Zu den Kapiteln
Über das kurze Pontifikat Erzbischof Antons von Schaumburg ist nur wenig bekannt. In den nicht einmal zwei Jahren seiner Regierung konnte er aus dem Schatten seines Vorgängers und Bruders Adolf III. nicht hervortreten und keine eigenen Akzente setzen. Die Politik seines früh verstorbenen Bruders nahtlos fortzusetzen war vermutlich auch die Intention des Domkapitels gewesen.
Anton wurde 1521 als siebtes von zwölf Kindern des Grafen Jobst I. von Schaumburg und Holstein-Pinneberg (1483-1531) und seiner Frau Maria von Nassau-Dillenburg (1491-1547) geboren. Anders als sein älterer Bruder Adolf, der um diese Zeit schon ein Studium an der Universität Löwen aufnahm, hat er offenbar keine akademische Ausbildung genossen. Gleichwohl konnte seine Familie ihm bereits deutlich früher als Adolf geistliche Pfründen sichern, denn er stand in der Erbfolge so weit hinten, dass die Übernahme der weltlichen Landesherrschaft unwahrscheinlich war. So erhielt er bereits mit sechs Jahren die Anwartschaft auf ein Kanonikat im Kölner Domkapitel. 1542, mit 21 Jahren folgten Stiftsherrenstellen am St. Lambertus-Stift Lüttich, wo er später auch zum Dompropst gewählt wurde, sowie am St. Servatius-Stift in Maastricht. Außerdem wird er, allerdings lediglich in der eigenen Familienchronik, als Dompropst von Hildesheim erwähnt. Fest steht, dass er die Propstei am Kölner Stift St. Gereon von 1547 bis 1557 inne hatte. Bis zu seinem Regierungsantritt im Herbst 1556 war er zum Subdiakon geweiht worden; höhere Weihen sollte er in seinem kurzen Leben nicht mehr bekommen.
Als Adolf III. am 20.9.1556 starb, hatte er seine ehrgeizigen religions- und kirchenpolitischen Pläne nur in Ansätzen verwirklichen können und sich dem Widerstand der kurkölnischen Landstände und des Herzogs Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg letztlich beugen müssen. Dennoch hatte sich das Erzstift in dem Jahrzehnt seiner Regierung wieder einigermaßen stabilisiert und die höchst unruhigen Zeiten Hermanns V. von Wied und seines Reformationsversuchs hinter sich gelassen. Obwohl inhaltlich über die Wahl Antons zum Erzbischof und Kurfürsten am 26.10.1556 aufgrund fehlender Quellen nichts Näheres bekannt ist, sprechen ihre Umstände doch für den Wunsch des Domkapitels nach Kontinuität und Beständigkeit. Verhältnismäßig rasch hatte es zur Neuwahl eingeladen und den Termin festgesetzt, um keine längere Sedisvakanz entstehen zu lassen – die es durchaus zu seinem eigenen Vorteil hätte nutzen können. Allerdings verfügten die Schaumburger in diesen Jahren über mehrere Domherrenstellen im Kölner Domkapitel und hatten darüber hinaus gute verwandtschaftliche Bindungen in das Wahlgremium der Erzbischöfe aufgebaut: mit Otto von Schaumburg (1517-1576), der nach dem Verzicht Adolfs III. auf die weltliche Regierung in der väterlichen Grafschaft seit 1544 Familienoberhaupt war, und Wilhelm (1523-1580) waren zwei weitere Brüder Antons im Kapitel vertreten, die die übrigen Domherren durchaus zu einer schnellen und klaren Entscheidung zu seinen Gunsten gedrängt haben könnten. Der Regierung Antons fehlte jedoch von Beginn an Schwung und Energie, die die beiden wichtigsten Berater seines Vorgängers, Eberhard Billick (1499-1557) und Johannes Gropper, eingebracht hatten. Billick, der als Prior des Kölner Karmelitenklosters maßgeblichen Anteil an der Religionspolitik Adolfs III. gehabt und sich dabei als vehementer Gegner aller konfessionellen Kompromisse gezeigt hatte, starb kurz nach Antons Wahl im Januar 1557. Gropper, der als Jurist und Theologe die konzeptionelle Vorarbeit geleistet hatte und mit allen diplomatischen Finessen vertraut war, stand vor seiner Ernennung zum Kardinal und wurde als päpstlicher Gutachter stark beansprucht. Es scheint, als habe er zunehmend auch gesundheitliche Probleme gehabt, die ihn von einer nachhaltigen und zielgerichteten Arbeit im Dienst der Kölner Kirche abhielten. Jedenfalls ist aus dem Episkopat Antons vom Schaumburg nicht einmal der Versuch bekannt, kirchenpolitisch tätig zu werden und die Linie seines Vorgängers fortzusetzen. Insofern lässt sich die Entscheidung des Domkapitels für Anton auch anders deuten: angesichts des absehbaren Endes der Beratertätigkeit Billicks und Groppers könnte die Wahl eines unerfahrenen und in konfessionellen Dingen indifferenten Erzbischofs auch Ausdruck des Strebens nach Beendigung der im katholischen Sinn forcierten religionspolitischen Bemühungen unter Adolf III. gewesen sein.
