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Carl Waninger war bei der Firma Rheinmetall in Düsseldorf in leitender Funktion als Ingenieur tätig. Mit weit über 100 bahnbrechenden Erfindungen auf dem Gebiet der Geschützkonstruktion hat er durch vier verschiedene politische Systeme hindurch von der Kaiserzeit bis zur bundesrepublikanischen Nachkriegszeit als Ingenieur in der Wehrwirtschaft gewirkt.
Geboren wurde Carl Waninger am 10.5.1882 in Köln als Sohn von Karl Josef Waninger (1852-1902) und seiner Ehefrau Margarethe, geborene Herlach (1855-1912). Die Familie war katholisch. Carl besuchte in seiner Heimatstadt das Marzellengymnasium und sammelte anschließend als Volontär zwei Jahre lang in der Eisenbahnhauptwerkstätte in Köln-Nippes erste berufliche Erfahrungen. Von Herbst 1902 bis Herbst 1904 besuchte er die Königlich-Preußische Maschinenbauschule in Köln. Weitere Arbeitsstationen bei der Akkumulatorenfabrik Gottfried Hagen in Köln-Kalk und sechs Jahre Anstellung bei der Friedrich Krupp AG in Essen vervollständigten die Phase von Ausbildung und ersten Berufserfahrungen in Waningers Leben. 1903 als für den Militärdienst für untauglich befunden, konnte er schon in jungen Jahren auf weitreichende Erfahrungen verweisen, die ihm trotz fehlender akademischer Ausbildung den weiteren Aufstieg ermöglichten.
1910 heiratete Waninger Angelika Jelchen (1886-1937). Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Es folgten drei weitere Kinder aus seiner zweiten Ehe mit Angelika Waninger (Mädchenname unbekannt, 1915-2006).
1910 wechselte er zur Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik AG (Rheinmetall) in Düsseldorf und kam damit in einer Zeit ausgreifender Flottenrüstung und beschleunigten waffentechnischen Fortschritts in eines der Zentren marinetechnischer Innovationen. Zu Waningers Aufgaben zählte die Konstruktion von Schiffsgeschützen ebenso wie die der ersten von der deutschen Marine in Gebrauch genommenen U-Boot-Kanone. Auch auf dem Gebiet der Entwicklung von Granatwerfern und Wurfgranaten brachte er sich ein. Als Zeichen der Anerkennung seiner Erfindungen wurde ihm 1917 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe verliehen. 1918 wurde Waninger bei Rheinmetall Handlungsbevollmächtigter.
Durch die für den Einsatz gedachten Handbücher „Taschenbuch für den Artilleristen“ und „Das Richten der Geschütze“ erlangte Waninger auch über die Konstruktionsbüros hinaus Bekanntheit. Dies mag vor allem ein Grund für seinen kontinuierlichen beruflichen Erfolg gewesen sein. Nebenher dienten Anekdoten, wie die über die anlässlich des Düsseldorfer Karnevals von Waninger erfundene „Bonbonkanone“ für die Düsseldorfer Prinzengarde, der Steigerung seiner Bekanntheit im Rheinland.
Die während des Ersten Weltkrieges erreichte fachliche Autorität und die in den 1920er Jahren zunehmend wichtiger werdende Aufrüstung in Deutschland und Europa sorgten für Zukunftsperspektiven, die Waninger durch ein kurzzeitiges Studium an der Technischen Hochschule Hannover vom Wintersemester 1924 bis zum Wintersemester 1925/1926 zu verbessern suchte. Dass ihm das gelang, zeigen seine Karrierefortschritte in dieser Zeit. 1925 wurde er bei Rheinmetall Abteilungsdirektor, 1939 stieg er zum Werksdirektor auf.
Mit der NS-Herrschaft gewann die Kriegs- und Waffentechnik eine zentrale Bedeutung. Der durch seinen langen Bart bekannte Waninger erhielt in diesen Jahren den Spitznamen „Kanonen-Christus“ und bewährte sich – erneut – aus Sicht der Machthaber. So fallen nicht zufällig die Ernennungen zum Wehrwirtschaftsführer (1940), zum Dr. Ing. an der Technischen Hochschule Aachen (1941), zwei Jahre später zum Honorarprofessor durch Rüstungsminister Albert Speer (1905-1981) sowie die Verleihungen des Kriegsverdienstkreuzes zweiter (1940) und erster Klasse (1941) in die für das Deutsche Reich erfolgreiche Phase des Zweiten Weltkrieges. Der Titel Wehrwirtschaftsführer bedeutete allerdings nicht die weitreichenden Kompetenzen, wie sie sich daraus ableiten lassen könnten; viel wichtiger waren die persönlichen Ehrungen, die Waninger zuteilwurden.
Waningers Fachkompetenz war auch in der Lehre gefragt. Vom 16.9.1943 bis 1945 war er als Lehrbeauftrager für Sonderfragen des Waffenbaus (Wehrtechnik) an der Wehrtechnischen Fakultät V der Technischen Hochschule Berlin tätig.
