Die Stadt an der Front. Trier im Ersten Weltkrieg 1914-1918

Beate Dorfey (Koblenz)

Die von einem Bombenangriff zerstörte Kuhenstraße in Trier, August 1918. (Stadtarchiv Trier)

1. Einleitung

„In ei­nem Be­zirk, der – selbst Grenz­be­zirk Preu­ßens – nur et­wa 30 km von der Gren­ze Frank­reichs ent­fernt ist, in den von den ers­ten Kriegs­ta­gen an der Don­ner der Ge­schüt­ze hin­über­schallt, in dem das An­schwel­len oder Nach­las­sen je­der Kampf­hand­lung da­mit un­mit­tel­bar je­dem Ein­woh­ner kund wird, in dem die feind­li­chen Flie­ger in stän­dig zu­neh­men­der Hef­tig­keit durch ih­re Bom­ben­an­grif­fe die städ­ti­sche und die In­dus­trie­be­völ­ke­rung be­un­ru­hi­gen, vi­briert die Stim­mung der Zi­vil­be­völ­ke­rung an­ders als im In­ne­ren des Lan­des. Die ers­ten Schlach­ten bei Saar­burg und La­g­ar­de wa­ren nur et­wa 40 km von der Gren­ze des Be­zirks ent­fernt. Ein Teil des Re­gie­rungs­be­zirks ge­hör­te lan­ge Zeit zum Ope­ra­ti­ons­ge­biet. Aus­ge­dehn­te Feld­be­fes­ti­gun­gen in sei­nem süd­west­li­chen Tei­le wie­sen auch den Un­ein­ge­weih­ten auf die Nä­he der Ge­fahr, zu­mal die Kriegs­vor­be­rei­tun­gen des Geg­ners in den ers­ten Ta­gen der Mo­bil­ma­chung ei­nen plötz­li­chen Ein­bruch in greif­ba­re Mög­lich­keit rück­ten. Der ge­wal­ti­ge Auf­marsch auf den drei gro­ßen Auf­marschli­ni­en der Na­he-, Mo­sel- und Ei­fel­bah­nen brach­te die ge­sam­te Be­völ­ke­rung in engs­te Be­rüh­rung mit Trup­pen aus al­len deut­schen Gau­en und eben­so die schon we­nig Ta­ge spä­ter heim­keh­ren­den ers­ten Ver­wun­de­ten, de­ren Zahl dann von Tag zu Tag an­wuchs und die in den zahl­rei­chen La­za­ret­ten des Re­gie­rungs­be­zirks Trier die ers­te hin­ge­ben­de Auf­nah­me und Pfle­ge in der Hei­mat fan­den.“[1]

Munitionszug mit der Aufschrift: 'Knall Bomb für Paris', September 1914. (Stadtarchiv Trier)

 

Mit die­sen Wor­ten lei­te­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Dr. Baltz[2]  sei­nen Be­richt vom 1.2.1917 an Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) über die La­ge in sei­nem Zu­stän­dig­keits­be­reich seit Kriegs­be­ginn ein, und tref­fen­der kann die Si­tua­ti­on kaum be­schrie­ben wer­den. Grenz­la­ge und Gar­ni­sons­stadt sind die ent­schei­den­den Stich­wor­te zur Cha­rak­te­ri­sie­rung der Rol­le Triers im Ers­ten Welt­krieg,[3]  er­gän­zend wä­ren noch die Nä­he und da­mit das be­son­de­re Ver­hält­nis zu Lu­xem­burg so­wie die au­ßer­ge­wöhn­lich frü­hen und sich ste­tig in­ten­si­vie­ren­den Flie­ger­an­grif­fe auf die Stadt zu nen­nen, de­nen Trier wie kaum ei­ne an­de­re Stadt aus­ge­setzt war. An­ders als die meis­ten Städ­te des Rhein­lands stand Trier be­reits mit der Mo­bil­ma­chung mit­ten im Krieg und be­kam des­sen Aus­wir­kun­gen un­mit­tel­bar zu spü­ren. Ob Auf­mär­sche von Di­vi­sio­nen an die na­he Front, die Ein­rich­tung von La­za­ret­ten oder die ers­ten Bom­ben­ab­wür­fe auf die Stadt: Hier ge­schah vie­les et­was frü­her und – denkt man nur an die La­za­ret­te und Luft­an­grif­fe – viel­leicht auch et­was in­ten­si­ver als in an­de­ren ver­gleich­ba­ren rhei­ni­schen Städ­ten, ins­be­son­de­re, wenn sie wie Trier kei­ne In­dus­trie­städ­te wa­ren. Von der ers­ten Mi­nu­te des Krie­ges an er­leb­ten die Trie­rer je­den Tag die Aus­wir­kun­gen des Krie­ges di­rekt und lern­ten zu ei­nem sehr frü­hen Zeit­punkt, wie sich „kriegs­mü­de“ an­fühlt.

Da­bei be­gann es in Trier zu­nächst auch nicht an­ders als an­ders­wo.

Der Trierer Hauptmarkt, um 1914. (Stadtarchiv Trier)

 

2. Der „Taumel vaterländischer Begeisterung“: Mobilmachung und Kriegsausbruch

Die Nach­richt von der Mo­bil­ma­chung des Kai­ser­reichs platz­te in Trier in ei­ne „Welt ab­so­lu­ter Si­cher­heit“. „Die Ge­schäf­te gin­gen gut, die Ein­kom­men stie­gen, die Spar­ein­la­gen wuch­sen, und trotz stei­gen­der Le­bens­mit­tel­prei­se konn­te man von ei­nem sich dau­ernd ver­bes­sern­den Le­bens­stan­dard spre­chen.“[4]  Den­noch sei ei­ne Span­nung spür­bar ge­we­sen, die sich nun in be­geis­ter­tem Ju­bel Bahn brach. Wohl­ge­merkt: in der Stadt Trier. Das Um­land war we­ni­ger kriegs­be­geis­tert, wie ein Blick in die Schul­chro­ni­ken der um­lie­gen­den Dör­fer zeigt.[5]  Und auch die Of­fi­ziers­frau­en flo­hen lie­ber aus der Stadt, als sich in die ju­beln­den Mas­sen ein­zu­rei­hen.[6] Doch sie wa­ren die Aus­nah­me, das Gros der Be­völ­ke­rung fiel in ei­nen wah­ren „Tau­mel va­ter­län­di­scher Be­geis­te­run­g“, wie zeit­ge­nös­si­sche Be­rich­te und Pres­se über­ein­stim­mend be­rich­te­ten.[7]

Deutsche Soldaten vor der Kaserne von St. Maximin, undatiert. (Stadtarchiv Trier)

 

Der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Dr. Con­stanz Baltz (1854-1918, Re­gie­rungs­prä­si­dent 1908-1918) stell­te sich un­ver­züg­lich noch am 2.8.1914 in sei­ner ers­ten Ver­laut­ba­rung nach der Mo­bil­ma­chungs­nach­richt an die Spit­ze der ju­beln­den Mas­sen. „Der Krieg ist da. Ein gro­ßer hei­li­ger Krieg. Sei­ne Ma­jes­tät un­ser fried­lie­ben­der Kai­ser hat ihn nicht ge­wollt. Ein ruch­lo­ser Feind hat dem Deut­schen Vol­ke das Schwert in die Hand ge­zwun­gen zur Ver­tei­di­gung sei­ner ide­el­len und ma­te­ri­el­len Gü­ter.“ Kon­se­quen­ter­wei­se rief er die jun­gen Män­ner zum be­din­gungs­lo­sen va­ter­län­di­schen Ein­satz auf dem Fel­de auf – da­mit je­doch nicht den Dienst an der Waf­fe ein­for­dernd, son­dern bei der Ern­te. „Tau­sen­de und Aber­tau­sen­de un­se­rer Vä­ter, Söh­ne und Brü­der wer­den zu den Fah­nen ein­be­ru­fen, aber noch harrt drau­ßen auf den Fel­dern ein gro­ßer Teil der Ern­te auf Ber­gung in die hei­mi­schen Scheu­ern. Da er­wächst auch für un­se­re deut­sche, noch nicht wehr­fä­hi­ge Ju­gend ei­ne gro­ße hei­li­ge Auf­ga­be dem Va­ter­lan­de zu die­nen, in­dem sich al­le un­se­re jun­gen Män­ner, ins­be­son­de­re die den Ju­gend­ver­ei­nen an­ge­schlos­se­nen, um tüch­ti­ge in der Land­wirt­schaft er­fah­re­ne Män­ner, um Geist­li­che und Leh­rer, ih­rer Ge­mein­de scha­ren, um un­ter ih­rer Füh­rung die Ern­te, de­rer das deut­sche Volk drin­gend be­darf, ber­gen zu hel­fen. Drum auf ihr jun­gen Män­ner! Stellt auch eu­re Kraft in den Dienst des Va­ter­lan­des!“[8]  Als an­de­re noch aus­schlie­ß­lich an Ka­no­nen­don­ner und Schlach­ten­ge­tüm­mel dach­ten, of­fen­bar­te Baltz al­so be­reits sei­ne ty­pi­sche prag­ma­ti­sche Her­an­ge­hens­wei­se, die ihn auch in den kom­men­den Jah­ren aus­zeich­nen soll­te. Und ei­nen aus­ge­präg­ten Hang zum Pa­thos, der aber durch­aus zeit­ty­pisch ge­nannt wer­den kann.

Das Gros der Be­völ­ke­rung ver­schwen­de­te da­ge­gen in die­sen ers­ten Au­gust­ta­gen des Jah­res 1914 kei­nen Ge­dan­ken an Ver­sor­gungs­fra­gen. Über­all in der Stadt sei­en ei­ne „ge­wal­ti­ge va­ter­län­di­sche Be­geis­te­run­g“ zu spü­ren und „dröh­nen­de Hur­ra­r­u­fe“ zu hö­ren ge­we­sen. Über Nacht ha­be sich das Bild der Stadt ver­än­dert: „Wie aus dem Bo­den ge­wach­sen, wa­ren Sonn­tag, dem 2. Au­gust, mit ei­nem Schla­ge über­all Sol­da­ten zu se­hen: aus ei­ner Stadt der Bür­ger war ei­ne Stadt des Mi­li­tärs ge­wor­den.“ Vor den Ka­ser­nen stau­ten sich die Rei­hen von Frei­wil­li­gen und präch­ti­ge Auf­mär­sche der in Trier sta­tio­nier­ten Trup­pen be­völ­ker­ten die Stra­ßen. Den­noch war der Kriegs­zu­stand nicht zu über­se­hen: So­fort wur­den die Mo­sel­brü­cken mit Ket­ten ge­sperrt und jeg­li­cher Ver­kehr in die west­li­chen Tei­le der Stadt un­ter­bun­den, vor öf­fent­li­chen Ge­bäu­den wur­den Mi­li­tär­pos­ten ein­ge­rich­tet und der Te­le­fon- und Te­le­gra­phen­ver­kehr für die Zi­vil­be­völ­ke­rung ge­sperrt. Trier war prak­tisch von der Au­ßen­welt ab­ge­schnit­ten.[9]

Noch am Abend des 2.8.1914 ver­ließ der ers­te Last­kraft­wa­gen über die Rö­mer­brü­cke Trier in Rich­tung Lu­xem­burg, nachts folg­ten ein wei­te­rer Panzer­zug mit Mann­schaf­ten des Re­gi­ments Nr. 29 und in den Mor­gen­stun­den zwei wei­te­re Panzer­zü­ge: Die Be­set­zung Lu­xem­burgs hat­te be­gon­nen. Doch der Be­ginn der mi­li­tä­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung ha­be die Be­völ­ke­rung kei­nes­falls in Sor­ge oder Pa­nik ver­setzt, wie Re­gie­rungs­prä­si­dent Baltz be­frie­di­gend in sei­nem täg­li­chen Be­richt an den Ober­prä­si­den­ten am 4. Au­gust fest­stell­te: „Die all­ge­mei­ne Wahr­neh­mung wie ak­ku­rat die preu­ßi­sche Ma­schi­ne in al­len ih­ren Tei­len funk­tio­niert, gibt der Be­völ­ke­rung ein ho­hes Maß an Ver­trau­en und hö­her schlägt je­des Herz, im Ge­fühl der un­ge­ahn­ten, ge­wal­ti­gen na­tio­na­len Er­he­bung.“[10]  Tags zu­vor hat­te er vol­ler Stolz dem Ober­prä­si­den­ten be­reits mit­ge­teilt, wie be­geis­tert und zahl­reich sich die Söh­ne der Re­gie­rungs­be­am­ten zum Kriegs­dienst frei­wil­lig ge­mel­det hat­ten – und ver­gaß na­tür­lich nicht zu er­wäh­nen, dass auch sein ei­ge­ner herz­kran­ker Sohn zu die­sen Frei­wil­li­gen ge­hör­te.[11]

