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Carmen Sylva war das Künstlerpseudonym der Elisabeth Prinzessin zu Wied, der Fürstin und späteren rumänischen Königin Elisabeth I. Ihr Leben war geprägt von ihrem Einsatz für die Kulturbildung in ihrer rheinischen Heimat und in Rumänien. Sie war daneben selbst künstlerisch tätig, vornehmlich als Dichterin, aber auch in der Malerei. Mit ihren Werken erreichte sie einen hohen Bekanntheitsgrad und Erfolg. Außerdem förderte und initiierte sie zahlreiche karitative Einrichtungen. Das brachte ihr den Ruf einer gütigen und wohltätigen Landesmutter ein.
Elisabeth wurde am 29.12.1843 als erstes Kind des Fürsten Hermann von Wied (1814-1864) und dessen Frau Marie (1825-1902), Prinzessin von Nassau-Weilburg, in Neuwied geboren. Dem Fürstengeschlecht Wied entstammten zahlreiche berühmte Persönlichkeiten, darunter der Kölner Erzbischof Hermann von Wied.
Die Eltern legten viel Wert auf eine einfache Lebensführung und eine zeit- und standesgemäße Erziehung. Bis zu ihrem 13. Lebensjahr wurde Elisabeth hauptsächlich von Erzieherinnen betreut. Geprägt war diese Zeit durch die Krankheiten der Mutter, des Bruders Otto (1850-1862) und dessen frühen Tod. In den folgenden vier Jahren wurde sie von ihrem Vater und Hauslehrern unterrichtet. Eine besondere Rolle spielte dabei Georg Sauerwein (1831-1904), der Elisabeths Fremdsprachenbegabung förderte. Außerdem soll ihr Pseudonym auf ihn zurückgehen. Zu den Unterrichtsgegenständen gehörten die damals klassischen Disziplinen Englisch und Französisch, Literatur- und Kunstgeschichte, Musik und die Lektüre der Beckerschen Weltgeschichte. Hohe Anforderungen in den naturwissenschaftliche Fächern, in den klassischen Sprachen sowie Russisch und Ungarisch kamen hinzu.
Das Kulturinteresse Elisabeths wurde nachhaltig gefördert durch den Kontakt zu Künstlern und Wissenschaftlern. Auch die später stark ausgeprägten karitativen Tätigkeiten Elisabeths fanden ihren Ursprung in ihrer Kindheit und Jugend, da Elisabeths Mutter durch ihre eigenen sozialen Tätigkeiten, an denen sie früh die Tochter beteiligte, deren Bereitschaft zur Übernahme sozialer Verantwortung förderte.
Wie für die Erziehung fürstlicher Kinder üblich, wurde auch Elisabeth in ihrer späten Jugend auf ausgedehnte Auslandsreisen und Aufenthalte an befreundeten Höfen geschickt. Bei ihrem ersten Aufenthalt am königlichen Hof in Berlin 1861 lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen (1839-1914) kennen, der 1866 rumänischer Fürst wurde. Dieses erste Treffen führte aber noch zu keiner engeren Beziehung der beiden. In den folgenden Jahren plante Elisabeth eigentlich, zukünftig als Privatlehrerin zu unterrichten. Erst nach einem weiteren Treffen im Spätsommer 1869 kam es zur Verlobung. Die Heirat fand am 15.11.1869 in Neuwied statt.
Die ersten Jahre des Fürstenpaars in Rumänien waren schwierig. Antideutsche Stimmungen und Tendenzen, hervorgerufen durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/ 1871 und wirtschaftliche Schwierigkeiten, bedrohten die Stellung des Fürsten, der sich immer wieder mit Abdankungsgedanken trug. Elisabeth konnte jedoch durch ihre Persönlichkeit und Wohltätigkeit Sympathien in der Bevölkerung wecken. Auch die Geburt ihrer Tochter Marie am 8.9.1870 vermehrte ihr Ansehen. Mit Hilfe und Unterstützung durch Österreich und Russland konnte Karl die politischen Schwierigkeiten entschärfen.
