Familiengeschichte als Landesgeschichte: Die Jülicher Familie Simonius genannt Ritz vom 15.-19. Jahrhundert

Olaf Richter (Krefeld)
Veröffentlicht am 06.01.2025, zuletzt geändert am 09.01.2025

Aufschwörungstafel der Jülicher Ritterschaft: Friedrich Johann Wilhelm von Ritz mit acht adligen Ahnen (wegen des Rittersitzes Niederembt (Richardshoven), 20. Jan. 1767. (Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland/Handschriften P I 3 (Grünes Wappenbuch), Nr. 95, Pergament)

1. Einleitung: Forschungslage und Forschungsansatz

Die Per­spek­ti­ve bio­gra­phi­scher lan­des­ge­schicht­li­cher Un­ter­su­chun­gen hat sich im Be­reich der Ter­ri­to­ri­al­ver­wal­tung in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten statt auf Fürs­ten und hoch­ran­gi­ge Rä­te ver­mehrt auf nach­ge­ord­ne­te Per­so­nen ge­rich­tet.[1] Ge­meint sind ne­ben Hof­be­diens­te­ten vor al­lem Amts­leu­te oder Rä­te, die zwar an we­sent­li­chen po­li­ti­schen Vor­gän­gen be­tei­ligt wa­ren, bei ih­ren Tä­tig­kei­ten aber nicht im Vor­der­grund des po­li­ti­schen Ge­sche­hens stan­den. 

In die­sem Kon­text steht die­ser Bei­trag, bei dem kei­ne po­li­ti­sche, son­dern ei­ne so­zi­al- und all­tags­ge­schicht­li­che Per­spek­ti­ve er­kennt­nis­lei­tend ist. Als vor­teil­haft er­weist sich da­bei die Quel­len­über­lie­fe­rung, die für die zu be­trach­ten­de bür­ger­lich-ad­li­ge Per­so­nen­grup­pe weit­aus güns­ti­ger ist als im All­ge­mei­nen für An­ge­hö­ri­ge an­de­rer Be­ru­fe oder so­zia­ler Schich­ten. Au­ßer­dem gibt es in der rhei­nisch-west­fä­li­schen Lan­des­ge­schich­te für den Per­so­nen­kreis der Rä­te und ih­rer Fa­mi­li­en kaum ver­gleich­ba­re Stu­di­en, dar­un­ter nur we­ni­ge zu jü­lich-kle­vi­schen Rä­ten und de­ren Fa­mi­li­en.[2] 

Der Quel­len­fun­dus be­steht vor al­lem aus zwei um­fäng­li­chen Fa­mi­li­en­ar­chi­ven[3], er­gänzt durch Quel­len aus ins­ge­samt 16 städ­ti­schen und staat­li­chen Ar­chi­ven, die reich­hal­tig so­zi­al­ge­schicht­li­ches Ma­te­ri­al zu der hier zu un­ter­su­chen­den Fa­mi­lie oder zu struk­tur­his­to­ri­schen Fra­ge­stel­lun­gen bie­ten.

Die so­zi­al­bio­gra­phi­sche Stu­die ist nicht auf ei­nen aus­schlie­ß­lich bio­gra­phi­schen oder fa­mi­li­en­ge­schicht­li­chen For­schungs­an­satz be­grenzt, son­dern es wer­den auch struk­tu­rel­le As­pek­te auf­ge­grif­fen, so dass die Un­ter­su­chung „als ein lan­des­ge­schicht­li­cher Bei­trag zu ei­ner ex­em­pla­ri­schen Ge­sell­schafts­ge­schich­te der Frü­hen Neu­zeit ge­le­sen wer­den [kann], wel­che die mehr oder min­der frei han­deln­den Per­so­nen im Rah­men der sie be­din­gen­den Ge­ge­ben­hei­ten dar­zu­stel­len ver­such­t“.[4] D­a­bei ist im Blick zu hal­ten, dass die be­ar­bei­te­ten Quel­len fast aus­schlie­ß­lich in der oder für die so­zi­al füh­ren­de Ober­schicht ent­stan­den sind.

Der me­tho­di­sche An­satz un­ter­schei­det sich von der tra­di­tio­nel­len bio­gra­phi­schen Stu­die be­zie­hungs­wei­se Grup­pen­bio­gra­phie. In er­zäh­len­der Form wer­den die in­di­vi­du­el­len Le­bens­läu­fe in die je­wei­li­gen fa­mi­liä­ren, so­zia­len und öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se in­te­griert, kon­textua­li­siert und sol­len in ih­ren Hand­lungs­op­tio­nen be­schrie­ben und ver­ständ­lich wer­den.[5] 

2. Petrus Simonius Ritz (1562-1622)

Im Mit­tel­punkt der Un­ter­su­chung steht Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz (ge­bo­ren 25. Mai 1562). Von sei­ner Aus­bil­dung her Ju­rist, kann er in sei­ner Funk­ti­on als her­zog­li­cher Rat und Di­plo­mat auch als Po­li­ti­ker be­zeich­net wer­den. Er stamm­te aus ei­ner Jü­li­cher Schöf­fen­fa­mi­lie, al­so ei­ner Fa­mi­lie, in der es Tra­di­ti­on war, orts­be­zo­ge­ne Ge­richts­äm­ter zu be­set­zen. Die Sip­pe war in der dem gleich­na­mi­gen Amt zu­ge­hö­ri­gen Stadt Kas­ter an­säs­sig. Kas­ter lag un­mit­tel­bar an der Gren­ze zu Kur­k­öln und der kur­k­öl­ni­schen Stadt Bed­burg/Erft. Si­mo­ni­us Ritz er­leb­te ei­nen be­acht­li­chen ge­sell­schaft­li­chen und vor al­lem auch wirt­schaft­li­chen Auf­stieg, was sich in sei­ner 1604 er­folg­ten No­bi­li­tie­rung zeigt.

Wappen der Familien Ritz und Lövenich und ihrer Vorfahren, Tinte auf Papier, nach 1598. (Familienarchiv von zur Mühlen/Akte 1 e, unfol.)

 

In den bei­den Jahr­zehn­ten vor 1609, die dem durch Aus­ster­ben der re­gie­ren­den Fürs­ten be­ding­ten Aus­ein­an­der­fal­len des Ter­ri­to­ri­en­ver­ban­des Jü­lich-Kle­ve-Berg vor­an­gin­gen, war Si­mo­ni­us Ritz als jü­lich-ber­gi­scher Rat an ent­schei­den­den po­li­tisch-di­plo­ma­ti­schen Vor­gän­gen be­tei­ligt. Ne­ben sei­ner Rat­s­tä­tig­keit ver­trat er die In­ter­es­sen sei­nes Lan­des­herrn be­zie­hungs­wei­se des lan­des­herr­li­chen Rats­gre­mi­ums be­son­ders an den Hö­fen in Düs­sel­dorf und Jü­lich so­wie auf meh­re­ren Le­ga­tio­nen zum Kai­ser­hof und Reichs­tag so­wie ge­ne­rell im di­plo­ma­ti­schen Ver­kehr. Die­se Auf­trä­ge führ­ten ihn häu­fig in die spa­ni­schen Nie­der­lan­de (Brüs­sel) und zu den Ge­ne­ral­staa­ten (Den Haag). Die­se Er­fah­run­gen präg­ten ihn stark, be­son­ders die Be­geg­nun­gen mit hoch­ran­gi­gen Reichs­fürs­ten wie Kai­ser Ru­dolf II. (1552-1612) oder mit den Herr­schern der spa­ni­schen Nie­der­lan­de, wei­ter­hin auch sei­ne reichs­wei­ten Kon­tak­te zu den Kur­fürs­ten von Trier und Mainz wie zu wei­te­ren ein­fluss­rei­chen Per­sön­lich­kei­ten an Fürs­ten­hö­fen. Bei­spiels­wei­se sind für die Jah­re um 1600 Be­zie­hun­gen al­lein am kai­ser­li­chen Hof zu dem Reichs­pfen­nig­meis­ter Za­cha­ri­as Geiz­kof­ler (1560-1617), dem Oberst­hof­meis­ter Wolf­gang von Rumpf (1536-1606), dem Prä­si­den­ten des Reichs­hof­rats Graf Paul Sixt Traut­son (1546/1547-1621) und zu Vi­ze­kanz­ler Dr. Ru­dolf Cor­ra­duc­cio (ge­stor­ben um 1618) so­wie dem Reichs­hof­rat Dr. Jo­han­nes Bar­vi­ti­us (um 1555-1620), wel­cher bey Irer Mai­e­stät viel ver­magh[6], zu nen­nen. Sol­che Prä­gun­gen sei­ner Per­sön­lich­keit le­gen je­den­falls die Auf­zeich­nun­gen in der Au­to­bio­gra­phie von Si­mo­ni­us Ritz na­he.

Zu Be­ginn des 17. Jahr­hun­derts, vor al­lem in den Jah­ren 1609-1615, war Si­mo­ni­us Ritz an den reichs­po­li­ti­schen Ver­hand­lun­gen um das jü­lich-kle­vi­sche Er­be be­tei­ligt. Die Erb­fra­ge tan­gier­te die Sta­bi­li­tät des eu­ro­päi­schen Mäch­te­sys­tems und ließ zeit­wei­se mi­li­tä­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen un­aus­weich­lich er­schei­nen. Den Hö­he­punkt die­ses Kon­flikts stell­te 1609/1610 die Be­set­zung der Jü­li­cher Fes­tung durch kai­ser­li­che Trup­pen un­ter Erz­her­zog Leo­pold (1586-1632) dar, den Cou­sin Kai­ser Ru­dolfs. Die Vor­gän­ge am Nie­der­rhein pro­vo­zier­ten das Ein­grei­fen des fran­zö­si­schen Kö­nigs Hein­rich IV. (1553-1610), dem ver­mut­lich nur durch des­sen Er­mor­dung Ein­halt ge­bo­ten wur­de. Die­se bri­san­te po­li­ti­sche La­ge ist mit der ver­gleich­bar, wie sie we­nig spä­ter, aus­ge­hend von den Pra­ger Vor­gän­gen des Jah­res 1618, in den gro­ßen eu­ro­päi­schen Krieg mün­de­te.

Im Jahr 1610 je­den­falls sand­ten die bei­den Er­b­an­wär­ter Kur­bran­den­burg und Pfalz-Neu­burg Si­mo­ni­us Ritz zu­sam­men mit ei­nem wei­te­ren Rat zu Ver­hand­lun­gen auf die Fes­tung Jü­lich. In­fol­ge­des­sen konn­te die La­ge mit dem Xan­te­ner Ver­trag, den die ge­nann­ten Er­ben der Her­zog­tü­mer Jü­lich-Kle­ve-Berg 1614 schlos­sen, ent­spannt wer­den. An die­sen Ver­hand­lun­gen nahm Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz teil, zeit­wei­se als ma­ß­geb­li­cher Un­ter­händ­ler des Pfalz­gra­fen von Neu­burg. Der Ver­trag leg­te ei­ne (vor­läu­fi­ge) Auf­tei­lung der Län­der Jü­lich-Berg und Kle­ve und Mark an Pfalz­neu­burg be­zie­hungs­wei­se Kur­bran­den­burg fest, die in den 1660er Jah­ren zu ei­ner dau­er­haf­ten Län­der­tei­lung wur­de.