Soldaten in Frontnähe bei einem gemeinsamen Bier, undatiert. (Stadtarchiv Trier)

 

Aber die re­strik­ti­ven Maß­nah­men be­züg­lich Ver­kehrs­fluss und Kom­mu­ni­ka­ti­on of­fen­bar­ten auch ei­ne an­de­re Sei­te des Kriegs­ge­sche­hens in die­sen Ta­gen: die Sor­ge vor feind­li­cher Spio­na­ge und Sa­bo­ta­ge. Be­reits am 3. Au­gust be­rich­te­te Baltz über die un­ver­züg­li­che Ver­haf­tung von 60, als po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig oder ver­däch­tig be­zeich­ne­ten Per­so­nen so­wie die Ein­rich­tung ei­ner Hilfs­po­li­zei zur Auf­recht­er­hal­tung von Recht und Ord­nung in der durch die be­stän­dig nach­rü­cken­den Trup­pen über­völ­ker­ten Stadt. Re­gel­mä­ßig schreck­ten zu­dem „wil­de Ge­rüch­te“ über Spio­na­ge­ver­su­che die Be­völ­ke­rung auf und lös­ten er­geb­nis­lo­se Groß­fahn­dun­gen aus. So be­rich­te­te Baltz am 5. Au­gust über ei­ne mehr­stün­di­ge Su­che und hals­bre­che­ri­sche Ver­fol­gungs­jagd ei­nes fran­zö­si­schen Au­to­mo­bils, das an­geb­lich „Mil­lio­nen“ mit sich füh­re und die­se au­ßer Lan­des brin­gen wol­le, was sich aber als Phan­tom er­wies.[12]  Äu­ßerst be­frie­digt zeig­te er sich je­doch über das Ein­hal­ten der Zen­sur­vor­schrif­ten. Dies be­tref­fe be­son­ders mi­li­tä­ri­sche Ge­heim­nis­se, die „in ei­ner ge­ra­de­zu be­wun­de­rungs­wer­ten und fast wun­der­ba­ren Wei­se ge­wahrt wer­den“, weil al­le nur „der Wil­le zum Sie­ge, der zu je­dem Op­fer be­reit ist, be­seelt.“[13] 

Mi­li­tä­ri­sche Er­for­der­nis­se be­stimm­ten das Le­ben in der Stadt in die­sen ers­ten bei­den Au­gust­wo­chen, doch die an­fäng­lich noch fest­stell­ba­re Hys­te­rie wich bald ei­ner prag­ma­ti­sche­ren Her­an­ge­hens­wei­se. Auf Wei­sung des Ober­prä­si­den­ten wur­den der pri­va­te Au­to­mo­bil­ver­kehr nicht län­ger be­hin­dert und auch die Sper­run­gen an den Mo­sel­brü­cken ge­lo­ckert, da­mit der Ver­kehr wie­der flie­ßen konn­te.[14]  Auch der Zug­ver­kehr wur­de wie­der für Zi­vil­rei­sen­de ge­öff­net, nach­dem in den ers­ten Kriegs­ta­gen die Zü­ge aus­schlie­ß­lich zum Trup­pen­trans­port ein­ge­setzt wor­den wa­ren. Al­ler­dings war an ei­nen fes­ten Fahr­plan noch nicht zu den­ken, da Zi­vil­rei­sen­de im Ernst­fall wei­ter­hin zu­rück­ste­hen muss­ten.[15] 

Französische Kriegsgefangene, August 1914. (Stadtarchiv Trier)

 

Be­reits am 6.8.1914 be­rich­te­te Baltz zu­dem erst­ma­lig über sei­ne Be­mü­hun­gen im Be­reich der Seu­chen­be­kämp­fung.[16]  In Nach­hin­ein sah er sein En­ga­ge­ment in die­sem Be­reich voll­auf ge­recht­fer­tigt. „Am durch­grei­fends­ten hat der Krieg dem Ge­sund­heits­we­sen sei­nen Stem­pel auf­ge­drückt. Die vor­han­de­nen Ein­rich­tun­gen  und Mit­tel wur­den fast voll­stän­dig in den Dienst der hier im Grenz­ge­biet jetzt wich­tigs­ten Auf­ga­be, der Sor­ge für die Ge­sund­heit der durch­mar­schie­ren­den Trup­pen und der Pfle­ge der heim­keh­ren­den Ver­wun­de­ten ge­stellt.“ Die Rech­nung für al­le die­se Maß­nah­men hat­te Baltz üb­ri­gens der Mi­li­tär­be­hör­de be­reits vor­ge­legt, von der er Er­stat­tung er­hoff­te. Schlie­ß­lich wa­ren auch die städ­ti­schen und Kreis­kran­ken­häu­ser der Mi­li­tär­be­hör­de zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den. In­fi­zier­te wur­den un­ver­züg­lich un­ter Qua­ran­tä­ne ge­stellt, zu­dem Des­in­fek­tio­nen so­wohl an Trup­pen wie auch an Be­klei­dungs­stü­cken der so­ge­nann­ten Lie­bes­ga­ben durch­ge­führt.[17] 

Über­haupt kann­te die Hilfs­be­reit­schaft der Be­völ­ke­rung an­schei­nend kei­ne Gren­zen in die­sen Ta­gen. „Der Auf­marsch der mo­bi­li­sier­ten Ar­mee voll­zieht sich wei­ter in der gra­de­zu be­wun­de­rungs­wer­ten Ru­he und Si­cher­heit. Die vor­be­rei­ten­den Maß­nah­men der frei­en Lie­bestä­tig­keit neh­men im­mer greif­ba­re­re Ge­stalt an, die Op­fer­wil­lig­keit al­ler Schich­ten der Be­völ­ke­rung zur Mit­ar­beit ist die denk­bar grö­ß­te. Die ers­ten Ver­wun­de­ten­zü­ge tref­fen ein.“[18]  Al­ler­dings schien es die Trie­rer Be­völ­ke­rung mit den Lie­bes­ga­ben bis­wei­len auch et­was zu über­trei­ben aus Sicht des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, da sie auch den fran­zö­si­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen „die ver­schie­dens­ten Ge­nuss­mit­tel wie Zi­gar­ren, Zi­ga­ret­ten pp. zu­zu­ste­cken“ ver­such­ten.[19]  Da­bei stand die Be­dürf­tig­keit die­ser Män­ner, die den Trie­rern im Ver­gleich zu den ei­ge­nen Trup­pen als „ver­lot­ter­te Schar“ er­schien, selbst für Baltz au­ßer Fra­ge, der ih­re mi­se­ra­ble me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung durch die fran­zö­si­schen Trup­pen­ärz­te be­klag­te.[20] 

Mit Feu­er­ei­fer stürz­te sich der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Baltz in sei­ne neu­en Auf­ga­ben. Ge­sund­heit, Für­sor­ge, Ver­sor­gung – un­er­müd­lich re­gel­te und be­stimm­te er, was wann wie zu ge­sche­hen ha­be, wie noch im Ein­zel­nen zu zei­gen ist. Und fühl­te sich da­bei nicht im­mer hin­rei­chend un­ter­stützt. So be­klag­te er, dass die An­wei­sun­gen aus Ko­blenz oder gar Ber­lin viel zu lan­ge bräuch­ten, um auf sei­nem Tisch zu lan­den,[21]  die grö­ß­ten Pro­ble­me be­rei­te­te ihm je­doch die Trie­rer Stadt­spit­ze selbst. Ins­be­son­de­re Ober­bür­ger­meis­ter von Bruch­hau­sen ha­be sich ab dem ers­ten Tag der Mo­bil­ma­chung „un­ori­en­tier­t“ ge­zeigt und trotz der erns­ten La­ge zahl­rei­che Maß­nah­men ver­schleppt. Auch bei den Ein­quar­tie­run­gen ha­be die Stadt­ver­wal­tung sol­che Ver­säum­nis­se of­fen­bart, dass so­gar vie­le Ein­be­ru­fe­ne un­ter frei­em Him­mel hat­ten näch­ti­gen müs­sen. Er be­daue­re es zu­tiefst, die Auf­sichts­be­hör­de auf die­se „Schat­ten­sei­ten ein­zel­ner Ver­wal­tun­gen“ hin­wei­sen zu müs­sen.[22]  Wie an­ders er da­ge­gen vor­ge­gan­gen sei, be­leg­te er am Bei­spiel der zahl­rei­chen Geld­trans­por­te, in den ers­ten Kriegs­ta­gen er­for­der­lich wa­ren, um die Kriegs­kas­se zu fül­len. „Täg­lich wer­de ich in fi­nan­zi­el­ler Hin­sicht vor Ent­schlie­ßun­gen ge­stellt, die in nor­ma­len Zei­ten selbst­ver­ständ­lich nur nach zu­vor ein­ge­hol­ter Ent­schei­dung der Zen­tral­in­stanz ge­trof­fen wer­den wür­den. Aber ich glau­be mich der Zu­stim­mung Eu­rer Ex­zel­lenz da­hin ge­wiss hal­ten zu dür­fen, dass in der Kriegs­zeit die ein­zi­ge Richt­schnur die blei­ben darf und muss, wie den In­ter­es­sen des Va­ter­lan­des am bes­ten ge­dient wer­den kann. Ich ha­be auch den mir nach­ge­ord­ne­ten Be­hör­den als Richt­schnur emp­foh­len, nicht zu stol­pern über Buch­sta­ben des Ge­set­zes oder der Be­stim­mun­gen – wie es ja trotz­dem noch viel­fach vor­kommt – son­dern fes­ten Au­ges das Ziel im Au­ge zu be­hal­ten, dem auch un­se­re gan­ze Fi­nanz­be­reit­schaft zu die­nen be­stimmt ist.“ Was der Ober­prä­si­dent in ei­ner Rand­no­tiz mit „sehr gut“ quit­tier­te.[23] 

Von Horn-Kaserne. Besatzung: 3. Rheinisches Infanterie Regiment Nr. 29 (von Horn), Trier West/Pallien. (Stadtarchiv Trier)

 

Mit­te Au­gust schien sich die La­ge in Trier so­weit sta­bi­li­siert zu ha­ben, dass von nun an wö­chent­li­che Be­rich­te aus­rei­chend er­schie­nen. Selbst die un­ver­züg­lich nach Kriegs­aus­bruch be­gon­ne­ne Be­set­zung Lu­xem­burgs be­rei­te­te kei­ne Pro­ble­me, im Ge­gen­teil. „Die Lu­xem­bur­ger Be­völ­ke­rung scheint ge­gen­über der erns­ten La­ge plötz­lich ihr deut­sches Herz wie­der ent­deckt zu ha­ben […]“[24]  Trier stand jetzt mit­ten im Krieg. Das be­deu­te­te für die Stadt: Trup­pen­auf­mär­sche, Ver­wun­de­tentrans­por­te und Flie­ger­an­grif­fe ei­ner­seits, Ver­sor­gungs­eng­päs­se, Für­sor­ge und Kriegs­wirt­schaft an­de­rer­seits.

