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Artur Schirrmacher gilt bis heute als einer der Pioniere des Nachkriegssports in Nordrhein-Westfalen. Seit 1947 war er Mitglied des Präsidiums des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen (LSB NRW) als Vertreter der Stadt- und Kreissportbünde und bekleidete diese zentrale Aufgabe mehrere Jahrzehnte. Der Arbeitersportbewegung erwachsend blieb er dem (Wasser-)Sport auch aktiv ein Leben lang verbunden.
Artur Schirrmacher wurde am 18.10.1905 in Altenessen (heute Stadt Essen) geboren. Sein Vater stammte ursprünglich aus Ostpreußen und war im Zuge der Binnenmigration Ende des 19. Jahrhunderts ins Ruhrgebiet gekommen, um sich als Bergmann zu verdingen. Im Zuge der ab 1902 durchgeführten Standorterweiterungen der Essener Schachtanlage „Mathias Stinnes“ fand er um 1912 letztlich eine dauerhafte Tätigkeit in der neu errichteten Zechenanlage“ im Ortsteil Gladbeck-Braucks.
Sein Sohn Artur durchlief, wie in proletarischen Kreisen üblich, die Volksschule und absolvierte danach eine Lehre als Schlosser beim Arbeitgeber des Vaters. Schirrmacher blieb dort bis 1933 beschäftigt. Früh war er auch engagiertes SPD-Mitglied und insbesondere gewerkschaftlich als Betriebsratsmitglied der Zeche aktiv. Seit 1927 war er verheiratet mit einer Arbeitersportlerin, die er in seinem Gladbecker Arbeitersportverein kennengelernt hatte und lebte im Ortsteil Gladbeck-Butendorf.
Schirrmacher zeigte sich bereits als Jugendlicher sportbegeistert. Seit 1921 war er Mitglied im Arbeiter-Wassersportverein (ASV) Gladbeck und entwickelte sich hier zu einem herausragenden Schwimmer und versierten Wasserballer, der unter anderem mit der Mannschaft wahrscheinlich im Jahr 1924 den Titel des Westdeutschen Wasserballmeisters im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) erringen konnte.
Von 1927 bis 1933 amtierte er als Wassersportwart im ASV Gladbeck. Im ATSB war Schirrmacher auf Kreisebene (6. Kreis/Rheinland-Westfalen) seit 1928 mit den Aufgaben des Kreisschwimmwarts ehrenamtlich betraut, auf Bezirksebene (13. Bezirk/Gelsenkirchen) bekleidete er 1928 und 1929 das Amt des Bezirksspartenleiters der Wassersparte sowie des Bezirksschwimmwarts.
Schirrmacher gehörte mit Anfang 20 zur zweiten Generation der ATSB-Funktionäre, die sich nicht mehr als Turn-, sondern eher als Sportfunktionäre definierten und mit ihrem breit aufgestellten gesellschaftspolitischen Engagement in den verschiedenen Organisationen der Arbeiterbewegung neue Perspektiven auch in ihre Sportverbandsarbeit trugen. Schirrmacher engagierte sich in der Wassersportsparte, einem ‚jungen‘ Sportbereich, den der ATSB, ähnlich wie den Fußballsport, erst 1920 zu einer eigenständigen Sparte im Gesamtverband gemacht hatte. Die entsprechenden Verbandsstrukturen mussten in den Folgejahren allesamt neu geschaffen und in den einzelnen Kreisen etabliert werden. Dazu gehörten vor allem die sportartspezifische Traineraus- und -weiterbildung sowie der Aufbau eines nationalen wie internationalen Wettkampfsystems, verbunden mit einer systematischen Kampfrichter- und Schiedsrichterqualifizierung für die verschiedenen Wettkampfbereiche. In diesem Zusammenhang tat sich Schirrmacher besonders in der Jugendförderung sowie auch in der Ausbildung von Übungsleitern hervor. Ferner scheute er auch nicht davor zurück, sich als ATSB-Verbandsvertreter immer wieder auf den verschiedensten regionalen wie bundesweiten ATSB-Tagungen für seine Sparteninteressen einzusetzen.
Darüber hinaus war der Wassersport mit seinen unterschiedlichen Sportartangeboten von besonderer Bedeutung für viele jungen Familien in der Arbeitersportbewegung, da gerade hier ein gemeinsam betriebener Familienfreizeitsport, etwa beim Kanu-Kajakwandern oder bei Segelwanderfahrten, möglich wurde. Die Wassersportsparte avancierte zu Beginn der 1930er Jahre zu einem Verbandsbereich im ATSB, der besonders erfolgreich Frauen und Kinder einbezog. So stellten die in den ATSB-Wassersportvereinen organisierten Frauen 1931 einen Anteil von fast 41 Prozent der Gesamtspartenmitglieder, gegenüber einem Anteil in der Turnsparte von gut 26 Prozent und in der Fußballsparte von nur 1,6 Prozent.