So, wie er in seinem Kurfürstentum nur wenige Spuren hinterließ, trat er auch auf der reichspolitischen Bühne kaum in Erscheinung. Bei dem zum Zeitpunkt seiner Wahl schon angelaufenen Reichstag in Regensburg 1556/1557 konnte er nicht auftreten, schon weil er seine Regalien erst im Rahmen der nächsten Reichsversammlung, dem Kurfürstentag in Frankfurt 1558, erhielt. Dorthin war er, nachdem er sich vom Domkapitel für die Reisekosten und die zu erwartende Steuerforderung Kaiser Ferdinands I. (Regierungszeit 1531-1564) einen Kredit aufgenommen hatte, persönlich gereist, um der offiziellen Proklamation Ferdinands zum „Erwählten Römischen Kaiser" zuzustimmen. Einen Tag später, am 15.3.1558, erhielt er die kurkölnischen Regalien, die mit der Erzbischofswürde verbundenen weltlichen Rechte und Besitztümer.
Kurz nach der Rückreise erkrankte er, der gesundheitlich schon immer angeschlagen war, schwer und starb am 18.6.1558 in Godesberg (heute Stadt Bonn); er wurde nur 36 Jahre alt. Dass er sich dabei von seinem Hofkaplan Gerhard Veltius (Amtszeit 1558-1566) begleiten ließ, könnte auf eine gewisse konfessionelle Toleranz hindeuten: Veltius war, jedenfalls laut einem Schreiben Herzog Wilhelms von Jülich-Kleve Berg, verheiratet und begrüßte später die Gerüchte über am dortigen Hof aufkommende protestantische Tendenzen. Auch duldete Anton die beabsichtigte Eheschließung seines Bruders und regierenden Schaumburgischen Grafen Otto, die allerdings erst nach seinem Tod mit Ottos Konversion ermöglicht und vollzogen wurde. Auf der anderen Seite pflegte er ein offenbar gutes Verhältnis zu den Kölner Franziskanern und Jesuiten. Es steht daher zu vermuten, dass er ein für seine Zeit typischer, konfessionell keineswegs festgelegter, sondern gerade in religiösen Dingen eher pragmatischer Adliger war. In dem Bewusstsein dieser Unterschiedlichkeit wurde seine Liegefigur im Kölner Dom nicht mit der Bischofsmitra geziert, wie dies noch beim sehr ähnlichen Epitaph Adolfs III. der Fall war, sondern mit dem Kurhut. Beide Figuren entstanden zeitgleich auf Veranlassung von Antons Nachfolger Johann Gebhard von Mansfeld und stehen sich heute gleichsam gegenüber: das Epitaph Adolf III. in der Stephanus-, dasjenige Antons in der Engelbertskapelle. Hansgeorg Molitor bilanziert Antons Leben und Regierung kurz und präzise: „Jedenfalls fiel er nicht negativ auf."
Literatur (Auswahl)
Bei der Wieden, Helge, Schaumburgische Genealogie, Melle 1999.
Bosbach, Franz, Anton, Graf von Schaumburg (Schauenburg) (+ 1558), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, Berlin 1996, S. 24.
Gläßer, Johannes, Die Grafen von Schaumburg-Holstein und das Vest Recklinghausen, in: Vestische Zeitschrift 38 (1931), S. 1-113.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe 1515-1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 173-177.
Online
Bei der Wieden, Helge, Artikel „Schaumburg (Schauenburg)", in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S 593-594. [Online]
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Bock, Martin, Anton von Schaumburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/anton-von-schaumburg/DE-2086/lido/57adb0e92e4127.11675702 (abgerufen am 10.10.2024)