Lazarett auf dem Trierer Weißhaus, undatiert. (Stadtarchiv Trier)

 

3. Aufmarschgebiet und Frontnähe: Die Garnisonsstadt Trier im Krieg

Mit Kriegs­be­ginn war aus Trier ei­ne Stadt des Mi­li­tärs ge­wor­den. Das ist we­gen der Front­nä­he nicht wei­ter ver­wun­der­lich, zu­mal auch in der Stadt selbst ei­ne Rei­he mi­li­tä­ri­scher Ein­rich­tun­gen vor­han­den wa­ren. So wa­ren die Stä­be der 16. Inf.-Di­vi­si­on, der 16. Ka­val­le­rie-Bri­ga­de, der 31. In­fan­te­rie-Bri­ga­de und der 16. Feld­ar­til­le­rie-Bri­ga­de hier eben­so sta­tio­niert wie das In­fan­te­rie-Re­gi­ment Nr. 29 (von Horn), das In­fan­te­rie-Re­gi­ment Nr. 69, das 10. Rhei­ni­sche In­fan­te­rie-Re­gi­ment 161, das Re­ser­ve In­fan­te­rie-Re­gi­ment 237, das Trie­ri­sche Feld­ar­til­le­rie Re­gi­ment 44, die Ka­val­le­rie-Re­gi­men­ter Jä­ger zu Pfer­de Nr. 7 und Nr. 8 und schlie­ß­lich das 2. Rhei­ni­sche Pio­nier-Ba­tail­lon Nr. 27.[25] 

Der Trie­rer Stadt­his­to­ri­ker Emil Zenz be­merk­te da­zu: „Die Trie­rer Re­gi­men­ter blie­ben wäh­rend des ge­sam­ten Krie­ges als Ein­hei­ten be­ste­hen, al­ler­dings wech­sel­ten ei­ni­ge ih­re Di­vi­si­ons­zu­ge­hö­rig­keit. Er­staun­lich aber ist, in welch wei­tem Aus­maß die Trie­rer Re­gi­men­ter sich im­mer wie­der auf den glei­chen Schlacht­fel­dern tra­fen.“[26] 

Ent­spre­chend hoch war die Zahl der Ver­lus­te: 14.526 Of­fi­zie­re, Un­ter­of­fi­zie­re und Mann­schaf­ten wa­ren für die Trie­rer Re­gi­men­ter und das Pio­nier-Ba­tail­lon Nr. 27 zu be­kla­gen, die Ver­lus­te der Trie­rer Bür­ger­schaft be­lie­fen sich 1.451 Ge­fal­le­ne.[27] 

Reservelazarett in der Trierer Devora Schule, undatiert.. (Stadtarchiv Trier)

 

Zwei­fel­los ei­ne Be­son­der­heit und gleich­falls der Front­nä­he ge­schul­det ist die Tat­sa­che, dass ei­ne Rei­he von Flie­ger­ein­hei­ten in Trier bzw. dem na­he ge­le­ge­nen Flug­ha­fen Eu­ren sta­tio­niert wa­ren. Be­reits zu Kriegs­be­ginn war es die Flie­ger­ab­tei­lung des Flie­ger­ba­tail­lons Nr. 3 mit sechs Flug­zeu­gen und der Auf­ga­be, die in Lu­xem­burg, Bel­gi­en und Frank­reich vor­rü­cken­de VI. Ar­mee durch Auf­klä­rung zu un­ter­stüt­zen. Mit Vor­rü­cken der Front wur­de die Ein­heit ver­legt, zu­rück blieb ei­ne Flie­gerer­satz­ab­tei­lung.[28]  1915 wur­de der Trie­rer Flug­platz wie­der mit ei­ner Flie­ger­staf­fel, der so­ge­nann­ten Kampf­ein­satz­staf­fel, die mit 24 Dop­pel­de­ckern aus­ge­stat­tet di­rekt der Obers­ten Hee­res­lei­tung un­ter­stellt war, be­legt, muss­te aber Trier ver­mut­lich 1916 wie­der ver­las­sen.[29] 

Und dann wä­ren da noch die Luft­schif­fe zu nen­nen. Gleich zu Be­ginn des Krie­ges wur­de mit Luft­schiff Z VIII das zu die­sem Zeit­punkt wohl grö­ß­te und mo­derns­te Luft­schiff hier sta­tio­niert. Sei­ne Auf­ga­be war der Bom­ben­ab­wurf über feind­li­chem Ge­biet. Trotz ein­dring­li­cher Bit­ten des Kom­man­dan­ten wur­de es aber zu­nächst nicht mit Gas be­füllt und lag aus­ge­rech­net zu Be­ginn des Krie­ges kampf­un­fä­hig in Eu­ren. Erst Mit­te Au­gust wur­de es be­füllt und er­hielt am 21. Au­gust Be­fehl zur Auf­fin­dung und Bom­bar­die­rung der aus dem El­sass zu­rück­keh­ren­den fran­zö­si­schen Trup­pen. Auf sei­nem Weg dort­hin wur­de es je­doch von deut­schen Trup­pen un­ter Feu­er ge­nom­men und schwer be­schä­digt. Zwar konn­te es zu­nächst den Flug fort­set­zen und 160 kg Bom­ben ab­wer­fen, dann je­doch stran­de­te es und muss­te von der Be­sat­zung auf­ge­ge­ben wer­den.[30] 

Am 26.9.1914 er­hielt Trier ein neu­es Luft­schiff, den Zep­pe­lin SL II, der we­gen häu­fi­gen Ne­bels al­ler­dings zu­nächst kaum zum Ein­satz kam. So muss­te ein An­griff auf Pa­ris eben­so we­gen Ne­bels ab­ge­bro­chen wer­den wie ein wei­te­rer Ein­satz im De­zem­ber. Erst am 26.12.1914 konn­te er sei­ne Bom­ben­last auf Nan­cy ab­wer­fen, dann aber gleich 860 kg. Im Ja­nu­ar 1915 muss­ten wei­te­re drei Fahr­ten we­gen Ne­bels ab­ge­bro­chen wer­den, eben­so im Fe­bru­ar ein ers­ter Ein­satz ge­gen Eng­land, ge­nau­er Lon­don, da die Fahrt über Ca­lais we­gen Mo­tor­scha­dens für das Luft­schiff vor­zei­tig be­en­det war. Nach „er­folg­rei­chen“ An­grif­fen auf Com­pièg­ne griff der Zep­pe­lin von Brüs­sel aus doch noch Lon­don am 7.9.1915 mit 1.000 kg Bom­ben an, ver­blieb nach sei­nem Ein­satz aber in Brüs­sel. Im Fe­bru­ar 1916 er­hielt Trier schlie­ß­lich mit dem LZ 90 ein neu­es Luft­schiff zur Un­ter­stüt­zung der Ar­til­le­rie in Ver­dun. Noch im März und April 1916 wur­den wie­der­um Zie­le in Eng­land an­ge­grif­fen: Nor­wich am 31.3.1916 mit 2.540 kg Bom­ben und Lon­don am 2.4.1916 mit 1.850 kg Bom­ben. Nach sei­ner Rück­kehr nach Trier wur­de das Luft­schiff noch wei­ter aus­ge­baut und ver­stärkt und so zum „grö­ß­ten und leis­tungs­fä­higs­ten Luft­schiff der da­ma­li­gen Zeit“ ge­macht, wenn auch zu­neh­men­de Luft­an­grif­fe auf Trier selbst recht bald da­nach sei­ne Ver­le­gung nach Mann­heim er­zwan­gen.[31]  Wie kaum ein an­de­res Bei­spiel be­le­gen je­doch die Trie­rer Luft­schif­fe die ra­san­te tech­ni­sche Ent­wick­lung in die­sem Be­reich in­ner­halb kür­zes­ter Zeit. Von Au­gust 1914 bis De­zem­ber 1914 hat­te sich die ab­ge­wor­fe­ne Bom­ben­last von 160 kg auf 860 kg ge­stei­gert und lag ein gu­tes Jahr spä­ter schon deut­lich über 2.500 kg. Der Krieg als Ka­ta­ly­sa­tor des tech­ni­schen Fort­schritts wird hier ein­mal mehr greif­bar.

Doch die Front­nä­he mach­te Trier nicht nur zur Gar­ni­sons-, son­dern auch zur La­za­rett­stadt. Schon am 12. 8.1914 mel­de­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent wie ge­se­hen das Ein­tref­fen der ers­ten Ver­wun­de­ten­zü­ge.[32]  Und seit dem 6.8.1914 sam­mel­te der Va­ter­län­di­sche Frau­en­ver­ein eif­rig für die Ein­rich­tung ei­nes La­za­retts, das auf dem Wei­ßhaus bei Trier sei­nen Platz fand.[33]  Ein ei­ge­ner Ver­band­platz auf dem Bahn­hof Trier-West so­wie wei­te­re acht Re­ser­ve­la­za­ret­te, die in mi­li­tär­ei­ge­nen Ge­bäu­den und dem Pries­ter­se­mi­nar am We­ber­bach un­ter­ge­bracht wur­den, ka­men un­mit­tel­bar nach Kriegs­be­ginn hin­zu. Da­mit stan­den ab Au­gust 1914 rund 6.000 Kran­ken­bet­ten in Trier zur Ver­fü­gung. Leicht­ver­wun­de­te und ge­ne­sen­de Sol­da­ten konn­ten zu­dem auch in den Trie­rer Kran­ken­häu­sern und in Kran­ken­sta­tio­nen, die im Jo­sefs­stift, im Klos­ter zum Gu­ten Hir­ten, im Redemp­to­ris­ten­klos­ter an der Feld­stra­ße, im Böh­mer­klos­ter, im He­le­nen­haus und vor­über­ge­hend im Bür­ger­ca­fé und im Wei­ßhaus­ca­fé ein­ge­rich­tet wa­ren, ver­sorgt wer­den. Dar­über hin­aus wur­den Mo­sel­damp­fer zu La­za­rett­schif­fen um­ge­baut und am 30.9.1914 der „Hilfs­la­za­rett­zug Trier“ be­reit­ge­stellt.[34]  Im Um­land be­fan­den sich wei­te­re La­za­ret­te, in die nach An­wei­sung des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten vom 15.8.1914 die Leicht­ver­letz­ten ver­bracht wer­den soll­ten, da­mit nur die Schwer­ver­wun­de­ten in der Stadt ver­sorgt wer­den müss­ten.[35] 

Abgeworfene Flugzettel an die Einwohner der Stadt, Juni 1917. (Stadtarchiv Trier)

 

Vol­ler Ge­nug­tu­ung konn­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent in sei­nem Im­me­di­at­be­richt an Kai­ser Wil­helm am 1.2.1917 be­rich­ten, wie rei­bungs­los die Ver­sor­gung der Ver­wun­de­ten in Trier von stat­ten ge­he und wie groß die Un­ter­stüt­zung der Be­völ­ke­rung sei, ins­be­son­de­re für die La­za­ret­te „brach­ten selbst die sonst nur schwer be­weg­li­chen Bau­ern der Ei­fel Ess­wa­ren, Lei­nen, Wol­le und Geld in fast un­er­schöpf­lich schei­nen­den Stro­me her­an, als be­ei­le sich Je­der, sei­nen Dank für den Schutz der ei­ge­nen Schol­le aus­zu­spre­chen.“[36] 

4. „Vergeltung“ aus der Luft: Die Fliegerangriffe auf Trier

Oh­ne Zwei­fel ist Trier ei­ne der ers­ten, wenn nicht gar die ers­te Stadt Deutsch­lands, die zum Ziel ei­nes al­li­ier­ten Flie­ger­an­griffs wur­de. Am 10.8.1914 er­gänz­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent sei­nen schon fer­ti­gen Be­richt an den Ober­prä­si­den­ten um ei­ni­ge Zei­len: „Heu­te Nacht 130 Uhr wur­den von ei­nem feind­li­chen Flug­zeug 2 Bom­ben seit­lich des Bahn­kör­pers Kart­haus in der Nä­he des Per­so­nen­tun­nels und des Koh­le­la­gers der Ei­sen­bahn her­ab­ge­wor­fen. Glück­li­cher­wei­se ver­fehl­ten sie ihr Ziel. Lei­der ge­lang es dem auf das Flug­zeu­ge er­öff­ne­ten Feu­er nicht, das­sel­be zu tref­fen.“[37]

Ins­ge­samt er­leb­te Trier im Ers­ten Welt­krieg nach neue­ren For­schun­gen 145 Flie­ger­alar­me, da­von fie­len bei 22 An­grif­fen Bom­ben. Nach dem zwei­fel­los er­schre­cken­den ers­ten An­griff, der Trier galt, aber Konz-Kart­haus traf, wo er je­doch kaum Scha­den an­rich­te­te, muss­ten die Men­schen 1915 zwei­mal, 1917 fünf­mal und 1918 drei­zehn­mal Bom­bar­de­ments er­tra­gen. Die Zahl der To­ten be­trug nach of­fi­zi­el­len An­ga­ben 19 Per­so­nen, muss aber wohl auf 29 kor­ri­giert wer­den, da die Op­fer in­fol­ge von Herz­in­fark­ten eben­so we­nig mit­ge­zählt wur­den, wie sol­che, die in­fol­ge ih­rer Ver­let­zun­gen Ta­ge spä­ter ver­schie­den. Min­des­tens 347 Bom­ben wur­den auf Trier ge­wor­fen, die in zehn Fäl­len Groß­brän­de in der Stadt ver­ur­sach­ten.[38] 

Nach dem schwe­ren An­griff auf Karls­ru­he vom 15.6.1915 wur­de in Trier ent­schie­den, dass künf­tig mit Si­re­nen vor je­dem Luft­an­griff ge­warnt wer­de und Be­völ­ke­rung im nächst­ge­le­ge­nen Haus Schutz su­chen sol­le. Zu­dem soll­te das Läu­ten des Zün­dels auf dem Turm von St. Gan­golf vor her­an­na­hen­den Flie­gern war­nen. Zü­gig wur­den die­se Maß­nah­men um­ge­setzt, so dass die Stadt am 10.9.1915 be­reits über elf Si­re­nen ver­füg­te.[39] 

Das zerstörte Trierer Provinzialmuseum, Juni 1917. (Stadtarchiv Trier)

 