Über sol­che di­plo­ma­ti­schen Auf­trä­ge hin­aus wird Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz zu­vor beim Kon­fes­si­ons­wech­sel des Pfalz­gra­fen Wolf­gang Wil­helm zum ka­tho­li­schen Be­kennt­nis 1613 ei­ne ma­ß­geb­li­che Rol­le ge­spielt ha­ben. Die­se Ent­schei­dung war an­ge­sichts der in der Erb­fra­ge in­ter­es­sier­ten Mäch­te (vor al­lem der Kai­ser so­wie pro­tes­tan­ti­sche und ka­tho­li­sche Reichs­fürs­ten, die Ge­ne­ral­staa­ten, Frank­reich und der Papst) von ho­her Be­deu­tung. Und eben­so wie sich sei­ne jü­lich-ber­gi­schen oder kle­ve-mär­ki­schen Rats­kol­le­gen in die Diens­te des ein oder an­de­ren Erb­prä­ten­den­ten be­ga­ben, nahm Si­mo­ni­us Ritz 1614 ei­ne pfalz-neu­bur­gi­sche Be­stal­lung an.[7] 

Sein di­plo­ma­ti­scher Auf­trag führ­te ihn we­gen des Kon­fes­si­ons­wech­sels des Pfalz­gra­fen 1615 zum eng­li­schen Kö­nig Ja­kob I. (1566-1625). Si­mo­ni­us Ritz hat­te An­zei­ge zu er­stat­ten und soll­te das Vor­ge­hen mög­lichst le­gi­ti­mie­ren. Da­mit kor­re­spon­die­ren ähn­lich aus­ge­rich­te­te lo­ka­le Er­eig­nis­se wie die Ver­mitt­lung ei­nes Bau­plat­zes für das 1620/1622 in Düs­sel­dorf er­rich­te­te Je­sui­ten­klos­ter und die zu­ge­hö­ri­ge An­dre­as­kir­che. Um de­ren An­sied­lung hat­te sich Si­mo­ni­us Ritz zu­sam­men mit ei­nem Neu­bur­ger Je­sui­ten­pa­ter be­müht.

Im Kreis sei­ner Rats­kol­le­gen ist Si­mo­ni­us Ritz - bei al­ler zeit­wei­sen Zer­strit­ten­heit des Gre­mi­ums - in die­sen für die Ter­ri­to­ri­al­ent­wick­lung im Wes­ten des Rei­ches ent­schei­den­den Jah­ren, als je­mand an­zu­se­hen, der den Gang der po­li­ti­schen Er­eig­nis­se mit­be­stimmt hat.[8]

Ei­ne we­sent­li­che Quel­le stellt sei­ne aus­führ­li­che Au­to­bio­gra­phie dar, die er im Jahr sei­ner No­bi­li­tie­rung 1604 in la­tei­ni­scher Spra­che ver­fasst hat. Sie ist quel­len­kri­tisch ge­se­hen ein Ent­wurf und taugt nicht al­lein da­zu, das dar­ge­stell­te Ge­sche­hen zu er­fah­ren, son­dern vor al­lem die Sicht des Ver­fas­sers auf das Er­leb­te zu ver­ste­hen – und ins­be­son­de­re auch das zu be­mer­ken, was er wohl ganz be­wusst aus­ge­las­sen hat. Er be­rich­tet über die Le­bens­ver­hält­nis­se sei­ner Vor­fah­ren, sei­ne Kind­heit und Ju­gend eben­so wie er the­ma­ti­sche Schwer­punk­te zum ei­ge­nen Bil­dungs­weg und dem Krank­heits­ver­lauf sei­ner ers­ten Frau Jo­han­na Sen­gel (1562-1598) setzt.

Si­mo­ni­us Ritz be­gann 1579 in Köln sein ju­ris­ti­sches Stu­di­um, das er drei Jah­re spä­ter – ent­ge­gen dem vä­ter­li­chen Wunsch, der sei­nen äl­tes­ten Sohn als Nach­fol­ger des Kauf­manns­ge­schäfts nach Kas­ter zu­rück­ho­len woll­te – im fran­zö­si­schen Bour­ges und Or­léans fort­setz­te. Dort er­warb er 1583 das Li­zen­ti­at der Rech­te. Es schloss sich nach ei­ner mehr­wö­chi­gen „Ka­va­liers­tour“ durch die Land­stri­che um Pa­ris (Lou­vre, St. De­nis, Char­tres, Fon­tai­ne­bleau) ei­ne ein­jäh­ri­ge prak­ti­sche Aus­bil­dung bei ei­nem Straß­bur­ger Ju­ris­ten an. Nach sei­ner Rück­kehr an den Nie­der­rhein im Früh­jahr 1584 nahm der jun­ge Ju­rist ei­ne nicht zu­letzt auch öko­no­misch er­folg­rei­che Tä­tig­keit am Jü­li­cher Haupt­ge­richt auf, wo­hin er durch sei­nen Ver­wand­ten, den Jü­li­cher Ge­ne­ral­an­walt Dr. Hein­rich Codo­na­eus (ge­stor­ben 1588/90), ver­mit­telt wur­de. In die­sen Jah­ren leb­te er in des­sen Haus­halt.

Par­al­lel zur Tä­tig­keit am Haupt­ge­richt, an dem er 1590 Bei­sit­zer wur­de, über­nahm Si­mo­ni­us Ritz ein­träg­li­che Ad­vo­ka­tu­ren für Ad­li­ge, die ihn über die en­ge­re Jü­li­cher Re­gi­on hin­aus bis in die Ei­fel und in den Trie­rer Raum führ­ten. 1593 wur­de er so­ge­nann­ter kur­trie­ri­scher Rat »von Haus aus«, er war al­so vor­wie­gend durch schrift­li­che Stel­lung­nah­men in die dor­ti­ge Ar­beit des Ra­tes ein­ge­bun­den. Zu­dem wur­de er Syn­di­kus der Jü­li­cher Rit­ter­schaft. In die­ser Funk­ti­on war er ma­ß­geb­lich an der po­li­tisch bri­san­ten An­kla­ge ge­gen die Lan­des­her­rin Her­zo­gin Ja­ko­be be­tei­ligt, was auf kai­ser­li­chen Ent­scheid hin zu ih­rer Ent­las­sung aus der Re­gie­rung führ­te. 1595 wur­de er (nach Auf­ga­be des Syn­di­kats) zum jü­lich-ber­gi­schen Rat und 1600/1602 zum so­ge­nann­ten Re­chen­kam­mer­rat be­ru­fen. 1604 er­hielt er zu­sam­men mit der Er­he­bung in den Adels­stand das fi­nan­zi­ell ein­träg­li­che Amt ei­nes Hof­pfalz­gra­fen. Seit Be­ginn der of­fi­zi­el­len pfalz-neu­bur­gi­schen Herr­schaft in Jü­lich-Berg 1614 war Si­mo­ni­us Ritz schlie­ß­lich bei Ab­we­sen­heit des Fürs­ten als zwei­ter Ver­tre­ter des Statt­hal­ters Jo­hann Bar­t­hold von Wons­heim (ge­stor­ben 1646) mit den Re­gie­rungs­ge­schäf­ten be­traut.

Si­mo­ni­us Ritz hei­ra­te­te 1586 Jo­han­na Sen­gel, die aus ei­ner der füh­ren­den Fa­mi­li­en Jü­lichs stamm­te. Ihr Va­ter war als Schult­heiß eben­falls am Jü­li­cher Ge­richt tä­tig; zu den dor­ti­gen Schöf­fen zähl­te auch ihr Bru­der Jo­hann. Das jun­ge Ehe­paar pach­te­te in Jü­lich ein Haus am Markt. Bis 1598 be­ka­men sie sie­ben Kin­der, von de­nen vier über­leb­ten. Si­mo­ni­us Ritz be­schreibt in sei­ner Au­to­bio­gra­phie sei­ne Lie­be zu Jo­han­na of­fen, wo­hin­ge­gen die zwei­te, nur we­ni­ge Mo­na­te nach dem Tod Jo­han­nas ge­schlos­se­ne Ver­bin­dung mit der sechs Jah­re äl­te­ren, aus dem Al­den­ho­ve­ner Bür­ger­tum stam­men­den Chris­ti­na von Lö­ve­nich (1556–um 1628) of­fen­bar für ihn stär­ker den Cha­rak­ter ei­ner Zweck­ehe trug. 

Erstes Blatt der Autobiographie des Petrus Simonius Ritz. (Stadtarchiv Mönchengladbach/Bestand 24, Akten 1, fol. 1)

 

An­fang des 17. Jahr­hun­derts wur­de der Hof Et­gen­dorf zum Haupt­wohn­sitz der in­zwi­schen in den Adels­stand er­ho­be­nen Fa­mi­lie Si­mo­ni­us von Ritz. Auf­grund sei­nes Wohl­stands war es Si­mo­ni­us von Ritz bis da­hin ge­lun­ge­nen, die zer­split­ter­ten Be­sitz­ver­hält­nis­se des Ho­fes zu sei­nen Guns­ten auf­zu­lö­sen. Sei­nen El­tern ge­hör­te nur cir­ca der 48s­te Teil des An­we­sens. Er selbst be­gann mit dem Kauf von Hof­an­tei­len so­gleich mit den ers­ten Ein­künf­ten. Be­reits 1587 über­nahm er die An­tei­le sei­nes Ver­wand­ten müt­ter­li­cher­seits, des er­wähn­ten Jü­li­cher Ge­ne­ral­an­walts so­wie zwei wei­te­rer Ver­wand­ter. Bis 1597 hat­ten sich die Ei­gen­tü­mer durch sei­ne Zu­käu­fe auf nur noch vier Par­tei­en re­du­ziert. Als al­lei­ni­ger Be­sit­zer ließ Si­mo­ni­us Ritz das Land­gut in den Jah­ren um sei­ne No­bi­li­tie­rung in ad­li­gem Stil aus­bau­en und die Räum­lich­kei­ten gleich ei­nes Furs­ten Hauß mit Mo­bi­li­en ver­se­hen, wie sich ein Fa­mi­li­en­mit­glied äu­ßer­te.[9] Par­al­lel da­zu hat­te er im be­nach­bar­ten Nie­de­rembt (heu­te Stadt Els­dorf) den land­tags­fä­hi­gen Adels­sitz Ri­chard­s­ho­ven er­wor­ben, al­so ein An­we­sen, das den Be­sit­zer be­rech­tig­te, am po­li­ti­schen Fo­rum des Her­zog­tums teil­zu­neh­men. In sei­nen letz­ten bei­den Le­bens­jah­ren be­gann er mit dem Bau ei­nes gro­ßen, re­prä­sen­ta­ti­ven Hau­ses in Düs­sel­dorf, nach­dem die Fa­mi­lie be­reits 1601 dort ein Haus ge­pach­tet und den Wohn­sitz in Jü­lich ge­kün­digt hat­te.

3. Die Kinder: Kaspar Simonius Ritz, Katharina, Anna, Peter und ihre Nachkommen

Für die vier Kin­der aus der ers­ten Ehe von Si­mo­ni­us Ritz sind ty­pi­sche bür­ger­li­che wie ad­li­ge Le­bens­läu­fe über­lie­fert. Der äl­tes­te Sohn Kas­par (um 1588–vor Ju­ni 1651) stu­dier­te 1605 an der Uni­ver­si­tät Köln, al­ler­dings oh­ne ei­nen Ab­schluss zu er­wer­ben. Auch er un­ter­nahm ei­ne „Ka­va­liers­tour“, al­ler­dings nicht wie sein Va­ter in Frank­reich, son­dern durch Ita­li­en und Spa­ni­en. Kas­par war mit den Spra­chen bei­der Län­der ver­traut, hin­zu ka­men La­tein und Fran­zö­sisch. Im Jahr 1615 hei­ra­te­te er An­na von Berg ge­nannt Durf­fen­thal (ge­stor­ben nach 1655). Aus der Ehe gin­gen sie­ben Kin­der her­vor. Auf Kas­par soll noch ein­ge­gan­gen wer­den.

Die äl­tes­te Toch­ter Ka­tha­ri­na (um 1590–1624) hei­ra­te­te 1609 den Li­zen­tia­ten der Rech­te Franz Mohr (Mor­ra­eus) (ge­stor­ben 1633) aus dem Fürst­bis­tum Lüt­tich. Mohr war an dor­ti­gen Ge­rich­ten so­wie in kur­k­öl­ni­schen und baieri­schen di­plo­ma­ti­schen Diens­ten tä­tig. Das Ehe­paar zog nach Brüs­sel, wo Ka­tha­ri­na 1624 ver­stor­ben ist. Die Spu­ren ih­rer vier Kin­der ver­lie­ren sich in der bel­gi­schen Haupt­stadt be­zie­hungs­wei­se in der dor­ti­gen Re­gi­on. Ei­ne Toch­ter soll­te in das Klos­ter Her­ken­rath (Diö­ze­se Lüt­tich) ein­tre­ten.

Die Toch­ter An­na (1595–nach 1675) war in ers­ter Ehe mit Hein­rich Su­der­mann (ge­stor­ben 1623) ver­hei­ra­tet, der mög­li­cher­wei­se der be­kann­ten Köl­ner Han­dels­fa­mi­lie an­ge­hör­te. Ih­re zwei­te Ehe schloss sie mit dem Frei­herrn Lu­dolph von Ren­es­se (ge­stor­ben 1647). Aus ihr gin­gen zwei Söh­ne her­vor, von de­nen ei­ner Pri­or des Reichs­stifts Cor­vey wur­de. 

