Ver­lauf des Krie­ges un­ter­stüt­zen die Köl­ner den Erz­bi­schof ge­gen Jü­lich. 

Be­mer­kens­wert ist al­ler­dings, dass die ci­ves Co­lo­ni­en­ses in dem Frie­dens­schluss, der am 14.10.1279 be­ur­kun­det wur­de,[15] un­ter den adi­u­to­res (Hel­fer/Un­ter­stüt­zer) der Grä­fin Ri­car­dis von Jü­lich (ge­stor­ben 1293) auf­ge­führt wur­den. Sie schei­nen al­so die Sei­ten ge­wech­selt ha­ben, wann und wie­so ist je­doch nicht be­kannt. Die­ser plötz­li­che Par­tei­wech­sel der Stadt scheint im Ge­gen­satz zur Wie­der­ho­lung die­ses Ma­nö­vers neun Jah­re spä­ter kei­ne weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen ge­habt zu ha­ben. Viel­mehr gab es bis in die 1280er Jah­re kei­ne An­zei­chen auf ei­ne Ver­schlech­te­rung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Stadt und Erz­bi­schof.[16] 

Die Köl­ner Bür­ger stan­den al­so lan­ge auf der Sei­te Erz­bi­schof Sieg­frieds. Die zwei­fels­oh­ne in der Stadt vor­han­de­ne an­tierz­bi­schöf­li­che Par­tei konn­te noch nicht die po­li­ti­sche Ober­hand ge­win­nen. Am 12.7.1287 be­frei­te Sieg­fried sie von neu­en, kriegs­be­ding­ten Zöl­len und ge­lob­te de­ren Auf­he­bung nach Kriegs­en­de. Fer­ner ver­sprach er, kei­ner­lei Bünd­nis ge­gen die Stadt ein­zu­ge­hen. Nach die­sen Zu­si­che­run­gen schwo­ren ihm Rat, Schöf­fen und Bür­ger der Stadt wie­der­um ih­re Treue.[17] Be­son­ders Hu­go Steh­käm­per hat sich um ei­ne Recht­fer­ti­gung der städ­ti­schen Hal­tung be­müht. So führt er an, dass die Zoll­po­li­tik des Erz­bi­schofs am Nie­der­rhein der Stadt Köln seit län­ge­rem ein Är­ger und Be­schwer­nis ge­we­sen sei. Er er­klärt Burg und Zoll von Worrin­gen zu „Mahn­zei­chen der ge­bro­che­nen erz­bi­schöf­li­chen Ver­spre­chen“[18]. So hät­ten die Bür­ger ein­se­hen müs­sen, dass ein Krieg bald wohl oder übel na­he ih­rer Stadt aus­ge­foch­ten wer­den wür­de und da­her ih­ren dem Erz­bi­schof ge­leis­te­ten Eid ge­bro­chen: „Ha­ben die Bür­ger den Ver­trag und Eid ge­bro­chen, so lie­fer­te Sieg­fried ih­nen da­zu al­le Ur­sa­che.“[19] 

Die­se The­sen sind ex­em­pla­risch für die klas­si­sche Hal­tung der köl­ni­schen Ge­schichts­for­schung, die stets ein Ver­ge­hen des Erz­bi­schofs als Grund für die po­li­ti­sche Ent­wick­lung aus­mach­te. Es lie­ße sich gleich­falls von ei­nem be­rech­nen­den Op­por­tu­nis­mus der Köl­ner spre­chen, die die Gunst der Stun­de recht­zei­tig er­kann­ten und ih­rem recht­mä­ßi­gen Herrn in den Rü­cken fie­len. Nütz­lich wa­ren da­bei wohl ge­ra­de je­ne neu­er­ho­be­nen Zöl­le, bei de­nen Sieg­fried der Stadt ei­gent­lich be­reits ent­ge­gen­ge­kom­men war, die ihr aber den­noch als Land­frie­dens­bruch den nö­ti­gen Hand­lungs­spiel­raum ver­schaff­ten und so ih­ren Treue­bruch le­gi­ti­mie­ren hal­fen. Da­bei dürf­te die Be­las­tung der Stadt und ih­rer Wirt­schaft durch den Krieg ge­ra­de auf­grund der Zoll­be­frei­un­gen nicht so gra­vie­rend ge­we­sen sein. Viel­mehr dürf­te der städ­ti­schen Füh­rungs­schicht klar ge­we­sen sein, dass ein Sieg des Erz­bi­schofs über sei­ne Fein­de des­sen He­ge­mo­nie am Nie­der­rhein be­deu­tet hät­te und dies letzt­lich nicht im po­li­ti­schen In­ter­es­se der Stadt sein konn­te.[20] 