Tat­säch­lich er­lang­te die Stadt Trier so et­was wie ei­ne Vor­bild­funk­ti­on, was die Er­grei­fung von Schutz­maß­nah­men ge­gen Flie­ger­an­grif­fe be­traf. So über­sand­te der Mi­nis­ter des In­ne­ren am 19.10.1915 dem Ko­blen­zer Re­gie­rungs­prä­si­den­ten „zur ge­fäl­li­gen Kennt­nis­nah­me“ ei­nen zu­sam­men­fas­sen­den Be­richt über den Stand der Ab­wehr­maß­nah­men sei­nes Trie­rer Amts­kol­le­gen vom 30. Sep­tem­ber, den die­ser an den In­nen­mi­nis­ter in Ber­lin ge­schickt hat­te.[40]  Mit sei­ner La­ge in der von Flie­ger­an­grif­fen am stärks­ten be­trof­fe­nen Re­gi­on sah sich die Stadt Trier ge­zwun­gen, au­ßer­ge­wöhn­lich früh be­reits um­fang­rei­che und de­tail­lier­te An­wei­sun­gen zu er­las­sen und ei­nen re­gel­rech­ten „work­flow“ auf­zu­set­zen, was wie im An­griffs­fal­le zu ge­sche­hen ha­be. Da­bei war ei­ne en­ge und ko­or­di­nier­te Zu­sam­men­ar­beit von Mi­li­tär- und Zi­vil­be­hör­den un­ver­zicht­bar. Aus­gangs­punkt war die Fest­stel­lung ei­nes dro­hen­den Flie­ger­an­griffs durch die Mi­li­tär­be­hör­den be­zie­hungs­wei­se das Gar­ni­sons­kom­man­do, al­so mi­li­tä­ri­sche Stel­len. Das Gar­ni­sons­kom­man­do löst dann auch die Alar­mie­rung aus, wo­bei ne­ben Dampf­si­re­nen oder in Er­man­ge­lung die­ser Dampf­pfei­fen in den In­dus­trie­be­trie­ben auch ei­ni­ge elek­trisch be­trie­be­ne Si­re­nen auf Kirch­tür­men im Stadt­ge­biet ein­ge­setzt wer­den. Zu­nächst setzt das Gar­ni­sons­kom­man­do ei­ne, mit ei­ner Fern­sprech­an­la­ge ver­bun­de­ne Si­re­ne in Gang, die be­stimm­te fest­ge­leg­te „Not­zei­chen er­tö­nen“ lässt, in die dann die an­de­ren Si­re­nen ein­fal­len. Ei­ne Fern­sprech­an­la­ge des Kai­ser­li­chen Te­le­gra­phen­am­tes im Rat­haus steht per Te­le­fon mit der mi­li­tä­ri­schen Mel­de­stel­le, der Flie­ger­hal­le, und den zwölf über das Stadt­ge­biet ver­teil­ten Alarm­stel­len in stän­di­ger Ver­bin­dung. An den Alarm­stel­len wie­der­um ver­hin­dert ei­ne mit der Fern­sprech­an­la­ge ver­bun­de­ne „laut tö­nen­de elek­tri­sche Stark­strom­glo­cke“, dass ein Alarm über­hört wer­den kann. So­bald die Zen­tra­le Mel­dung vom dro­hen­den Flie­ger­an­griff er­hält, wer­den al­le Alarm­stel­len te­le­fo­nisch in­for­miert, zu­sätz­lich er­folgt die­ser Weck­ruf. Der Be­die­nungs­mann vor Ort ist ver­pflich­tet, auf sei­nem Pos­ten zu ver­blei­ben und bei Ein­tref­fen des zwei­ten Weck­rufs „Flie­ger­alar­m“ den Alarm un­ver­züg­lich zu star­ten. Der dau­ern­de Ton der Si­re­nen ver­hin­dert da­bei ei­ne Ver­wechs­lung mit Feu­er­alarm. Der Be­die­nungs­mann kann nun sei­nen Pos­ten ver­las­sen und den für ihn vor­be­rei­te­ten si­che­ren Un­ter­schlupf auf­su­chen, wo ein in­stal­lier­ter We­cker ihn über das En­de des Alarms in­for­miert. Das Ver­hal­ten des „Pu­bli­kums“, al­so der Zi­vil­per­so­nen, im An­griffs­fall wur­de durch ei­ne gan­ze Rei­he von Ver­ord­nun­gen sei­ner­seits, aber auch sei­tens der Po­li­zei­be­hör­den ge­re­gelt. Im All­ge­mei­nen ha­be sich das Schutz­su­chen hin­ter star­ken Mau­ern ins­be­son­de­re ge­gen Split­ter­ein­wir­kun­gen be­währt, je­doch ha­be die jüngs­te Ent­wick­lung mit im­mer stär­ker wer­den­den Bom­ben und ver­zö­ger­ter Zün­dung es an­ge­zeigt er­schei­nen las­sen, der Be­völ­ke­rung den Schutz star­ker Kel­ler­räu­me an­zu­emp­feh­len. Er, Baltz, ha­be da­her der Be­völ­ke­rung auch den bom­ben­si­che­ren Kel­ler un­ter sei­ner Dienst­woh­nung als Schutz­raum an­ge­bo­ten. Auch für die Ge­fäng­nis­se, Kran­ken­häu­ser und Schu­len sei­en ent­spre­chen­de Vor­keh­run­gen ge­trof­fen wor­den. Ge­ra­de in Trier galt es in be­son­de­rer Wei­se die Kunst­denk­mä­ler zu schüt­zen, wo­bei zu die­sem Zeit­punkt le­dig­lich ei­ne Ver­brin­gung der mo­bi­len Kunst­wer­ke in bom­ben­si­che­re Kel­ler an­ge­ord­net war, al­ler­dings stell­te Baltz be­reits hier die dann spä­ter auch er­folg­te „Schut­zum­weh­run­g“ wert­vol­ler Plas­ti­ken und Ar­chi­tek­tur­ele­men­te in Aus­sicht. Die mi­li­tä­ri­sche Ab­wehr der Flie­ger­an­grif­fe er­fol­ge durch Bal­lon-Ab­wehr­ka­no­nen und Ma­schi­nen­ge­weh­re, wo­bei Baltz in sei­nem Be­richt deut­li­che Kri­tik an den Mi­li­tär­be­hör­den durch­schei­nen ließ, die sei­nem wei­ter­ge­hen­den Wunsch nach Ab­wehr, bei­spiels­wei­se durch den ver­stärk­ten Ein­satz von Kampf­flie­gern, nicht im ge­wünsch­ten Ma­ße ent­spre­che. Schlie­ß­lich wür­den die Zi­vil­be­hör­den noch von den mi­li­tä­ri­schen Stel­len in An­spruch ge­nom­men, wenn es dar­um gin­ge, „et­wai­ge Zwi­schen­lan­dun­gen feind­li­cher Flie­ger zu er­kun­den und Ge­gen­ma­ß­re­geln zu tref­fen“. „Die mi­li­tä­ri­schen Stel­len rech­nen da­bei mit der Mög­lich­keit ei­ner Zwi­schen­lan­dung in den Oed­län­de­rei­en der Ei­fel, wo sich durch Be­ste­chung ver­rä­te­ri­scher An­ge­hö­ri­ger der Be­völ­ke­rung Ge­le­gen­heit bie­ten könn­te, neu­en Be­triebs­stoff für die Flug­zeug­mo­to­ren auf­zu­neh­men.“ Da­her ha­be er für die­sen Fall be­stimm­te Rou­ten für ei­ne „Rund­fahr­t“ der ört­li­chen Be­hör­den un­ter Mit­nah­me be­waff­ne­ter Sol­da­ten in den be­son­ders ver­däch­ti­gen Re­gio­nen der Ei­fel fest­ge­legt. Ab­schlie­ßend ver­wies er noch auf die um­fang­rei­chen Si­che­rungs­maß­nah­men für den Fern­sprech­ver­kehr, der selbst wäh­rend ei­nes An­griffs dank ei­nes ex­tra ein­ge­rich­te­ten  „Not­ver­mitt­lungs­am­tes“ un­un­ter­bro­chen fort­ge­setzt wer­den kön­ne.[41] 

Die von einer Bombe getroffene Liebfrauenkirche in Trier, Juni 1917. (Stadtarchiv Trier)

 

Al­len Vor­keh­run­gen zum Trotz tra­fen die An­grif­fe die Be­völ­ke­rung den­noch meist un­vor­be­rei­tet, ins­be­son­de­re die Nacht­an­grif­fe. Die Luft­an­grif­fe kos­te­ten Men­schen­le­ben, ver­ur­sach­ten aber auch gro­ße Ge­bäu­de­schä­den. Auch wenn die Zie­le der Flie­ger zu­meist mi­li­tä­ri­scher Na­tur (Bahn­hö­fe, Gleis­an­la­gen, mi­li­tä­ri­sche Ein­rich­tun­gen) wa­ren, so tra­fen sie man­gels Treff­ge­nau­ig­keit doch auch im­mer wie­der zi­vi­le Ge­bäu­de, un­ter an­de­rem das Böh­mer­klos­ter, das völ­lig ab­brann­te, das Pro­vin­zi­al­mu­se­um, die Lieb­frau­en­kir­che und den Dom, was ei­ne har­sche, wenn auch völ­lig er­folg­lo­se In­ter­ven­ti­on des Trie­rer Erz­bi­schofs beim Hei­li­gen Stuhl nach sich zog.[42] 

Und nun star­ben auch mehr und mehr Men­schen bei den An­grif­fen. Am 13.9.1915 wa­ren bei ei­nem An­griff auf den Trie­rer Haupt­bahn­hof ein To­ter, zwei Schwer- und zwei Leicht­ver­letz­te zu be­kla­gen, da­ge­gen for­der­te der An­griff am 21./22.6.1916 be­reits sechs To­te, ei­nen Schwer- und elf Leicht­ver­letz­te – al­le Op­fer wa­ren Sol­da­ten, da ein La­za­rett ge­trof­fen wur­de.[43] 

Verhaltensregeln im Fall von Fliegerangriffen, 'Wie verhalte ich mich bei Fliegergefahr', 1917. (Stadtarchiv Trier)

 

Mit dem Jahr 1917 stieg die Zahl der Alar­mie­run­gen und Bom­bar­die­run­gen deut­lich an. Te­le­gra­fisch be­rich­te­te der Re­gie­rungs­prä­si­dent nun re­gel­mä­ßig über Flie­ger­an­grif­fe auf Trier. So am 2.5.1917 um 4 Uhr mor­gens über ei­nen An­griff aus der Nacht, der kurz vor Mit­ter­nacht be­gann: „[…] bis­her an 37 Stel­len Ex­plo­sio­nen fest­ge­stellt, 3 Per­so­nen ver­letzt, ei­ne vor Schreck ge­stor­ben, er­heb­li­cher Ge­bäu­de­scha­den“. Noch am sel­ben Tag folg­te ein aus­führ­li­cher Be­richt: Der An­griff „er­folg­te über­ra­schend und wur­de nur durch das kurz vor­her ein­set­zen­de Feu­er der Bal­lon­ab­wehr­ka­no­nen an­ge­zeigt. So­weit aus der Zahl der ab­ge­wor­fe­nen Bom­ben und aus der an ver­schie­de­nen Stel­len des nächt­li­chen Abend­him­mels gleich­zei­tig be­ob­ach­te­ten Zahl von Leucht­ra­ke­ten ge­schlos­sen wer­den kann, war ein grö­ße­res Ge­schwa­der von we­nigs­tens 8 bis 10 Flug­zeu­gen bei dem An­griff be­tei­ligt. Der An­griff dau­er­te et­was über ei­ne ½ Stun­de. Al­lem An­schein nach wur­den ver­schie­dent­lich meh­re­re Bom­ben zur glei­chen Zeit, so­ge­nann­te ‚Ket­ten­bom­ben‘ ab­ge­wor­fen, wo­durch be­trächt­li­che Ex­plo­si­ons­wir­kun­gen ent­stan­den.“ Bren­nen­de Dach­stüh­le, ab­ge­deck­te Dä­cher und zahl­rei­che zer­sprun­ge­ne Tü­ren und Fens­ter wa­ren die Fol­ge und ver­letz­ten vie­le Men­schen. Durch die Brän­de wur­den auch ne­ben­ste­hen­de Ge­bäu­de be­schä­digt. „Lei­der sind auch wert­vol­le Glas­ma­le­rei­en an dem Nord­gie­bel des Do­mes zer­stört wor­den.“ Doch die Bom­ben in der Nacht ver­ur­sach­ten nicht nur äu­ße­re Ver­let­zun­gen: „Nach Ab­sen­dung der De­pe­sche wur­de be­kannt, dass au­ßer des ei­nen, in­fol­ge des Schrecks und der Auf­re­gung ver­ur­sach­ten To­des­fal­les (ei­nes ka­tho­li­schen Pries­ters) noch ein zwei­ter an Herz­schlag auf die Wir­kung des Flie­ger­an­grif­fes zu­rück­ge­führt wird.“ Har­sche Kri­tik üb­te der Re­gie­rungs­prä­si­dent an den An­wei­sun­gen von mi­li­tä­ri­scher Stel­le zum Ver­hal­ten bei Flie­ger­an­grif­fen: „Die ge­rin­ge Zahl der Ver­let­zun­gen von Per­so­nen dürf­te dar­auf zu­rück­zu­füh­ren sein, dass die Bür­ger sich, - ent­ge­gen der von mi­li­tä­ri­scher Sei­te aus­ge­ge­be­nen Wei­sung: „nachts küm­me­re dich um kei­nen An­grif­f“ in die Kel­ler­räu­me ih­rer Häu­ser ge­flüch­tet hat­ten. Wä­re die An­wei­sung be­folgt wor­den, hät­ten si­cher­lich ein Dut­zend Men­schen oder mehr den Tod ge­fun­den, vor al­lem die Be­woh­ner der völ­lig zer­stör­ten Dach­kam­mern in den al­ten Häu­ser.“ Deut­lich wi­der­sprach er der von mi­li­tä­ri­scher Sei­te be­haup­te­ten The­se, wo­nach der Auf­ent­halt in Kel­lern ge­fähr­li­cher sei als der in den Woh­nun­gen, „[…] in der Pra­xis je­doch ha­ben sämt­li­che, hier so­wohl wie in Lu­xem­burg fest­ge­stell­ten Bom­ben­wir­kun­gen ge­zeigt, dass die Kel­ler re­gel­mä­ßig ver­schont ge­blie­ben sind […]“, so dass er die mi­li­tä­ri­sche Sei­te be­reits nach­drück­lich auf­ge­for­dert ha­be, die­se Wei­sung zu­rück­zu­neh­men. Zu­dem bat er dar­um, die nächt­li­che Alar­mie­rung wie­der ein­zu­füh­ren, was ins­be­son­de­re die nachts ar­bei­ten­den Fa­brik­ar­bei­ter sehr be­ru­hi­gen wür­de. Ne­ben den Bom­ben, so sei­ne Schluss­be­mer­kung, sei­en auch Zet­tel ab­ge­wor­fen wor­den, in de­nen An­griff als Ver­gel­tungs­maß­nah­me für die deut­schen An­grif­fe auf Chalôns und Epernay be­zeich­net wur­de.[44] 