Dagegen verlief Waningers Integration in die Wertewelt des NS-Regimes nicht komplikationslos. Da er seit 1924 bis zu ihrer Auflösung 1935 Mitglied der liberal orientierten Düsseldorfer Freimaurerloge „Wacht am Rhein“ gewesen war, konnte er nicht in die NSDAP aufgenommen werden und musste auch aus dem NS-Fliegerverband wieder austreten. Er stellte ein Gnadengesuch bezüglich seiner Parteiaufnahme, welches 1942 auch Zustimmung und Unterstützung bei unteren und mittleren Parteiinstanzen bis hin zum stellvertretenden Gauleiter fand. Dennoch blieben Waningers Bemühungen nach eigener Aussage erfolglos. In seinem autobiographischen – im Quellenwert eingeschränkten – Werk „Knallbonbons“ bekundete er indirekt, die Nationalsozialisten nicht gewählt zu haben, was angesichts seines freimaurerischen Engagements glaubwürdig erscheint. Seine Bemühungen um einen Parteieintritt zeigen hingegen, dass sich Waninger spätestens nach Kriegsbeginn zum Regime bekennen wollte – ob aus Opportunismus oder Überzeugung, mag dahingestellt sein. Nach dem Krieg erschien ein Bild von ihm gemeinsam mit Adolf Hitler (1889-1945) und Rheinmetall-Borsig-Generaldirektor Friedrich Luther (1877-1938), welches in der Presse einen engen Zusammenhang zwischen den beiden Rheinmetall-Borsig-Vertretern und dem Regime herstellen sollte. Dazu äußerte Waninger, dass er sich als Waffenkonstrukteur nicht für die Politik, die zum Krieg führte, verantwortlich fühlte.
Nach dem Zusammenbruch 1945 fand die verbliebene Führung von Rheinmetall-Borsig bei Eimke nahe dem zerstörten Produktionsstandort Unterlüß in der Lüneburger Heide Zuflucht. Aufgrund seiner wichtigen Rolle in der deutschen Wehrtechnik wurde Waninger als „War-Detainee“ nach London gebracht, wo er zu seiner Rolle in den letzten Jahren befragt wurde. Dabei lag der Schwerpunkt weniger auf seiner Funktion als stellvertretendes Vorstandsmitglied bei Rheinmetall-Borsig seit Herbst 1943, sondern auf technischen Fragestellungen. Nachdem sich Waninger anfangs noch weigerte, genauere Auskunft zu geben, wie den Akten und seinen Aussagen zu entnehmen ist, kam es bald zu einem ausführlichen Dialog zwischen beiden Seiten.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland gelang es Waninger nicht, an seine beruflichen Erfolge von der Kaiserzeit bis zur NS-Zeit anzuknüpfen. Die eigene Firma „Herlach und Waninger“ blieb kurzlebig; als beratender Ingenieur versuchte er nach und nach wieder andernorts seine Expertise einzubringen. Seit einem Engagement 1951 auf dem Gebiet der Marinegeschütze bei Oerlikon-Bührle in Zürich gelang es ihm wieder vermehrt, Kontakte zu Rheinmetall zu knüpfen, wo er seit April 1957 erneut tätig wurde. Seine Loyalität zu Rheinmetall war ungebrochen, trotz der Tatsache, dass er noch 1945 die Übernahme des Vorstandsvorsitzes der Firma abgelehnt hatte. Dies dürfte zeigen, dass Carl Waninger durch sein ausschließliches Interesse an der Tätigkeit des Ingenieurs keine Probleme damit hatte, sich mit unterschiedlichen politischen Systemen im Sinne eines offenen Opportunismus zu arrangieren. Einen Höhepunkt in diesem Sinne stellt die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch den Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes NRW am 12.1.1961 an Waninger dar.
Carl Waninger starb am 7.6.1961 in Ratingen und wurde auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof begraben.
Quellen
Zentralarchiv der Rheinmetall AG: Akten B106 (21), B302 (5), B302 (19), B3040 (45).
Schriften
Waninger, Carl, Knallbonbons. Die merkwürdigen Kanonaden eines alten Konstrukteurs, Düsseldorf 1961.
Ders, Taschenbuch für den Artilleristen, Düsseldorf 1942.
Ders, Das Richten der Geschütze, Berlin 1938.
Literatur
Leitzbach, Christian, Rheinmetall. Vom Reiz, im Rheinland ein großes Werk zu errichten, 2 Bände, Köln 2014.
Ders, Waninger, Carl Joseph, in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 406-407.
Online
Catalogus Professorum. Professorinnen & Professoren der TU Berlin und ihrer Vorgänger, zuletzt abgerufen am 3.6.2022 [Online].

Luther mit Hitler und Waninger in Derendorf am 11.4.1937. (Rheinmetall-Archiv)
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Schneider-Bertenburg, Lino, Carl Waninger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-waninger/DE-2086/lido/63eb6febb8a614.50324035 (abgerufen am 09.06.2023)