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Adalbert Hartel kam am 15.1.1917 im ostpreußischen Ort Voigtsdorf im Landkreis Rössel (Regierungsbezirk Allenstein) zur Welt. Seine Eltern waren der Lehrer und Journalist Aloysius Hartel (1874-1923) und dessen Ehefrau Catharina von Komorowski (1881-1954). Über die Kindheit und Jugend Hartels in Ostpreußen sowie über seine offenbar wenig erfolgreiche schulische Karriere ist nur wenig bekannt. Im Jahre 1923 zog die Familie nach dem Tod des Vaters in den nahe gelegenen Ort Bischofstein.
Hartels Talent lag auf künstlerischem Gebiet, und so begann er zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Ende der 1930er Jahre eine Ausbildung am Landestheater Allenstein, dem heutigen Stefan-Jaracz-Theater. Im Volksmund wurde das Theater nach seiner Vollendung im Jahre 1925 als „Treudank“ bezeichnet, da es durch die Treudank-Stiftung finanziert worden war. Die Spielzeit am Theater dauerte neun Monate, gefolgt von zweimonatigen Sommertourneen des Treudank-Ensembles in die samländischen Seebäder Cranz, Rauschen und Neukuhren. Zusammen mit zwei weiteren Lehrlingen trat Hartel als „Volontär“ mit einem Monatssalär von 30 Reichsmark in den „Malersaal“ ein. 1939 wurde er vom Theater übernommen und mit ersten Bühnenbildern betraut.
Seinen Wehrdienst leistete Hartel in der Beobachtungs-Abteilung I in Königsberg ab. Er nahm ab 1939 an den Feldzügen in Polen, Frankreich und Russland teil. Einen nicht näher zu datierenden Fronturlaub erhielt Hartel gegen Ende 1942, Anfang 1943. Der Grund dafür war ein Gedenkblatt, das Hartel für seine Division entworfen und für das er in einem Wettbewerb den Ersten Preis erhalten hatte. Dieser Preis war mit einem Studienurlaub in Wien verbunden. Von Charkow (Ukraine) reiste Hartel daher mit einem Güterzug an die Donau – die Fahrt dauerte zehn Tage -, um an der Akademie der Bildenden Künste in die Bühnenbildklasse von Emil Pirchan (1884-1957) aufgenommen zu werden. Seine Bühnenbildentwürfe für die Oper „Tiefland“ von Eugène d’Albert (1864-1932) wurden mit dem Akademiepreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Zu einer Aufführung an der Wiener Oper kam es jedoch aufgrund des Krieges nicht mehr. „Wieder zurück an die Front nach Russland, Kesselschlacht um Charkow“, heißt es lapidar in seinem im Unternehmensarchiv des WDR archivierten Lebenslauf. Gemeint ist vermutlich die so genannte dritte Schlacht um Charkow, die in den Monaten Februar und März 1943 stattfand.
Wegen einer Gelbsucht erhielt Hartel im weiteren Verlauf des Krieges Genesungsurlaub. Nach der Invasion der Alliierten in der Normandie im Frühsommer 1944 geriet er in Frankreich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. „Glück für mich“, resümierte er in seinem Lebenslauf, denn im Kriegsgefangenenlager erhielt er die Chance zu einer dauernden künstlerischen Betätigung. In einer „Souvenirkompagnie“ im Lager Le Havre produzierten Maler und Grafiker Andenken für amerikanischen GIs: Nach Fotos zeichneten und malten sie die daheimgebliebenen Frauen, Kinder und Haustiere. „Die Bilder wurden in Kisten verpackt und nach Amerika transportiert“, und die Nachfrage sei so stark gewesen, dass man schließlich „am laufenden Band“ Porträts hergestellt habe. Die Entlohnung bestand in Zigaretten und Schokolade, die das unmittelbare Überleben nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sichern sollten. Daneben malte Hartel für den privaten Gebrauch: Szenen aus der Gefangenschaft, die er mangels Farben mit aufgelöstem Nescafé-Pulver anfertigte und die sich heute im Besitz seiner Erben befinden.
