Stadt Essen

Süd-Panorama der Stadt Essen, Blick auf die alte Synagoge, 2006. (Stadtbildstelle Essen)

Keim­zel­le der Stadt Es­sen ist das in der Mit­te des 9. Jahr­hun­derts ge­grün­de­te Stift. Die­se Grün­dung er­folg­te, wie ar­chäo­lo­gi­sche Be­fun­de zei­gen, in ei­nem be­reits be­sie­del­ten Ge­biet. Auch der Na­me „Ast­ni­de" ist wohl äl­te­ren Ur­sprungs. Er wird als „Ort im Os­ten" ge­deu­tet, wo­bei ei­ne Sied­lung Wes­ten­dorp der Ge­gen­pol war. 

Nörd­lich des Stifts­be­zirks lie­ßen sich Hand­wer­ker, Bau­ern und Kauf­leu­te nie­der. In ei­nem Wun­der­be­richt über den hei­li­gen Li­ud­ger aus dem 11. Jahr­hun­dert wird die­se An­sied­lung zwar als „ci­vi­tas" be­zeich­net, doch die Ent­wick­lung zur Stadt im Rechts­sinn war erst im 13. Jahr­hun­dert ab­ge­schlos­sen. Die „Bür­ger­ge­mein­de Es­sen" ist erst­mals 1244 be­legt. In die­sem Jahr schlie­ßen Ver­tre­ter der Bür­ger­schaft ei­nen Ver­trag mit den Mi­nis­te­ria­len der Äb­tis­sin über den Bau der Stadt­be­fes­ti­gung ab. Be­glau­bigt ist die Ur­kun­de mit dem gro­ßen Stadt­sie­gel, das bis zum En­de des An­ci­en Ré­gime im Ge­brauch ge­we­sen ist. 1272 wer­den die zwölf „con­su­les", die Rats­her­ren, bei ei­nem Rechts­ge­schäft na­ment­lich ge­nannt.

Das Große Essener Stadtsiegel. (Stadtarchiv Essen)

 

In der Fol­ge­zeit war die Stadt be­müht, sich aus der Herr­schaft der Äb­tis­sin zu lö­sen und die Reichs­un­mit­tel­bar­keit zu er­lan­gen. 1377 be­stä­tig­te Kai­ser Karl IV. (Re­gie­rungs­zeit 1346-1378), dass Stadt und Bür­ger seit al­ters­her un­mit­tel­bar dem Reich un­ter­stellt ge­we­sen sei­en, ob­wohl er fünf Jah­re zu­vor der Für­stäb­tis­sin die Ober­herr­schaft über die Stadt be­schei­nigt hat­te. Da bei­de Par­tei­en ein kai­ser­li­ches Zeug­nis be­sa­ßen, hiel­ten die Aus­ein­an­der­set­zun­gen an. Auch mit dem 1399 ge­schlos­se­nen „Scheid­brief" konn­te der Streit nicht bei­ge­legt wer­den.

Der Kon­flikt ver­schärf­te sich, als sich die Stadt 1563 zum evan­ge­li­schen Glau­ben be­kann­te. Ein von der Für­stäb­tis­sin an­ge­streng­ter Pro­zess brach­te nach mehr als 100 Jah­ren Ver­hand­lungs­dau­er kei­ne Klar­heit, denn das Ur­teil des Reichs­kam­mer­ge­richts vom 4.2.1670 be­stä­tig­te zwar die Ober­ho­heit der Für­stäb­tis­sin, er­kann­te aber zu­gleich al­le Rech­te der Stadt ein­schlie­ß­lich des Re­li­gi­ons­be­kennt­nis­ses an. So hiel­ten die Aus­ein­an­der­set­zun­gen bis zum En­de des Al­ten Rei­ches an.

Es­sen war im Spät­mit­tel­al­ter und in der frü­hen Neu­zeit ei­ne Klein­stadt oh­ne gro­ße Be­deu­tung. Auf dem um­mau­er­ten Are­al von 37 Hekt­ar leb­ten im 14. Jahr­hun­dert et­wa 3.000 Per­so­nen. Die Zahl er­höh­te sich bis zum Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg (1618-1648) auf 4.000-5.000, doch an­schlie­ßend fiel sie wie­der auf den al­ten Wert zu­rück.