In sei­nem Te­le­gramm vom 4.6.1917, 6.50 Uhr, über den An­griff in der Nacht zwi­schen 12.15 bis 1.30 Uhr be­rich­te­te Baltz über die „er­heb­li­che Be­schä­di­gung des Da­ches der Lieb­frau­en­kir­che durch Bom­ben­ein­schlag auf nörd­li­chem Sei­ten­schiff, auch rö­mi­scher Kai­ser­pa­last und Pro­vin­zi­al­mu­se­um mit Bom­ben be­wor­fen“. Der zu­ge­hö­ri­ge aus­führ­li­che Be­richt vom fol­gen­den Tag an den Ober­prä­si­den­ten legt ins­be­son­de­re die Schä­den an den his­to­risch be­deut­sa­men Bau­denk­mä­lern aus­führ­li­cher dar. Die Per­so­nen­schä­den mit ei­nem To­ten und sie­ben leicht ver­letz­ten Per­so­nen sei­en we­gen der recht­zei­tig er­folg­ten Alar­mie­rung ge­ring „trotz der gro­ßen An­zahl der ab­ge­wor­fe­nen Bom­ben (54 bis 50).“ Beim Dom wur­de der West­turm schwer be­schä­digt, bei der Lieb­frau­en­kir­che wur­de das Dach des nörd­li­chen Kreu­z­ar­mes völ­lig zer­stört, hier dro­he die Ge­fahr der Durch­näs­sung des Ge­bäu­des. Be­züg­lich der Schä­den am Pro­vin­zi­al­mu­se­um füg­te er dem Be­richt ei­nen ei­ge­nen aus­führ­li­chen Be­richt des Di­rek­tors Dr. Krü­ger bei. Er­neut sei­en Zet­tel ab­ge­wor­fen wor­den, wo­nach auch die­ser An­griff ei­ne Ver­gel­tungs­maß­nah­me sei, die­ses Mal für die deut­sche Bom­bar­die­rung von Bar-le-Duc. „Mit Rück­sicht auf die Stim­mung der Be­völ­ke­rung wä­re sehr er­wünscht, wenn von Sei­ten der zu­stän­di­gen mi­li­tä­ri­schen Stel­len hier­zu Stel­lung ge­nom­men und Auf­klä­rung ge­ge­ben wer­den wür­de, dass deut­sche Flie­ger zu sol­chen Ver­gel­tungs­maß­nah­men, wie der Be­wer­fung in­dus­trie­ar­mer, mi­li­tä­risch un­be­deu­ten­der Städ­te kei­nen An­lass ge­ge­ben ha­ben.“[45] 

Ins­be­son­de­re die Sinn­lo­sig­keit, ja Fahr­läs­sig­keit der Pa­ro­le „nachts küm­me­re dich um kei­nen An­grif­f“ er­bos­te Baltz nach­hal­tig, auch wenn die in der Be­völ­ke­rung „kei­nen An­klan­g“ ge­fun­den ha­be und nicht be­ach­tet wür­de, was Men­schen­le­ben ret­te. So sei der Scha­den in der Stadt über­schau­bar ge­blie­ben, was er­freu­lich sei, denn: „Al­lem An­schein nach wa­ren der Stadt Trier noch be­deu­tend mehr [als die er­folg­ten 35 Ab­wür­fe in die­ser Nacht] Bom­ben­ab­wür­fe zu­ge­dacht. Doch wur­den die feind­li­chen Flie­ger durch das leb­haf­te Ab­wehr­feu­er an der Aus­füh­rung ih­rer Ab­sich­ten ge­hin­dert und das ist – auch nach An­sicht der mi­li­tä­ri­schen Stel­len – wohl der Grund, wes­halb sie ih­re Bom­ben plan­los in der nä­he­ren und wei­te­ren Um­ge­bung von Trier auf Fel­der und Dör­fer fal­len lie­ßen.“ Bei den Blind­gän­gern wur­de zu­dem jetzt „er­heb­li­che Men­gen des gelb­li­chen grü­nen Füll­pul­ver­s“ ge­fun­den, so dass er sich ver­an­lasst sah, die Be­völ­ke­rung nach­drück­li­cher als zu­vor „vor un­vor­sich­ti­ger Be­hand­lung die­ser Spreng­stoff­res­te“ zu war­nen. Bei al­ler Sor­ge um die Be­völ­ke­rung be­eil­te er sich aber auch hier, die ei­ge­nen Be­las­tun­gen und die sei­ner Mit­ar­bei­ter ins rech­te Licht zu rü­cken: „Ich hal­te es für mei­ne Pflicht dar­auf hin­zu­wei­sen, dass auch die Be­am­ten­schaft der Kö­nig­li­chen Re­gie­rung durch die­se so häu­fig sich wie­der­ho­len­den Flie­ger­an­grif­fe auf die Stadt Trier in ih­rem gan­zen Ner­ven­sys­tem schwe­ren Er­schüt­te­run­gen aus­ge­setzt und da­durch in ih­rer Lei­tungs­fä­hig­keit be­ein­träch­tigt wird. Wie viel Näch­te ha­be ich mit mei­ner Fa­mi­lie schon im Kel­ler zu­ge­bracht, aus dem Schla­fe jäh durch die Si­re­nen auf­ge­schreckt! Und wie mir selbst ist es al­len Be­am­ten der Re­gie­rung er­gan­gen. Mehr wie an ir­gend ei­ner an­de­re Re­gie­rung der Preu­ßi­schen Mon­ar­chie […]“ müss­ten hier Hilfs­kräf­te für Aus­gleich sor­gen und gro­ßzü­gi­ge Be­ur­lau­bungs­re­geln grei­fen.[46] 

Am 15.7.1917 end­lich re­agier­te das Stell­ver­tre­ten­de Ge­ne­ral­kom­man­do des VII. Ar­mee­korps und er­ließ um­fang­rei­che Re­ge­lun­gen zum Ver­hal­ten bei Flie­ger­an­grif­fen, die am 29.8.1917 noch­mals ver­schärft wur­den, ins­be­son­de­re be­züg­lich des Ver­dunk­lungs­ge­bots.[47] 

Die Um­set­zung die­ser Schutz­maß­nah­me ver­lief je­doch zu­nächst sehr un­ein­heit­lich. Die Be­woh­ner des Mar­kus­ber­ges muss­ten be­reits mit Ein­set­zen der Dun­kel­heit ver­dun­keln, die Stadt je­doch erst bei Flie­ger­alarm, aber selbst die­se Vor­sichts­maß­nah­me wur­de nicht kon­se­quent be­folgt. Ins­be­son­de­re die Ge­schäfts­welt wehr­te sich hef­tig und be­stand wei­ter­hin auf ver­kaufs­för­dern­der Be­leuch­tung. Die eher schlam­pi­ge Ver­dunk­lungs­pra­xis blieb ein Dau­er­the­ma und trug der Stadt­ver­wal­tung so­gar ei­ne Rü­ge des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten ein. Erst im Sep­tem­ber 1917 konn­te ei­ne har­te Re­ge­lung durch­ge­setzt wer­den, wo­nach ab 21 Uhr Dun­kel­heit in der Stadt zu herr­schen ha­be.[48] 

Auch die Luft­ab­wehr be­nö­tig­te ei­ni­ge Zeit, um ih­ren Schutz zu ent­fal­ten. Un­mit­tel­bar nach den ers­ten Luft­an­grif­fen er­folg­te zwar die Auf­stel­lung von Luft­ab­wehr­ka­no­nen auf dem Pe­tris­berg, aber es fehl­ten Prä­zi­si­ons­ge­rä­te zur Fest­stel­lung von Ent­fer­nung und Ge­schwin­dig­keit na­hen­der Flug­zeu­ge mit der Fol­ge, dass auf Sicht und Ge­hör, näm­lich nach dem Mo­to­ren­ge­räu­sche der Flie­ger ge­schos­sen wur­de. Der Ver­such, in di­rek­tem Schuss die Ma­schi­ne run­ter­zu­ho­len, schei­ter­te aber an dem Si­re­nen­ge­heu­le: Die Flie­ger wa­ren schlicht nicht zu hö­ren. Dies und die Dun­kel­heit mach­ten Tref­fer na­he­zu un­mög­lich. Als Kom­pro­miss wur­de schlie­ß­lich ver­ein­bart, die Si­re­nen nur zu Be­ginn des Alarm er­tö­nen zu las­sen, da­nach soll­te Ru­he herr­schen bis zur Ent­war­nung. Der Ver­tei­di­gung dien­ten auch Ma­schi­nen­ge­weh­re, die zu­erst nur bei der Zep­pe­l­in­hal­le auf­ge­stellt wur­den. Im Lau­fe des Krie­ges wur­de ein re­gel­rech­ter Ring um die Stadt ge­bil­det mit drei Flak­bat­te­ri­en und zwei Flak­zü­gen mit ins­ge­samt 16 Ge­schüt­zen, zwei Ma­schi­nen­ge­wehr­zü­gen mit vier Ma­schi­nen­ge­weh­ren und den Flak­schein­wer­fer­bat­te­ri­en mit zwölf Schein­wer­fen. Auf den um­lie­gen­den Hö­hen Pe­tris­berg, Grü­ne­berg, Matt­hei­ser Wei­her, Ro­schei­der Hof, Sir­ze­nich-Neu­haus, Mar­kus­berg und Lorch in Stel­lung ge­bracht, si­cher­ten sie die Stadt.[49] 

Und auch an Le­ben und Ge­sund­heit der Bür­ger dach­te die Stadt. Ent­ge­gen der an­fäng­li­chen Skep­sis der mi­li­tä­ri­schen Stel­len wur­den im Lau­fe des Krie­ges 56 öf­fent­li­che Luft­schutz­kel­ler ein­ge­rich­tet, die Stra­ßen­bah­nen muss­ten bei Flie­ger­alarm an­hal­ten, öf­fent­li­che Lo­ka­le schlie­ßen, in den Schu­len wur­de das rich­ti­ge Ver­hal­ten bei Luft­an­grif­fen ein­ge­übt. An den zahl­rei­chen Denk­mä­ler der Stadt wur­den Holz­ver­scha­lun­gen an­ge­bracht, Fi­gu­ren ab­mon­tiert und Zu­gän­ge zu­ge­mau­ert.[50] 

Und ers­te Er­fol­ge zeich­ne­ten sich ab. Die Te­le­gram­me vom 2.10.1917, 3.30 Uhr, und 3.10.1917, 1.30 Uhr, be­rich­ten dem Ober­prä­si­den­ten über so­eben er­folg­te An­grif­fe durch Flie­ger, die „in­fol­ge wirk­sa­men Flak­feu­ers nur we­nig Scha­den“ an­ge­rich­tet ha­ben bzw. „ver­trie­ben“ wur­den.[51] 