Das im Jahr 1598 letzt­ge­bo­re­ne Kind Pe­ter be­gann 1613 an der Köl­ner Uni­ver­si­tät ein Ar­tes-Stu­di­um; die­se Aus­bil­dung um­fass­te nur die grund­le­gen­den und für die hö­he­ren Fa­kul­tä­ten vor­be­rei­ten­den Stu­di­en­in­hal­te. Drei Jah­re spä­ter trat er mit 16 Jah­ren, al­ler­dings oh­ne vä­ter­li­che Zu­stim­mung, in der Reichs­stadt in den Or­den der Fran­zis­ka­ner­ob­ser­van­ten ein. Er leb­te in ver­schie­de­nen Klös­tern und führ­te un­ter­schied­li­che Äm­ter aus; so war er un­ter an­de­rem Vi­kar in Ko­blenz, Dü­ren und Köln. 1623 wur­de er Guar­di­an des Klos­ters in Hamm. Das Amt be­klei­de­te er spä­ter auch in den Dü­re­ner und Hei­del­ber­ger Kon­ven­ten. 1637 zum De­fi­ni­tor (Ver­mö­gens­ver­wal­ter) der Köl­ner Pro­vinz er­nannt, üb­te er als Ge­ne­ral­de­fi­ni­tor die­se hoch­ran­gi­ge Funk­ti­on 1645-1651 und noch­mals 1673-1676 für die ge­sam­te deut­sche Pro­vinz aus. Er be­such­te mehr­fach Or­dens­kon­zi­li­en im Aus­land, et­wa in Spa­ni­en. Er starb 1678 im Klos­ter in Brühl.

4. Karl Friedrich und Friedrich Wilhelm von Ritz (18. und frühes 19. Jahrhundert)

In sei­ner letz­ten Le­bens­pha­se be­müh­te sich Si­mo­ni­us Ritz nach­drück­lich, sei­nen Sohn Kas­par mit ei­ner Amt­mann­stel­le zu ver­sor­gen. Das schien in den Jah­ren ei­nes ge­wis­sen po­li­ti­schen Um­bruchs un­ter dem neu­en Lan­des­fürs­ten durch­aus greif­bar. Dar­über hin­aus such­te er über die Ein­hei­rat Kas­pars in die Adels­fa­mi­lie Berg ge­nannt Durf­fen­thal den Zu­gang zum ein­ge­ses­se­nen al­ten und land­tags­fä­hi­gen Jü­li­cher Adel. Das ge­lang al­ler­dings erst gut an­dert­halb Jahr­hun­der­te spä­ter - ge­gen star­ke Wi­der­stän­de des al­ten Adels - sei­nem Ur­ur­ur­en­kel Karl Fried­rich (1715-1794), des­sen Sohn Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz (1745–1820) ge­wis­ser­ma­ßen den Hö­he­punkt des so­zia­len und be­ruf­li­chen An­se­hens der Fa­mi­lie er­reich­te. Er folg­te sei­nem Va­ter in der Amt­mann­schaft zu Gre­ven­broich und (Mön­chen-)Glad­bach und wur­de wie die­ser zur Jü­li­cher Rit­ter­schaft auf­ge­schwo­ren. Seit 1769 jü­lich-ber­gi­scher Hof­rat er­lang­te er 1779 die her­aus­ra­gen­de Po­si­ti­on des jü­lich-ber­gi­schen Hof­rats­prä­si­den­ten. Zu­dem wur­de er kur­pfalz-baieri­scher Rat und mit dem kur­fürst­lich-pfäl­zi­schen Lö­wen-Rit­ter-Or­den aus­ge­zeich­net. Sei­ne Frau wur­de un­ter die Trä­ge­rin­nen des kai­ser­lich-kö­nig­li­chen Stern­kreu­z­or­dens auf­ge­nom­men. Sein Prä­si­den­ten­amt wur­de 1794 im Zu­ge der An­ne­xi­on der lin­ken Rhein­sei­te durch Frank­reich auf das frü­he­re Her­zog­tum Berg be­schränkt. Mit Ein­rich­tung de­s Gro­ßher­zog­tums Berg saß er ab 1806 des­sen Hof­rat bis zur Auf­lö­sung im Jahr 1811 vor.

Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz hat­te sich, wie vie­le sei­ner Stan­des­ge­nos­sen, den neu­en po­li­ti­schen Ver­hält­nis­sen an­ge­passt. Ver­mut­lich aus be­ruf­li­chen Grün­den nahm der Wit­wer – sei­ne Frau Do­ro­thea Char­lot­te von dem Bott­len­berg (1753-1786) war be­reits 1786 nur 33-jäh­rig ver­stor­ben – sei­nen Haupt­wohn­sitz in Düs­sel­dorf, wo­bei das links­rhei­ni­sche Et­gen­dorf auch wei­ter­hin der tra­di­tio­nel­le Be­zugs­punkt der Fa­mi­lie blieb, so­weit ih­re Mit­glie­der am Nie­der­rhein an­säs­sig wa­ren. Wie sein Vor­fahr Kas­par Si­mo­ni­us von Ritz war Fried­rich Jo­hann Wil­helm ne­ben sei­nen dienst­li­chen Ob­lie­gen­hei­ten mit Han­dels­ge­schäf­ten be­fasst.

Grundriss des Hauses Etgendorf, um 1604. (Familienarchiv von zur Mühlen/Akten 32 c, unfol)

 

5. Von der Gruppenbiographie zur Lebenswelt: Die einzelnen strukturgeschichtlichen Themen

Die vom Au­tor vor­ge­leg­te Stu­die geht deut­lich über die Le­bens­läu­fe der An­ge­hö­ri­gen des en­ge­ren Fa­mi­li­en­krei­ses von der Mit­te des 16. bis zum frü­hen 19. Jahr­hun­dert hin­aus. Es wer­den cir­ca 100 Per­so­nen in ih­rem kon­kre­ten be­ruf­li­chen und fa­mi­liä­ren Stand, teils auch re­li­giö­sen und so­zia­len Ver­hal­ten ab dem 13. Jahr­hun­dert un­ter­sucht, die sich ab Mit­te des 16. Jahr­hun­derts schwer­punkt­mä­ßig um die Fa­mi­li­en der Sen­gel, Lö­ve­nich, Har­per be­zie­hungs­wei­se Codo­na­eus, In­den, Ni­ckel und Si­mo­ni­us Ritz grup­pie­ren. Sie leb­ten al­le im Raum um die Städ­te Jü­lich, Dü­ren un­d Aa­chen.

Auf­grund der güns­ti­gen Quel­len­la­ge ist es mög­lich, die Vor­aus­set­zun­gen des so­zia­len Auf­stiegs von Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz so­wie die sich an­schlie­ßen­den lang­jäh­ri­gen Be­mü­hun­gen sei­ner di­rek­ten Nach­kom­men auf­zu­zei­gen, die sich um ei­ne Fort­set­zung die­ses Auf­stiegs be­müh­ten. Für die­se Pha­se der Fa­mi­li­en­ge­schich­te steht die be­reits von Si­mo­ni­us Ritz im zwei­ten Jahr­zehnt des 17. Jahr­hun­derts ver­such­te und zu die­sem frü­hen Zeit­punkt äu­ßerst ge­wag­te In­te­gra­ti­on in den al­ten Jü­li­cher Adel im Vor­der­grund. Die Schwer­punk­te der zen­tra­len Stu­die des Au­tors wer­den im Fol­gen­den ge­nau­er dar­ge­legt.

5.1 Ökonomie: Agrargeschichte, bürgerlicher Besitz und Geschäftstätigkeiten

Der im Jahr 1212 erst­mals in den Quel­len er­wähn­te, im Jü­li­cher Land bei Bed­burg/Erft ge­le­ge­ne Hof Et­gen­dorf, der im Üb­ri­gen ab 1423 für we­ni­ge Jah­re an die Her­zo­gin Ma­ria von Jü­lich (1491-1543) ver­pach­tet war, ist seit der zwei­ten Hälf­te des 15. Jahr­hun­derts der räum­li­che Be­zugs­punkt für den Fa­mi­li­en­ver­band. 1475 pach­te­ten Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz‘ Ur­ur­gro­ß­el­tern Kon­rad von Laach (ge­bo­ren spä­tes­tens 1444, ge­stor­ben An­fang 16. Jahr­hun­dert) und Ida von Bein­heim (ge­stor­ben An­fang 16. Jahr­hun­dert), die bis da­hin auf Haus Laach an­säs­sig wa­ren, das Land­gut für die auf­fäl­lig lan­ge Zeit von 90 Jah­ren. Das ge­schah dem­nach mit Per­spek­ti­ve über ih­re ei­ge­ne Be­wirt­schaf­tung hin­aus, wes­halb im Pacht­ver­trag ex­pli­zit auf ih­re Nach­fah­ren Be­zug ge­nom­men wur­de. 

Seit Be­ginn des 17. Jahr­hun­derts wird die Hof­ge­schich­te auf die Fa­mi­lie von Ritz ein­ge­engt, de­ren Fa­mi­li­en­sitz Et­gen­dorf bis zu ih­rem Aus­ster­ben im 19. Jahr­hun­dert blieb. Der Hof war bis 1673 ein Le­hen des in der Ei­fel bei Mons­chau ge­le­ge­nen Prä­mons­tra­ten­se­rin­nen­klos­ters Rei­chen­stein, das der Auf­sicht des Ab­tes von Stein­feld un­ter­stand, der als kirch­li­cher Ver­päch­ter ein wich­ti­ges Struk­tur­ele­ment im agrar­öko­no­mi­schen Ge­samt­sys­tem des Nie­der­rheins dar­ge­stellt.

Für die Pha­se des 13. bis 15. Jahr­hun­derts wer­den an­hand der Et­gen­dor­fer Pacht­kon­trak­te grund­sätz­li­che Ent­wick­lun­gen der alt­eu­ro­päi­schen Agrar­ge­schich­te auf­ge­zeigt. Die Un­ter­su­chung wid­met sich den agrar­wirt­schaft­li­chen Kon­junk­tu­ren, den Be­wirt­schaf­tungs­for­men (Ei­gen­wirt­schaft, Ver­pach­tung, Drei-, teils auch Zwei­feld­er­wirt­schaft, Er­trä­ge, Vieh­hal­tung). Deut­lich wird die Aus­übung der Grund­herr­schaft durch das Klos­ter Rei­chen­stein eben­so wie die ex­pan­si­ve Ent­wick­lung um den Et­gen­dor­fer Hof im 13. Jahr­hun­dert. Wei­ter­hin wer­den we­sent­li­che Struk­tur­ele­men­te wie das Ver­er­bungs­recht, Ab­ga­ben und Diens­te – hier be­son­ders die Stel­lung ei­nes so­ge­nann­ten ‚Dienst­wa­gens‘ für den Jü­li­cher Her­zog –, schlie­ß­lich Be­triebs­grö­ßen und das Ver­hält­nis von Land- zur Geld­wirt­schaft un­ter­sucht. 

Ne­ben den von Adel und Kir­che do­mi­nier­ten agrar­wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen steht die Öko­no­mie der bür­ger­li­chen Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen. So wer­den Ein­künf­te aus Be­rufs­tä­tig­kei­ten (Si­mo­ni­us Ritz), Ren­ten­be­zü­ge, Kre­dit­ver­ga­ben oder die Ver­fü­gung über Rech­te wie Zehn­te aus der Zeit Kon­rads von Laach über Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz und sei­ne Ge­ne­ra­ti­on bis hin zu sei­nen (neu­ad­li­gen) Nach­fah­ren im 18. Jahr­hun­dert be­trach­tet, die viel­fach in Städ­ten an­säs­sig wa­ren oder doch zu­min­dest ei­nen städ­ti­schen Wohn­sitz be­sa­ßen. Auch bei den bür­ger­li­chen Fa­mi­li­en­zwei­gen spiel­te die Ver­fü­gung über Land­be­sitz durch­weg ei­ne be­deu­ten­de Rol­le. 

