Anton Erkelenz

Liberaler Gewerkschaftler und Parlamentarier (1878-1945)

Jürgen Frölich (Gummersbach/Bonn)

Porträtfotografie von Anton Erkelenz. (Gemeinfrei/Joachim Erkelenz)

Der aus Neuss stam­men­de An­ton Er­kelenz en­ga­gier­te sich zu­nächst in der li­be­ra­len Ge­werk­schafts­be­we­gung, de­ren Re­form er be­trieb, und ge­hör­te als Par­la­men­ta­ri­er und Vor­stands­mit­glied in den 1920er Jah­ren zu den füh­ren­den Per­sön­lich­kei­ten des Links­li­be­ra­lis­mus, bis er 1930 zur So­zi­al­de­mo­kra­tie über­wech­sel­te.

Als Sohn ei­nes gleich­na­mi­gen Schlos­ser­meis­ters (1850-1910) und des­sen Ehe­frau Agnes, ge­bo­re­ne Hol­ter (1852-1910) wur­de An­ton Er­kelenz am 10.10.1878 in Neuss ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch und seit län­ge­rem dort an­säs­sig. Der Sohn ab­sol­vier­te in sei­ner Hei­mat­stadt die Volks­schu­le und mach­te an­schlie­ßend ei­ne Leh­re als Dre­her und Schlos­ser im vä­ter­li­chen Be­trieb. Bei ers­ten be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen au­ßer­halb da­von kam er in Kon­takt mit den Hirsch-Duncker­schen-Ge­werk­ver­ei­nen, ei­ner 1868 un­ter (links-)li­be­ra­len Au­spi­zi­en ge­grün­de­ten Ge­werk­schafts­be­we­gung. Die Hirsch-Duncker­schen-Ge­werk­ver­ei­ne wa­ren zum Zeit­punkt des Ein­tritts von Er­kelenz im Jahr 1897 zwar viel klei­ner als die christ­li­chen oder gar die so­zia­lis­ti­schen Ge­werk­schaf­ten, be­sa­ßen aber im Rhein­land ei­nen vor al­lem von Ma­schi­nen­bau­ern und Me­tall­ar­bei­tern ge­stütz­ten rüh­ri­gen Ab­le­ger, der sich vor­nehm­lich um die auch von Er­kelenz be­such­te Düs­sel­dor­fer „Wirt­schafts­schu­le“, ei­ne be­ruf­li­che Fort­bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, grup­pier­te.

Un­ter dem Na­men „Düs­sel­dor­fer Op­po­si­ti­on“ wur­de die­ser Ab­le­ger der Ge­werk­ver­ei­ne zu ei­nem Sam­mel­punkt von Kri­ti­kern der ei­ge­nen Ge­werk­schafts­füh­rung, die sich vor al­lem ge­gen den lang­jäh­ri­gen Füh­rer und Na­mens­ge­ber der Ge­werk­ver­ei­ne, Max Hirsch (1832-1905), rich­te­ten. Hirsch ver­trat un­ter an­de­rem als links­li­be­ra­ler Par­la­men­ta­ri­er ei­nen in ers­ter Li­nie auf Selbst­hil­fe und in­ner­be­trieb­li­che Ver­stän­di­gung aus­ge­rich­te­ten, im We­sent­li­chen klas­sisch li­be­ral an­ge­leg­ten Kurs in der So­zi­al­po­li­tik, der so­wohl Streiks als auch staat­li­che So­zi­al­ver­si­che­run­gen ab­lehn­te. Vor al­lem letz­te­res kri­ti­sier­te die „Düs­sel­dor­fer Op­po­si­ti­on“, an de­ren Spit­ze Er­kelenz schnell rück­te. 

Mit dem vor­läu­fi­gen Aus­schei­den aus der vä­ter­li­chen Schlos­se­rei wur­de er 1902 haupt­amt­li­cher Ar­bei­ter­se­kre­tär der Ge­werk­ver­ei­ne in Düs­sel­dorf und trieb da­bei den Kon­flikt mit der Ber­li­ner Füh­rung vor­an, un­ter an­de­rem durch Über­le­gun­gen für ei­ne ei­ge­ne li­be­ra­le Ar­bei­ter­par­tei nach Vor­bild der bri­ti­schen La­bour Par­ty. Die deut­sche So­zi­al­de­mo­kra­tie lehn­te Er­kelenz zu die­sem Zeit­punkt als zu mar­xis­tisch und zu in­ter­na­tio­na­lis­tisch ab. Sein Op­po­si­ti­ons­kurs führ­te zu ei­nem zeit­wei­li­gen Aus­schluss aus dem Ge­samt­ver­band der Ge­werk­ver­ei­ne, wäh­rend­des­sen er je­doch sei­ne re­gio­na­le Ge­werk­schafts­ar­beit fort­setz­te.

