Adolph von Hansemann

Bankier (1827–1903)

Tanja Junggeburth (Bonn)

Adolph von Hansemann, Porträtfoto, 1862.

Adolph von Han­se­mann war ei­ner der prä­gen­den und an­ge­se­hens­ten deut­schen Ban­kiers in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts.

Adolph von Han­se­mann wur­de am 27.7.1827 als vier­tes Kind und äl­tes­ter Sohn des Kauf­manns Da­vid Han­se­mann und des­sen Ehe­frau Fan­ny Fre­me­rey (1801–1876), Toch­ter ei­nes Eu­pe­ner Tuch­fa­bri­kan­ten, in Aa­chen ge­bo­ren. Er be­such­te die hö­he­re Bür­ger­schu­le in Aa­chen, die er 1841 mit dem Rei­fe­zeug­nis ab­schloss. Sei­ne kauf­män­ni­sche Lehr­zeit ver­brach­te Han­se­mann in Ham­burg, Ber­lin und bei ei­ner Leip­zi­ger Tex­til­fir­ma. Nach dem Ab­schluss sei­ner zwei­jäh­ri­gen Aus­bil­dung kehr­te Han­se­mann ins Rhein­land zu­rück und trat als Kom­man­di­tist – aus­ge­stat­tet mit vor­ge­streck­tem Ka­pi­tal sei­nes Va­ters – in die Tuch­fa­brik sei­nes Vet­ters in Eu­pen ein, die er mit die­sem bis 1857 er­folg­reich lei­te­te.

 

1857 wech­sel­te Adolph von Han­se­mann auf Wunsch sei­nes Va­ters als Mit­ei­gen­tü­mer in die von die­sem 1851 be­grün­de­te Dis­con­to-Ge­sell­schaft und ver­leg­te sei­nen Wohn­sitz nach Ber­lin. Da­vid Han­se­mann ver­trat die Bank wei­ter­hin nach au­ßen, wäh­rend sein Sohn für die lau­fen­den Ge­schäf­te ver­ant­wort­lich war. 1860 hei­ra­te­te Han­se­mann in Köln Ot­ti­lie Kusse­row (1840–1919). Ot­ti­lies Mut­ter Eve­li­ne war die Toch­ter von Sa­lo­mon Op­pen­heim, dem Grün­der des Bank­hau­ses Op­pen­heim. Das Ehe­paar hat­te zwei Kin­der, ei­nen Sohn (Fer­di­nand) und ei­ne Toch­ter (Da­vi­de Eve­li­ne). Ent­ge­gen den Wün­schen des Va­ters setz­te der Sohn das Werk sei­nes Va­ters nicht fort: Fer­di­nand von Han­se­mann (1861-1901) stu­dier­te Ju­ra und wid­me­te sich an­schlie­ßend bis zu sei­nem frü­hen Tod der Po­li­tik und der Land­wirt­schaft.

Nach dem Tod des Va­ters 1864 trat Adolph von Han­se­mann des­sen Nach­fol­ge an und mach­te die Dis­con­to-Ge­sell­schaft in den fol­gen­den Jah­ren zur füh­ren­den Ber­li­ner Groß­bank. Das Ak­ti­en­ka­pi­tal der Bank stieg un­ter sei­ner Lei­tung von 60 Mil­lio­nen Mark 1872 auf 150 Mil­lio­nen Mark 1902 und der Um­satz von 840 Mil­lio­nen Mark 1857 auf 24,7 Mil­li­ar­den Mark im Jahr 1900. Adolph von Han­se­mann wur­de zu ei­nem der reichs­ten Män­ner Deutsch­lands und zum In­bild des feu­da­li­sier­ten Bür­gers: An der Ber­li­ner Tier­gar­ten­stra­ße be­wohn­te die Fa­mi­lie ei­ne prunk­vol­le Dop­pel­vil­la und der pas­sio­nier­te Jä­ger ver­füg­te über Grund­be­sitz von mehr als 7.000 Hekt­ar in der Pro­vinz Po­sen und auf der In­sel Rü­gen, wo er sich in Dwa­sie­den zu­dem ein Schloss er­rich­ten ließ.