König Rudolf von Habsburg verkündet den Landfrieden, aus der Chronik der Bischöfe von Würzburg aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. (gemeinfrei)

 

4. Die Schlacht

Die ei­gent­li­che Schlacht lässt sich in An­leh­nung an die For­schun­gen Lehn­arts und von Grae­ve­nitz‘ wie folgt re­kon­stru­ie­ren: nach­dem die Hee­re auf der Füh­lin­ger Hei­de un­weit der Worrin­ger Burg auf­ge­zo­gen wa­ren, stell­ten sie sich in je drei Blö­cken ge­gen­ein­an­der auf. Da­bei nahm die bra­ban­ti­sche Rei­te­rei den zah­len­mä­ßig weit über­le­ge­nen rech­ten Flü­gel ein, kreuz­te aber zu Be­ginn der Schlacht dia­go­nal vor das Heer und zog so al­le Fein­de auf sich. Van Hee­lu be­rich­tet, dass sich der Graf von Berg und die Köl­ner dem Erz­bi­schof ge­gen­über po­si­tio­nier­ten.[21] Nach van Hee­lus An­ga­ben stan­den 3.500 erz­bi­schöf­li­chen Rit­tern nur 2.400 auf der Sei­te des Land­frie­dens­bunds ge­gen­über, von de­nen al­lein 1.500 aus Bra­bant ka­men. Die rhei­ni­schen und west­fä­li­schen Her­ren so­wie die Stadt Köln stell­ten dem­nach die ver­blei­ben­den 900 Rit­ter.[22] Lehn­art stellt Über­le­gun­gen zur theo­re­ti­schen Stär­ke der je­wei­li­gen Kon­tin­gen­te der Ver­bün­de­ten im bra­ban­ti­schen Heer an und kommt auf 2.324 Pan­zer­rei­ter. Die Mit­te der Schlacht­rei­he des Land­frie­dens­bun­des, die von Bra­bant und Lim­burg ge­bil­det wur­de, be­stand ver­mut­lich aus 1.500 Pan­zer­rei­tern. Der rech­te Flü­gel der Kon­tin­gen­te aus Loon, Jü­lich, Kas­ter, Weil­nau, Vir­ne­burg, Reif­fer­scheid, Wil­den­berg, Grei­fen­stein, Dol­len­dorf und Tom­burg aus 454 Pan­zer­rei­tern und der lin­ke Flü­gel aus Berg, Wind­eck, Mark, der Stadt Köln, Wal­deck, Zie­gen­hain, Teck­len­burg und Lip­pe aus 370 Pan­zer­rei­tern. Ne­ben der städ­ti­schen Rei­te­rei, de­ren Grö­ße Lehn­art auf nur 60 Mann schätzt, nahm auch zahl­rei­ches Fu­ß­volk an der Schlacht teil – Ot­to­kar nennt sie die comûn von Köln.[23] Die Grö­ße des Kon­tin­gents der stadt­köl­ni­schen Mi­liz könn­te 1.500 Mann be­tra­gen ha­ben, zu de­nen noch 500 ber­gi­sche Bau­ern ka­men. Die Grö­ße die­ser Auf­ge­bo­te ist al­ler­dings mit ei­ni­gen Fra­ge­zei­chen ver­se­hen.