Er­kelenz mach­te al­ler­dings ähn­li­che Er­fah­run­gen wie im Jahr­zehnt zu­vor Fried­rich Nau­mann (1860-1919) mit sei­nem „Na­tio­nal­so­zia­len Ver­ein“: Das Ex­pe­ri­ment der Grün­dung ei­ner auf die Ar­bei­ter­schaft aus­ge­rich­te­ten Par­tei zwi­schen (Links-)Li­be­ra­lis­mus und So­zi­al­de­mo­kra­tie schei­ter­te noch ra­scher schon an der Fra­ge ei­nes Par­tei­or­gans, wes­halb Er­kelenz „a sur­pri­sin­gly nai­ve and un­rea­lis­tic view of na­tio­nal po­li­tics in Wil­hel­mi­ne Ger­many“ (R. W. Brantz) kon­sta­tiert wor­den ist. 1904 schloss er sich der klei­nen links­li­be­ra­len „Frei­sin­ni­gen Ver­ei­ni­gun­g“ an, in die ein Jahr vor­her Nau­mann sei­nen „Na­tio­nal­so­zia­len Ver­ein“ über­führt hat­te. Letz­te­rer galt fort­an Er­kelenz als Vor­bild, wor­auf er sich in der Wei­ma­rer Re­pu­blik im­mer wie­der be­ru­fen soll­te.

 

Mit dem Par­tei­ein­tritt war der Weg für ei­ne haupt­amt­li­che Kar­rie­re frei. Nach ei­nem Stu­di­en­jahr an der Frank­fur­ter „Wirt­schafts­aka­de­mie“ wech­sel­te Er­kelenz 1907 in die Ber­li­ner Zen­tra­le der Ge­werk­ver­ei­ne und ver­ließ da­mit das Rhein­land auf Dau­er. Auch in­ner­halb der Par­tei­hier­ar­chie stieg er als „Ar­bei­ter­ver­tre­ter“ auf, wur­de 1908 Mit­glied im Vor­stand der „Frei­sin­ni­gen Ver­ei­ni­gun­g“ und 1913 eben­falls in ih­rer Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on, der „Fort­schritt­li­chen Volks­par­tei“. 

Im Ge­gen­satz zu Nau­mann, des­sen Re­form­be­mü­hun­gen auf ei­ne in­ner­par­tei­li­che Kon­so­li­die­rung und stra­te­gi­sche Neu­aus­rich­tung des Links­li­be­ra­lis­mus hin­aus­lie­fen und da­bei bis 1914 durch­aus Fort­schrit­te er­ziel­ten, blie­ben die Be­stre­bun­gen von Er­kelenz, Tei­le der Ar­bei­ter­schaft von der So­zi­al­de­mo­kra­tie zu lö­sen und den Links­li­be­ra­len zu­zu­füh­ren, ins­ge­samt eher fol­gen­los. We­der ge­lang es, die Sta­gna­ti­on bei den Mit­glie­der­zah­len der Hirsch-Duncker­schen-Ge­werk­ver­ei­ne zu über­win­den noch än­der­ten sich die li­be­ra­len Par­tei­en in ih­rer bür­ger­li­chen Grund­struk­tur. Dass sie we­nig An­zie­hungs­kraft auf un­ter­bür­ger­li­che Wäh­ler aus­üb­ten, muss­te Er­kelenz selbst 1907 und 1912 bei sei­nen Kan­di­da­tu­ren für den Reichs­tag er­fah­ren, ei­ner­seits als rei­ner „Zähl­kan­di­da­t“ in Zen­trums-Hoch­bur­gen wie dem hei­mat­li­chen Düs­sel­dorf und dem Wahl­kreis Lipp­stadt-Bri­lon. Aber auch in Gie­ßen-Nid­da blieb er als ge­samt­li­be­ra­ler Kan­di­dat mit gut ei­nem Vier­tel der Stim­men hin­ter An­ti­se­mi­ten und So­zi­al­de­mo­kra­ten zu­rück.

