Adolf Eichmann

Leiter des "Judenreferates" im Reichssicherheitshauptamt (1906-1962)

Björn Thomann (Suderburg)

Adolf Eichmann in SS-Uniform, Portraitfoto, ca. 1942. (United States National Archives)

Adolf Eich­mann war ei­ner der ent­schei­den­den Vor­rei­ter des Völ­ker­mor­des an den eu­ro­päi­schen Ju­den. Nicht in der ers­ten Rei­he der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Füh­rungs­rie­ge ste­hend, ge­lang dem un­schein­ba­ren SS-Ober­sturm­bann­füh­rer der Auf­stieg zu ei­nem der mäch­tigs­ten Funk­tio­nä­re im NS-Staat. Nach Kriegs­en­de wur­de sein Na­me zum In­be­griff des ge­wis­sen­lo­sen Tech­no­kra­ten und Schreib­tisch­tä­ters.

Adolf Eich­mann wur­de am 19.3.1906 in So­lin­gen  als Sohn des Buch­hal­ters Karl Adolf Eich­mann und des­sen Frau Ma­ria Schef­fer­ling ge­bo­ren. 1914 über­sie­del­te die Fa­mi­lie nach Linz in Ös­ter­reich, wo der Va­ter ei­ne Stel­lung als Lei­ter des städ­ti­schen Elek­tri­zi­täts­werks über­nom­men hat­te. Nach der Volks­schu­le be­such­te Eich­mann die Staat­li­che Ober­re­al­schu­le so­wie die hö­he­re Bun­des­lehr­an­stalt für Ma­schi­nen­bau in Linz, er­wies sich dort je­doch als schlech­ter Schü­ler und blieb oh­ne Ab­schluss. 1925 be­gann er ei­ne kauf­män­ni­sche Leh­re bei der „Ober­ös­ter­rei­chi­schen Elek­tro­bau AG", und war von 1927 bis 1933 mit mä­ßi­gem Er­folg als Rei­se­ver­tre­ter für die Wie­ner „Va­cu­um Oil Com­pa­ny AG" tä­tig.

 

Die ent­schei­den­de Wen­de nahm Eich­manns Le­ben erst mit dem Ein­tritt in die NS­DAP. Be­reits in den 1920er-Jah­ren hat­te der über­zeug­te An­ti­se­mit die Nä­he rechts­ra­di­ka­ler Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­sucht und sich 1927 der „Ver­ei­ni­gung Deutsch-Ös­ter­rei­chi­scher Front­kämp­fer" an­ge­schlos­sen. Am 1.4.1932 wur­de er Mit­glied der ös­ter­rei­chi­schen NS­DAP. Als An­ge­hö­ri­ger der SS, der er gleich­zei­tig bei­ge­tre­ten war, durch­lief Eich­mann ei­ne vier­zehn­mo­na­ti­ge mi­li­tä­ri­sche Aus­bil­dung im bay­ri­schen Lech­feld, ehe er am 1.10.1934 in das Haupt­amt des Si­cher­heits­diens­tes (SD) nach Ber­lin be­ru­fen wur­de. Als zu­stän­di­ger Re­fe­rent der Ab­tei­lung II/112 zeich­ne­te er dort ab 1935 für die Über­wa­chung und Ter­ro­ri­sie­rung jü­di­scher Or­ga­ni­sa­tio­nen eben­so ver­ant­wort­lich wie für die Zwangs­aus­sied­lung und Ent­eig­nung vor­nehm­lich wohl­ha­ben­der jü­di­scher Ein­zel­per­so­nen. Dank sei­nes glei­cher­ma­ßen akri­bi­schen wie skru­pel­lo­sen Vor­ge­hens emp­fahl sich der über­zeug­te Na­tio­nal­so­zia­list Eich­mann da­bei bald für hö­he­re Auf­ga­ben.