Johann von Brabant kämpft in der Schlacht von Worringen (1288), Ausschnitt aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), enstanden in Zürich, 1305-1340, folio 18r, Original in der Universitätsbibliothek Heidelberg. (gemeinfrei)

 

Den ver­mut­lich ent­schei­den­den Kampf der Schlacht stell­te der Sieg der bra­ban­ti­schen Rit­ter über die lu­xem­bur­gi­sche Rei­te­rei dar. Das köl­ni­sche und ber­gi­sche Fu­ß­volk soll hin­ge­gen eben­so wie die ber­gi­sche Rei­te­rei be­reits in den ers­ten Zü­gen der Schlacht von der erz­bi­schöf­li­chen Rei­te­rei über­rannt wor­den und aus der Schlacht ge­flo­hen sein. Erst in der End­pha­se kehr­ten die ber­gi­schen Rei­ter zu­rück und at­ta­ckier­ten die Flan­ke der erz­bi­schöf­li­chen Trup­pen. Auch die Fu­ß­trup­pen grif­fen wie­der ein, wo­bei sich die köl­ni­schen und ber­gi­schen Fu­ß­trup­pen mit den bra­ban­ti­schen Knech­ten zu­sam­men­ta­ten, den erz­bi­schöf­li­chen Fah­nen­wa­gen er­ober­ten und des­sen Ban­ner nie­der­ris­sen. Der – wohl­ge­merkt ei­ne de­zi­diert ad­li­ge Per­spek­ti­ve wie­der­ge­ben­de – van Hee­lu be­schreibt ih­ren Kampf so, dass sie wahl­los auf Freund und Feind ein­schlu­gen, da sie kei­ne Kennt­nis von den je­wei­li­gen Par­tei­en hat­ten. Erst als ein Bra­ban­ter Rit­ter sich ih­nen an­schloss, lie­ßen sie von ih­rer Ra­se­rei ab und folg­ten sei­ner Füh­rung. Ge­mein­sam mit dem Köl­ner Fu­ß­volk kes­sel­ten sie ih­re Fein­de ein. Rasch hät­ten die Bau­ern wie die Städ­ter dem ade­li­gen Vor­bild nach­ge­ei­fert und be­gon­nen, ih­re Geg­ner ge­fan­gen zu neh­men. Die erz­bi­schöf­li­chen Trup­pen hat­ten sich um ei­nen Wa­gen mit ei­ner gro­ßen erz­bi­schöf­li­chen Fah­ne ge­schart, der nach der Schlacht nach Köln ge­bracht wur­de. Es gibt zu­dem In­di­zi­en da­für, dass es in Worrin­gen auch ei­nen stadt­köl­ni­schen Fah­nen­wa­gen ge­ge­ben hat.[24] Im Köl­ner Zeug­haus wur­de lan­ge Zeit ein ‚Wor­rin­ger Heer­wa­gen‘ auf­be­wahrt, bis er 1794 von den Fran­zo­sen ver­brannt wur­de. 

Reitersiegel (Bleiabguß) des Grafen Adolf V. von Berg, Fotografie, 2017, Foto: Jörg Graff. (CC BY-SA 4.0)

 

Ge­fal­le­nen­zah­len von 600 bis 800 Mann – dar­un­ter Mit­glie­der der Häu­ser Gel­dern, Lu­xem­burg und Loon – auf bra­ban­ti­scher und 1.000 bis 1.200 Mann auf erz­bi­schöf­li­cher Sei­te könn­ten durch­aus rea­lis­tisch sein. Jan van Hee­lus Be­richt über die Ge­fan­gen­nah­me zahl­rei­cher Ade­li­ger durch die Köl­ner kann durch 33 über­lie­fer­te so­ge­nann­te Ur­feh­den, al­so be­ei­de­te Feh­de­ver­zichts­er­klä­run­gen, ve­ri­fi­ziert wer­den, die eben­je­ne Män­ner bei ih­rer Ent­las­sung schwö­ren muss­ten.[25] 