Zu Kriegs­be­ginn 1914 wur­de Er­kelenz, der 1896−1898 sei­nen Mi­li­tär­dienst in der we­gen das „Za­bern-Zwi­schen­fall­s“ dann be­rüch­tigt ge­wor­de­nen el­säs­si­schen Gar­ni­son ab­sol­viert hat­te, ein­ge­zo­gen. Bis 1917 stand er als In­fan­te­rist bei ver­schie­de­nen Ein­sät­zen an der West- und Ost­front. Er avan­cier­te zwar nur zum Ge­frei­ten, er­hielt aber das Ei­ser­ne Kreuz 2. Klas­se. Für den Be­trieb des in­zwi­schen ver­stor­be­nen Va­ters als un­ab­kömm­lich ge­stellt, kehr­te er kurz­zei­tig nach Neuss zu­rück. Bei Kriegs­en­de trat er zu­nächst in den ört­li­chen Ar­bei­ter- und Sol­da­ten­rat ein und schloss sich dann wie die meis­ten Links­li­be­ra­len des Kai­ser­reichs um­ge­hend der neu­ge­grün­de­ten Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Par­tei (DDP) an. 

In de­ren Düs­sel­dor­fer Kreis­ver­band ver­füg­te Er­kelenz auf­grund sei­ner al­ten Ge­werk­ver­eins­ver­bin­dun­gen und sei­ner ver­gleichs­wei­se fort­schritt­li­chen Po­si­ti­on in der Frau­en­fra­ge über gu­te Start­be­din­gun­gen und konn­te des­halb An­fang 1919 an der Spit­ze der Lis­te im Wahl­kreis Düs­sel­dorf-Ost für die Na­tio­nal­ver­samm­lung kan­di­die­ren. Dank des nun gel­ten­den Ver­hält­nis­wahl­rechts er­lang­te er auch ein Man­dat. In Wei­mar, von wo aus er aus­führ­lich in den „Düs­sel­dor­fer Nach­rich­ten“ be­rich­te­te, war er so­zi­al­po­li­ti­scher Spre­cher sei­ner Frak­ti­on mit ei­nem Schwer­punkt auf der Fra­ge der Be­triebs­rä­te, de­nen er „das Mit­be­stim­mungs­recht in den Be­trie­ben und das Recht der so­zia­len Selbst­be­stim­mun­g“, aber kei­ne dar­über hin­aus­ge­hen­den Kom­pe­ten­zen in der Be­triebs­füh­rung oder gar all­ge­mein­po­li­ti­scher Art zu­ge­ste­hen woll­te. Auch ge­gen um­fas­sen­de So­zia­li­sie­run­gen sprach er sich aus. Beim Ver­sailler Ver­trag folg­te er trotz Be­den­ken der Frak­ti­ons­mehr­heit und stimm­te ge­gen sei­ne An­nah­me.

Politischer Kurs veranstaltet von Wilhelm Ohr am 01.06.1909. (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)

 

Fort­an galt Er­kelenz als Füh­rer des lin­ken Flü­gels in Par­tei und Frak­ti­on. Trotz der mas­si­ven Stim­men­ver­lus­te der DDP wur­de er im Ju­ni 1920 in sei­nem Düs­sel­dor­fer Wahl­kreis wie­der­ge­wählt, war nun aber dau­er­haft der ein­zi­ge di­rekt im Rhein­land ge­wähl­te Ab­ge­ord­ne­te sei­ner Par­tei. Für rhei­ni­sche Be­lan­ge setz­te er sich als Par­la­men­ta­ri­er durch­aus ein, un­ter an­de­rem bei sei­ner Stel­lung­nah­me zum Ab­bruch des pas­si­ven Wi­der­stan­des ge­gen die Be­set­zung im No­vem­ber 1923, wo­bei er ei­ne nicht un­kri­ti­sche Un­ter­stüt­zung des Kur­ses von Kanz­ler Gus­tav Stre­se­mann (1878-1929) an­kün­dig­te, zu­gleich se­pa­ra­tis­ti­sche Be­stre­bun­gen und Über­le­gun­gen hef­tig kri­ti­sier­te.