Am 18.2.1918, 3.40 Uhr, traf es zum Ent­set­zen des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten das Re­gie­rungs­ge­bäu­de selbst, des­sen sämt­li­che Schei­ben zu Bruch gin­gen, so dass der Be­trieb nun nach­hal­tig ge­stört sei. Die­se war auch das Ziel der An­grif­fe vom 12.3.1918, als es zu drei An­grif­fen kam, die aber al­le schei­ter­ten. Vor­mit­tags ge­gen 11 Uhr be­gann es. „Der An­griff er­folg­te mehr­mals und von ver­schie­de­nen Rich­tun­gen. Die Flie­ger bo­gen dem Sperr­feu­er aus und flo­gen, oh­ne Bom­ben ab­ge­wor­fen zu ha­ben, wei­ter. Es wa­ren et­wa 15 Flie­ger, of­fen­bar die glei­chen, die spä­ter Co­blenz bom­bar­diert ha­ben.“ Der An­griff ha­be sich ei­ne ¾ Stun­de spä­ter wie­der­holt und muss­te er­neut er­folg­los ab­ge­bro­chen wer­den. Doch zwei­mal an ei­nem Vor­mit­tag muss­te da­durch das Per­so­nal der Re­gie­rung in den „Flie­ger­schutz­kel­ler und dann wie­der zur Ar­beit in die aus­ge­käl­te­ten Räu­me. Die­se fort­ge­setz­ten Stö­run­gen wir­ken na­tur­ge­mäß auf die ord­nungs­ge­mä­ße Ge­schäfts­er­le­di­gung au­ßer­or­dent­lich un­güns­tig ein“, wes­halb er bit­te, even­tu­el­le Ver­se­hen „wohl­wol­len­d“ zu über­se­hen. Abends er­folg­te dann der nächs­te Alarm, die Flie­ger „fan­den aber wohl in der Dun­kel­heit die Stadt nicht.“ Er be­en­det den Be­richt mit dem Hin­weis, dass so­eben wie­der ein Alarm er­folgt sei mit star­kem Ab­wehr­feu­er, je­doch oh­ne Bom­ben­ab­wür­fe.[52] 

Am 1., 4., 7. und 13.6.1918 folg­ten wei­te­re schwe­re An­grif­fe auf Trier, wo­bei der An­griff vom 13. Ju­ni nach dem Be­richt des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten vom 28. Ju­ni des­halb so schwe­re Per­so­nen­schä­den mit To­ten und Ver­letz­ten ver­ur­sach­te, weil „in­fol­ge ei­nes Feh­lers in der di­rek­ten elek­tri­schen Lei­tung die Alar­mie­rung um we­ni­ge Mi­nu­ten“ ver­zö­gert wur­de und zu­dem sie­ben Bom­ben in den Be­reich des Kran­ken­hau­ses der Barm­her­zi­gen Brü­der ge­fal­len wa­ren. Trotz der spür­ba­ren Er­fol­ge in der Ab­wehr „meh­ren sich doch von Tag zu Tag die Stim­men, die ei­ne Ein­stel­lung des Luft­kriegs hin­ter der Front er­for­dern.“[53] 

Doch die Be­völ­ke­rung muss­te sich noch wei­ter ge­dul­den. Am 2.10.1918 gin­gen die letz­ten vier Bom­ben im Trie­rer Stadt­ge­biet nie­der „oh­ne Scha­den“ an­zu­rich­ten.[54]  Beim letz­ten An­griff auf Trier am 22. Ok­to­ber 1918, 8.50 Uhr wur­den die Flie­ger durch Flak­feu­er „fern­ge­hal­ten“.[55]  Die Luft­an­grif­fe auf Trier wa­ren end­lich vor­bei.

5. Ernteeinsatz – Liebesgaben – Volksernährung: Die Not der Trierer Zivilbevölkerung

Ob Woll­sa­chen­spen­de oder Lie­bes­ga­ben zu Weih­nach­ten – die Hilfs­be­reit­schaft der Be­völ­ke­rung war zu Be­ginn des Krie­ges be­ein­dru­ckend.[56]  Und be­schränk­te sich kei­nes­wegs nur auf die Sol­da­ten im Fel­de.

Die Un­ter­stüt­zung der Fa­mi­li­en der Sol­da­ten bei Ver­lust des Er­näh­rers wur­de rasch zu Haupt­auf­ga­be der kom­mu­na­len Kriegs­für­sor­ge und ging deut­lich über blo­ße Geld­zah­lun­gen hin­aus. Für die Kin­der be­rufs­tä­ti­ger Müt­ter stan­den schon 1914 ins­ge­samt acht Kin­der­hor­te in Klös­tern und Schu­len zur Ver­fü­gung, die vol­le Ver­pfle­gung und Be­treu­ung von 8 Uhr bis spät abends bo­ten. Seit dem 7.2.1917 exis­tier­te zu­dem ei­ne städ­ti­sche Kin­der­krip­pe für die Kin­der von be­rufs­tä­ti­gen Müt­tern im Al­ter von bis zu vier Jah­ren. Selbst an die Er­ho­lung wur­de ge­dacht: Seit 1916 or­ga­ni­sier­te die Stadt den Auf­ent­halt von Kin­dern auf dem Land, aber auch der Ca­ri­tas­ver­band bot 1917 ers­te Er­ho­lungs­auf­ent­hal­te für Mäd­chen in Hol­land und 1918 für Jun­gen in der Schweiz. Je ei­ne Für­sor­ge­stel­le für Säug­lin­ge und Kin­der bis zu zwei Jah­ren, für Klein­kin­der bis zu sechs Jah­ren, für Lun­gen­kran­ke und Kriegs­be­schä­dig­te, fer­ner ei­ne Trin­ker­für­sor­ge­stel­le, ei­ne Für­sor­ge­stel­le für Kriegs­hin­ter­blie­be­ne und ei­ne Be­rufs­be­ra­tungs­stel­le für Frau­en und Mäd­chen run­den das ka­ri­ta­ti­ve An­ge­bot der Stadt ab. Und schlie­ß­lich, wur­den, als die Koh­le­not im­mer grö­ßer wur­de, öf­fent­li­che Wär­me­hal­len für die Zeit von 10 bis 18 Uhr ein­ge­rich­tet. Die Stadt wur­de zu­dem prä­ven­tiv tä­tig: Als sich ab 1915 die Kla­gen be­züg­lich der Lo­cke­rung von Zucht und Ord­nung im Krieg mehr­ten, wo­nach sich jun­ge Mäd­chen mit Sol­da­ten in der Dun­kel­heit her­um­trie­ben, wur­de rasch ei­ne „Zen­tra­le für Kin­der­schutz und Ju­gend­für­sor­ge“ in der Stadt ein­ge­rich­tet mit der Auf­ga­be, die Ju­gend vor sitt­li­chen Ge­fah­ren und straf­ba­ren Hand­lun­gen zu be­wah­ren, aber zu­gleich auch die Be­treu­ung ar­mer und kran­ker Kin­der zu über­neh­men.[57] 

Auch der Land­kreis be­tei­lig­te sich fi­nan­zi­ell an der Un­ter­stüt­zung der Fa­mi­li­en der Sol­da­ten, was laut Baltz ste­tig stei­gen­de Auf­wen­dun­gen ver­ur­sach­te. In den meis­ten Land­krei­sen reich­ten sei­ner Ein­schät­zung nach die ge­setz­li­chen Un­ter­stüt­zungs­maß­nah­men voll­kom­men aus, wes­halb es im we­sent­li­chen Auf­ga­be der Ge­mein­den und der wohl­tä­ti­gen Ver­ei­ne (Ro­tes Kreuz und Va­ter­län­di­scher Frau­en­ver­ein) sei, in Ein­zel­fäl­len wei­te­re Gel­der zur Ver­fü­gung zu stel­len. All­ge­mei­ne Zu­satz­hil­fen sah er als nicht er­for­der­lich an. Aus­nah­me sei­en die bei­den Stadt­krei­se Trier und Saar­brü­cken we­gen der grö­ße­ren Be­dürf­tig­keit dort. Hier wür­den da­her fes­te Zu­schüs­se aus­ge­zahlt. Ne­ben Le­bens- und Sach­mit­teln, bei­spiels­wei­se zum Kauf von Koh­le, sei­en auch Miet­zu­schüs­se in bei­den Städ­ten mög­lich. Nicht oh­ne Über­ra­schung muss­te er fest­stel­len, dass man so­gar von all­zu gro­ßzü­gi­ger Un­ter­stüt­zung spre­chen kön­ne: „Ei­ne gan­ze An­zahl un­ter­stütz­te Fa­mi­li­en steht, wie mir na­ment­lich die Land­rä­te von Daun, Witt­lich, Trier und Saar­burg über­ein­stim­mend be­rich­tet ha­ben, jetzt bes­ser, kann über mehr Bar­geld ver­fü­gen, als je zu­vor im Frie­den.“ Dies be­tref­fe vor al­lem kin­der­rei­che Fa­mi­li­en.[58] 

Trotz die­ses al­les in al­lem recht po­si­ti­ven Bil­des kam Baltz nicht um­hin, sei­nen Blick sor­gen­voll in die Zu­kunft, in die Zeit nach dem Krieg zu rich­ten, was die Für­sor­ge­leis­tun­gen be­traf. „Wenn auch fer­ner­hin die Be­tä­ti­gung der Krei­se und Städ­te im Ein­zel­nen fort­dau­ernd in Fluss bleibt […] so lässt doch die Über­sicht über ihr bis­he­ri­ges Wir­ken er­ken­nen, dass die gro­ßen Ge­bie­te ih­rer Kriegs­be­tä­ti­gung im We­sent­li­chen fest­ge­legt sind. Erst für die Zeit nach dem Krie­ge wird ih­nen, wenn das Reich die Für­sor­ge für die Hin­ter­blie­be­nen über­nimmt, wohl als gro­ße Auf­ga­be die Sor­ge für die Über­le­ben­den, der ver­stüm­melt wie auch ge­sund heim­keh­ren­den Krie­ger zu­fal­len, da nur sie die hier­für er­for­der­li­che Klein­ar­beit leis­ten kön­nen.“[59] 

Doch nicht nur die Für­sor­ge be­rei­te­te dem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten und der Stadt Sor­ge, weit­aus schwie­ri­ger ge­stal­te­te sich die Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung, ins­be­son­de­re mit Nah­rungs­mit­teln. Nicht oh­ne Grund hat­te die al­ler­ers­te Be­kannt­ma­chung von Baltz nach der Mo­bil­ma­chungs­nach­richt dem Ern­te­ein­satz ge­gol­ten.[60]  Vol­ler Freu­de konn­te er schon am 4.8.1914 dem Ober­prä­si­den­ten mit­tei­len, dass sein Auf­ruf gro­ßen Er­folg ge­zei­tigt hat­te, war doch der Frei­wil­li­gen­an­drang über­wäl­ti­gend. Zeit­gleich zo­gen je­doch die Prei­se an, ins­be­son­de­re für Kar­tof­feln.[61]  Da­bei stand die Er­näh­rung zu Be­ginn des Krie­ges  nach Zenz „ge­ra­de­zu un­ter dem Zei­chen ei­nes plan­lo­sen Über­kon­sum­s“. Al­les war trotz ein­set­zen­der Hams­ter­käu­fe aus­rei­chend vor­han­den: Ge­trei­de, Fleisch, Kar­tof­feln. Auch die Ver­sor­gung der Trup­pen war mehr als aus­rei­chend. Da­her sei zu­nächst kei­ner­lei Ein­grei­fen staat­li­cher oder städ­ti­scher Sei­te er­for­der­lich ge­we­sen, auch wenn die Stadt Trier in gro­ßem Stil und wirt­schaft­lich de­fi­zi­tär Le­bens­mit­tel ein­kauf­te zur Wei­ter­ga­be an Be­dürf­ti­ge.[62] 

Zum Teil tru­gen die staat­li­chen Ver­sor­gungs­be­mü­hun­gen durch­aus auch ku­rio­se Zü­ge. Am 14. Au­gust über­sand­te Baltz ei­nen schon fast ka­ba­ret­tis­tisch an­mu­ten­den Be­richt des Land­rats von Ott­wei­ler zu bü­ro­kra­ti­schen Irr­läu­fern un­ter dem Be­treff „un­will­kom­me­ne Schwei­ne- und Mast­vieh­sen­dun­gen“, in dem die­ser über die Lie­fe­rung von 2000 Schwei­nen in den Land­kreis be­rich­te­te, die nie­mand dort be­stellt hat­te und folg­lich auch kei­ner brau­chen konn­te.[63]  Auch 201, am glei­chen Tag wie die Schwei­ne nach Trier ge­lie­fer­te Och­sen lös­ten in der Dom­stadt we­gen des ho­hen Ver­kaufs­prei­ses kei­ne Freu­de aus, da man kei­ne Ab­neh­mer für sie fand.[64]  Glück­li­cher­wei­se ha­be man das gan­ze Vieh er­folg­reich an die Ar­mee wei­ter­kau­fen kön­nen.[65] 