Das innerverbandliche Engagement von Schirrmacher konzentrierte sich auf das Wasserballspiel, das er aktiv selbst betrieb, vor allem aber als Schiedsrichter in besonderer Weise mitprägte. Seit Beginn der 1930er Jahre galt Schirrmacher als einer der offensichtlich erfahrensten und wohl auch besten Schiedsrichter im ATSB-Wasserballspiel. So leitete er nicht nur die beiden Endspiele um die ATSB-Bundesmeisterschaft 1930 und 1932, sondern war auch international bei der 2. Arbeiter-Olympiade 1931 in Wien als Schiedsrichter gesetzt und pfiff sogar das Endspiel, in dem die Österreicher die deutsche Mannschaft mit 10:3 besiegten.
Auch politisch war Schirrmacher in der ATSB-Wassersportsparte des 6. Kreises bestens vernetzt. Sein Spartenleiter war von 1929 bis 1933 der einflussreiche rheinische Sozialdemokrat Heinrich Hamacher (1899-1974). Bemerkenswert sind auch seine journalistischen Beträge in den verschiedenen ATSB-Bundes- und Regionalzeitungen, die sich von 1928-1933 regelmäßig in den Zeitungen „Freier Wassersport“, „Arbeiter Turnzeitung“ und „Volkssport“ (Kreiszeitung 6. Kreis) finden. Thematisch berichtete Schirrmacher nicht nur über die Tätigkeiten der Wassersportsparte, sondern trug auch mit einer Vielzahl von redaktionellen Beiträgen zur Befassung mit unterschiedlichsten Themen der Arbeitersportbewegung bei.
Als aktiver Sozialdemokrat, Arbeitersportfunktionär und politisch engagierter Gewerkschaftler wurde Schirrmacher nach der NS-Machtübernahme umgehend arbeitslos. Berufsfremd schlug er sich und seine Familie in den Folgejahren als Vertreter durch, bis er 1939 in den Lokomotivbau dienstverpflichtet wurde. Von 1943 bis 1945 war er zum Kriegsdienst eingezogen; kehrte aber bereits im Juni 1945 aus US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft in seine zerstörte Heimat Gladbeck zurück. Bis Anfang 1946 arbeitete er wieder im Lokomotivbau, um sich dann bis Oktober 1947 als Redakteur bei der Westfälischen Rundschau einem völlig neuen Betätigungsfeld „hauptamtlich“ zuzuwenden. Schnell fand er auch wieder Anschluss an die SPD-Parteiarbeit in Gladbeck.
Bereits 1945 ließ er sich zum Vorsitzenden des durch ihn mitgegründeten Vereins VfL Gladbeck wählen und scharte so auch viele ehemalige Arbeitersportlerinnen und -sportler um sich. 1946 gründete er mit Gesinnungsgenossen den Stadtsportverband Gladbeck und wurde dessen Vorsitzender. Im Vorstand dieses Verbandes blieb er bis in die 1960er Jahre tätig. Hauptberuflich direkte Verantwortung für die Sportbelange in der Stadt Gladbeck trug Schirrmacher von Oktober 1947 bis Oktober 1959 als Beigeordneter für das Dezernat für Wirtschaft, Jugend und Sport.
Im Gegensatz etwa zu einem der führenden Sportfunktionäre in der Britischen Besatzungszone Hugo Grömmer sprach sich Schirrmacher von Beginn an für die Errichtung einer umfassenden Sport-Dachorganisation im späteren Nordrhein-Westfalen aus. Er brachte sich gezielt in die Diskussionen zur Gründung des LSB NRW ein.