Civitatis Essensis exactissima descriptio, um 1581. Aus: Georg Braun, Franz Hogenberg: Contrafactur vnd Beschreibung von den vornembsten Stetten der Welt, 1574-1618, Foto: Rainer Rothenberg. (Ruhr Museum Essen)

 

Zwar war Es­sen über den so ge­nann­ten Vor­ort Dort­mund no­mi­nell Mit­glied der Han­se, doch Es­se­ner Ver­tre­ter wa­ren auf den Hans­e­ta­gen nicht an­we­send. Das füh­ren­de Ge­wer­be war seit dem 16. Jahr­hun­dert die Ge­weh­r­in­dus­trie, die ih­re Blü­te­zeit wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Kriegs er­leb­te. In der Fol­ge­zeit un­ter­lag die Ge­wehr­fa­bri­ka­ti­on star­ken Kon­junk­tur­schwan­kun­gen, ehe sie im 18. Jahr­hun­dert in die völ­li­ge Be­deu­tungs­lo­sig­keit ab­glitt.

Basilika St. Liudger Werden, 2009. (Stadtbildstelle Essen)

 

Am 3.8.1802 be­setz­ten preu­ßi­sche Trup­pen die Stadt, die zu­sam­men mit dem Stift und der Ab­tei Wer­den so­wie dem Reichs­stif­t El­ten al­s Ent­schä­di­gun­g ­für die ver­lo­ren ge­gan­ge­nen links­rhei­ni­schen Ge­bie­te 1803 an Preu­ßen fiel. 1806 kam Es­sen zum Rhein­de­par­te­ment de­s Gro­ßher­zog­tums Berg. Nach 1815 war Es­sen eben­so wie die um­lie­gen­den Bür­ger­meis­te­rei­en Teil des gleich­na­mi­gen Land­krei­ses, der aber 1823 mit dem Land­kreis Dins­la­ken zum Land­kreis Duis­burg ver­ei­nigt wur­de. 1873 wur­de die Stadt von dem 1859 wie­der­her­ge­stell­ten Land­kreis Es­sen ab­ge­trennt und da­mit kreis­frei. Ob­wohl Franz Din­nen­dahl, ein Pio­nier des Dampf­ma­schi­nen­baus, hier sei­ne Werk­statt ein­rich­te­te und Fried­rich Krupp s­ei­ne ers­ten Ver­su­che zur Her­stel­lung von Guss­stahl tä­tig­te, war Es­sen bis zur Mit­te des 19. Jahr­hun­derts ­noch ein klei­nes Land­städt­chen mit 8.000 Ein­woh­nern (1846). Die Ent­wick­lung zur Groß­stadt (1896) ver­lief im ame­ri­ka­ni­schen Tem­po und be­ruh­te auf drei von ein­an­der ab­hän­gi­gen, sich ge­gen­sei­tig ver­stär­ken­den Fak­to­ren: dem Auf­schwung des Berg­baus nach der er­folg­rei­chen Durch­sto­ßung der Mer­gel­de­cke, dem Aus­bau des Ei­sen­bahn­net­zes und dem Auf­stieg der Krupp­schen Guss­stahl­fa­brik zum Welt­kon­zern. Al­fred Krupp er­fand nicht nur den naht­lo­sen Rad­rei­fen – sei­ne wohl be­deu­tends­te Er­fin­dung –, son­dern sei­ne Fir­ma lie­fer­te auch Schie­nen so­wie Ach­sen und Fe­dern für die Wag­gons. Fer­ner tru­gen zum Wachs­tum des Krupp-Kon­zerns die Her­stel­lung von bil­li­gem Mas­sen­stahl dank des Bes­se­mer-Ver­fah­rens und die Rüs­tungs­pro­duk­ti­on bei. Vor al­lem letz­te­re wur­de von der Öf­fent­lich­keit stark be­ach­tet und mach­te Es­sen zur „Ka­no­nen­stadt". Es­sen war aber auch ei­ne Stadt des Berg­baus, denn vie­le Ze­chen­ge­sell­schaf­ten und Berg­bau­ver­bän­de (1858: Ver­ein für die berg­bau­li­chen In­ter­es­sen; 1893: Rhei­nisch-West­fä­li­sches Koh­len­syn­di­kat; 1906: Ze­chen­ver­band) hat­ten hier ih­ren Sitz.