Elisabeth zeigte schon in den ersten Jahren in Rumänien großes soziales und wohltätiges Engagement. Dabei galt ihre besondere Fürsorge den Waisenkindern. Nach dem Vorbild ihrer Mutter nahm sie schon früh ihre kleine Tochter mit, die jedoch im Januar 1874 nach einem Waisenhausbesuch an Scharlachfieber erkrankte und kurz vor Ostern daran starb. Den Tod ihrer geliebten Tochter überwand Elisabeth niemals vollständig, zumal sich ihr Wunsch nach einem weiteren Kind nicht erfüllte.
Nach dem Tod der Tochter dehnte Elisabeth ihre soziale und kulturelle Arbeit noch weiter aus. Dazu gehörten: Die Verbesserung des Unterrichts- und Erziehungswesens durch Besuche in Schulen, die Übersetzung ausländischer Texte als neue und bessere Schullektüren und deren preiswerte Verbreitung, die Förderung der rumänischen Kultur im In- und Ausland, die Fürsorge für Arme und Kranke (Gründung eines Armenvereins, in dem sie selbst wöchentlich den Vorsitz führte), die Einrichtung von Volksküchen zur Armenspeisung sowie die Initiative und Unterstützung bei der Gründung einer Krankenschwesterstation und einer Poliklinik „Regina Elisabetha". Diese Einrichtungen gaben den Anstoß zur Verbesserung des Gesundheits- und Armenwesens in Rumänien. Das Fürstenpaar unterstützte verschiedene Einrichtungen auch durch private Geldspenden. Das soziale Engagement steigerte ihre Anerkennung und Bewunderung im Volk.
Der Russisch-Türkisch Krieg von 1877/ 1878 war eine entscheidende Phase für das Fürstenpaar. Karl konnte durch sein außenpolitisches Geschick einmal die völlige Unabhängigkeit Rumäniens im Berliner Vertrag von 1878 erreichen, zum anderen das Ansehens Rumäniens im In- und Ausland steigern. Daraus resultierte die Ausrufung Karls zum König durch die rumänischen Parlamentskammern am 26.3.1881. Auch Elisabeth hatte aktiv am Kriegsgeschehen teilgenommen, indem sie persönlich Verwundete und Soldaten gepflegt hatte. Für ihre soziale Tätigkeit während des Krieges wurde sie europaweit bekannt und bewundert. Die russische Zarin Alexandra Fjodorowna (1872-1918) zeichnete sie mit dem Katharinenorden aus und die rumänischen Offiziersfrauen ließen ihr zu Ehren ein Marmordenkmal errichten.
Ihre Anerkennung im Volk entwickelte sich zur Verehrung und brachte ihr den Namen „Mama Regina" ein. Die folgenden zehn Jahre gelten als die „glücklichen Jahre" in ihrem Leben. Das Königspaar empfing hohe ausländische Besucher und reiste selbst viel ins Ausland, auch in Elisabeths rheinische Heimat. Daneben widmete sich Elisabeth ihren künstlerischen Tätigkeiten und pflegte engen Kontakt zu befreundeten Künstlern.
Die Erbfolgeproblematik führte zu Beginn der 1890er Jahre zu einer erneuten seelische Krise. Elisabeth wollte ihren Bruder Wilhelm von Wied (1876-1945) als Erben und somit als Thronfolger einsetzen, Karl und der rumänische Ministerrat hingegen entschieden sich für Karls Neffen Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen (1865-1927). Elisabeth versuchte daraufhin, wenigstens die zukünftige Ehefrau und Königin auszusuchen und verlobte Ferdinand 1891 heimlich mit ihrer bevorzugten Hofdame Hélène Vacaresco (1864-1947). Als das bekannt wurde, löste Karl die Verlobung auf und schickte beide Frauen getrennt von einander ins Ausland.