Quel­len­mä­ßig sind für die­sen For­schungs­be­reich vor al­lem die über­lie­fer­ten Tes­ta­men­te aus­sa­ge­kräf­tig, et­wa die bei­den um­fas­sen­den Re­ge­lun­gen, die Si­mo­ni­us Ritz und sei­ne zwei­te Frau in den Jah­ren 1608 und 1622 auf­ge­setzt ha­ben und die de­tail­liert über den Be­sitz von Mo­bi­li­en (Schmuck, Mö­bel, Bü­cher, Klei­dung usw.) Aus­kunft ge­ben. 

Zur Fra­ge der ad­li­gen un­ter­neh­me­ri­schen Tä­tig­keit ge­ben ein­zel­ne Quel­len des frü­hen 17. Jahr­hun­derts und des aus­ge­hen­den 18. Jahr­hun­derts Hin­wei­se. So be­trieb Kas­par, der äl­tes­te Sohn von Si­mo­ni­us Ritz, En­de der 1620er Jah­re ei­nen of­fen­bar flo­rie­ren­den Vieh­han­del. Zu­sam­men mit Köl­ner Händ­lern kauf­te er Och­sen im nord­deut­schen Raum um Bre­men und im dä­ni­schen Ko­pen­ha­gen. Sie wur­den ge­mäs­tet und nach Köln ge­trie­ben. Hin­zu kam sein Han­del mit Foh­len, die in der Graf­schaft Ol­den­burg be­stellt wur­den. Da­ne­ben ver­kauf­te er Na­tu­ra­li­en sei­ner Jü­li­cher Gü­ter auf dem Köl­ner Markt und pach­te­te zeit­wei­se den Düs­sel­dor­fer Zoll. 

Ruine des Hauses Laach (bei Bergheim, Ortsteil Thorr), Reste des Torbogens, 2014. (Privat)

 

Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz grün­de­te 1774 zu­sam­men mit zwei ad­li­gen und zwei bür­ger­li­chen Teil­ha­bern ei­ne (al­ler­dings we­nig er­folg­rei­che) Koh­len­han­dels­ge­sell­schaft. Da­zu wur­de ei­gens ein im ber­gi­schen Amt An­ger­mund bei Kett­wig an der Ruhr ge­le­ge­nes Gut an­ge­kauft. Das ihm durch den Erb­teil sei­ner Frau zu­ge­fal­le­ne Haus Ber­ge in der mär­ki­schen Herr­schaft Wit­ten hat er zu­nächst (ähn­lich wie sei­ne Pa­pier­müh­le in der Stadt Wit­ten) samt zu­ge­hö­ri­ger Korn­müh­le und Län­de­rei­en pacht­wei­se an ei­nen Un­ter­neh­mer ge­ge­ben, dem er das An­we­sen schlie­ß­lich 1809 ver­kauf­te. In der Fol­ge­zeit wur­de dort ei­ne Stahl­fa­brik ein­ge­rich­tet, mit der die in­dus­tri­el­le Ent­wick­lung Wit­tens ih­ren An­fang nahm. 

Weit­aus um­trie­bi­ger in öko­no­mi­schen Din­gen war Fried­rich Jo­hann Wil­helms Schwie­ger­sohn, Fried­rich Alex­an­der von Hö­vel (1766 – 1826), der 1796 Ma­ria Wil­hel­mi­ne von Ritz (1776-1862) nach ih­rem Aus­tritt aus dem Stift Stop­pen­berg ge­hei­ra­tet hat­te. Von Hö­vel zähl­te wohl zu den „schil­lernds­ten Fi­gu­ren je­ner von Um­brü­chen ge­kenn­zeich­ne­ten Zeit im Rhein­land und West­fa­len“[10]. Der Land­rat von Wet­ter und ab 1805 Prä­si­dent der Min­de­ner Kriegs- und Do­mä­nen­kam­mer be­saß An­tei­le an der äl­tes­ten Ei­sen­hüt­te des Ruhr­ge­bie­tes, der 1741 ein­ge­rich­te­ten St. An­t­o­ny-Hüt­te bei Os­ter­feld, dem Stamm­werk der Gu­te­hoff­nungs­hüt­te. Von Hö­vel war dem auf­kom­men­den Ma­schi­nen­we­sen ge­gen­über auf­ge­schlos­sen und ver­füg­te über eben­so tie­frei­chen­de Kennt­nis­se in der Agrar- und Forst­öko­no­mie wie im Fa­brik- und Ge­wer­be­we­sen. Er pfleg­te Kon­tak­te zu For­schungs­rei­sen­den und zähl­te 1797 zu den Mit­be­grün­dern des „West­fä­li­schen An­zei­ger­s“ in Dort­mund.

5.2 Territorialverfassung

Im Kon­text der Ver­fas­sung er­folgt der the­ma­ti­sche Zu­gang vor­nehm­lich über Äm­ter, wel­che die in der Un­ter­su­chung be­trach­te­ten Per­so­nen in­ne­hat­ten. Für die zen­tra­le Ebe­ne des Fürs­ten­tums wer­den die Auf­ga­ben­be­rei­che des Land­rent­meis­ters und des Ge­ne­ral­an­walts dar­ge­stellt. So fun­gier­te Kon­rad von Laach im letz­ten Vier­tel des 15. Jahr­hun­derts als Land­rent­meis­ter des Her­zog­tums Jü­lich. Die­ses Amt, dem die Ko­or­di­na­ti­on der fi­nan­zi­el­len Ver­pflich­tun­gen des ge­sam­ten Her­zog­tums zu­grun­de lag, bil­de­te sich zeit­lich erst nach den An­fän­gen der lo­ka­len Amts­ver­wal­tung her­aus. Bei der Be­schrei­bung der Tä­tig­kei­ten auf der Grund­la­ge von Ver­ord­nun­gen so­wie ein­zel­nen Quel­len ste­hen Fra­gen der Ent­wick­lung des spät­mit­tel­al­ter­li­chen wie früh­mo­der­nen Ter­ri­to­ri­al­staa­tes im Vor­der­grund, für den die­se Funk­ti­on eben­so wie die des Ge­ne­ral­an­walts cha­rak­te­ris­tisch ist. Die­se Tä­tig­keit üb­te Si­mo­ni­us Ritz‘ Ver­wand­ter Hein­rich Con­do­na­eus aus, bei des­sen Fa­mi­lie er in den 1580er Jah­ren in Jü­lich leb­te. Die Rol­le des Ge­ne­ral­an­walts stand im Zu­sam­men­hang mit dem ver­mehrt ein­drin­gen­den rö­mi­schen Recht, der Straf­fung des In­stan­zen­zu­ges in­ner­halb des Ter­ri­to­ri­ums und nicht zu­letzt mit ei­nem ver­stärk­ten Ein­grei­fen der Ob­rig­keit in den ge­mein­hin mit ‚Po­li­cey‘ be­schrie­be­nen Zu­stän­dig­keits­be­reich, war al­so im We­sent­li­chen mit dem wei­ten Feld der öf­fent­li­chen Ord­nung ver­knüpft.

Für die lo­ka­le Ver­wal­tung wer­den meh­re­re Auf­ga­ben­krei­se un­ter­sucht. Zu­nächst die Zu­stän­dig­kei­ten ei­nes Amt­manns, wel­che eben­falls an der Per­son Kon­rads von Laachs auf­ge­zeigt wer­den kön­nen. Kon­rad üb­te die­se Funk­ti­on für das seit Be­ginn des 14. Jahr­hun­derts be­ste­hen­de Amt Kas­ter 1459-1471 aus. Der All­tag des Amt­manns kann auch mit Blick auf die Haupt­per­son Pe­trus Si­mo­ni­us skiz­ziert wer­den, der um 1600 dem klein­flä­chi­gen, als Ex­kla­ve na­he Jü­lich lie­gen­den kur­trie­ri­schen Amt Güs­ten vor­stand.

Der Kern der Äm­ter­bil­dung liegt in der herr­schaft­li­chen Durch­drin­gung des Lan­des in den Be­rei­chen Be­steue­rung, Mi­li­tär so­wie – in Ko­ope­ra­ti­on mit dem er­wähn­ten Ge­ne­ral­an­walt so­wie den Ge­rich­ten im Land – der Jus­tiz. Für die­sen Pro­zess ist die räum­li­che De­fi­ni­ti­on der Amts­zu­stän­dig­kei­ten grund­le­gend, was ge­ra­de im Fal­le Kas­ters mit der Ab­gren­zung zum Kur­k­öl­ner Ter­ri­to­ri­um ein­her­geht. So fällt Kon­rad von Laachs Amt­mann­schaft in ei­ne Pha­se der Jü­li­cher Lan­des­ver­wal­tung, in wel­cher die räum­li­che De­fi­ni­ti­on der ein­zel­nen Äm­ter noch nicht ab­schlie­ßend durch­ge­führt wor­den ist. Die Amts­füh­rung wur­de durch die zu­ge­ord­ne­ten Funk­ti­ons­trä­ger Kell­ner, der im lo­ka­len Be­reich für die Wirt­schafts- und Fi­nanz­ver­wal­tung zu­stän­dig war, und Vogt un­ter­stützt; letz­te­rem ob­la­gen zi­vil­ge­richt­li­che Auf­ga­ben und die Ver­fol­gung leich­te­rer Straf­sa­chen. Kon­rad von Laach ist des Wei­te­ren 1475-1489 als Kell­ner für das Amt Kas­ter tä­tig ge­we­sen, wie zum Bei­spiel sein Bru­der Vogt des Am­tes Gre­ven­broich war. 

Bei die­ser Be­trach­tung der Amts­füh­rung wird ver­sucht, nor­ma­ti­ve Quel­len mit em­pi­ri­schen Nach­rich­ten zu ver­bin­den, die das kon­kre­te Ge­sche­hen vor Ort be­schrei­ben, was eben­so mit ei­nem ver­gleichs­wei­se spe­zi­el­le­ren Amt, näm­lich dem des Zöll­ners in Jü­lich am Bei­spiel der Per­son Kas­par Sen­gels (ge­stor­ben 1582) ge­schieht, des Schwie­ger­va­ters von Si­mo­ni­us Ritz. Glei­cher­ma­ßen im Rah­men der Lo­kal­ver­wal­tung und zwar für den ge­meind­li­chen und kom­mu­na­len Be­reich wer­den die Äm­ter von Bür­ger­meis­ter, Rat und Schult­heiß bzw. Schöf­fen be­han­delt: Auf­ga­ben, so­zia­ler Sta­tus und aus­ge­üb­te Be­ru­fe ste­hen da­bei im Fo­kus. Das Bild, wo­nach im Grun­de nur Kauf­leu­te, Gast­wir­te und Be­schäf­tig­te der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung wie Ge­richts­schrei­ber ‚ab­kömm­lich‘ und da­mit in der La­ge wa­ren, der­ar­ti­ge Äm­ter zu über­neh­men, kann be­stä­tigt und mit ei­ner dich­ten Quel­len­la­ge do­ku­men­tiert wer­den. So war Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz‘ Va­ter, der Tuch­händ­ler Jo­han­nes Si­mons (ge­stor­ben 1585), Bür­ger­meis­ter, Rat und Schöf­fe in Kas­ter und sein Schwie­ger­va­ter Kas­par Sen­gel am­tier­te als Schult­heiß in Jü­lich. Am Bei­spiel Kas­ter kann auch das Ent­ste­hen die­ser Gre­mi­en auf­ge­zeigt wer­den, et­wa die Ent­wick­lung des Rats­kol­le­gi­ums aus dem Kreis der Schöf­fen, was für die klei­ne Jü­li­cher Stadt erst ge­gen Mit­te des 16. Jahr­hun­derts her­vor­tritt. 