Die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se der Jah­re 1866 und 1870/ 1871 führ­ten da­zu, dass sich die Dis­con­to-Ge­sell­schaft ins­be­son­de­re dem Ge­schäft der öf­fent­li­chen An­lei­hen wid­me­te. Wäh­rend des Deutsch-Fran­zö­si­schen Kriegs trat Adolph von Han­se­mann als Fi­nanz­be­ra­ter der Re­gie­rung auf und er­reich­te, dass die deut­schen Schatz­an­wei­sun­gen auch auf dem eng­li­schen Ka­pi­tal­markt plat­ziert wur­den. Die Wür­di­gung sei­ner Ver­diens­te um den preu­ßi­schen Staat, ins­be­son­de­re bei der Fi­nan­zie­rung der Krie­ge 1866 und 1870/ 1871, fand ih­ren Aus­druck in Ge­stalt zahl­rei­cher Ti­tel und Eh­run­gen, in- und aus­län­di­scher Or­den und in der am 8.2.1872 durch Al­ler­höchs­te Ka­bi­netts­or­der des Kö­nigs von Preu­ßen er­folg­ten Er­he­bung in den erb­li­chen Adels­stand.

In die­sen Jah­ren ent­wi­ckel­te sich auch die en­ge Bin­dung Han­se­manns zu Reichs­kanz­ler Ot­to von Bis­marck (1815–1898, Amts­zeit als Reichs­kanz­ler 1871-1890), die auch nach der Ent­las­sung des Kanz­lers be­ste­hen blieb. Wie vie­le Ban­kiers und In­dus­tri­el­le der Kai­ser­zeit war Han­se­mann ein Ver­eh­rer Bis­marcks und be­vor­zug­te auch po­li­tisch die An­hän­ger des Reichs­kanz­lers, die Frei­kon­ser­va­ti­ven, die auf Reichs­ebe­ne als „Deut­sche Reichs­par­tei" auf­tra­ten. Im Ge­gen­satz zu sei­nem Va­ter trat Adolph von Han­se­mann in der Po­li­tik frei­lich nicht ak­tiv her­vor.

Ne­ben der Lei­tung der Bank wid­me­te sich Adolph von Han­se­mann zahl­rei­chen Ge­schäf­ten au­ßer­halb des lau­fen­den Be­triebs. Von sei­nem Va­ter Da­vid stamm­ten Plä­ne zur Neu­ge­stal­tung des Re­al­kre­dits in Form ei­nes mit gro­ßen Vor­rech­ten aus­ge­stat­te­ten Zen­tral­in­sti­tuts. Un­ter Adolph von Han­se­mann kam es schlie­ß­lich 1870 zur Grün­dung der Preu­ßi­schen Cen­tral-Bo­den­kre­dit-Ak­ti­en­ge­sell­schaft, die zeit­wei­se das grö­ß­te Re­al­kre­dit­in­sti­tut in Deutsch­land war und in dem die Dis­con­to-Ge­sell­schaft oh­ne Un­ter­bre­chung im Auf­sichts­rat ver­tre­ten war. Adolph von Han­se­mann war zu­dem an meh­re­ren Bank­grün­dun­gen in an­de­ren eu­ro­päi­schen Län­dern und in Über­see be­tei­ligt, un­ter an­de­rem 1889 an der Deutsch-Asia­ti­schen Bank.

Eben­falls von sei­nem Va­ter über­nahm Adolph von Han­se­mann die Idee der Bil­dung und Durch­füh­rung von Ban­ken-Kon­sor­ti­en zur Un­ter­brin­gung gro­ßer staat­li­cher oder pri­va­ter Emis­sio­nen. Die wich­tigs­ten wa­ren das Preu­ßen-Kon­sor­ti­um, an des­sen Spit­ze die Kö­nig­li­che See­hand­lung (Preu­ßi­sche Staats­bank) stand und in dem die Dis­con­to-Ge­sell­schaft die grö­ß­te Ka­pi­tal­kraft hat­te, und das Roth­schild-Kon­sor­ti­um. Das Roth­schild-Kon­sor­ti­um er­öff­ne­te Han­se­mann zum ei­nen wei­te­re ge­schäft­li­che Per­spek­ti­ven, un­ter an­de­rem in der ös­ter­rei­chisch-un­ga­ri­schen Mon­ar­chie und auf dem Bal­kan, wo es haupt­säch­lich agier­te. Zum an­de­ren ent­wi­ckel­te sich aus die­ser Ver­bin­dung ei­ne per­sön­li­che Freund­schaft zur Fa­mi­lie Roth­schild. Als 1901 Ba­ron Wil­ly von Roth­schild (1828–1901), der In­ha­ber des Frank­fur­ter Bank­hau­ses M. A. Roth­schild & Söh­ne, starb, oh­ne männ­li­che Nach­kom­men zu hin­ter­las­sen, wur­de das Bank­haus li­qui­diert. An sei­ne Stel­le trat die Frank­fur­ter Fi­lia­le der Dis­con­to-Ge­sell­schaft.