Adolf Eichmann, Portraitfoto, 1940. (United States Holocaust Memorial Museum)

 

Nach der Ein­glie­de­rung Ös­ter­reichs in das Staats­ge­biet des Deut­schen Rei­ches wur­de Eich­mann 1938 der Auf­bau und die Lei­tung der Zen­tral­stel­le für jü­di­sche Aus­wan­de­rung in Wien über­tra­gen. Bis zum Be­ginn des Zwei­ten Welt­krie­ges for­cier­te Eich­mann hier nicht nur die Zwangs­aus­sied­lung von 150.000 ös­ter­rei­chi­schen Ju­den, son­dern auch die ri­go­ros be­trie­be­ne „Si­cher­stel­lung" ih­rer Ver­mö­gens­wer­te. Im Auf­trag des Lei­ters des Reich­si­cher­heits­haupt­am­tes (RSHA) Rein­hard Heyd­rich (1904-1942) rich­te­te Eich­mann 1939 ei­ne wei­te­re Aus­wan­de­rungs­stel­le für das Pro­tek­to­rat Böh­men und Mäh­ren ein und über­nahm die Lei­tung der Reichs­zen­tra­le für jü­di­sche Aus­wan­de­rung in Ber­lin.

Adolf Eichmann, Portraitfoto, 1942. (Deutsches Historisches Museum Berlin)

 

Der schnel­le, un­ver­min­dert an­hal­ten­de Auf­stieg und die plötz­li­che Macht­fül­le blie­ben nicht oh­ne nach­hal­ti­ge Aus­wir­kun­gen auf Eich­manns Per­sön­lich­keit, der lan­ge Zeit als de­vo­ter und un­auf­fäl­li­ger Au­ßen­sei­ter ge­gol­ten hat­te. So gab der ehe­ma­li­ge Lei­ter des Pa­läs­ti­naam­tes in Ber­lin, Dr. Franz Elie­ser May­er, 1961 zu Pro­to­koll: „Ich sag­te so­fort zu mei­nen Freun­den, dass ich nicht weiß, ob ich mit die­sem Mann schon zu­sam­men­ge­kom­men bin, so schreck­lich war die Ver­än­de­rung. Frü­her war er ein klei­ner Be­am­ter, ein gu­ter Bü­ro­krat. Hier plötz­lich saß ein Mann, der in sei­ner Un­ver­schämt­heit Herr über Le­ben und Tod war, uns grob an­raunz­te. Wir durf­ten uns über­haupt nicht sei­nem Tisch nä­hern, wir muss­ten die gan­ze Zeit über ste­hen."

Bei der Pla­nung und Durch­füh­rung des nach dem Ein­marsch in Po­len ein­set­zen­den Völ­ker­mor­des an den eu­ro­päi­schen Ju­den fiel Eich­mann, der mitt­ler­wei­le zum SS-Ober­sturm­bann­füh­rer er­nannt wor­den war und seit März 1941 an der Spit­ze des Re­fe­rats IV B 4 des Reich­si­cher­heits­haupt­amts für „Ju­den­an­ge­le­gen­hei­ten und Räu­mungs­an­ge­le­gen­hei­ten" stand, er­neut ei­ne Schlüs­sel­rol­le zu. Die auf der Wann­see­kon­fe­renz am 20.1.1942 von Spit­zen­funk­tio­nä­ren des NS-Re­gimes fest­ge­leg­te Vor­ge­hens­wei­se zur „End­lö­sung der Ju­den­fra­ge" be­ruh­te im We­sent­li­chen auf den Kon­zep­ten und Vor­ar­bei­ten von Eich­manns Dienst­stel­le. Er selbst war in sei­nem Amt als Ju­den­re­fe­rent an den Ter­ror­maß­nah­men im Reichs­ge­biet und in den be­setz­ten Ge­bie­ten eben­so be­tei­ligt, wie an den Pla­nun­gen zur Er­rich­tung der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und der Ent­wick­lung und Er­pro­bung ver­schie­de­ner Ver­ga­sungs­me­tho­den. Bis 1944 war er als der „gro­ße Spe­di­teur des To­des" ma­ß­geb­lich an der Ko­or­di­na­ti­on und lo­gis­ti­schen Um­set­zung der De­por­ta­tio­nen der eu­ro­päi­schen Ju­den ver­ant­wort­lich, die Er­fas­sung und De­por­ta­ti­on der jü­di­schen Be­völ­ke­rung Un­garns lei­te­te er 1944 an der Spit­ze ei­nes Son­der­ein­satz­kom­man­dos per­sön­lich.