Ein be­son­de­res struk­tu­rel­les Merk­mal der städ­ti­schen Ver­wal­tung stellt die Wei­ter­ga­be von Äm­tern zwi­schen ver­wandt­schaft­lich mit­ein­an­der ver­bun­de­ner Per­so­nen dar. ‚Vet­tern­wirt­schaft‘ und Pro­tek­ti­on sind durch­weg zu be­ob­ach­ten. Da­zu konn­ten an­hand des un­ter­such­ten Fa­mi­li­en­ver­ban­des ver­schie­de­ne Bei­spie­le er­mit­telt wer­den, be­son­ders für die Ver­hält­nis­se im Rats- und Schöf­fen­kol­leg bzw. dem Haupt­ge­richt der Stadt Jü­lich. So dürf­te der an­ge­führ­te Jü­li­cher Ge­ne­ral­an­walt Dr. Hein­rich Codo­na­eus sein Amt über sei­nen On­kel Ger­hard von Jü­lich, den Se­kre­tär Her­zog Wil­helms des Rei­chen,[11] er­hal­ten ha­ben. Wei­ter­hin wird die Ein­füh­rung von Si­mo­ni­us Ritz als An­walt in das dor­ti­ge Ge­richt und im Fol­gen­den sei­ne Ver­sor­gung mit ei­ner Schöf­fen­stel­le – ne­ben der Für­spra­che sei­ner Jü­li­cher Ver­wandt­schaft – auf Codo­na­eus‘ Vor­be­rei­tung zu­rück­ge­hen (wenn­gleich Codo­na­eus im Jahr 1590 zur Zeit der Be­stel­lung von Si­mo­ni­us Ritz be­reits ver­stor­ben war).

5.3 Bildung

Un­ter die­sem Punkt wird die Be­deu­tung der Bil­dungs­ein­rich­tun­gen für die so­zia­len Chan­cen be­han­delt. Nach ei­ner aus­schnitt­haf­ten Be­schrei­bung der Ver­hält­nis­se der städ­ti­schen Ele­men­tar­schu­le in Kas­ter und der Schu­le des Au­gus­ti­ne­rin­nen­klos­ters im na­hen Frau­wei­ler, die Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz ab Mit­te der 1560er Jah­re be­such­te, folgt ei­ne ein­ge­hen­de Dar­stel­lung sei­ner Schul­zeit zwi­schen 1575 und 1579 auf dem Düs­sel­dor­fer Gym­na­si­um, das zeit­ge­nös­sisch ei­nen her­vor­ra­gen­den Ruf ge­noss. Die Lehr­an­stalt war 1545 auf Ver­an­las­sung Her­zo­g Wil­helms des Rei­chen von dem Theo­lo­gen und Päd­ago­gen Jo­han­nes Mon­heim ge­grün­det wor­den. Si­mo­ni­us Ritz gibt in sei­ner Le­bens­be­schrei­bung ein­ge­hend Aus­kunft über Lehr­in­hal­te und Schul­ver­hält­nis­se, die sei­ner­zeit zu­neh­mend von den auf­kom­men­den kon­fes­sio­nel­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen über­schat­tet wur­den.

Es folg­te von 1579 bis 1583 der Be­such der oben er­wähn­ten Uni­ver­si­tä­ten, die ei­ne er­heb­li­che Be­deu­tung für die bür­ger­li­che Eli­ten­bil­dung der Frü­hen Neu­zeit be­sa­ßen. In die­sem Zu­sam­men­hang wer­den die da­ma­li­gen Um­stän­de des Rei­sens the­ma­ti­siert, die Si­mo­ni­us Ritz via Frank­furt am Main und Genf über Ly­on nach Bour­ges führ­ten. Sol­che Er­fah­run­gen kehr­ten für ihn spä­ter bei den Le­ga­tio­nen et­wa nach Bel­gi­en oder Böh­men wie­der (mu­he­sa­li­gen viel­ja­ri­gen Reis­sen, auch Gefhar[12] ). Ge­meint sind da­bei ne­ben dem oft­mals be­schwer­li­chen und ver­zö­ger­ten Vor­wärts­kom­men die Ri­si­ken, die von Mensch und Na­tur aus­gin­gen. Si­mo­ni­us Ritz zähl­te so­mit von Ju­gend an zu den we­ni­gen Zeit­ge­nos­sen des 16. und 17. Jahr­hun­derts, die ei­ne gro­ße räum­li­che Mo­bi­li­tät aus­zeich­ne­te. 

Der Au­to­bio­graph be­rich­tet über Bur­sen (Stu­den­ten­ge­mein­schaf­ten), über die Leh­re an der Köl­ner Hoch­schu­le eben­so wie von den Le­bens­um­stän­den der in Na­tio­nen or­ga­ni­sier­ten Scho­la­ren im fran­zö­si­schen Bour­ges. Dort wur­den of­fen­bar mo­der­ne Lehr­in­hal­te und Lehr­for­men (Mos Gal­li­cus: ei­ne Aus­le­gungs­me­tho­de, die stär­ker als das tra­di­tio­nel­le Mos Ita­li­cus Pra­xis­be­zü­ge auf­weist) ge­bo­ten. Er lern­te mit Jaques Cu­jas (1522–1590), wenn wohl auch nur kurz­zei­tig, ei­nen der da­mals eu­ro­pa­weit her­aus­ra­gen­den Rechts­leh­rer ken­nen. Si­mo­ni­us Ritz schil­dert sei­ne Bil­dungs­er­fah­run­gen wohl des­halb recht aus­führ­lich, weil sie ihm als we­sent­li­che Vor­aus­set­zung für sei­nen so­zia­len Auf­stieg aus dem klein­städ­ti­schen Schöf­fen- und Rats­mi­lieu sei­ner El­tern in die bür­ger­lich-ad­li­ge Ge­sell­schaft be­wusst wa­ren.

5.4 Religion und Konfession

Für die Ge­ne­ra­tio­nen der dar­ge­stell­ten Fa­mi­li­en, die im aus­ge­hen­den 15. und be­gin­nen­den 16. Jahr­hun­dert leb­ten, sind ver­schie­de­ne As­pek­te spät­mit­tel­al­ter­li­cher Fröm­mig­keit wie Me­mo­ri­en­stif­tun­gen oder re­li­giö­se Wert­vor­stel­lun­gen fass­bar. Ein Bei­spiel ist die Hoch­schät­zung des Pries­ter­stan­des, den Kon­rad von Laach für sei­nen Nef­fen Jo­han­nes an­streb­te (Kon­rad sprach, Ich haff meyner schwes­ter son Jo­han­nes zo der schoi­len ge­halt­hen vnd ver­hofft, er sol­le eyn phreist­her wer­den, mich be­dunckt er wol­le eyn netz­bo­ve [Netz­schlep­per et­wa bei Jagd oder Fisch­fang] wer­den, mich reu­wet der cos­ten, denn ich an meyner swes­ter son ge­lagt hab).[13] Jo­han­nes ar­bei­te­te schlie­ß­lich als Bo­te in der Re­gi­on um Kas­ter.  An ver­schie­de­nen Stel­len wird die Ver­ar­bei­tung von Krank­heit und Tod of­fen­kun­dig, was durch­weg als ein Zei­chen der in­di­vi­du­el­len Aus­er­wählt­heit durch Gott ge­deu­tet wird: Ver­mut­lich um das Jahr 1500 er­eig­ne­te es sich, dass Si­mo­ni­us Ritz‘ Ur­gro­ßva­ter Jo­han­nes Keu­ten­bre­wer Pen­sen (ge­stor­ben um 1545), der Si­mo­ni­us‘ Wor­ten nach das ab­ge­leb­te Grei­sen­al­ter von fast 100 Jah­ren er­reicht hat­te, früh­mor­gens von der Kir­che nach Hau­se lief, nach­dem die hei­li­ge Hand­lung der Mes­se be­en­det war. Auf der Stra­ße flog ihm ei­ne Gans in den Rü­cken. Er sank auf den Bo­den zu­sam­men und wur­de von ei­nem Knecht nach Hau­se ge­bracht und starb ei­nen sehr fried­li­chen Tod.[14] In ähn­li­cher Nä­he zu gött­li­chem Ein­grei­fen oder zu­min­dest gött­li­cher Ge­gen­wart wur­de der Tod von Si­mo­ni­us Ritz‘ ers­ter Frau Jo­han­na in­ter­pre­tiert. Zu ih­rer Ster­be­stun­de um zwölf Uhr mit­tags soll ei­ne Him­mels­er­schei­nung be­ob­ach­tet wor­den sein. Si­mo­ni­us Ritz setz­te die Be­ge­ben­heit in ein la­tei­ni­sches Dis­ti­chon und ließ es in ih­ren Grab­stein ein­schla­gen.

Haus Berge, um 1710. (Aus: Bruno J. Sobotka, Haus Berge zu Witten, Fünfter und letzter Gerichtsherrensitz in Witten, Witten 1991, S. 71, Abb. 74)

 

An den Phä­no­me­nen Krank­heit und Tod wird die grund­sätz­li­che christ­li­che Sicht der Zeit­ge­nos­sen auf die­se Welt deut­lich: Sie ist nicht mehr als ein ‚Jam­mer­tal‘, ein Tal so vie­len Un­glücks[15] , in dem von den Men­schen Be­wäh­rung ge­for­dert wird. Das ge­schieht in der Hoff­nung, auf ei­ne an­de­re, bes­se­re Welt ver­wie­sen zu sein, in der sich al­le Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen wie­der­se­hen, wie dies auf dem Al­tar­bild von 1602 vor­weg­ge­nom­men wird, auf dem ne­ben der zwei­ten Frau von Si­mo­ni­us Ritz, Chris­ti­na von Lö­ve­nich, auch die ers­te Ehe­frau, die 1598 ver­stor­be­ne Jo­han­na Sen­gel ab­ge­bil­det ist.

Ab­ge­se­hen von die­ser Al­tar­stif­tung, die in der Jü­li­cher Stifts­kir­che fun­diert und zu­gleich als ei­ne öf­fent­li­che Be­kun­dung so­zia­len Pres­ti­ges ver­stan­den wer­den kann, oder dem Ein­bau ei­ner klei­nen Haus­ka­pel­le in ei­ne Ni­sche im Erd­ge­schoss des Hau­ses Et­gen­dorf durch Si­mo­ni­us Ritz (al­le mei­ne ca­pel­len sa­chen vnd was Ich dar­zu ge­braucht, mit der con­tra­feit­tungh Ec­ce ho­mo, Ma­ria Mag­da­le­na[16]) ent­hal­ten die in bei­den Fa­mi­li­en­ar­chi­ven vor­han­de­nen Tes­ta­men­te Hin­wei­se auf ver­schie­de­ne Fröm­mig­keits­prak­ti­ken. Vor al­lem die bei­den Ver­fü­gun­gen von Si­mo­ni­us Ritz und sei­ner zwei­ten Frau Chris­ti­na von Lö­ve­nich (1608/1622) so­wie von Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz (1819) er­wei­sen sich als er­gie­bi­ge Quel­len, wie auch die Nach­rich­ten über die Be­er­di­gung von Pe­trus Si­mo­ni­us im Herbst 1622. Sie be­deu­te­te im Üb­ri­gen auch ei­nen be­trächt­li­chen fi­nan­zi­el­len und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Auf­wand: In den Kir­chen der Re­gi­on um Kas­ter und Jü­lich läu­te­ten die Glo­cken über Ta­ge hin. Al­ler­orts wur­den Mes­sen ge­le­sen. In der Jü­li­cher Stifts­kir­che wur­de der Raum um den Fa­mi­li­en­al­tar, an dem der Sarg auf­ge­stellt wor­den war, mit schwar­zem Stoff aus­ge­schla­gen, Nacht­wa­chen wur­den en­ga­giert, Ker­zen ge­kauft, Ga­ben an Ar­me ver­teilt und die Ru­he­stät­te in­ner­halb der Kir­che war zu gra­ben und zu ver­mau­ern.

Ei­nen brei­ten Raum nimmt je­ner Teil der Un­ter­su­chung ein, der sich der Her­aus­bil­dung kon­fes­sio­nel­ler Dif­fe­ren­zie­rung wid­met. Im Zen­trum steht ne­ben der Po­si­ti­on von Si­mo­ni­us Ritz die Ent­wick­lung in Kas­ter, wo­bei die The­ma­tik durch Nach­rich­ten über wei­te­re Or­te er­gänzt wer­den konn­te, für die ent­spre­chen­de Quel­len über Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge vor­lie­gen. Die kon­fes­sio­nel­le Ent­wick­lung im All­tag der Stadt wäh­rend der 1560er bis 1590er Jah­re kann mit den Vi­si­ta­ti­ons­pro­to­kol­len, aber vor al­lem an­hand wei­te­rer un­ver­öf­fent­lich­ter ar­chi­vi­scher Quel­len (Pries­ter­kon­ku­bi­nat, Lai­en­kelch, deut­scher Ge­sang im Got­tes­dienst be­zie­hungs­wei­se die Durch­füh­rung der pries­ter­li­chen Auf­ga­ben/Mes­sen) nach­ge­zeich­net wer­den. Da­bei tre­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen um das Be­kennt­nis zwi­schen Per­so­nen her­vor, die zu­meist auch dem Fa­mi­li­en­kreis an­ge­hö­ren. Es wur­den bei­spiels­wei­se Vor­wür­fe der Ket­ze­rei so­wie heim­li­cher re­li­giö­ser Zu­sam­men­künf­te er­ho­ben, was man an­schei­nend auch in­stru­men­ta­li­siert hat, um so­zia­le Kon­flik­te aus­zu­tra­gen. 