Seit 1921 ge­hör­te Er­kelenz als Vor­sit­zen­der des Vor­stan­des zum engs­ten Füh­rungs­kreis der DDP. Die­se nach au­ßen ein­drucks­vol­le Po­si­ti­on war al­ler­dings zum ei­nem dem ei­gent­li­chen Par­tei­vor­sit­zen­den, no­mi­nell „Vor­sit­zen­der des Par­tei­aus­schus­ses“, zu­nächst Carl Pe­ter­sen (1868-1939) und dann ab 1924 Erich Koch-We­ser (1875-1944), nach­ge­ord­net, zu­mal es mit der Reichs­tags­frak­ti­on ein wei­te­res in­ner­par­tei­li­ches Kraft­zen­trum gab. Dar­über hin­aus wur­de Er­kelenz mit dem Köl­ner Ban­kier Her­mann Fi­scher (1873-1940) als Stell­ver­tre­ter ein Pen­dant des Wirt­schafts­flü­gels der Par­tei bei­ge­ge­ben.

Ausbildungskurs des Internationalen Jugend Bundes am 02.08.1921. (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)

 

Den­noch nahm Er­kelenz Mit­te der 1920er Jah­re un­ter an­de­rem als Mit­her­aus­ge­ber der ein­fluss­rei­chen, von Nau­mann ge­grün­de­ten Zeit­schrift „Die Hil­fe“ und als zen­tra­ler Red­ner auf Par­tei­ta­gen ei­ne her­aus­ge­ho­be­ne Stel­lung ein. 1928 fun­gier­te er als Her­aus­ge­ber der um­fang­rei­chen Fest­schrift, die die DDP zum 10. Jah­res­tag der Re­pu­blik­grün­dung pu­bli­zier­te.

Auch bei die­ser Ge­le­gen­heit äu­ßer­te er sich zum The­ma So­zi­al­po­li­tik, wel­che nach wie vor ei­nes der Haupt­the­men sei­ner Re­den und Pu­bli­zis­tik war. Die kri­ti­sche Sicht auf die staat­li­che So­zi­al­po­li­tik be­hielt er bei, die für ihn aus ei­nem an­ti­de­mo­kra­ti­schen In­stru­ment des Ob­rig­keits­staa­tes her­vor­ge­gan­gen war. Um „ei­nen brauch­ba­ren Mit­tel­weg zwi­schen dem star­ren Sys­tem der ge­setz­li­chen und dem un­star­ren Sys­tem der gänz­lich frei­en Ver­ein­ba­run­g“ zu ge­hen, for­der­te Er­kelenz in die­sem Zu­sam­men­hang hö­he­re Löh­ne und ge­setz­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für die fried­li­che Bei­le­gung von Ar­beits­kon­flik­ten. 

Ein an­de­res zen­tra­les The­ma sei­nes po­li­ti­schen Wir­kens war die Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­form sei­ner Par­tei. Al­ler­dings blieb er hier ein Ru­fer in der Wüs­te, der den vor al­lem am Stim­men­rück­gang ab­les­ba­ren Nie­der­gang der DDP nicht auf­hal­ten konn­te. Viel­mehr wur­de er selbst ein Op­fer da­von und konn­te 1928 sein Reichs­tags­man­dat nur über ein Aus­wei­chen auf die so­ge­nann­te „Reichs­lis­te“ für sich er­hal­ten, weil die Wahl in sei­nem Wahl­kreis un­mög­lich schien. 

Kurz da­nach er­eil­te Er­kelenz ei­ne schwe­re psy­chi­sche Er­kran­kung, die ihn po­li­tisch weit­ge­hend lahm­leg­te. In sei­ner letz­ten Le­gis­la­tur­pe­ri­ode trat er nicht mehr im Reichs­tags­ple­num auf. Die­se Si­tua­ti­on nutz­te der Par­tei­vor­sit­zen­de Koch-We­ser, um 1929 den spe­zi­el­len Vor­stands­pos­ten von Er­kelenz ab­zu­schaf­fen und ihn nun auch no­mi­nell zu sei­nem Ver­tre­ter zu ma­chen. 

In sei­nem Ein­fluss stark be­schnit­ten muss­te Er­kelenz mehr oder min­der ohn­mäch­tig den Ver­su­chen von Koch-We­ser zu­se­hen, die DDP durch Fu­si­on mit an­de­ren Or­ga­ni­sa­tio­nen zu sta­bi­li­sie­ren. Die zu­nächst an­ge­streb­te An­nä­he­rung an Gus­tav Stre­se­manns na­tio­nal­li­be­ra­le Deut­sche Volks­par­tei (DVP), die schon 1918 ge­schei­tert war und die Er­kelenz im­mer be­kämpft hat­te, kam zwar nicht zu­stan­de, statt­des­sen aber En­de Ju­li 1930 ein – kurz­zei­ti­ges – Zu­sam­men­ge­hen mit dem rechts­las­ti­gen Jung­deut­schen Or­den.