Im Januar 1946 erfolgte die Entlassung Hartels aus der Kriegsgefangenschaft. Seine Einheit wurde nach Heilbronn am Neckar verlegt; von dort begab er sich in Anbetracht der sowjetischen Besetzung Ostpreußens zu einem Freund in den Odenwald, der ihm Unterschlupf gewährte.
Am 1.8.1946 begann die bis 1960 währende Phase seines Schaffens als Bühnenbildner und Ausstattungsleiter an verschiedenen westdeutschen Bühnen. Von 1946-1952 war Hartel am Staatstheater in Wiesbaden verpflichtet. Im Anschluss daran wechselte er als Leiter der Ausstattung an die Städtischen Bühnen in Lübeck. Gastspiele des Ensembles führten ihn dabei bis nach Schweden. Mit der bekannten Gastregisseurin Ida Ehre (1900-1989) arbeitete Hartel bei der Inszenierung von „Bernarda Albas Haus“ von Federico Gracia Lorca (1898-1936) zusammen. In Lübeck blieb Hartel bis 1955, dann übernahm er - bis 1960 - die Position eines Leiters der Ausstattung an den Städtischen Bühnen in Freiburg/Breisgau. Hartels bühnenbildnerisches Schaffen stach in jenen Jahren nach dem Befund des Theaterwissenschaftlers Gerald Köhler - in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog FernsehBilder - jedoch nicht „aus der Menge der Bühnenbildner“ heraus.
Dies änderte sich mit seinem Wechsel zum frühen Fernsehen. Hier fand Hartel die ihm adäquate Ausdrucksform. Über die Motivation zum Wechsel des Mediums schrieb er in einem Lebenslauf: „Jeder kleine Dramaturg wurde Intendant, erfand das Theater neu und brachte mehr oder weniger qualifizierte Leute mit. Ich hatte keine Lust mehr und versuchte es beim 1960 noch relativ neuen Fernsehen.“
1960 wechselte Hartel zum Westdeutschen Rundfunk nach Köln, zunächst als freier Mitarbeiter, ab dem 1.8.1963 in Festanstellung. In den folgenden drei Jahrzehnten stattete Hartel abgesehen vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) Produktionen für den Sender Freies Berlin (SFB), das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) oder den Saarländischen Rundfunk (SR) aus. Hartel arbeitete dabei mit bedeutenden Regisseuren wie Rolf von Sydow (geboren 1924), Edward Rothe (1909-1978), Wilhelm Semmelroth (1914-1992), Günter Hassert (1919-1991) – nach Hartels Erinnerung dem „optischsten Regisseur, den ich je kennengelernt habe“ – und Michael Pfleghar (1933-1991) zusammen. Hartels vermutlich bekannteste Arbeit ist die Ausstattung der WDR-Comedy „Klimbim“ (Sendedaten: 24.7.1973–30.12.1979).
Eine wesentliche Quelle zu seinem Fernsehschaffen ist ein im Unternehmensarchiv des WDR archiviertes und von Hartel selbst erstelltes Werkverzeichnis. Ausweislich dieses Verzeichnisses arbeitete Hartel im Fernsehen in den Sparten Ballett, Krimi, Fernsehspiel – und vor allem im Unterhaltungsbereich bei der Ausstattung von Fernsehshows und Comedy-Serien. Als eine seiner besten Produktionen betrachtete er die Ausstattung des Ballettfilmes „Finale“ mit der Tanzgruppe der Wuppertaler Oper vom 9.4.1961.
„Das Verhör am Nachmittag“ von Wolfgang Menge (1924-2012) wurde am 25.2.1965 gesendet und gehörte zu den frühen Fernsehkrimis. Innerhalb der ARD-Krimi-Sendereihe „Tatort“ war Hartel nachweislich an der Produktion „Kressin und die zwei Damen aus Jade“ für den WDR (8.7.1973) beteiligt. In der Sparte WDR-Fernsehspiel war Hartel zunächst in den 1960er Jahren für die Ausstattung zur Produktion „Kean“ von Jean-Paul Sartre (1905-1980) nach dem Theaterstück von Alexandre Dumas d. Ä. (1802-1870) zuständig. Sie wurde am 10.11.1963 ausgestrahlt. Am 6.12.1964 folgte „Das Duell“ von Anton Tschechow (1860-1904).