Das re­li­giö­se Ver­ständ­nis der Haupt­per­son Si­mo­ni­us Ritz ist recht gut fass­bar. In sei­ner Le­bens­be­schrei­bung geht er rück­bli­ckend vor al­lem auf sei­ne Er­fah­run­gen wäh­rend der Schul­zeit auf dem Düs­sel­dor­fer Gym­na­si­um ein, wo er mit der cal­vi­nis­ti­schen Leh­re eben­so in Be­rüh­rung ge­kom­men ist wie zu­hau­se wäh­rend der Fe­ri­en­zeit. Für die Fe­ri­en­wo­chen hat­ten ihm sei­ne El­tern ei­nen die­ser Kon­fes­si­on zu­ge­hö­ri­gen Pri­vat­leh­rer be­sorgt. Auf­grund des­sen kri­ti­sier­te der über­zeug­te Ka­tho­lik sei­ne El­tern in der Rück­schau. Be­dingt durch die in Düs­sel­dorf ein­ge­fal­le­ne Pest wich Pe­trus Si­mo­ni­us im Krei­se sei­ner Mit­schü­ler im Jahr 1577 in die na­he Kas­ter lie­gen­de Stadt Bed­burg/Erft aus. Der Schul­be­trieb wur­de dort bei Graf Her­mann von Neue­nahr fort­ge­setzt, der ein pro­mi­nen­ter und ein­fluss­rei­cher För­de­rer des am Nie­der­rhein do­mi­nie­ren­den cal­vi­nis­ti­schen Be­kennt­nis­ses war. 

Trotz sei­ner Dis­tan­zie­rung und Ab­leh­nung des Pro­tes­tan­tis­mus‘ scheint Si­mo­ni­us Ritz evan­ge­li­sche Glau­bens­an­ge­hö­ri­ge spä­ter­hin selbst in sei­nem en­ge­ren fa­mi­liä­ren Um­feld ak­zep­tiert zu ha­ben, et­wa bei sei­ner Ein­hei­rat in die Al­den­ho­ve­ner Schöf­fen­sip­pe von Lö­ve­nich. In die­ser Fa­mi­lie wa­ren meh­re­re Per­so­nen Men­no­ni­ten. Das ver­schweigt der Au­to­bio­graph. Eben­so hat er spä­ter den Um­stand to­le­riert, dass die al­tad­li­ge Fa­mi­lie von Berg ge­nannt Durf­fen­thal, in die der äl­tes­te Sohn Kas­par 1615 ein­hei­ra­te­te, zu­min­dest in ei­ni­gen ih­rer Zwei­ge eben­falls pro­tes­tan­tisch war.[17] 

5.5 Familie und Verwandtschaft: Berufe, Lebensverhältnisse und Wertnormen

Der Stel­len­wert der Vor­fah­ren für Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz wird al­lein dar­an deut­lich, dass er ih­re Er­in­ne­rung an den An­fang sei­ner Au­to­bio­gra­phie stellt und sie so zum Aus­gangs­punkt sei­ner Le­bens­be­schrei­bung macht. 

Aus­kunft über die­sen The­men­be­reich ge­ben, ab­ge­se­hen von den reich­hal­ti­gen Un­ter­la­gen der bei­den Fa­mi­li­en­ar­chi­ve, ins­be­son­de­re die Ak­ten der lo­ka­len Ge­rich­te der Jü­li­cher Re­gi­on, des Jü­li­cher Haupt­ge­richts (als zu­stän­di­ge zwei­te In­stanz) und schlie­ß­lich des Reichs­kam­mer­ge­richts. Der Grund lag in ei­nem lang­jäh­ri­gen Erb­streit, der nach dem Tod Kon­rads von Laach An­fang des 16. Jahr­hun­derts zwi­schen den bei­den Li­ni­en sei­ner Nach­fah­ren ent­stand. Die Ge­richts­ak­ten bie­ten de­tail­lier­te In­for­ma­tio­nen über Le­bens­läu­fe, Be­sitz und Ver­mö­gen und vor al­lem auch über den All­tag der Be­tei­lig­ten. Ähn­li­che Erb­strei­tig­kei­ten sind im Üb­ri­gen auch für die Ge­ne­ra­tio­nen fest­zu­stel­len, die auf Si­mo­ni­us Ritz folg­ten. 

An­hand der in­di­vi­du­el­len Le­bens­läu­fe wird ins­be­son­de­re der so­zia­le Sta­tus deut­lich. Das wird für den Fa­mi­li­en­ver­band – ab­ge­se­hen von den oben er­wähn­ten länd­li­chen Le­bens­ver­hält­nis­sen – vor dem Hin­ter­grund par­ti­el­ler stadt­his­to­ri­scher Ab­ris­se er­ar­bei­tet, fo­kus­siert auf die Städ­te Kas­ter und Jü­lich, aber auch Gei­len­kir­chen und Gre­ven­broich. Dies be­trifft die The­men­kom­ple­xe der Sied­lungs­vor­aus­set­zun­gen, Ein­woh­ner­schaft und de­ren (land-)wirt­schaft­li­che Tä­tig­kei­ten so­wie die schu­li­schen und kirch­li­chen Ver­hält­nis­se. 

Im Zu­ge die­ser so­zi­al­his­to­ri­schen Ver­or­tung kön­nen rund 100 Per­so­nen kon­kret in ih­ren Be­ru­fen, ih­rer Kon­fes­si­on, ih­ren Hei­ra­ten und Pa­ten­schaf­ten wie über­haupt in ih­ren Schick­sa­len dar­ge­stellt wer­den. Dar­un­ter fin­den sich auch Si­mo­ni­us Ritz‘ El­tern in der klei­nen Stadt Kas­ter, mit nur 200-300 Ein­woh­nern, wo der Va­ter ne­ben sei­nen öf­fent­li­chen Äm­tern als Schöf­fe und Bür­ger­meis­ter den Le­bens­un­ter­halt der Fa­mi­lie vor­wie­gend mit sei­nem Tuch­han­del be­stritt. In Gre­ven­broich tre­ten die Vor­fah­ren der müt­ter­li­chen Li­nie in der Hop­fen­ver­ar­bei­tung her­vor (Keu­ten­bre­wer), ei­ne Frau aus die­sem Fa­mi­li­en­zweig war als Wit­we ei­gen­stän­dig im Han­del tä­tig. In Gei­len­kir­chen be­geg­net uns Si­mo­ni­us Ritz‘ Ur­gro­ßva­ter müt­ter­li­cher­seits, der Rats­herr, Schöf­fe und Kirch­meis­ter Ri­chard Ritz von der Heyden, um 1500 beim Glo­cken­guss so­wie bei sei­nen Tä­tig­kei­ten für die dor­ti­ge St. Se­bas­tia­nus-Bru­der­schaft. In ih­ren Ein­zel­hei­ten wird die Fa­mi­lie des Jü­li­cher Bür­ger­meis­ters, des am dor­ti­gen Haupt­ge­richt tä­ti­gen Schult­hei­ßen, Zöll­ners, Kell­ners des Am­tes und her­zog­li­chen Schrei­bers Kas­par Sen­gel ge­schil­dert, in die Si­mo­ni­us Ritz 1586 ein­hei­ra­te­te. 

Ne­ben der Fra­ge der so­zia­len Schich­tung und Zu­ge­hö­rig­keit sind in men­ta­li­täts­ge­schicht­li­cher Hin­sicht die so­zia­len Wer­tun­gen und ide­el­len Nor­men von Be­deu­tung. In ein­zel­nen Fäl­len kann die Wahr­neh­mung so­zia­ler Un­ter­schie­de eben­so wie das Ver­hal­ten ge­gen­über so­zi­al Tie­fer- be­zie­hungs­wei­se Hö­her­ste­hen­den be­schrie­ben wer­den. Mo­ral- wie Wert­vor­stel­lun­gen et­wa zur un­ehe­li­chen Ge­burt oder zum Le­bens­al­ter sind ver­nehm­bar, auch beim all­täg­li­chen Han­deln wie zum Bei­spiel wäh­rend Si­mo­ni­us Ritz‘ Stu­di­en­zeit in Frank­reich, als er sei­nen ei­ge­nen, selbst­an­kla­gen­den Wor­ten nach, in der Blü­te des Al­ters, durch die zü­gel­lo­se Leicht­fer­tig­keit in­mit­ten der an­de­ren Deut­schen, mit de­nen mir zu­sam­men der Tisch zu­ge­hör­te und ich in Or­léans und in Pa­ris ge­lebt hat­te, ver­dor­ben wor­den war.[18] Oder als er auf der Rei­se zu den fran­zö­si­schen Uni­ver­si­tä­ten ei­ne Hin­rich­tung in Genf mit­er­leb­te: Es wa­ren fünf der ers­ten Män­ner der Stadt we­gen […] Kö­nigs­ver­rats im April des Jah­res 1582 in vier Tei­le zer­schnit­ten wor­den.[19] Of­fen­bar stand für ihn au­ßer Zwei­fel, dass der­ar­ti­ge Stra­fen ge­recht­fer­tigt wa­ren.

Wei­ter­hin ist die Ge­nau­ig­keit, Ra­tio­na­li­tät und ex­ak­te Pla­nung all­täg­li­cher Ver­hält­nis­se er­kenn­bar. Si­mo­ni­us Ritz er­wähnt in sei­ner Au­to­bio­gra­phie mit Hoch­schät­zung die pe­ni­ble Rech­nungs­füh­rung sei­nes im Han­del tä­ti­gen Va­ters wie er spä­ter ein­mal aus of­fen­bar glei­cher Mo­ti­va­ti­on sei­nen äl­tes­ten Sohn Kas­par stark kri­ti­siert, weil die­ser, ähn­lich wie Si­mo­ni­us Ritz ehe­dem selbst, als 22-Jäh­ri­ger in aus­wen­di­gen lan­den vn­nütz­lich Gel­der ver­tan ha­be. Kas­par war oh­ne des Va­ters vor­wi­ßen auß Ita­li­en in Hy­spa­ni­en ver­rei­ßett, wo er zim­me­lich geltt ver­zehrtt vnd auffgen­hom­men.[20] Selbst Aus­sa­gen zur weib­li­chen At­trak­ti­vi­tät fal­len im Zu­sam­men­hang mit der von der Ver­wandt­schaft an­ge­bahn­ten zwei­ten Ehe. Si­mo­ni­us Ritz skiz­zier­te ei­ne jun­ge Köl­ne­rin wie folgt: Lieb­reiz des Ant­lit­zes, blü­hen­der Zu­stand des Al­ters, Schlank­heit der Glied­ma­ßen, Über­fluss an Reich­tum und schlie­ß­lich Fein­heit des Ta­len­tes.[21] Den­noch ver­zich­te­te er auf die­se Ver­bin­dung, an­geb­lich un­ter Rück­sicht­nah­me auf sei­ne da­mals noch min­der­jäh­ri­gen Kin­der. Er hei­ra­te­te statt­des­sen mit Chris­ti­na von Lö­ve­nich ei­ne äl­te­re Frau, die sei­nen Wor­ten nach über ei­ne rei­che Er­fah­rung in Din­gen der Haus­halts­füh­rung ver­füg­te.