In ei­nem aus­führ­li­chen Be­richt über die „Wir­kung des Krie­ges auf das Wirt­schafts­le­ben“ zog Balz we­ni­ge Mo­na­te nach Kriegs­aus­bruch ei­ne ers­te Bi­lanz. Zwar müs­se al­len Maß­nah­men ei­ne ge­wis­se Vor­läu­fig­keit kon­sta­tiert wer­den und erst, wenn das wirt­schaft­li­che in ge­ord­ne­te Bah­nen über­führt sei, sei­en fun­dier­te Aus­sa­gen statt­haft, doch be­reits jetzt zeig­te er sich hin­sicht­lich der Ent­wick­lung ver­hal­ten op­ti­mis­tisch. Sei­ne Hoff­nung ruht da­bei auf der Land­wirt­schaft, die ei­nen gro­ßen Teil des Re­gie­rungs­be­zirks be­stim­me und die „am we­nigs­ten von den gan­zen Stür­men be­trof­fen“ sei. „Sie bil­det da­durch ei­nen si­che­ren kauf­kräf­ti­gen Kon­su­men­ten, des­sen Be­deu­tung für die Er­ho­lung von Han­del und Ge­wer­be sich erst in ei­ni­gen Mo­na­ten ganz zei­gen wird.“ Sei­ner Ein­schät­zung nach lie­ßen sich al­le Ein­wir­kun­gen des Krie­ges in den ers­ten bei­den Kriegs­mo­na­ten auf drei „Mo­men­te“ zu­rück­füh­ren: „1.) Die Ein­be­ru­fung der Mann­schaf­ten zum Hee­re, 2.) die Ein­stel­lung oder weit­ge­hen­de Be­schrän­kung des Ei­sen­bahn­ver­kehrs, 3.) der see­li­sche Ein­fluss, der Klein­mut, das man­geln­de Zu­trau­en, die man­geln­de Über­sicht ge­gen­über ei­ner gänz­lich neu­en und ver­än­der­ten Sach­la­ge, wie sie sich zu­nächst in dem An­stur­me auf die Spar­kas­sen, das An­sam­meln von Hart­geld, dem Miss­trau­en ge­gen Pa­pier­geld, dem Auf­hö­ren jeg­li­chen Un­ter­neh­mens­geis­tes, der Zu­rück­zie­hung von not­wen­di­gen Be­stel­lun­gen usw., nicht am we­nigs­ten auch hier in dem Grenz­ge­bie­te in dem Ver­brei­ten wil­der und un­sin­ni­ger Ge­rüch­te ge­zeigt hat.“ Am we­nigs­ten wa­ren die Land­wir­te von Aus­fuhr­be­schrän­kun­gen und Ver­kehrs­be­hin­de­run­gen be­trof­fen, und nicht nur das: „Das psy­cho­lo­gi­sche Mo­ment schlie­ß­lich hat­te beim Land­wirt die ge­rings­te Be­deu­tung.“ Wo­zu si­cher auch der sei­ner Mei­nung nach „schwer­fäl­li­ge und zä­he Sinn des Bau­ern“ bei­ge­tra­gen ha­be, aber auch die Klein­tei­lig­keit der land­wirt­schaft­li­chen Be­sitz­struk­tu­ren. Und auch die star­ke Re­qui­rie­rung von ins­ge­samt 13.000 Pfer­den ha­be nicht zu ei­ner Not­la­ge in der Land­wirt­schaft ge­führt, de­ren Pfer­de­be­sitz wei­ter­hin aus­rei­chend sei. Man ha­be so­gar in den ers­ten Kriegs­ta­gen un­lau­te­re Ge­win­ne durch Preis­stei­ge­run­gen ein­ge­fah­ren, ehe er dem Ge­bah­ren der Bau­ern ein En­de ge­setzt ha­be durch stren­ge Preis­fest­set­zun­gen. Auch Ern­te und Vieh­be­stand sind nach sei­nen Maß­nah­men auf ei­nem gu­ten Stand. Selbst den noch tä­ti­gen Hand­wer­kern ge­he es mit Aus­nah­me des Bau­hand­werks „nicht schlech­t“. Da­ge­gen hät­ten Han­del und Ge­wer­be, nicht zu­letzt durch den na­he­zu völ­li­gen Zu­sam­men­bruch der Schiff­fahrt deut­li­che Ein­bu­ßen hin­neh­men müs­sen. Ins­ge­samt sei das Ge­samt­bild „im Gro­ßen und Gan­zen kein un­güns­ti­ge­s“ und künf­tig eher ei­ne Bes­se­rung zu er­war­ten. „Die ru­hi­ge Über­le­gung ist wie­der zu­rück­ge­kehr­t“ – und da­mit die wich­tigs­te Vor­aus­set­zung für ei­ne wei­te­re po­si­ti­ve Ent­wick­lung. Aus­drück­lich wür­digt er ab­schlie­ßend die ge­ra­de­zu „rüh­ren­de Op­fer­freu­dig­keit“ und den al­les „Er­war­ten weit über­tref­fen­den op­fer­freu­di­gen Ge­mein­sinn der Bür­ger­schaf­t“, für die Staat und Kom­mu­nen „in so um­fas­sen­der Wei­se wie nie zu­vor für das Wohl­er­ge­hen des Ein­zel­nen sor­gen“.[66]

Baltz gab auch noch im Rück­blick im Fe­bru­ar 1915 zu, dass die Si­tua­ti­on 1914 ei­gent­lich ent­spannt war. Die Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung sei im We­sent­li­chen gut und pro­blem­los ge­we­sen, doch al­lein die früh­zei­ti­ge Fest­set­zung des Höchst­prei­ses für Kar­tof­feln ha­be den ein­zi­gen ent­stan­de­nen Man­gel be­sei­ti­gen hel­fen, wes­halb er nach­drück­lich da­vor warn­te, dass Kri­sen in der Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung je­der­zeit aus­bre­chen könn­ten, wenn man nicht recht­zei­tig ent­spre­chen­de Vor­sichts­maß­nah­men er­grei­fe.[67]  Wie­der­um ver­wies Baltz dar­auf, dass er in Trier sehr früh ord­nend und re­gu­lie­rend in das Wirt­schafts­le­ben und die Ver­sor­gungs­we­ge ein­ge­grif­fen ha­be und be­schei­nig­te sich nun erst recht ein er­folg­rei­ches Kri­sen­ma­nage­ment.

Der Re­ge­lungs­be­darf wuchs in den fol­gen­den Kriegs­jah­ren noch stär­ker an, und ei­ne Nah­rungs­mit­tel­kri­se folg­te auf die an­de­re. Ei­ne am 25.1.1915 er­las­se­ne Brot­ge­trei­de­ord­nung über­trug grund­sätz­lich und all­ge­mein den Kom­mu­nal­ver­bän­den die Exe­ku­ti­ve der öf­fent­li­chen Kriegs­er­näh­rung, hier durch die Be­wirt­schaf­tung des Mehls. Ei­ne Brot­kar­te muss­te ein­ge­führt wer­den, die von der Be­völ­ke­rung als „et­was un­er­hört Neu­es, et­was Nie­da­ge­we­se­nes“[68]  emp­fun­den wur­de. Die Stadt er­hielt nun ein fes­tes Quan­tum, näm­lich 200g Mehl pro Ein­woh­ner, und war ver­pflich­tet, da­mit aus­zu­kom­men. Das lös­te in Trier gro­ße Schwie­rig­kei­ten aus, wie der Bei­ge­ord­ne­te Schil­ling am 21.4.1915 aus­führ­te un­ter Be­zug­nah­me auf die Grö­ße der Gar­ni­son, die zahl­rei­chen La­za­ret­te und das da­durch be­ding­te ho­he Be­su­cher­auf­kom­men von Leu­ten, die An­ge­hö­ri­ge in La­za­ret­ten be­such­ten. Ein Zweck­ver­band mit dem Um­land wur­de ge­bil­det mit der Auf­ga­be, die Mehl­ver­sor­gung ge­mein­schaft­lich zu or­ga­ni­sie­ren. Ur­sprüng­lich nur für 1915 ge­dacht, blieb er bis Kriegs­en­de be­ste­hen. Zu­dem wur­den Brot­zu­satz­kar­ten für Kin­der, Schwerst­ar­bei­ter und land­wirt­schaft­li­che Hilfs­kräf­te in der Haupt­sai­son aus­ge­ge­ben. Die in Trier aus­ge­ge­be­ne Brot­men­ge be­trug bis Kriegs­en­de drei­ein­vier­tel bis vier Pfund Brot pro Kopf und Wo­che, wenn auch von schlech­ter Qua­li­tät, da es mit zahl­rei­chen Zu­satz­stof­fen ge­streckt wur­de. „Da­mit hat­te Trier die höchs­te Bro­tra­ti­on, die über­haupt wäh­rend des Krie­ges (in ei­ner deut­schen Stadt) aus­ge­ge­ben wur­de.“[69] 

Nach und nach er­fass­ten die Ver­sor­gungs­schwie­rig­kei­ten al­le Be­rei­che, auch sol­che, die 1914 noch kei­ne Pro­ble­me ver­ur­sacht hat­ten. Hat­te 1914 noch kein Man­gel, son­dern wohl eher ein Über­fluss an Fleisch ge­herrscht, wur­den ab Ok­to­ber fleisch- und fett­lo­se Ta­ge ein­ge­führt, um den Kon­sum zu re­du­zie­ren. Im Mai 1916 er­folg­te dann die Ein­füh­rung der Reichs­fleisch­kar­te, was in Trier das Kon­sum­ver­hal­ten ab­rupt und völ­lig än­der­te, hat­te man dort bis zu die­sem Zeit­punkt noch gar nichts von Fleisch­knapp­heit be­merkt. Ab dem 13.6.1916 re­gel­te die Stadt den Fleisch­ver­kauf schlie­ß­lich selbst und setz­te ei­nen Ein­heits­preis fest, was da­zu führ­te, dass in Trier im Ver­gleich zu an­de­ren Städ­ten Fleisch viel güns­ti­ger zu ha­ben war. Der Wo­chen­kopf­satz von 250 g pro Per­son konn­te so bis En­de 1917 ge­hal­ten wer­den. Und auch Milch wur­de im Som­mer 1915 knapp, da die Fut­ter­mit­tel­knapp­heit die Pro­duk­ti­on senk­te, wäh­rend der Kon­sum in den La­za­ret­ten im­mer wei­ter an­stieg.[70] 

Ab 1916 spiel­ten die Er­satz­mit­tel wie Mar­ga­ri­ne, Brüh­wür­fel, Pud­ding­pul­ver, um nur ei­ni­ge zu nen­nen, so­wie Mas­sen­spei­sun­gen und Kriegs­kü­chen ei­ne im­mer grö­ße­re Rol­le. Wie dra­ma­tisch der Be­darf an­wuchs, be­leg­te Zenz mit ei­ni­gen be­ein­dru­cken­den Zah­len: Wur­den An­fang April 1917 mit­tags noch 6.456 und abends 1.595 Por­tio­nen aus­ge­ge­ben, stieg die An­zahl im Mai 1917 auf mit­tags 10.831 und abends 4.108 Por­tio­nen.[71] 

Im­mer wich­ti­ger wur­de die Preis­über­wa­chung, um Eng­päs­sen und Wu­cher ent­ge­gen­zu­tre­ten. Am 25.9.1915 rich­te­te die Stadt Preis­prü­fungs­stel­len ein, die künf­tig da­für sor­gen soll­ten, dass die wich­tigs­ten Nah­rungs­mit­tel für die Be­völ­ke­rung er­schwing­lich blie­ben.[72] 