5. Das Nachspiel der Schlacht

Be­mer­kens­wer­ter­wei­se traf das grö­ß­te ju­ris­ti­sche Nach­spiel der Schlacht die eid­brü­chi­ge Stadt Köln. 1290 be­auf­trag­te Papst Ni­ko­laus IV. (1227–1292; Papst ab 1288) ei­nen Pro­zess, der ei­gent­lich ge­gen al­le Land­frie­dens­mit­glie­der ge­rich­tet war. Die von ihm als Rich­ter be­stimm­ten Erz­bi­schö­fe von Trier und Mainz lu­den je­doch nur die Stadt Köln vor Ge­richt. Die Grund­la­ge die­ses Pro­zes­ses war eben je­ner Bruch des städ­tisch-erz­bi­schöf­li­chen Ver­trags von 1287. Der Grund­te­nor der Aus­sa­gen der ge­la­de­nen Zeu­gen lässt sich mit der Stel­lung­nah­me des spä­te­ren Erz­bi­schofs Wig­bold von Hol­te (ge­stor­ben 1304, Erz­bi­schof ab 1297) wie­der­ge­ben, der er­klär­te, dass die Köl­ner Bür­ger der ei­gent­li­che Grund und An­lass der Zer­stö­rung der köl­ni­schen Kir­che und al­len Scha­dens sei­en, der in dem Krieg ent­stand.[26] Al­le an­de­ren Aus­sa­gen grup­pie­ren sich um die­sen Haupt­vor­wurf, der das Ziel ver­folg­te, der Stadt ei­ne schwe­re Geld­stra­fe ab­zu­rin­gen. Auch den Köl­nern scheint re­la­tiv rasch klar ge­we­sen zu sein, dass in die­sem Pro­zess al­lein die Schuld der Stadt an dem Un­ge­mach Sieg­frieds von Wes­ter­burg fest­ge­stellt wer­den soll­te. Da­her ent­sand­te man zwar ei­nen ei­ge­nen Sach­ver­wal­ter, der vor Ge­richt aber nur schwieg und kurz dar­auf wie­der de­mons­tra­tiv ab­reis­te. Letzt­lich ver­ur­teil­te die päpst­li­che Kom­mis­si­on die Stadt Köln auf die – al­le bis­he­ri­gen Ma­ße spren­gen­de – Buß­sum­me von 200.000 Mark, bei de­ren Nicht­zah­lung die Stadt dem Kir­chen­bann un­ter­lie­gen soll­te. Die­ser wur­de dann we­nig über­ra­schend auch ver­hängt und erst acht Jah­re spä­ter just von Sieg­frieds Nach­fol­ger Wig­bold von Hol­te auf­ge­ho­ben.[27] 

We­der der Lim­bur­ger Erb­fol­ge­krieg noch die Land­frie­dens­exe­ku­ti­on ge­gen Sieg­fried von Wes­ter­burg en­de­ten je­doch in Worrin­gen. Die Ver­bün­de­ten er­ober­ten in der Nach­fol­ge des Sie­ges nicht nur die Burg Worrin­gen, son­dern noch 1288 fie­len mit den erz­bi­schöf­li­chen Bur­gen Zons und Neu­en­berg bei Neuss so­wie den Städ­ten Zül­pich und Werl auch an­de­re erz­bi­schöf­li­che Stütz­punk­te. Der Lim­bur­ger Erb­streit wur­de durch die Frie­dens­ver­trä­ge Erz­bi­schof Sieg­frieds mit den fürst­li­chen Sie­gern von Worrin­gen vom 19.5.1289 be­en­det, die Süh­ne mit der Stadt da­tier­te hin­ge­gen erst vom 18.6.[28] Dass der Erz­bi­schof, der nach der Schlacht für drei­zehn Mo­na­te in Ge­fan­gen­schaft ge­ses­sen hat­te, gleich nach sei­ner Frei­las­sung 1289 mit dem Bau der Burg Brühl be­gann, zeigt, dass in den Kon­flik­ten im Rhein­land längst nicht das letz­te Wort ge­spro­chen war. In die­sen Kon­text fällt auch Sieg­frieds För­de­rung Adolfs von Nas­sau (vor 1250–1298, Kö­nig ab 1292) als Kan­di­dat auf den rö­misch-deut­schen Thron, von dem er Hil­fe bei der Un­ter­wer­fung Kölns ver­lang­te – die die­ser ihm aber nach sei­ner Wahl ver­sag­te.

