Carl Wilhelm Pelman

Psychiater (1838-1916)

Linda Orth (Bonn)

Carl Wilhelm Pelman, Porträtfoto. (Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)

Carl Pel­man gilt als ei­ner der be­deu­tends­ten Psych­ia­ter des 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts. Als An­hän­ger des Non-Restraint-Prin­zips for­der­te er ei­ne mensch­li­che Be­hand­lung psy­chisch Kran­ker und lehn­te die bis da­hin in der Psych­ia­trie üb­li­chen Zwangs­me­tho­den ab.

Carl Ge­org Wil­helm Pel­man wur­de am 24.1.1838 als Sohn ei­nes Kanz­lei­rats am preu­ßi­schen Ober­berg­amt in Bonn ge­bo­ren. Sei­ne Mut­ter, eben­falls ei­ne Bon­ne­rin, war li­te­ra­risch sehr be­gabt und kann­te durch ih­ren Kon­takt mit dem Bon­ner Mai­kä­fer­bund un­ter an­de­rem Jo­han­na und Gott­fried Kin­kel, Ge­org Her­wegh (1817-1875) und Carl Schurz. Pel­mans Va­ter war ak­ti­ves Mit­glied im Bon­ner Kar­ne­vals­ver­ein.

Pel­man be­such­te bis 1855 das Gym­na­si­um in Bonn. Schon in die­ser Zeit ent­wi­ckel­te er gro­ßes In­ter­es­se an der la­tei­ni­schen und grie­chi­schen Li­te­ra­tur, ent­schied sich aber nach dem Ab­itur für ein Stu­di­um der Me­di­zin in Bonn. 1860 wur­de er mit der Dis­ser­ta­ti­on "Die me­di­ci­ni­sche To­po­gra­phie der Stadt Bonn" pro­mo­viert. Wäh­rend der Stu­di­en­zeit ab­sol­vier­te Pel­man un­ter der Lei­tung des Psych­ia­ters Fried­rich Al­bert Hoff­mann (1820-1863) ein vier­wö­chi­ges Prak­ti­kum in der auf dem Sieg­bur­ger Mi­cha­els­berg an­ge­sie­del­ten ers­ten Pro­vin­zi­al-Ir­ren­an­stalt der Rhein­pro­vinz. Nach be­stan­de­nem Staats­ex­amen fand er hier für die Dau­er ei­nes Jah­res ei­ne An­stel­lung als As­sis­tenz­arzt.

An­fang 1862 wech­sel­te Pel­man in glei­cher Funk­ti­on an ei­ne Pri­va­tir­ren­an­stalt in Gör­litz, wo er ab 1863 auch sei­nen Mi­li­tär­dienst als Ein­jäh­rig Frei­wil­li­ger ab­leis­te­te. Im Krieg ge­gen Dä­ne­mark 1864 nahm er als Feld­arzt an der Er­stür­mung der Düp­peler Schan­zen teil. Nach Kriegs­en­de kehr­te Pel­man nach Sieg­burg zu­rück, wo er ab dem 23.9.1864 zu­nächst als As­sis­tenz­arzt und von 1866 bis 1871 als zwei­ter Arzt tä­tig war. 1867 grün­de­te er mit an­de­ren rhei­ni­schen Ir­ren­ärz­ten den "Psych­ia­tri­schen Ver­ein der Rhein­pro­vinz".

Von 1871 bis 1876 wirk­te er auf Be­trei­ben des preu­ßi­schen Mi­nis­te­ri­al­di­rek­tors Fried­rich Alt­hoff, ei­nem Bon­ner Stu­di­en­ge­nos­sen, als Lei­ter der el­säs­si­schen Ir­ren­an­stalt Ste­phans­feld. In die­ser Po­si­ti­on er­hielt Pel­man erst­mals die Mög­lich­keit, sei­ne Vor­stel­lun­gen von ei­ner men­schen­wür­di­gen Be­hand­lung psy­chisch Kran­ker in vol­lem Um­fang um­zu­set­zen zu kön­nen. In sei­nen Er­in­ne­run­gen schil­der­te er die bis da­hin in der Be­hand­lung der Kran­ken gän­gi­gen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men und Zwangs­me­tho­den. So schrieb er über die An­wen­dung der so ge­nann­ten „Du­sche": „Bei der Du­sche wur­de der nack­te Kran­ke auf ei­nen Zwangs­stuhl ge­setzt und der Ober­wär­ter lei­te­te den Strahl ei­ner Brand­sprit­ze auf sei­nen Rü­cken, und die Ara­bes­ken, die sich un­ter dem schar­fen Strah­le in brei­ten Strie­men auf der Haut bil­de­ten, zeug­ten eben­so von der lan­gen Übung des aus­üben­den Be­am­ten, wie das Ge­brüll des Kran­ken von den an­ge­neh­men Emp­fin­dun­gen, die er da­bei emp­fand."