Die Wahl von Schirrmacher in das LSB NRW-Präsidium wurde erst möglich, nachdem der Bochumer Arbeitersportkollege Wilhelm Kauermann (geboren 1889) (ehemaliger Kreisleiter der Turnsparte im 6. Kreis 1929-1933 und Bezirksfunktionär im 12. Bezirk/Bochum) im Vorfeld seinen Verzicht erklärt hatte. Schirrmacher bekleidete sein Amt fast 30 Jahre und war mit der Aufgabe der Vertretung der Zweckverbände (Stadt- und Kreissportbünde) betraut. Ein Grund für seine Zurückhaltung bei der Verantwortungsübernahme im neu zu gründenden LSB NRW mag in seinen zentralen sportpolitischen Positionen begründet liegen, die ihn vor allem mit seiner Ablehnung gegenüber der Bildung von Fachsportverbänden im LSB NRW in Opposition zu Hugo Grömmer brachten, der seine ablehnende Position im Laufe des Jahres 1946 revidierte und auf die fachverbandliche Linie des einflussreichen DFB-Funktionärs Peco Bauwens eingeschwenkt war. 1947 wurde Bauwens zum ersten Präsidenten des LSB NRW gewählt. Gemeinsam mit ihm bereitete Grömmer die Gründung des Dachverbandes in Nordrhein-Westfalen nach dem Fachverbandsprinzip vor.
In den 1950 und 1960er Jahren brachte sich Schirrmacher noch in mehreren Ausschüssen und Gremien des LSB NRW nachhaltig ein. Er war unter anderem Vorsitzender des Sportabzeichen-Ausschusses, des Satzungsausschusses und des Ausschusses für Sport und Verwaltung.
Seinen journalistischen Neigungen ging Schirrmacher auch während seiner Tätigkeiten im LSB NRW nach. Hier trat er als Verfasser einer Vielzahl von Publikationen und Positionspapieren in Erscheinung.
Schirrmacher fühlte sich Zeit seines Wirkens im LSB NRW dem Breitensportprinzip verpflichtet, das er vor allem in der Arbeitersportbewegung kennen und schätzen gelernt hatte. Stets betonte er dabei die gleichberechtigte und überfachliche Berücksichtigung aller Belange aus den verschiedenen Vereinen in Städten, Kreisen und Gemeinden. Dabei konnte sich Schirrmacher auch auf die hohe Vereinbarkeit zwischen breitensportlichen und überfachlichen Belangen stützen, wie sie sich in Zusammenschlüssen von Gemischtvereinen auf der Ebene der Bünde manifestierte und sich von den rein sportartbezogenen Interessen der Fachverbände grundsätzlich unterschied.
Zu Beginn der 1960er Jahre hatte Schirrmacher das von ihm fest in den Blick genommene Ziel erreicht, indem das Land mit einem Netzwerk von überfachlichen Sportbünden überzogen und damit dem Aufbau des nordrhein-westfälischen Sports auf der unteren Organisationsebene sein Stempel aufgedrückt worden war.
Bis zu seinem Tod 1976 blieb Schirrmacher sowohl seinem Verein VfL Gladbeck als Vorsitzender, als auch seiner Stadt als Vorsitzender des Stadtsportbundes treu. Das nach ihm benannte Artur-Schirrmacher-Sportfest der städtischen Leichtathleten wird seit Jahrzehnten ausgetragen und ist ein fester Bestandteil der westfälischen Sportfestkultur. Auch sein Verein trägt bis heute alljährlich das Artur-Schirrmacher-Gedächtnisturnier aus.
Die Stadt Gladbeck ehrte ihren verdienten Sportfunktionär und Lokalpolitiker auf unterschiedlichste Weise. 1965 erhielt er im Rahmen der Feierlichkeiten zu seinem 60. Geburtstag die Goldene Sportmedaille der Stadt. Mit der Benennung der 1987 neu errichteten Sporthalle an der Konrad-Adenauer-Allee als Artur-Schirrmacher-Sporthalle ehrte ihn die Stadt Gladbeck zusätzlich posthum.
1969 zeichnete ihn das Land Nordrhein-Westfalen mit der Sportplakette des Landes aus, und 1975 wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft des LSB-NRW verliehen.
Quellen
ATSB (Hg.): ATSB Bundeskalender 1932, Leipzig 1931 (Arbeiter-Turnverlag).
ATSB-Bundespresse: Freier Wassersport (Jg. 1928-1933, Arbeiter Turnzeitung 1928-1933, Volkssport 1928-1933.
Literatur
Neben Beiträgen über Schirrmacher in den Eigenpublikationen des LSB NRW sei verwiesen auf:
Voigt, Jürgen, Die Geschichte des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, Diplomarbeit Köln 1985.

Artur Schirrmacher wird in der Verbandszeitung LSB geehrt, 1.10.1975. (Landessportbund NRW)
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Stiller, Eike, Artur Schirrmacher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/artur-schirrmacher/DE-2086/lido/685176b1cb6c67.32453417 (abgerufen am 15.07.2025)
Veröffentlicht am 03.07.2025, zuletzt geändert am 15.07.2025