Schlacht bei Worringen, 1288, in der Rechten unteren Ecke ist die Gefangennahme Siegfrieds von Westerburg dargestellt, Illustration um 1440 aus der Chronik „Brabantsche Yeesten“ (ca. 1316–1350) von Jan Van Boendaele, genannt de Clerc (gestorben 1365), Original in der Königlichen Bibliothek Brüssel, KBR mss. IV 684. (gemeinfrei)

 

6. Das Nachleben der Schlacht in der Stadt Köln

An­ge­sichts der über­ra­gen­den Be­deu­tung, die der Schlacht von Worrin­gen ge­ra­de für die Ent­wick­lung der Stadt Köln oft­mals bei­ge­mes­sen wird, über­rascht der Blick auf ih­re in­ner­städ­ti­sche Re­so­nanz. Wäh­rend al­le an­de­ren zen­tra­len Sta­tio­nen der Stadt­ge­schich­te ei­nen ent­spre­chen­den his­to­rio­gra­phi­schen Nie­der­schlag er­fuh­ren, ist kein auch nur an­satz­wei­se zeit­ge­nös­si­scher Köl­ner Be­richt über Worrin­gen be­kannt. Al­ler­dings lässt sich kon­sta­tie­ren, dass die lang­fris­ti­ge Be­deu­tung des Sie­ges in den Jah­ren un­mit­tel­bar nach 1288 noch nicht ab­seh­bar war, da Worrin­gen eben kei­nes­wegs die Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der Stadt und den Erz­bi­schö­fen be­en­de­te. Ei­ne wirk­li­che Wen­de brach­te erst das Epis­ko­pat Wal­rams von Jü­lich (um 1304–1349; Erz­bi­schof ab 1332). 

Spu­ren ei­ner in­ner­städ­ti­schen Er­in­ne­rung an Worrin­gen las­sen sich erst durch die Stif­tung ei­ner Me­mo­ri­al­ka­pel­le für den Ta­ges­hei­li­gen der Schlacht, den hei­li­gen Bo­ni­fa­ti­us (um 673–754/755), fest­ma­chen – ein für Köln sin­gu­lä­rer Vor­gang. Erst­mals ist 1315 von ei­ner ‚neu­er­bau­ten Ka­pel­le‘ die Re­de, sie dürf­te al­so nicht lan­ge vor die­sem Jahr er­rich­tet wor­den sein. Zum Jahr­tag der Schlacht wur­den hier ei­ne Pro­zes­si­on und Dan­kes­mes­sen ab­ge­hal­ten, die Rats­her­ren rich­te­ten zu­dem ein Fest­mahl aus.[29] Knapp 30 Jah­re nach Worrin­gen war das gan­ze Aus­maß und die lang­fris­ti­ge Be­deu­tung des Sie­ges al­so zu­ta­ge ge­tre­ten. Denn die Erz­bi­schö­fe hat­ten ih­re Macht über die Stadt Köln nicht wie­der­er­lan­gen kön­nen. Eben­so we­nig hat­ten sich die Reichs­ober­häup­ter von Ru­dolf I. bis zu Lud­wig IV. (1282/1286–1347, Kö­nig ab 1314) ge­gen die neu­en Macht­ver­hält­nis­se ge­wandt, son­dern die Stadt so­gar mehr­fach ge­gen die Erz­bi­schö­fe un­ter­stützt. Um 1315 hat­te sich Worrin­gen al­so als der sym­bol­haf­te Tri­umph her­aus­ge­stellt, als der er noch heu­te gilt. 

Denkmal für die Schlacht von Worringen in der Ortsmitte von Köln-Worringen, Inschrift: 5. Juni 1288 Schlacht bei Worringen Historische Entschiedung im kontinentalen Nordwesteuropa Markstein im Kampf der Kölner Bürger um ihre Unabhängigkeit, Fotografie, 2005. (gemeinfrei)

 

Das Feh­len zeit­ge­nös­si­scher stadt­köl­ni­scher Be­rich­te über das Er­eig­nis nimmt sich da­her um­so ekla­tan­ter aus. Die­se Lü­cke führ­te an­ge­sichts der Be­deu­tung des Er­eig­nis­ses zu­se­hends zu my­thi­sier­ten Rück­bli­cken, die ih­re ers­ten Ver­schrift­li­chun­gen im 15. Jahr­hun­dert fan­den. Die­se hat­ten zur Fol­ge, dass die Schlacht und ih­re Be­deu­tung zwar be­kannt wa­ren und ei­nen zen­tra­len Bau­stein der städ­ti­schen Ver­gan­gen­heit dar­stell­ten, die köl­ni­schen Er­zäh­lun­gen von Worrin­gen je­doch nur noch be­dingt mit je­nen Er­eig­nis­sen zu­sam­men­hin­gen, die sich 1288 zu­ge­tra­gen hat­ten.