Eine frühe Ausstattung Hartels für das Unterhaltungsfernsehen des WDR datiert vom 26.9.1962 und trägt den Titel „Sonne – und noch Meer“ („Alguero-Show“). Große Einzelshows oder Sendereihen für den WDR folgten in den 1970er und 1980er Jahren, unter anderem mit der „Ivan-Rebroff-Show“ (25.3.1972-1.1.1975), der „Heidi-Brühl-Show“ (26.6.1972), „Ein Abend mit Roberto Blanco“ (5.6.1983), „Die Rudi Carrell Show“ und schließlich „Die verflixte Sieben“ (7.4.1984-5.12.1987), ebenfalls mit Rudi Carrell (1934-2006). Für das ZDF stattete Hartel sechs Folgen der Sendereihe „Wetten dass ...“ mit Frank Elstner (geboren 1942) aus.
Kulissen und Kostüme zu frühen deutschen Comedy-Serien dürften einem breiten Kreis von Fernsehzuschauern bekannt sein, ohne explizit von Hartels Urheberschaft zu wissen: Neben der erfolgreichen Sendereihe „Klimbim“ unter der Regie von Michael Pfleghar, unter anderem. mit den Schauspielerinnen Elisabeth Volkmann (1936-2006) und Ingrid Steeger (geboren 1947), arbeitete Hartel, wiederum in Zusammenarbeit mit Michael Pfleghar an der Realisation der Sendereihe „Zwei himmlische Töchter“ und „Die Gimmicks“ (11.2.1978-20.5.1978 sowie „Extra“ vom 31.7.1979), in der unter anderem Ingrid Steeger, Iris Berben (geboren 1950) und Dieter Hildebrandt (1927-2013) mitwirkten.
Daneben reüssierte Hartel mit großen Gala-Veranstaltungen, so mit der Silvestergala „Nun geht der Zirkus wieder los“ zum Jahreswechsel 1964/1965 in der Düsseldorfer Kongresshalle mit den Orchestern Kurt Edelhagen und Adalbert Luczkowski. Bei der Produktion „Nur nicht nervös werden“ handelte es sich um eine Rateshow mit Joachim Fuchsberger (1927-2014), dem Orchester Kurt Edelhagen und dem Fernsehballett Kurt Jacob. Sie wurde am 3.9.1961 aus der Deutschlandhalle in Berlin im Rahmen der Funk- und Fernsehausstellung 1961 ausgestrahlt. Am 6.5.1972 wurde die Hauptziehung der ARD-Lotterie „Glücksspirale“ aus der Berliner Deutschlandhalle übertragen. Neben Adalbert Hartel zeichnete Siegfried Zarske für das Szenenbild verantwortlich. Für den SFB stattete Hartel ferner eine „Riverboat“-Party auf dem Wannsee aus.
Von 1965 bis 1979 war Hartel zudem ARD-Koordinator für die Ausstattung der Internationalen Funkausstellungen in Berlin; 1967 zeichnete er verantwortlich für die Dekorationen zum „Deutschen Tag“ anlässlich der Weltausstellung in Montreal.
Den Zenit seiner Laufbahn als Bühnenbildner und Ausstatter erreichte Hartel nach Einschätzung des Theaterwissenschaftlers Gerald Köhler im Fernsehen der 1960er und frühen 1970er Jahre: „Hier sah man Hartels Ausstattungen für diverse Fernsehshows, die der Bühnenavantgarde der Zeit ebenbürtig, bisweilen sogar überlegen waren; konsequent im Zitat der Op- und Pop-Art oder der kinetischen Kunst der Zeit. Die Abstraktheit der Bilder ist von erstaunlicher Kälte. Wie verloren wirken die Stars wie Wencke Myrhe oder Camilo Felgen zwischen den Studiodekorationen.“ (FernsehBilder). Hartel übernahm damit die „Ortlosigkeit“ des zeitgenössischen Bühnenbildes. Hartels späten Ausstattungsstil, etwa für „Klimbim“ oder „Die verflixte Sieben“, bewertet Köhler als „konventionell“, „er machte hier keine Fernseh-Kunst mehr“, sondern „austauschbar[e]“ Fernsehserienausstattung.