Er­kelenz nahm dies zum An­lass, sei­nen Aus­tritt aus der DDP und Ein­tritt in die SPD zu er­klä­ren. Der von ihm er­war­te­te Exo­dus von sei­ner al­ten in sei­ne neue Par­tei er­folg­te je­doch nicht. Auch un­ter den So­zi­al­de­mo­kra­ten blieb er weit­ge­hend iso­liert: Sei­ne sich nun auf den eng­li­schen Öko­no­men John May­nard Keynes (1883-1946) be­ru­fen­den wirt­schafts­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen wa­ren mit dem an­ti­in­fla­tio­nä­ren Kurs, mit dem die SPD fak­tisch die Re­gie­rung von Kanz­ler Hein­rich Brü­ning (1885-1970) un­ter­stütz­te, nicht ver­ein­bar. Ei­ne be­ab­sich­tig­te Kan­di­da­tur zum preu­ßi­schen Land­tag schei­ter­te an sei­nem Ge­sund­heits­zu­stand.

Mehr Kon­takt hielt er auch nach 1933 zu al­ten po­li­ti­schen Ge­fähr­ten aus der DDP, wo er noch­mals stark für die Re­pu­blik Stel­lung nahm. Ins­ge­samt führ­te er schlie­ß­lich ein zu­rück­ge­zo­ge­nes Le­ben in Ber­lin-Zeh­len­dorf, wo er zwar von der Ge­sta­po über­wacht, aber nicht be­hel­ligt wur­de. Nach­dem sei­ne Frau Char­lot­te, ge­bo­re­ne Ger­lach (1883-1943), mit der er seit 1928 ver­hei­ra­tet war und ei­nen Sohn hat­te, be­reits ver­stor­ben war, kam Er­kelenz selbst im Zu­ge der so­wje­ti­schen Be­set­zung Ber­lins En­de April 1945 ums Le­ben, als er sei­ne Haus­häl­te­rin schüt­zen woll­te. Sein Grab auf dem Fried­hof in Zeh­len­dorf ist er­hal­ten, sein Nach­lass be­fin­det sich im Bun­des­ar­chiv Ko­blenz.

Un­ter den rhei­ni­schen Li­be­ra­len war An­ton Er­kelenz mit sei­ner ka­tho­lisch-klein­bür­ger­li­cher Her­kunft und sei­ner de­zi­diert pro-re­pu­bli­ka­ni­schen Ein­stel­lung si­cher ei­ne Aus­nah­me­ge­stalt. Nicht von un­ge­fähr saß er als li­be­ra­ler Ge­werk­schaf­ter und Ver­tre­ter von Ar­beit­neh­mer­inter­es­sen po­li­tisch häu­fig zwi­schen den Stüh­len: Für Li­be­ra­le eher zu so­zi­al, für So­zi­al­de­mo­kra­ten zu na­tio­nal und ka­pi­ta­lis­mus­freund­lich ein­ge­stellt. Dies er­mög­lich­te ihm zwar ei­ne Kar­rie­re im Links­li­be­ra­lis­mus, ge­wis­ser­ma­ßen als „Aus­hän­ge­schil­d“, aber ent­schei­den­den Ein­fluss auf den Par­tei­kurs konn­te er auch auf sei­nem po­li­ti­schen Ze­nit Mit­te der 1920er nicht neh­men. Zwei­fel­los je­doch ge­hört Er­kelenz zu den be­deu­tends­ten Ver­tre­tern ei­ner so­zi­al-li­be­ra­len Tra­di­ti­on in Deutsch­land. Sei­nem Ar­bei­ter-Ka­te­chis­mus stell­te er be­zeich­nen­der­wei­se 1908 das Mot­to „Va­ter­land, Frei­heit, So­zi­al­re­for­m“ vor­an.

Schriften (Auswahl)

Ar­bei­ter-Ka­te­chis­mus. Ei­ne Er­klä­rung des Pro­gramms der frei­heit­lich-na­tio­na­len Ar­bei­ter­schaft, Ber­lin-Schö­ne­berg 1908.

Ge­gen die Ver­stei­ne­rung der deut­schen So­zi­al­po­li­tik, Ber­lin [1922].