Pel­man er­wies sich als ein ent­schie­de­ner Geg­ner der­ar­ti­ger Me­tho­den, sein Ziel galt der Um­wand­lung der „Ir­ren­an­stal­ten" in „Hu­ma­ni­täts­an­stal­ten". Nach sei­ner An­sicht, die un­ter an­de­rem auch von sei­nem Kol­le­gen Bern­hard von Gud­den ge­teilt wur­de, er­öff­ne­te al­lein ei­ne men­schen­wür­di­ge Be­hand­lung und Ver­sor­gung der Kran­ken so­wie ein part­ner­schaft­li­ches Ver­hält­nis von Arzt und Pa­ti­ent die Mög­lich­keit zur Hei­lung und letzt­lich auch zu ei­ner Wie­der­ein­glie­de­rung in die Ge­sell­schaft. Dies schloss je­doch gleich­zei­tig die Auf­nah­me geis­tes­kran­ker Ver­bre­cher in die von ihm kon­zi­pier­ten „frei­en An­stal­ten" aus. Da sich die­se von „Zwang und Stra­fe" ge­löst hät­ten, plä­dier­te Pel­man da­für, die im Ver­dacht ei­ner Geis­tes­krank­heit ste­hen­den Kri­mi­nel­len in der Ob­hut des Straf­voll­zugs zu be­las­sen. 1876 kehr­te Carl Pel­man in das Rhein­land zu­rück und über­nahm die Lei­tung der neu er­öff­ne­ten Pro­vin­zi­al-Ir­ren­an­stalt Gra­fen­berg bei Düs­sel­dorf. 1884 grün­de­te er den „Düs­sel­dor­fer Hülfs­ver­ein", mit dem "ent­las­se­nen Geis­tes­kran­ken" bei ih­rer Wie­der­ein­glie­de­rung im All­tag ge­hol­fen wer­den soll­te, auch fi­nan­zi­ell. Ab 1889 führ­te Carl Pel­man den Vor­sitz des „Psych­ia­tri­schen Ver­eins der Rhein­pro­vinz". Er war auch Mit­her­aus­ge­ber der „All­ge­mei­nen Zeit­schrift für Psych­ia­trie" und psych­ia­tri­scher Schrift­stel­ler.

1889 wur­de er,- nicht zu­letzt auf Drän­gen Alt­hoffs - als Nach­fol­ger von Wer­ner Nas­se (1822-1889) zum Di­rek­tor der „Pro­vin­zi­al-Ir­ren­an­stalt Bonn" und gleich­zei­tig zum ers­ten or­dent­li­chen Pro­fes­sor für Psych­ia­trie an der Uni­ver­si­tät Bonn be­ru­fen. Die Bon­ner An­stalt hat­te in den An­fän­gen mit ei­ni­gen Schwie­rig­kei­ten zu kämp­fen, da sie un­ter an­de­rem auch ei­nen Teil des al­ten Sieg­bur­ger In­ven­tars – zum Bei­spiel Bet­ten äl­te­ren Typs – über­neh­men muss­te. Nach dem Ur­teil von Pel­man war die Bon­ner An­stalt bei sei­ner An­kunft als Lei­ter „un­prak­tisch, un­schön und un­ge­müt­lich" ge­baut. Ei­ne Än­de­rung der Wohn- und Ar­beits­be­din­gun­gen so­wohl für die Pa­ti­en­ten als auch für das Per­so­nal war auch hier Pel­mans Be­stre­ben. In sei­ner Funk­ti­on als Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor fand Pel­man in der letz­ten Pha­se sei­nes be­ruf­li­chen Schaf­fens ei­ne wei­te­re Auf­ga­be, die sei­nen viel­sei­ti­gen Be­fä­hi­gun­gen, trotz an­fäng­li­cher Skep­sis, ent­ge­gen kam. Ob­gleich in sei­ner Lehr­tä­tig­keit ein Spät­be­ru­fe­ner, er­freu­ten sich sei­ne in­halt­lich prä­zi­sen und den­noch un­ter­halt­sa­men Vor­le­sun­gen bei den Stu­den­ten ei­ner gro­ßen Be­liebt­heit.

1904 trat Pel­man in den Ru­he­stand, den er bei bes­ter Ge­sund­heit un­ter an­de­rem mit li­te­ra­ri­schen Stu­di­en und der Ab­fas­sung sei­ner Le­bens­er­in­ne­run­gen ver­brach­te.

Carl Pel­man starb am 21.12.1916 an ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Al­ten Fried­hof in Bonn.

Schriften (Auswahl)

Die me­di­ci­ni­sche To­po­gra­phie der Stadt Bonn, Dis­ser­ta­ti­ons­schrift, Bonn 1860.
Er­in­ne­run­gen ei­nes al­ten Ir­ren­arz­tes, Bonn 1912.

Literatur

Orth, Lin­da/Bradl, Chris­ti­an/Klenk, Wolf­gang, Die Ir­ren im Bonn des 19. Jahr­hun­derts, in: Ma­zer­ath, Jo­sef (Hg.), Bonn. 54 Ka­pi­tel Stadt­ge­schich­te, Bonn 1989, S. 209-216.
Orth, Lin­da, Pass op. sonst küss de bei de Pel­man. Das Ir­ren­we­sen im Rhein­land des 19. Jahr­hun­derts, Bonn 1996, S. 18-20.
Um­p­fen­bach, Fried­rich, Carl Wil­helm Pel­man, in: Theo­dor Kirch­hoff, Deut­sche Ir­ren­ärz­te, Band 2, Ber­lin 1924, S. 144-148.

Online

Ge­schich­te des LVR-Kli­ni­kums Düs­sel­dorf - Psych­ia­trie im Wan­del der Zeit (In­for­ma­ti­on auf der Web­site des LVR-Kli­ni­kums Düs­sel­dorf). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Orth, Linda, Carl Wilhelm Pelman, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-wilhelm-pelman/DE-2086/lido/57c9589ef03391.07144296 (abgerufen am 28.03.2024)