Essen von Osten, Gemälde um 1829, Original im Ruhr Musuem Essen. (Stadtbildstelle Essen)

 

Die Ein­ge­mein­dun­gen von 1901 (Al­ten­dorf), 1905 (Rüt­ten­scheid), 1908 (Hut­trop), 1910 (Rel­ling­hau­sen), 1915 (Bor­beck, Al­ten­es­sen, Bre­de­ney) und 1929 (Stee­le, Wer­den, Hei­sin­gen, Kup­fer­dreh, Über­r­uhr, Kray, Fril­len­dorf, Schon­ne­beck, Stop­pen­berg, Ka­tern­berg, Kar­nap) mach­ten Es­sen zur grö­ß­ten Stadt des Ruhr­ge­biets. Es fes­tig­te sei­ne Po­si­ti­on als „Me­tro­po­le des Re­viers", die in den 1920er Jah­ren in vie­len Be­rei­chen ei­nen be­acht­li­chen Auf­schwung er­leb­te. Folk­wang soll­te zum über­re­gio­nal be­kann­ten Mar­ken­zei­chen künst­le­ri­schen Schaf­fens wer­den. Die in die­sen Jah­ren er­rich­te­ten Bau­ten (Bör­se, Ver­wal­tungs­ge­bäu­de des Ruhr­sied­lungs­ver­ban­des, Licht­burg, Deutsch­land­haus) fan­den all­ge­mein An­er­ken­nung. Die Schacht­an­la­ge 12 der Ze­che Zoll­ver­ein, ei­ne Iko­ne der Berg­bau­ar­chi­tek­tur von 1932, nahm die UNESCO 2002 in die Lis­te des Welt­kul­tur­er­bes auf.

Postkarte, Gruß aus der 'Kanonenstadt' Essen. (Stadtarchiv Essen)

 

We­gen ih­rer zen­tra­len La­ge stand die Stadt stets im Mit­tel­punkt der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, so wäh­rend der Re­vo­lu­ti­ons­zeit 1918/1919, des Ruhr­kamp­fes 1920 und der Ruhr­be­set­zung 1923-1925. Es­sen, das im NS-Staat als „Waf­fen­schmie­de des Rei­ches" ge­fei­ert wur­de, ob­gleich die Rüs­tungs­pro­duk­ti­on bei Krupp kei­nes­wegs die Rol­le ge­spielt hat, wie es die Pro­pa­gan­da ver­mu­ten ließ, war im Zwei­ten Welt­krieg Ziel zahl­rei­cher Gro­ßan­grif­fe, die die In­nen­stadt zu 93% zer­stör­ten. Von den ehe­mals 660.000 Ein­woh­nern leb­ten am Kriegs­en­de nur noch 285.000 in der Stadt. Nach dem Krieg un­ter­lag Es­sen ei­nem grund­le­gen­den Struk­tur­wan­del. Krupp pro­du­zier­te kei­nen Stahl mehr, der Berg­bau ge­riet seit den spä­ten 1950er Jah­re in ei­ne Kri­se, so­dass ei­ne Ze­che nach der an­de­ren schlie­ßen muss­te. Als am 23.12.1986 auf Zoll­ver­ein die För­de­rung ein­ge­stellt wur­de, en­de­te ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on, die die Stadt ent­schei­dend ge­prägt hat­te. Statt­des­sen ge­wan­nen Han­del und Dienst­leis­tun­gen grö­ße­res Ge­wicht.

Zeche Zollverein, Schacht 12, 1930er Jahre. (Stadtarchiv Essen)

 

Es­sen, des­sen Stadt­ge­biet sich durch die Ein­ge­mein­dun­gen von Bur­gal­ten­dorf (1970) und Kett­wig (1975) noch­mals ver­grö­ßer­te, ist seit 1958 Bi­schofs­sitz un­d ­seit 1973 Uni­ver­si­täts­stadt.

Der Mo­der­ni­sie­rungs­pro­zess ist noch nicht ab­ge­schlos­sen. Die er­folg­rei­che Be­wer­bung als eu­ro­päi­sche Kul­tur­haupt­stadt 2010 wird ihn eben­so vor­an­brin­gen wie die Ver­le­gung der Haupt­ver­wal­tung von Thys­sen­Krupp von Düs­sel­dorf nach Es­sen.

Literatur

Bors­dorf, Ul­rich (Hg.), Es­sen. Ge­schich­te ei­ner Stadt, Es­sen 2002.
Ger­chow, Jan (Hg.), Die Mau­er der Stadt. Es­sen vor der In­dus­trie 1244 bis 1865, Bot­trop/Es­sen 1995.
Wisotz­ky, Klaus, Vom Kai­ser­be­such zum Eu­ro-Gip­gel. 100 Jah­re Es­se­ner Ge­schich­te im Über­blick, Es­sen 1996.

Online

In­for­ma­tio­nen und Do­ku­men­te zur Stadt­ge­schich­te (Web­site der Stadt Es­sen). [On­line]

Zerstörte Essener Innenstadt, Umgebung Marktkirche und Rathaus, um 1943. (Stadtbilstelle Essen)

 
Zitationshinweis

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Wisotzky, Klaus, Stadt Essen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/stadt-essen/DE-2086/lido/57d11f99629534.85466161 (abgerufen am 13.12.2024)

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