Die Schlacht taucht erst­mals in der ers­ten Hälf­te des 15. Jahr­hun­derts in den so­ge­nann­ten Köl­ner Jahr­bü­chern auf. De­ren un­be­kann­ter Ver­fas­ser be­rich­tet, dass die Stadt Köln einst für ei­ne lan­ge Zeit auf­grund der Feind­se­lig­kei­ten der Erz­bi­schö­fe un­ter Kir­chen­bann und Reichs­acht ge­le­gen ha­be. Die Köl­ner hät­ten letzt­lich vor der Wahl ge­stan­den, ent­we­der ih­re Stadt dem Erz­bi­schof aus­zu­hän­di­gen oder um die­se zu kämp­fen. Da­her hät­ten sie den Schlüs­sel zu ih­rer Stadt auf ei­nen Kar­ren ge­la­den und sei­en mit die­sem aus­ge­zo­gen. Es sei zu ei­nem gro­ßen Kampf ge­kom­men, in dem die Stadt und ih­re Ver­bün­de­ten ob­sieg­ten.[30]  Die­se ver­gleichs­wei­se knap­pe Schil­de­rung be­grün­de­te ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on und wur­de mehr­fach wie­der­holt und aus­ge­baut. Zu­dem taucht hier erst­mals ein Ob­jekt auf, das zu ei­nem klas­si­schen Mo­tiv stadt­köl­ni­scher Iko­no­gra­phie wer­den soll­te: der bzw. die Stadt­schlüs­sel. Der Stadt­schlüs­sel steht hier sym­bo­lisch für den In­be­griff der Stadt­herr­schaft.

Auf­ge­grif­fen wur­de die Ge­schich­te von Schlacht und Schlüs­seln in der um 1470 ent­stan­de­nen Chro­nik Agrip­pi­na des Hein­rich van Beeck und der 1499 ge­druck­ten Ko­el­hoff­schen Chro­nik.[31] Letz­te­re über­lie­fert zu­dem die äl­tes­te be­kann­te Köl­ner Dar­stel­lung der Schlacht von Worrin­gen.

Der Schlüsselwagen in der Schlacht von Worringen, aus der Koelhoffschen Chronik, 1499, fol. 240a, Original in der Universitätsbibliothek Köln, MEVI8114. (gemeinfrei)

 

Ei­ne be­mer­kens­wer­te Aus­ge­stal­tung fin­det die­se mehr­fach bild­lich dar­ge­stell­te Sze­ne in ei­nem in Köln pro­du­zier­ten und ver­leg­ten Kup­fer­stich Franz Ho­gen­bergs von 1571. Er zeigt im Vor­der­grund des rech­ten Bild­teils den Schlüs­sel­wa­gen, der be­glei­tet von Hel­le­bar­den­trä­gern ins Feld von Worrin­gen ge­zo­gen wird. In der Mit­te des rech­ten Bild­teils tobt ein Rei­ter­kampf. Die rech­te Par­tei führt das stadt­köl­ni­sche Drei­kro­nen­ban­ner, wäh­rend die lin­ke un­ter der erz­bi­schöf­li­chen Kreuz­fah­ne rei­tet. Ähn­lich ra­gen aus dem Meer der Lan­zen der hin­ter den Rei­tern kämp­fen­den Fu­ß­kämp­fer sche­ma­ti­sier­te Fah­nen, auf de­ren vor­ders­ter drei Kro­nen zu er­ken­nen sind, wäh­rend sich zwi­schen den Lan­zen ih­rer Geg­ner ein Kreuz zeigt. Hin­ter den Lan­zen­trä­gern deu­ten flie­hen­de Per­so­nen in der lin­ken Bild­hälf­te den Aus­gang der Schlacht an. Im Bild­hin­ter­grund ist das idea­li­siert als um­mau­er­tes Städt­chen dar­ge­stell­te Worrin­gen zu se­hen, aus dem Rauch auf­steigt. Die Dar­stel­lung be­glei­tet ein Text, der sich an die Chro­ni­ken an­lehnt, aber ei­gen­stän­dig aus­ge­stal­tet ist.