Die Jahre 1891 bis 1894 verbrachte die Königin erst in Italien und dann auf Schloss Segenhaus bei Neuwied, dem Witwensitz ihrer Mutter. Geistig und körperlich befand sie sich zu diesem Zeitpunkt in einem sehr schlechten Zustand. Um Elisabeth vor der Öffentlichkeit und sich selbst zu schützen, verbot der König ihr die Schriftstellerei und ließ ihren Briefwechsel überwachen. Zahlreiche Niederschriften dieser Zeit, verwahrt im fürstlichen Archiv in Neuwied, belegen ihre schlechte seelische Verfassung. Erst durch die Fürsorge ihrer Mutter konnte sie sich wieder erholen. Im Herbst 1894 kehrte sie nach Rumänien zurück.
In den folgenden Jahren beschäftigte sie sich vornehmlich mit künstlerischen und karitativen Projekten, wie der Blindenfürsorge oder einem Erholungsheim in ihrer ehemaligen Heimat. Ihre Bemühungen, durch die übersetzten ausländischen Texte eine einheitliche rumänische Rechtschreibung zu erreichen, scheiterten jedoch. Ebenso konnte sie ihre Vision von einer Blindenstadt „Vatra Luminoasa" (Leuchtender Herd) mit 100.000 internationalen Einwohnern und die Einrichtung eines Heims für erholungsbedürftige Menschen „Müde Seelen" im Schloss Segenhaus nicht durchsetzen. In diesen Bemühungen zeigten sich immer wieder ihre realitätsfernen und sehr idealistischen Vorstellungen.
Ihre letzten Lebensjahre waren von Sorgen und Ängsten geprägt. Der Tod ihres Bruders im Jahre 1907, die schwere Krankheit ihres Mannes ab 1908 und ihr eigener schlechter Gesundheitszustand nahmen sie sehr mit. Auch äußere Faktoren wie der Bauernaufstand und der andauernde Umbau des Schloss Pelesch machten ihr zu schaffen. Bis zum Tod des Königs am 10.10.1914 pflegte sie ihn aufopfernd. Sein Wirken fand Anerkennung und Würdigung, ebenso seine Aufbauleistungen für Rumänien und das Erreichen der Neutralität des Landes im Ersten Weltkrieg. Bis zu ihrem Tod am 2.3.1916 durch eine doppelseitigen Lungenentzündung verbrachte Elisabeth die meiste Zeit im bischöflichen Palais von Curtea de Argesch, da Mann und Tochter in der Königsgruft der Kirche von Curtea de Argesch bestattet worden waren.
Der Grundstein für Elisabeths vielfältige künstlerische Tätigkeit lag schon in ihrer Kindheit und Jugend. Durch ihre künstlerisch geprägte Bildung und den Kontakt mit zeitgenössischen Künstlern, Musikern und Schriftstellern wie Ernst Moritz Arndt, Jakob Bernays (1824-1881) und Clemens Theodor Perthes (1809-1867), entdeckte sie früh ihr Interesse und ihr Talent. Von Kind an führte sie ihr Tagebuch in Versform und verarbeitete ihre alltäglichen Erlebnisse und Eindrücke. So finden sich in ihren Tagebüchern unter anderem Gedichte zum Tod ihres Bruders und ihres Vaters, Liebesgedichte, Gedichte zum Mutterglück und Schmerz nach dem Tod ihrer Tochter. Ihre literarische Tätigkeit betrieb sie im privaten Raum. Erst nach dem Tod ihrer Tochter und der Begegnung mit dem russischen Diplomaten und Schriftsteller Wilhelm von Kotzebue (1813-1887) während ihres Kuraufenthalts in Franzenbad, veränderte sich ihre Haltung. Sie selbst verstand diesen Augenblick als Startpunkt ihres Dichterlebens. Zwischen 1880 und 1892 veröffentlichte sie dann circa 30 Werke, darunter Übersetzungen, Gedichtbände, Novellen, Märchen, Romane, Essays und Aphorismen. 1881 verwendete sie erstmalig ihr Pseudonym Carmen Sylva. Die Bedeutung erklärte sie in einem Gedicht:
Carmen das Lied und Sylva der Wald,
Von selbst gesungen das Waldlied schallt.