Kein an­de­res Ber­li­ner In­sti­tut hat­te au­ßer­halb Ber­lins so dif­fe­ren­zier­te ge­schäft­li­che In­ter­es­sen wie die Dis­con­to-Ge­sell­schaft. An ei­ner räum­li­chen Aus­deh­nung war der Bank da­her be­son­ders ge­le­gen. Zu die­sem Zweck wur­de 1871 die Pro­vin­zi­al-Dis­con­to-Ge­sell­schaft ge­grün­det, de­ren Auf­ga­be es war, Zweig­nie­der­las­sun­gen, Kom­man­di­ten und Agen­tu­ren im In- und Aus­land zu grün­den und sich kom­man­di­ta­risch an an­de­ren Bank­häu­sern zu be­tei­li­gen. Die­ses Vor­ge­hen schei­ter­te frei­lich nicht zu­letzt dar­an, dass man kein „ge­sun­des Mit­tel­maß" zwi­schen aus­rei­chen­der Frei­heit für die Ge­schäfts­füh­run­gen der Au­ßen­stel­len und not­wen­di­ger Kon­trol­le durch das Mut­ter­in­sti­tut fand. 1878 wur­de die Pro­vin­zi­al-Dis­con­to-Ge­sell­schaft li­qui­diert. Erst zwei Jahr­zehn­te spä­ter griff Han­se­mann das Pro­blem ei­ner ge­schäft­li­chen De­zen­tra­li­sa­ti­on durch die Er­rich­tung von De­po­si­ten­kas­sen und Fi­lia­len und die Be­tei­li­gung bei an­de­ren Ban­ken er­neut auf.

Wei­te­re Chan­cen für gro­ße Fi­nanz­ge­schäf­te er­öff­ne­ten sich Han­se­mann auf dem Ge­biet des Ver­kehrs­we­sens und der In­dus­trie so­wie im Ein­satz für die ko­lo­nia­len Be­stre­bun­gen Deutsch­lands (un­ter an­de­rem durch die Grün­dung der Deut­schen See-Han­dels­ge­sell­schaft und der Neu-Gui­nea-Com­pa­gnie). In Ru­mä­ni­en sa­nier­te Adolph von Han­se­mann be­reits in den 1870er Jah­ren un­ter an­de­rem in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Bank­haus Bleich­rö­der, der See­hand­lung und M. A. Roth­schild & Söh­ne das Un­ter­neh­men des „Ei­sen­bahn­kö­nigs" Be­thel Hen­ry Strous­berg (1823-1884).

Er trat zu­dem – wie be­reits sein Va­ter – für den wei­te­ren Aus­bau des Ei­sen­bahn­net­zes ein und be­tei­lig­te sich zu die­sem Zweck an der Fi­nan­zie­rung in- und aus­län­di­scher Ei­sen­bahn­an­la­gen, zum Bei­spiel am Bau der Gro­ßen Ve­ne­zue­la-Ei­sen­bahn. Ne­ben der Gott­hard­bahn-Ge­sell­schaft war er auch Mit­glied im Ver­wal­tungs­rat der War­schau-Wie­ner-Ei­sen­bahn-Ge­sell­schaft. Die Dis­con­to-Ge­sell­schaft war der Fi­nan­zier der wich­tigs­ten gro­ßen Ei­sen­bahn­ge­sell­schaf­ten Deutsch­lands; mit der 1879 ein­ge­lei­te­ten Ver­staat­li­chung der preu­ßi­schen Ei­sen­bah­nen wur­de die­ses Fi­nanz­ge­schäft frei­lich er­heb­lich ein­ge­engt.

In der In­dus­trie wirk­te Han­se­mann am Auf­bau des Mon­tan­re­viers an der Ruhr mit, sa­nier­te un­ter an­de­rem 1896 die Men­ge­der Berg­werks AG, die in ei­ne Ge­werk­schaft um­ge­wan­delt wur­de und sei­nen Na­men er­hielt, und war seit 1873 Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der Gel­sen­kir­che­ner Berg­werks-AG.

Adolph von Han­se­mann starb am 8.12.1903 in Ber­lin und wur­de im Fa­mi­li­en­grab, das er für sei­ne El­tern er­rich­tet hat­te, auf dem al­ten Mat­thäi­kirch­hof bei­ge­setzt.

Literatur

Dä­britz, Wal­ter, Da­vid Han­se­mann und Adolph von Han­se­mann, Kre­feld 1954.
Münch, Her­mann, Adolph von Han­se­mann, Mün­chen / Ber­lin 1932.

Online

Ach­ter­berg, Erich, "Han­se­mann, Adolph von", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 7 (1966), S. 625–626.

Adolph von Hansemann, Porträtfoto, 1898.

 
Zitationshinweis

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Junggeburth, Tanja, Adolph von Hansemann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolph-von-hansemann/DE-2086/lido/57c826eb516518.59793709 (abgerufen am 10.12.2024)