Jun­ge De­mo­kra­tie. Re­den und Schrif­ten po­li­ti­schen In­halts, Ber­lin 1925.

De­mo­kra­tie und Par­tei­or­ga­ni­sa­ti­on, Ber­lin [1925].

Ame­ri­ka heu­te. Brie­fe ei­ner Rei­se, Ber­lin [1926].

Mo­der­ne So­zi­al­po­li­tik, Ber­lin 1926.

(Hg.) 10 Jah­re deut­sche Re­pu­blik - Ein Hand­buch für re­pu­bli­ka­ni­sche Po­li­tik, Ber­lin 1928.

Kri­tik an der deut­schen So­zi­al­po­li­tik, Ber­lin [1928].

Der Ab­bau­wahn. Ge­gen De­fla­ti­on, ge­gen In­fla­ti­on, für Sta­bi­li­tät, Ber­lin 1932. 

Der Rat­ten­fän­ger von Brau­nau, [1933]. [On­line]

[Ar­ti­kel] Max Hirsch In: En­cy­clo­pa­edia Ju­dai­ca,Bd. 8, 1931, S. 769-770. [On­line]

Literatur

Branzt, Ren­nie Wil­liam, The Ques­ti­on of Re­form, the ‚Düs­sel­dorf Op­po­si­ti­on‘ and An­ton Er­kelenz in the Hirsch-Duncker Tra­de Uni­ons, 1900-1914, in: In­ter­na­tio­na­le Wis­sen­schaft­li­che Kor­re­spon­denz zur Ge­schich­te der deut­schen Ar­bei­ter­be­we­gung 14 (1978), S. 295-311.

Bütt­ner, Ur­su­la, "De­fla­ti­on führt zur Re­vo­lu­ti­on". An­ton Er­kelenz' ver­geb­li­cher Kampf für ei­nen wirt­schafts­po­li­ti­schen Kurs­wech­sel und die Ret­tung der De­mo­kra­tie in der Ära Brü­ning, in: He­ring, Rai­ner/ Ni­co­lay­sen Rai­ner (Hg.), Le­ben­di­ge So­zi­al­ge­schich­te. Ge­denk­schrift für Pe­ter Bo­row­sky, Wies­ba­den 2003, S. 365-383.

Han­sen, Eckard/Tenn­stedt Flo­ri­an (Hg.), Bio­gra­phi­sches Le­xi­kon zur Ge­schich­te der deut­schen So­zi­al­po­li­tik 1871 bis 1945, Band 2, Kas­sel 2018, S. 45-46.

Kell­mann, Axel, An­ton Er­kelenz. Ein So­zi­al­li­be­ra­ler im Kai­ser­reich und in der Wei­ma­rer Re­pu­blik, Ber­lin 2007.

Kell­mann, Ka­tha­ri­na, An­ton Er­kelenz (1878-1945). Als So­zi­al­li­be­ra­ler zur SPD, in: Leh­nert, Det­lef (Hg.), Vom Links­li­be­ra­lis­mus zur So­zi­al­de­mo­kra­tie. Po­li­ti­sche Le­bens­we­ge in his­to­ri­schen Rich­tungs­kon­flik­ten 1890-1945, Köln [u.a.] 2015, S. 263-289.

Lü­ders, Ma­rie Eli­sa­beth/Gre­bing, Hel­ga, Er­kelenz, An­ton, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 4 (1959), S. 591.

Reichs­hand­buch der deut­schen Ge­sell­schaft, Band 1, Ber­lin 1930, S. 398.

Stal­mann, Vol­ker, Rhei­ni­sche Links­li­be­ra­le in der Wei­ma­rer Re­pu­blik: Ber­nard Falk und An­ton Er­kelenz, in: Jahr­buch zur Li­be­ra­lis­mus-For­schung 30 (2018), S. 177-199.

Ste­phan, Wer­ner, Auf­stieg und Ver­fall des Links­li­be­ra­lis­mus 1918-1933, Göt­tin­gen 1973 

Gruppenaufnahme mit DDP-MdR Anton Erkelenz und Reichskanzler a.D. Wilhelm Marx und Kandidat des Volksblocks für die Reichstagswahl Wilhelm Marx vom 17.04.1925. (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)

 
Zitationshinweis

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Frölich, Jürgen, Anton Erkelenz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/anton-erkelenz-/DE-2086/lido/622f1908a70d88.33146360 (abgerufen am 19.04.2024)