Den Hö­he­punkt die­ser re­tro­spek­ti­ven Ge­schichtsan­eig­nung, die die Schlacht zu ei­nem al­lein stadt­köl­ni­schen Tri­umph mach­te, stellt ei­ne Se­rie von sechs Schlach­ten­ge­mäl­den dar, die die Gaf­fel der Bunt­wör­ter um 1582 in Auf­trag gab. Die heu­te er­hal­te­nen Bil­der zei­gen Sze­nen der Schlacht von Worrin­gen und des Neus­ser Krie­ges. Zu­gleich wird hier ei­ne Teil­nah­me der Köl­ner Gaf­feln, al­so der po­li­ti­schen Ver­tre­tung der Zünf­te und Kauf­leu­te, an dem Kampf ins Bild ge­setzt. Wäh­rend im Schlacht­ge­tüm­mel im Hin­ter­grund die Fah­nen der Stadt und des Erz­bi­schofs we­hen, steht der Ban­ner­trä­ger der Bunt­wör­ter in vor­ders­ter Front und blickt die Be­trach­ten­den di­rekt an. Das Bild mar­kiert den End­punkt ei­ner Ent­wick­lung, in der die Schlacht von Worrin­gen zu ei­ner rein köl­nisch-köl­ni­schen An­ge­le­gen­heit ge­wor­den war, in die sich nun so­gar Gaf­feln ein­schrie­ben, die es 1288 noch gar nicht ge­ge­ben hat­te. Dass an­stel­le des Köl­ner Erz­bi­schofs nun­mehr der Her­zog von Bra­bant aus der Schlacht von Worrin­gen als der mäch­tigs­te Mann im Nord­wes­ten des Rei­ches her­vor­ge­gan­gen war, in­ter­es­sier­te die Köl­ner Per­spek­ti­ve nicht.

Es las­sen sich aber auch an­de­re Sie­ger der Schlacht aus­ma­chen. So war auch die Stadt Bonn ei­ne Pro­fi­teu­rin, da der Erz­bi­schof sei­ne Ver­wal­tung lang­fris­tig aus Köln ver­le­gen muss­te. Da­für er­kor er letzt­end­lich die rhei­ni­sche Nach­bar­stadt aus, die so ih­re Blü­te als fürst­li­che Re­si­denz er­leb­te.[32] Und auch ei­ne wei­te­re rhei­ni­sche ‚Kon­kur­ren­tin‘ Kölns ver­dankt der Schlacht – oder zu­min­dest de­ren wei­te­rer Kon­se­quen­zen – ih­ren Be­deu­tungs­zu­wachs. Graf Adolf V. von Berg nutz­te sei­ne in Worrin­gen er­run­ge­ne Au­to­no­mie als Lan­des­herr und ver­lieh schon am 14.8.1288 ei­nem Dorf an dem Flüss­chen Düs­sel die Stadt­rech­te, das heu­te die Haupt­stadt des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len ge­wor­den ist. Die Ge­win­ner wa­ren zahl­reich – und der gro­ße Ver­lie­rer war eben­so klar: Sieg­fried von Wes­ter­burg und sei­ne Nach­fol­ger als Köl­ner Erz­bi­schö­fe. Sie hat­ten ih­ren Vor­rang über die rhei­ni­schen Gra­fen und Her­ren ver­lo­ren, ih­re Gro­ß­macht­po­li­tik der letz­ten Jahr­hun­der­te war zu­sam­men­ge­bro­chen. Zu­dem ver­lo­ren sie die Ver­fü­gung über ihr geist­li­ches und ze­re­mo­ni­el­les Zen­trum und ih­ren na­mens­ge­ben­den Sitz.[33] 

Quellen

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Die Re­ges­ten der Erz­bi­schö­fe von Köln im Mit­tel­al­ter, Band 3: 1205-1304, zwei­te Hälf­te 1261-1304, be­arb. v. Ri­chard Knip­ping, Bonn 1913.

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Schlacht von Worringen von Franz Hogenberg, Kupferstich 1571, Rijksmuseum Amsterdam, Objektnummer RP-P-1952-301. (gemeinfrei)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Jansen, Markus, Die Schlacht von Worringen 1288, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-schlacht-von-worringen-1288/DE-2086/lido/6835a25e446702.92497663 (abgerufen am 16.06.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 05.06.2025, zuletzt geändert am 10.06.2025