Im Dezember 1986 erhielt Hartel den „Telestar-Ehrenpreis der Fernsehunterhaltung“ für sein bühnenbildnerisches Lebenswerk.
Hartel war von 1957-1976 mit Thea, geb. Zimmermann (geb. 1933), verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Hartel in Baden-Baden. Dort starb er am 9.1.2002.
Filmografie (Auswahl)
„Finale“ (9.4.1961) <WDR>
„Nur nicht nervös werden“ (3.9.1961) <SFB>
„Sonne – und noch Meer. Alguero-Show“ (26.9.1962) <WDR>
„Kean“ (10.11.1963) <WDR>
„Das Duell“ (6.12.1964) <WDR>
„Das Verhör am Nachmittag“ (25.2.1965) <WDR>
„Heidi-Brühl-Show“ (26.6.1972) <WDR>
„Ivan-Rebroff-Show“ (25.3.1972-1.1.1975) <WDR>
„Tatort. Kressin und die zwei Damen aus Jade“ (8.7.1973) <WDR>
„Zwei himmlische Töchter“ und „Die Gimmicks“ (11.2.1978-20.5.1978) und „Extra“ (31.7.1979) <WDR>
„Klimbim“ (24.7.1973-30.12.1979) <WDR>
„Ein Abend mit Roberto Blanco“ (5.6.1983) <WDR>
„Die verflixte 7“ (7.4.1984-5.12.1987) <WDR>
Nachlass
Der künstlerische Nachlass befindet sich zum Teil im Privatbesitz der Erben. Diejenigen Teile des Nachlasses, die Hartels Arbeiten für die Theaterbühnen in Wiesbaden, Lübeck und Freiburg betrafen, wurden nach der Räumung von Hartels Baden-Badener Atelier im Januar 2002 an die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln in Schloss Wahn übergeben. Das ZDF betreffende Provenienzen wurden vom Historischen Archiv des ZDF in Mainz übernommen, Arbeiten, die den Sender Freies Berlin betrafen, vom Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam.
WDR-Provenienzen und ein Lebenslauf Hartels sind im Unternehmensarchiv des WDR bzw. im Unternehmensbildarchiv „WDR-Foto“ archiviert. Es handelt sich dabei um einen kleinen, aber wertvollen Bestand an Produktionsunterlagen im Umfang von ca. 1 laufenden Meter. Er enthält Grundrisse von Bühnenaufbauten, Werkzeichnungen, zum Teil Produktionspläne, Requisitenlisten sowie eine Probe „Bühnenschnee“ aus geschredderter weißer Kunststofffolie. Einzigartig sind neun maßstabgetreue Bühnenmodelle, unter anderem für die Fernsehserie „Die verflixte Sieben“ im Teilbestand „Objektdokumentation“ des Unternehmensarchivs.
Literatur
Bernard, Birgit, Teilnachlass des Bühnenbildners Adalbert Hartel (1917-2002) ins Historische Archiv des WDR übernommen, in: Rundfunk und Geschichte 30 (2004), Nr. 1/2, S. 35-37.
FernsehBilder. Heckroth – Hartel – Flimm. Eine Ausstellung der Theaterwissenschaftlichen Sammlung aus Anlass des 50jährigen Jubiläums des WDR. Schloss Wahn, 9. Januar bis 31. März 2006.
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Bernard, Birgit, Adalbert Hartel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adalbert-hartel/DE-2086/lido/5e15d2bd6b64e1.81813663 (abgerufen am 12.12.2024)