Altarbilder der Familie Simonius Ritz (außen links und rechts), 1602, Öl auf Holz, jeweils 150 × 73 cm. Innenteil Martin Lersch, „ALTARMITTEBILD S.“, 2011, Öl auf Holz, 150 × 96 cm (beides Privatbesitz), undatiert. (Privat)

 

Wei­ter­hin sind Aus­sa­gen über das täg­li­che Mit­ein­an­der in den Haus­hal­ten zu tref­fen, zeit­lich be­gin­nend mit Si­mo­ni­us Ritz‘ Ur­ur­gro­ß­el­tern Kon­rad von Laach und Ida von Bein­heim auf den Häu­sern Laach und Et­gen­dorf. Dort wur­de auch ein un­ehe­li­ches Kind Kon­rads auf­ge­zo­gen, das er wäh­rend der Ehe mit Ida ge­zeugt hat­te. Es zeigt sich, dass Haus­an­ge­stell­te wie ei­ne Koch­magd, ein Die­ner oder der Kut­scher recht eng in das Fa­mi­li­en­le­ben ein­ge­bun­den wa­ren. Auch in der Fa­mi­lie der El­tern und spä­ter­hin im Haus­halt von Pe­trus Si­mo­ni­us und dem sei­ner Nach­fah­ren zähl­ten Haus­an­ge­stell­te und Die­ner stets zur Haus­ge­nos­sen­schaft. Auf­schluss­reich ist die um 1790 ver­fass­te, acht Fo­li­o­sei­ten lan­ge An­wei­sung von Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz für sei­nen Haus­die­ner auf Et­gen­dorf (Ein Dienst­leis­tung mei­nes Be­dien­ten, Richt­schnur sei­nes Be­tra­gens, und was er an Lohn Kost­geld und Klei­der er­hällt[22]). Dar­in wur­de nicht zu­letzt auch das er­wünsch­te Ver­hal­ten bei Kutsch­fahr­ten und ge­gen­über Frem­den nie­der­ge­schrie­ben wie Vor­ga­ben über die freie Zeit des Die­ners ent­hal­ten wa­ren.

Nicht zum Fa­mi­li­en­le­ben der hier be­trach­te­ten Per­so­nen, aber zur Hof­ge­schich­te Et­gen­dorfs und den Le­bens­um­stän­den der Päch­ter zählt die ein­ge­hen­de Schil­de­rung der Be­dräng­nis­se, de­nen man sich dort in den 1580er und be­gin­nen­den 1590er Jah­ren wäh­rend des Köl­ner be­zie­hungs­wei­se des spa­nisch-nie­der­län­di­schen Krie­ges aus­ge­setzt sah: Mehr­fach kam es zu Über­fäl­len und Be­rau­bun­gen durch Sol­da­ten und zu Kämp­fen, die zu Ver­wun­dung und Tod führ­ten. Als ei­ne wei­te­re, ste­tig das Le­ben der Men­schen be­dro­hen­de Ge­fahr ist die wie­der­keh­rend er­wähn­te Pest zu nen­nen. Die An­ge­hö­ri­gen des be­trach­te­ten Fa­mi­li­en­krei­ses ver­moch­ten im Un­ter­schied zur Mehr­zahl ih­rer Zeit­ge­nos­sen wie et­wa die an ih­ren Hof ge­bun­de­nen Bau­ern vor der Ge­fahr zu flie­hen. Man wech­sel­te den Auf­ent­halt zwi­schen Stadt­häu­sern und Land­sit­zen. 

Zu Wohn­ver­hält­nis­sen, Be­klei­dung und Er­näh­rung lie­gen ne­ben Nach­rich­ten über die Räum­lich­kei­ten in Si­mo­ni­us Ritz‘ el­ter­li­chem Haus in Kas­ter auch In­for­ma­tio­nen für das wäh­rend sei­ner ers­ten Ehe ge­pach­te­te Haus in Jü­lich (1586–1601) vor. Über Fes­te und Fei­ern wird be­rich­tet, bei de­nen laut der Selbst­dar­stel­lung ganz in bür­ger­li­chem Sin­ne auf ei­ne ‚ma­ß­vol­le Haus­halts­füh­rung‘ acht­ge­ge­ben wur­de. Fer­ner­hin sind den Quel­len de­tail­lier­te An­ga­ben über das Le­ben in Haus und auf dem Hof Et­gen­dorf so­wie über das 1620 in Düs­sel­dorf neu er­bau­te Stadt­haus und sei­ne Be­woh­ner zu ent­neh­men. Bei­spiels­wei­se wur­den in die Fens­ter far­bi­ge Glä­ser mit Wap­pen ver­schie­de­ner Stif­te und Kom­mu­nen ein­ge­setzt, mit de­nen Si­mo­ni­us Ritz als Rat und Ju­rist in Ver­bin­dung stand. Für den täg­li­chen Be­darf wur­de auf den je­wei­li­gen Märk­ten und in Gast­wirt­schaf­ten ein­ge­kauft, wor­über für das frü­he 17. Jahr­hun­dert Haus­halts­rech­nun­gen in se­ri­el­ler Fol­ge vor­lie­gen. Sie zei­gen et­wa die ho­hen Kos­ten, die re­gel­mä­ßig für Schuh­werk und Be­klei­dung auf­ge­wandt wur­den; fast aus­schlie­ß­lich er­warb man hoch­wer­ti­ge schwar­ze Stof­fe. 

Ei­ne her­vor­ge­ho­be­ne Be­deu­tung im The­men­feld ‚Fa­mi­lie‘ kommt dem Hei­rats­ver­hal­ten zu. Be­trach­tet wer­den vor al­lem die bei­den Ehen von Si­mo­ni­us Ritz, aber es wer­den auch wei­te­re Ehe­schlie­ßun­gen er­ör­tert, die in der Re­gel die be­schrie­be­nen Schöf­fen- bzw. Rats­krei­se der Jü­li­cher Städ­te nicht ver­las­sen. Au­ßer dem Ehe­ver­trag zwi­schen Si­mo­ni­us Ritz und von Lö­ve­nich (1598) wur­den Ver­trä­ge der Nach­fah­ren aus­ge­wer­tet, wie zum Bei­spiel der 1770 zwi­schen Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz und Do­ro­thea Char­lot­te von dem Bott­len­berg ge­schlos­se­ne Kon­trakt. In al­len Fäl­len wird deut­lich, dass mit jed­we­den Even­tua­li­tä­ten ra­tio­nal um­ge­gan­gen, al­so un­ge­ach­tet der mög­li­chen Lie­bes­hei­rat stets auch die wirt­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung be­dacht wur­de. Nichts­des­to­we­ni­ger sind spä­ter­hin Kon­flik­te ent­stan­den. Dies trat be­reits bei der Hei­rat des äl­tes­ten Soh­nes Kas­par von Ritz im Jahr 1615 in ein al­tes, land­tags­fä­hi­ges Jü­li­cher Adels­ge­schlecht zu Ta­ge. Es kam mit den bei­den Töch­tern An­na und Ka­tha­ri­na ein hef­ti­ger wie lang­jäh­ri­ger Streit um die fi­nan­zi­el­le Aus­stat­tung des Erst­ge­bo­re­nen auf, der bis vor das Reichs­kam­mer­ge­richt ge­tra­gen wur­de (das vier­te Kind, Pe­ter, war der­zeit schon Or­dens­bru­der und hat­te da­mit dem Welt­li­chen ent­sagt).

5.6 Frühneuzeitliche Medizin und Gesundheit

Bei der Er­ör­te­rung me­di­zi­ni­scher Fra­gen steht die im Lau­fe des Jah­res 1588 ein­set­zen­de schwe­re Er­kran­kung (Läh­mung) der ers­ten Frau von Si­mo­ni­us Ritz im Mit­tel­punkt. Sie war bald auf täg­li­che Hil­fe von Mäg­den an­ge­wie­sen. Die Be­hand­lun­gen ge­ben Auf­schlüs­se über den me­di­zin­his­to­ri­schen Kon­text. Sie er­folg­ten ins­be­son­de­re durch die jü­lich-kle­vi­schen Ho­f­ärz­te, un­ter ih­nen der be­kann­te Me­di­zi­ner Ga­le­nus Wey­er (1547-1619), die sei­ner­zeit den er­kran­ken Jü­li­cher Fürs­ten zu ku­rie­ren ver­such­ten, aber auch durch ei­ne un­be­kann­te, nicht nä­her be­zeich­ne­te ‚Hei­le­rin‘ in Aa­chen, wo­bei man da­von aus­ge­hen kann, dass ei­ne Ab­gren­zung zwi­schen ge­lehr­ter Schul- und Volks­me­di­zin vor dem 19. Jahr­hun­dert nicht be­stand. 

Die Ärz­te ver­ord­ne­ten ver­schie­de­ne Heil­mit­tel des Pa­ra­cel­sus und Trink­ku­ren.[23] Die The­ra­pie er­folg­te auch aus­wärts an den war­men Aa­che­ner und Burt­schei­der Quel­len so­wie an den ei­sen- und schwe­fel­hal­ti­gen Was­sern in Spa. Si­mo­ni­us Ritz, in des­sen Le­bens­be­schrei­bung die Krank­heits­ge­schich­te sei­ner Frau ei­nen ver­gleichs­wei­se um­fang­rei­chen Raum ein­nimmt, be­schreibt ein ei­gens an­ge­fer­tig­tes Ge­rät zur Be­damp­fung der er­krank­ten Kör­per­stel­len mit Kräu­tern.

Den Grund ih­res Ab­le­bens deu­te­te Si­mo­ni­us Ritz ver­mut­lich un­ter Be­zug auf die Auf­fas­sung der Ärz­te mit dem Mo­dell der Säf­tel­eh­re des grie­chi­schen Arz­tes Ga­le­nos von Per­ga­mon (um 129-um 216), auf den dem­nach der Bei­na­me des Arz­tes Wey­er zu­rück­ge­hen wird.

Dar­über hin­aus sind den Et­gen­dor­fer Haus­halts­rech­nun­gen ein­zel­ne Hin­wei­se auf die Be­hand­lung von Pe­trus Si­mo­ni­us in den letz­ten Wo­chen sei­nes Le­bens zu ent­neh­men, et­wa der Kauf ver­schie­de­ner Me­di­ka­men­te in der Apo­the­ke zu Jü­lich. 

5.7 Soziale Mobilität

Im Fo­kus der so­zia­len Mo­bi­li­tät steht zu­nächst die Her­aus­bil­dung und so­zia­le Ver­or­tung der spät­mit­tel­al­ter­li­chen Mi­nis­te­ria­len­schicht so­wie ihr Hin­ein­wach­sen in die so­zia­le Grup­pe der Rit­ter be­zie­hungs­wei­se des nie­de­ren Land­adels. Bei den Mi­nis­te­ria­len han­delt es sich um Per­so­nen, wie sie uns im 13. Jahr­hun­dert im Zu­sam­men­hang mit dem Hof Et­gen­dorf be­geg­nen und spä­ter, wäh­rend des 15. Jahr­hun­derts, auch im Kreis der Fa­mi­lie von Laach. Die­se so­zia­len Ent­wick­lun­gen ste­hen in Ver­bin­dung mit der sich wäh­rend des 12./13. Jahr­hun­derts auf­lö­sen­den Vil­li­ka­ti­ons­ver­fas­sung, ei­ner spe­zi­fi­schen Form der Grund­herr­schaft.

Bei der Be­trach­tung der Fa­mi­li­en­ge­schich­te des 16. bis 18. Jahr­hun­derts rückt das Ver­hält­nis und die Über­schnei­dung der Le­bens­be­rei­che bür­ger­li­cher und ad­li­ger Schich­ten in den Vor­der­grund, ins­be­son­de­re die Ab­gren­zung sei­tens der al­tad­li­gen Eli­ten. So er­warb Si­mo­ni­us Ritz be­reits sechs Jah­re vor sei­ner No­bi­li­tie­rung im Jahr 1604 den ad­li­gen Rit­ter­sitz Ri­chard­s­ho­ven zu Nie­de­rembt un­weit Et­gen­dorf. Die Zu­ge­hö­rig­keit zum Adel und des­sen Le­bens­wei­se gal­ten ihm als so­zia­les Vor­bild. Im Zen­trum die­ser Be­ob­ach­tun­gen steht die er­wähn­te Ein­hei­rat des erst­ge­bo­re­nen Soh­nes Kas­par in ei­ne al­te Jü­li­cher Adels­fa­mi­lie. An­ders als sein Va­ter, nahm Kas­par nicht mehr ei­ne ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung auf sich, die als klas­si­scher bür­ger­li­cher, an ei­nen Bil­dungs­er­werb ge­bun­de­nen Auf­stieg zu ver­ste­hen ist. Viel­mehr such­te er ne­ben sei­ner hö­fi­schen An­we­sen­heit wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges ei­ne ade­lig-stan­des­ad­äqua­te Tä­tig­keit im Mi­li­tär­we­sen. Er wur­de in den 1630er Jah­ren Kriegs­kom­mis­sar im gleich­zei­ti­gen Auf­trag der Jü­li­cher Land­stän­de und des Kai­sers. Sei­ne Auf­ga­be be­stand in der fi­nan­zi­el­len Ver­sor­gung des Hee­res. Die vor­han­de­nen Un­ter­la­gen zei­gen ein mit­un­ter dich­tes Bild des Kriegs­all­tags auf: Kont­ri­bu­tio­nen und Ein­quar­tie­run­gen, Kos­ten der Mi­li­tär­ein­hei­ten und Auf­zeich­nun­gen über Ge­fal­le­ne und Ge­fan­ge­ne. 