Kurz vor Kriegs­en­de ver­ließ Eich­mann sei­ne Ber­li­ner Dienst­stel­le, um sich der dro­hen­den Ver­haf­tung durch al­li­ier­te Trup­pen zu ent­zie­hen. Mit ge­fälsch­ten Pa­pie­ren aus­ge­stat­tet, führ­te ihn sei­ne Flucht zu­nächst nach Alt­aus­see im Salz­kam­mer­gut, ehe er in der Nä­he von Ulm in ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft ge­riet, aber un­er­kannt blieb. An­fang 1946 ge­lang ihm die Flucht aus dem Ge­fan­ge­nen­la­ger Ober­dach­stet­ten, wor­auf­hin er sich zu­nächst in Nord­deutsch­land ver­steckt hielt. 1950 setz­te er sich nach Ar­gen­ti­ni­en ab und leb­te dort un­ter dem Na­men Ri­car­do Kle­ment meh­re­re Jah­re un­be­hel­ligt un­ter ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen.

Erst En­de der fünf­zi­ger Jah­re wur­de Eich­mann in Bue­nos Ai­res auf­ge­spürt. Am 11.5.1960 ge­lang es ei­ner Spe­zi­al­ein­heit des is­rae­li­schen Ge­heim­diens­tes, ihn zu ver­haf­ten und nach Is­ra­el zu ver­schlep­pen, wo ihm ab dem 11.4.1961 vor ei­nem Ge­richts­hof in Je­ru­sa­lem der Pro­zess ge­macht wur­de. Sich wäh­rend der Ver­hand­lun­gen auf sei­nen Be­fehls­not­stand be­ru­fend und in al­len An­kla­ge­punk­ten für un­schul­dig er­klä­rend, wur­de Eich­mann am 15.12.1961 „we­gen der Ver­bre­chen ge­gen das jü­di­sche Volk" und „der Ver­bre­chen ge­gen die Mensch­lich­keit" zum Tod durch den Strang ver­ur­teilt. Die Hin­rich­tung er­folg­te am 1.6.1962 im Ge­fäng­nis von Ram­leh bei Tel Aviv. Im An­schluss wur­de der Leich­nam ver­brannt und die Asche ins Meer ge­streut.

Quellen

Lang, Jo­chen von, Das Eich­mann-Pro­to­koll – Ton­band­auf­zeich­nun­gen der is­rae­li­schen Ver­hö­re, Ber­lin 1982.
Nel­les­sen, Bernd, Der Pro­zess von Je­ru­sa­lem – Ein Do­ku­ment, Düs­sel­dorf 1964. 

Literatur

Arendt, Han­nah,_ _Eich­mann in Je­ru­sa­lem. Ein Be­richt von der Ba­na­li­tät des Bö­sen, Mün­chen 1986.
Ce­sa­ra­ni, Da­vid, Adolf Eich­mann – Bü­ro­krat und Mas­sen­mör­der, Ber­lin 2004.
Kemp­ner, Ro­bert M. W., Eich­mann und sei­ne Kom­pli­zen, Zü­rich 1961.
Sa­fri­an, Hans, Eich­mann und sei­ne Ge­hil­fen, Frank­furt a.M. 1993.

Adolf Eichmann während seines Prozesses in Jerusalem 1961. (Israel Government Press Office)

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Adolf Eichmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-eichmann-/DE-2086/lido/57c69f8c34be20.45354517 (abgerufen am 10.10.2024)