Wie­der­um ist es Baltz, der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent, der in sei­nem Be­richt im schwe­ren Win­ter 1916/1917, dem käl­tes­ten seit Men­schen­ge­den­ken, die Schwie­rig­kei­ten an­schau­lich zu­sam­men­fasst – un­ter an­ge­mes­se­ner Be­to­nung sei­ner ei­ge­nen Ver­diens­te und Leis­tun­gen na­tür­lich.[73]  Brei­ter Raum wird dar­in der „Volks­er­näh­run­g“ ge­wid­met, wo­bei er die man­geln­de Vor­be­rei­tung auf die Er­for­der­nis­se der Zeit be­klagt. „Ein wirt­schaft­li­cher Ge­ne­ral­stab fehl­te eben­so wie die bei al­len an­de­ren Stel­len vor­han­de­nen ein­ge­hen­den Mo­bil­ma­chungs­vor­schrif­ten.“ Die eng­li­sche Blo­cka­de sorg­te dann in­ner­halb kur­zer Zeit da­für, dass in vie­len Be­rei­chen Män­gel auf­tra­ten und den Staat zu nie ge­kann­ten Ein­grif­fen in das Wirt­schafts­le­ben zwan­gen, „fast wie im ab­so­lu­ten Staa­te“. Der An­stren­gung al­ler Kräf­te, dem en­gen Zu­sam­men­wir­ken al­ler Stel­len und dem kon­se­quen­ten Ein- und Durch­grei­fen der Ver­wal­tungs­be­hör­den sei es zu ver­dan­ken, dass wirk­li­cher Man­gel nicht ent­stan­den bzw. un­ver­züg­lich be­ho­ben wor­den sei. Zahl­rei­che neue Stel­len sei­en zu­dem ge­schaf­fen wor­den: die „Re­gie­rungs­fett­stel­le“, die „Be­zirks­fleisch­stel­le“, die „Be­zirks­ei­er­stel­le“ und ei­ne „Milch­zen­tra­le“ wur­den ein­ge­rich­tet. Höchs­te Prio­ri­tät aber ge­nie­ße für ihn die Kar­tof­fel, weil die Be­völ­ke­rung nach sei­ner Ein­schät­zung auf nichts so emp­find­lich re­agie­re wie auf de­ren Feh­len. Brei­tes Lob zoll­te er dem Ein­satz der Land­rä­te, aber auch die Un­ter­stüt­zung des stellv. Ge­ne­ral­kom­man­dos in Ko­blenz wur­de be­tont, wo­ge­gen die Rich­ter kläg­lich ver­sagt hät­ten durch ih­re all­zu mil­den Ur­tei­le bei Ver­stö­ßen ge­gen die An­ord­nun­gen der Ver­wal­tung zur Kriegs­wirt­schaft. In der Land­wirt­schaft ge­büh­re be­son­de­res Lob den Frau­en, die mit der Füh­rung der Wirt­schaft be­traut sei­en, da die Män­ner im Feld stün­den. Hil­fe hät­ten sie da­bei kaum: „Die Kriegs­ge­fan­ge­nen, so un­ent­behr­lich sie auch sind, leis­ten doch, da sie der star­ken Lei­tung ei­nes Man­nes ent­beh­ren, bei der den Rus­sen oh­ne­hin an­ge­bo­re­nen Faul­heit, meis­tens nur hal­be Ar­beit.“[74] 

Doch der lan­ge und har­te Win­ter hat­te tie­fe Spu­ren in der Er­näh­rung und Ver­sor­gung hin­ter­las­sen, die ei­nen deut­li­chen Stim­mungs­um­schwung her­vor­rie­fen. Hat­te bis­lang Op­ti­mis­mus und Zu­ver­sicht die Be­rich­te von Baltz be­stimmt, so do­mi­niert im No­vem­ber 1917 auch bei ihm die Sor­ge. „Der 4. Kriegs­win­ter steht be­vor, die Be­völ­ke­rung rech­net da­mit. Dass es der letz­te sein mö­ge, hofft sie mehr denn je.“[75]  Die „sich stän­dig meh­ren­den Flie­ger­alar­me und Flie­ger­an­grif­fe“ sei­en zu „ei­ner schwe­ren Pla­ge für die Be­völ­ke­run­g“ ge­wor­den, auch wenn der mi­li­tä­ri­sche Scha­den ge­ring sei, „so sind die­sen An­grif­fen doch lei­der trotz al­ler Vor­sor­ge mehr Men­schen­le­ben als frü­her zum Op­fer ge­fal­len.“ Die „zu­neh­men­de Grö­ße der ab­ge­wor­fe­nen Bom­ben und de­ren Ein­stel­lung auf ver­zö­ger­te Zün­dun­g“ hät­ten zu­dem zu hö­he­ren Sach­schä­den ge­führt. Ei­ne neue „Nei­gung zur Kri­ti­k“ ma­che sich breit, de­ren Haupt­ur­sa­che je­doch in den zahl­rei­chen Ver­sor­gungs­eng­päs­sen und wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten lie­ge, die vor al­lem Ar­bei­ter, Fa­mi­li­en und klei­ne Be­am­te schwer ge­trof­fen hät­ten. Ob Klei­der und Schu­he, Le­bens­mit­tel oder Haus­brand – die Stim­mung der Be­völ­ke­rung wur­de an­ge­sichts der „zu­neh­men­den Schwie­rig­kei­ten“ „auf ei­ne har­te Pro­be“ ge­stellt. Das ab­ge­lau­fe­ne hal­be Jahr sei Mai 1917, dem Da­tum des letz­ten Be­richts, ha­be die Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung bis En­de Ju­li, in ei­ni­gen Be­rei­chen so­gar bis Au­gust, „au­ßer­or­dent­lich schwie­ri­g“ ge­macht. „Es war die bis­her schwers­te Prü­fung.“ Grün­de hier­für wa­ren der au­ßer­ge­wöhn­lich lan­ge und har­te Win­ter und in sei­ner Fol­ge zahl­rei­che Ern­te­aus­fäl­le. Die An­stel­lung von „Kreis­für­sor­ge­rin­nen“ ha­be Lin­de­rung ge­bracht, aber kei­ne grund­le­gen­de Bes­se­rung. Die dras­ti­schen Preis­stei­ge­run­gen hat­ten ei­ne so ver­hee­ren­de Wir­kung, dass schlie­ß­lich Ver­brau­cher­ver­tre­ter zur Un­ter­stüt­zung der Pro­vin­zi­al­be­hör­den ein­ge­stellt wur­den, die auf ei­ne Gleich­be­hand­lung bei der Ver­tei­lung ach­ten soll­ten. Gro­ße Sor­ge mach­te ihm die Stim­mung in der land­wirt­schaft­li­chen Be­völ­ke­rung, die sich durch die zahl­rei­chen Re­gle­men­tie­run­gen und Be­schrän­kun­gen, Kon­trol­len und Zwangs­maß­nah­men in be­son­de­rem Ma­ße „ver­stimm­t“ zei­ge. Ei­ne „Art land­wirt­schaft­li­cher Bei­ra­t“ be­ste­hend aus er­fah­re­nen Land­wir­ten sol­le nun die er­for­der­li­che Auf­klä­rungs­ar­beit leis­ten und die Land­be­völ­ke­rung zur Ein­hal­tung al­ler Be­stim­mun­gen er­mun­tern. Denn: „Die Kom­mu­na­li­sie­rung des Wirt­schafts­le­bens hat viel­leicht ih­ren Hö­he­punkt jetzt er­reicht. Al­le wich­ti­ge­ren Le­bens­mit­tel ste­hen ganz oder zum grö­ß­ten Tei­le un­ter be­hörd­li­cher Kon­trol­le und Ver­tei­lung.“ Die er­heb­lich aus­ge­wei­te­te Zen­tra­li­sie­rung ha­be den Vor­teil, dass nun­mehr Re­ser­ven an­ge­legt und grö­ße­re „Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis“ vor­han­den sei­en. Den­noch kam es wei­ter­hin zu Pro­ble­men: Zwar muss­te die Brot­ver­sor­gung re­du­ziert wer­den, war aber we­nigs­tens auf­recht­zu­er­hal­ten. An­ders bei der Kar­tof­fel: Hier muss­te die Ver­sor­gung von Ju­ni bis Mit­te Ju­li ganz ein­ge­stellt wer­den, und erst seit Mit­te Sep­tem­ber konn­ten wie­der be­frie­di­gen­de Men­gen aus­ge­ge­ben wer­den. Da­ge­gen war die Fleisch­ver­sor­gung so gut, dass in der Zeit der Kür­zung der Bro­tra­tio­nen so­gar hier mehr aus­ge­lie­fert wer­den konn­te zur Kom­pen­sa­ti­on. „Ge­re­gel­t“ war die Fett­ver­sor­gung, eben­so die Milch­ver­sor­gung. Hier hät­ten sich die po­si­ti­ven Ef­fek­te des Ver­fah­rens der Zen­tra­li­sie­rung be­son­ders deut­lich ge­zeigt, da oh­ne die­se Maß­nah­men die Aus­wir­kun­gen des Win­ters noch weit­aus gra­vie­ren­der ge­we­sen wä­ren. Auch Han­del und Ge­wer­be wa­ren stär­ker als je zu­vor be­ein­träch­tigt und ver­zeich­ne­ten er­heb­li­che Ein­bu­ßen. Er schlie­ßt mit dem für ihn un­ge­wöhn­li­chen Satz: „Bei wei­te­rer Dau­er des Krie­ges kann der Au­gen­blick kom­men, wo die Op­fer hin­ter der Front viel­leicht nicht we­ni­ger hart sein wer­den als an der Front.“[76] 

6. Eine neue Zeit?

Als im No­vem­ber 1918 end­lich die Waf­fen schwie­gen, wa­ren nicht nur die Trie­rer kriegs­mü­de und aus­ge­laugt. Vier har­te und ent­beh­rungs­rei­che Jah­re la­gen hin­ter ih­nen, die sie in man­cher Hin­sicht – denkt man an die Ver­sor­gung mit Le­bens­mit­teln bei­spiels­wei­se, wo sich das land­wirt­schaft­li­che Um­land po­si­tiv aus­wirk­te, – bes­ser über­stan­den hat­ten als an­de­re Re­gio­nen, in an­de­rer Hin­sicht – denkt man an die Flie­ger­an­grif­fe – här­ter ge­trof­fen hat­ten. Hat­te man zu Kriegs­be­ginn noch be­geis­tert dem Kai­ser Ge­folg­schaft ge­schwo­ren, so mach­te sich nun auch in Trier erst Un­gläu­big­keit ob des ver­lo­re­nen Krie­ges und in des­sen Fol­ge ein ge­wis­ser po­li­ti­scher Ra­di­ka­lis­mus breit.[77]  Doch das ist ein The­ma für ei­nen an­de­ren Auf­satz.

Frü­her und in­ten­si­ver als vie­le an­de­re Städ­te im Rhein­land hat­te Trier die Aus­wir­kun­gen des ers­ten in­dus­tri­ell ge­führ­ten Krie­ges zu spü­ren be­kom­men, was oh­ne Zwei­fel der un­mit­tel­ba­ren Front­nä­he ge­schul­det war. Der täg­li­che An­blick durch­zie­hen­der Sol­da­ten an die Front und de­ren Rück­kehr als ver­letz­te und ver­stüm­mel­te Men­schen, die in den zahl­rei­chen La­za­ret­ten der Stadt Auf­nah­me und Pfle­ge fan­den, ha­ben eben­so wie die vie­len ver­lust­rei­chen Luft­an­grif­fe die Be­völ­ke­rung zer­mürbt. Von der an­fäng­li­chen Kriegs­be­geis­te­rung war auch in Trier nach vier lan­gen Jah­ren Krieg nicht mehr viel üb­rig, da konn­te der Trie­rer Re­gie­rungs­prä­si­dent Baltz in sei­nem letz­ten Be­richt an den Kai­ser vom 30.4.1918 noch so sehr den Durch­hal­te­wil­len und die Sie­ges­ge­wiss­heit der Be­völ­ke­rung pro­pa­gie­ren.[78]  Im No­vem­ber 1918 war auch in Trier al­les vor­bei und ei­ne neue Zeit hat­te be­gon­nen.

7. Quellen

Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz, Best. 403 O­ber­prä­si­den­t ­der Rhein­pro­vinz, Nrn. 5378, 9052f., 12310, 14149. 
Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz, Best. 441 Re­gie­rung Ko­blenz, Nr. 14907
Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz, Best. 442 Re­gie­rung Trier, Nrn. 6368, 9870

8. Literatur

Brom­mer, Pe­ter, Der Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges und sei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Re­gie­rungs­be­zirk Trier im Jahr 1914, in: Kur­trie­ri­sches Jahr­buch 22 (1986), S. 157-201.
Cle­mens, Ga­brie­le u. Lu­kas, Ge­schich­te der Stadt Trier, Mün­chen 2007.
Wel­ter, Adolf, Die Luft­an­grif­fe auf Trier im Ers­ten Welt­krieg 1914-1918, Trier 2001.
Zenz, Emil, Die Stadt Trier im 20. Jahr­hun­dert, 1. Hälf­te: 1900-1950, Trier 1981.
Zenz, Emil, Ge­schich­te der Stadt Trier, Band 2: 1914-1927, Trier 1971.

Die von einem Bombenangriff zerstörte Kuhenstraße in Trier, August 1918. (Stadtarchiv Trier)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Dorfey, Beate, Die Stadt an der Front. Trier im Ersten Weltkrieg 1914-1918, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-stadt-an-der-front.-trier-im-ersten-weltkrieg-1914-1918/DE-2086/lido/57d1343f9b31e9.45581406 (abgerufen am 01.12.2024)