In die­sen Jahr­zehn­ten ging Kas­par auch per­sön­li­che Ri­si­ken ein, et­wa in­dem er von den 1620er bis in die 1640er Jah­re zwecks Er­pres­sung von Lö­se­geld vier­mal in Ge­fan­gen­schaft der Ge­ne­ral­staa­ten ge­riet (ge­fan­gen vnd ihm das pferdt vn­der dem leib ge­scho­ßen […] Knecht er­mordt, be­raubt, ge­kne­belt vnd rant­zo­nirt [24] ). Sie dau­er­te zum Bei­spiel im Jahr 1624 gan­ze 44 Wo­chen an, bis er sich mit ei­ner Zah­lung von 4.000 Reichs­ta­lern frei­kau­fen konn­te.

Trotz ei­ner an­geb­lich so­gar schrift­li­chen Zu­sa­ge des Lan­des­fürs­ten an­läss­lich der Hei­rat Kas­pars im Jahr 1615, wo­nach er un­ter die Jü­li­cher Rit­ter­schaft auf­ge­nom­men wer­den und mit ei­ner ad­äqua­ten (Amt­mann-)Stel­le im Raum um Jü­lich, Al­den­ho­ven und Gre­ven­broich be­zie­hungs­wei­se im Wes­ten des Her­zog­tums oder auch in der Ei­fel ver­sorgt wer­den soll­te, sind die viel­fäl­ti­gen Be­mü­hun­gen von Si­mo­ni­us Ritz für sei­nen Sohn letz­ten En­des er­folg­los ge­blie­ben. Es wä­re tat­säch­lich ein so­wohl in An­be­tracht der Be­set­zung der Amt­mann­stel­le, vor al­lem aber bei der Auf­nah­me un­ter die Rit­ter­schaft un­ge­wöhn­li­cher Vor­gang ge­we­sen, wenn ein ‚ho­mo no­vus‘ (Neu­ling, Auf­stei­ger) der­art plat­ziert wor­den wä­re. 

Ein ähn­li­ches Mus­ter ist bei der Ver­sor­gung der weib­li­chen Nach­fah­ren in Klös­tern er­kenn­bar, was eben­falls nach ad­li­gem Vor­bild ge­schah, zu dem der hier be­trach­te­te Haupt­zweig Ritz seit 1604 ge­hör­te. Sol­ches ist zwar auch in den bür­ger­li­chen Li­ni­en zu be­ob­ach­ten, wie zum Bei­spiel im Fal­le der ge­nann­ten Toch­ter Mohr, die in das Klos­ter Her­ken­rath ein­tre­ten soll­te. Die­se Ver­sor­gungs­mög­lich­keit wur­de je­doch häu­fi­ger im ad­li­gen Fa­mi­li­en­kreis ge­nutzt. Bei­spiels­wei­se tra­ten al­le vier Töch­ter aus der Ehe Kas­pars und An­nas von Berg ge­nannt Durf­fen­thal in Klös­ter der Re­gi­on ein. Das setzt sich über das En­de des al­ten Rei­ches fort, bis hin zu Eleo­no­re Ca­ro­li­ne von Ritz, die 1827 als Stift­da­me zu Her­de­cke ver­starb. 

Fotografie des Hauses Etgendorf, undatiert, Foto: Gräfin Daisy von Bernstorff. (Privat)

 

Der so­zia­le Auf­stieg mit dem Ziel ei­ner Auf­nah­me in den al­ten Jü­li­cher Adel ge­lang trotz ste­ter Be­mü­hun­gen der Nach­fah­ren von Si­mo­ni­us Ritz und ih­rer un­un­ter­bro­che­nen Tä­tig­keit als jü­lich-ber­gi­sche Hof­rä­te erst 1764 oder nur we­ni­ge Jah­re da­vor. Da­mals wur­de Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz‘ Ur­ur­ur-En­kel Karl Fried­rich von Ritz (1715–1794), seit 1736 als Hof­rat im Dienst des Her­zogs von Jü­lich-Berg und seit 1745 mit Fran­zis­ka Char­lot­te v. Rol­s­hau­sen (ge­stor­ben 1767) ver­hei­ra­tet, zur Jü­li­cher Rit­ter­schaft auf­ge­schwo­ren. Der so­zia­le An­nä­he­rungs­pro­zess hat­te al­so gut an­dert­halb Jahr­hun­der­te ge­dau­ert und ver­lief über fünf Ge­ne­ra­tio­nen (von Ritz ver­hei­ra­tet mit: von Berg ge­nannt Durf­fen­thal, von Lys­kir­chen zu Trans­dorf, von Bon­gard zu Paf­fen­dorf, von Ba­wyr zu Fran­ken­berg und von Rol­s­hau­sen). Auch der Er­halt (Kauf) ei­ner Amt­mann­schaft – in sei­nem Fall der von Gre­ven­broich/Glad­bach – war erst we­ni­ge Jah­re vor­an­ge­gan­gen (1740/1745) und muss­te ge­gen den Wi­der­stand des al­ten Adels durch­ge­setzt wer­den, der sich so­wohl dem Lan­des­herrn wie dem Be­güns­tig­ten ent­schie­den ent­ge­gen­stell­te.[25] 

Dass die Fa­mi­lie end­lich den lan­ge er­streb­ten so­zia­len Sta­tus er­reicht hat­te, zei­gen die Kar­rie­ren der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on, die über das an­ge­stamm­te Jü­li­cher Ter­ri­to­ri­um hin­aus­reich­ten. Au­ßer dem oben aus­führ­lich er­wähn­ten Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz, dem erst­ge­bo­re­nen Sohn Karl Fried­richs, ge­lang dem zweit­ge­bo­re­nen Sohn Adolph Am­bro­si­us (1751– 1840) die Auf­nah­me un­ter die kur­k­öl­ni­sche Rit­ter­schaft. Er mach­te im kur­pfäl­zi­schem Mi­li­tär­dienst Kar­rie­re und führ­te spä­ter­hin ein ad­li­ges Land­le­ben auf sei­nem Gut Wa­chen­dorf bei Eus­kir­chen. Der Dritt­ge­bo­re­ne Fer­di­nand Ma­ria (1755– 1831) trat eben­falls in mi­li­tä­ri­sche Diens­te, in sei­nem Fall beim Fürst­bi­schof zu Spey­er. Dort wur­de er 1775 Ge­hei­mer Rat und Hof­mar­schall. Sein Va­ter hat­te ihn 17-jäh­rig an die Re­si­denz in Spey­er ge­schickt, wo sich ein recht pri­va­tes und en­ges Ver­trau­ens­ver­hält­nis zum Fürst­bi­schof ent­wi­ckel­te, der ihn auch tes­ta­men­ta­risch be­dach­te. Nach der Auf­lö­sung des geist­li­chen Staa­tes kam er im Gro­ßher­zog­tum Ba­den zu Amt und Wür­den, wo er als Hof­mar­schall und Ge­hei­mer Rat fun­gier­te. 

6. Schlussbetrachtung

Die im letz­ten Ka­pi­tel dar­ge­stell­ten struk­tu­rel­len The­men, die an­hand der Über­lie­fe­rung zum Fa­mi­li­en­kreis von Laach – Si­mo­ni­us Ritz be­ar­bei­tet wur­den, zei­gen ei­nen brei­ten Quer­schnitt durch die spät­mit­tel­al­ter­li­che und früh­neu­zeit­li­che So­zi­al­ge­schich­te am Nie­der­rhein, wie sie wohl auch für ver­gleich­ba­re Fa­mi­li­en­ver­bän­de Gel­tung be­an­spru­chen dürf­te. Ab­ge­se­hen von der über die nar­ra­ti­ve Dar­stel­lungs- und Prä­sen­ta­ti­ons­form in­ten­dier­te leich­te Zu­gäng­lich­keit auch für In­ter­es­sier­te au­ßer­halb der fach­his­to­ri­schen Zunft be­steht ein we­sent­li­ches Ziel der Un­ter­su­chung dar­in, die gut ein Sä­ku­lum dau­ern­de lan­des­ge­schicht­li­che For­schung in vie­len ih­rer un­ter­schied­li­chen Be­rei­che von der Ver­fas­sungs- bis zur So­zi­al­ge­schich­te zu­sam­men­zu­fas­sen. 

Quellen

Stadt­ar­chiv Mön­chen­glad­bach, Be­stand 24: Ritz zu Et­gen­dorf und das Fa­mi­li­en­ar­chiv von zur Müh­len, Haus Merls­heim (Kr. Höx­ter), Be­stand Ritz.

Literatur

Burg­hardt, Franz Jo­sef, Die Ge­hei­men Rä­te der Her­zog­tü­mer Jü­lich und Berg 1692–1742. Ein Bei­trag zur nie­der­rhei­ni­schen Ge­sell­schafts­struk­tur im Zeit­al­ter des Ab­so­lu­tis­mus, Me­sche­de 1992.

Dös­se­ler, Emil, Die jü­lich-ber­gi­sche Kanz­ler­fa­mi­lie Lü­ninck, in: Düs­sel­dor­fer Jahr­buch 45 (1951) S. 150–184.

Nie­derau, Kurt, Die jü­lich-ber­gi­sche Kanz­ler­fa­mi­lie Lü­ninck, Nach­trä­ge und An­mer­kun­gen, in: Düs­sel­dor­fer Jahr­buch 51 (1963), S. 259–280.

Rich­ter, Olaf, Die jü­lich-ber­gi­schen Rä­te und der Erb­fol­ge­streit, in: Gro­ten, Man­fred/Looz-Cors­wa­rem, Cle­mens von/Rei­ninghaus, Wil­fried (Hg.), Der Jü­lich-Kle­vi­sche Erb­streit 1609. Sei­ne Vor­aus­set­zun­gen und Fol­gen, Vor­trags­band, Düs­sel­dorf 2011, S. 111–136.

Rich­ter, Olaf, Nie­der­rhei­ni­sche Le­bens­wel­ten, Nie­der­rhei­ni­sche Le­bens­wel­ten in der Frü­hen Neu­zeit - Pe­trus Si­mo­ni­us Ritz (1562-1622) und sei­ne Fa­mi­lie zwi­schen Bür­ger­tum und Adel, Köln [u.a.] 2015.

Rich­ter, Olaf, Zum Le­ben im ad­li­gen Haus um 1800. Das Dienst­per­so­nal und sein Ver­hält­nis zur Herr­schaft am Bei­spiel des nie­der­rhei­ni­schen Ad­li­gen Fried­rich Jo­hann Wil­helm von Ritz zu Et­gen­dorf, in: Die Hei­mat. Kre­fel­der Jahr­buch 82 (2011), S. 156–161.

Stom­mel, Karl, Jo­hann Adolf Frei­herr Wolff ge­nannt Met­ter­nich zur Gracht, Vom Lan­drit­ter zum Land­hof­meis­ter. Ei­ne Kar­rie­re im 17. Jahr­hun­dert, Köln 1986. 

Verlauf der Erft von Kaster über Bedburg nach Paffendorf mit Bezeichnung der angrenzenden Ländereien nach ihrer Territorialzugehörigkeit, um 1686.. (Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland/RW Karten 2604)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Richter, Olaf, Familiengeschichte als Landesgeschichte: Die Jülicher Familie Simonius genannt Ritz vom 15.-19. Jahrhundert, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/familiengeschichte-als-landesgeschichte-die-juelicher-familie-simonius-genannt-ritz-vom-15.-19.-jahrhundert/DE-2086/lido/677bf603eba000.10978941 (abgerufen am 19.01.2025)