Und wenn ich am Wald nicht geboren wär',
Dann säng' ich die Lieder schon längst nicht mehr.
Dan Vögeln hab' ich sie abgelauscht;
Der Wald hat alles mir zugerauscht,
Vom Herzen tat ich den Schlag dazu,
Mich singen der Wald und das Lied zur Ruh!
In der Zeit der Vacaresco-Affäre und den Jahren ihrer Verbannung ging sie nur im Privaten ihrer literarischen Tätigkeit nach und veröffentlichte kaum. Erst ab 1898 und bis kurz vor ihrem Tod (bis 1913) veröffentlichte sie wieder zahlreiche Werke. Besonders ihre Gedichte und Romane erfuhren ein große Verbreitung. In ihrer bekanntesten Gedichtsammlung „Meine Ruh" (1884) zeigte sich ihre künstlerisches Vermögen, aber auch ihr bewegtes Seelenleben. Auch ihre rheinische Heimat findet sich in zahlreichen ihrer Werke: Ihr Gedichtband „Mein Rhein" enthält Gedichte zu Städten und Burgen von Mainz bis Kleve. Sechs dieser Gedichte wurden von Friedrich August Bungert (1845-1915) vertont. Besonders erfolgreich war das Lied „Bonn". Der Erfolg in der rheinischen Heimat war Elisabeth sehr wichtig.
Ihre Bekanntheit und ihr Erfolg leiteten sich vornehmlich aus der Stimmung der Zeit ab: Die grundlegenden Veränderungsprozesse der Wilhelminischen Zeit erzeugten ein Verharren breiter Bevölkerungsschichten in der Bewunderung und Verherrlichung des Hochadels. Sie wurde von der Öffentlichkeit nicht als Künstlerin wahrgenommen, sondern als dichtende Königin. Die zahlreichen Ehrungen waren ihr wohl aus politischen Gründen verliehen worden. Ihr Ziel, eine bedeutende Künstlerin zu werden und von der Literaturgeschichte als diese anerkannt zu sein, konnte sie nicht erreichen.
Werke (Auswahl)
Geflüsterte Worte, 5 Bände, Regensburg 1903-1912.
Die Hexe, Berlin 1882.
Islandfischer, Berlin 1888.
Mein Penatenwinkel, Frankfurt a. M., 1908.
Mein Rhein, Leipzig 1884.
Meine Ruh, Berlin 1884.
Meister Manole, Bonn 1892.
Pelesch-Märchen, Leipzig 1882.
Stürme, Frankfurt a. M. 1881.
Literatur
Eckardt, Uwe, Carmen Sylva (1843-1916), in: Rheinische Lebensbilder 8 (1980), S. 285-303.
Kreismuseum Neuwied (Hg.), Carmen Sylva. Elisabeth Königin von Rumänien (1843-1916), Neuwied 1999.
Podlipny-Hehn, Annemarie, Carmen Sylva, Temeswar 2001
Schmidt, Hildegard Emilie, Die Förderung von Kultur und Bildung in Rumänien durch die Königin Elisabeta geb. Prinzessin zu Wied (Carmen Sylva, 1843-1916). Nach bisher unveröffentlichten Quellen aus dem Fürstlich-Wiedschen Archiv in Neuwied, Neuwied 1983.
Steinert, Walter, Mama Regina, in: Strüder, Julius/Strüder, Rolf (Hg.), Bilder und Gestalten aus der Vergangenheit der Stadt Neuwied. Zur 300-Jahr-Feier 1653-1953, Neuwied 1953, S. 176-191.
Toepell, Rose, Begegnung mit Königin Elisabeth von Rumänien – Prinzessin zu Wied, in: Strüder, Julius/Strüder, Rolf (Hg.), Bilder und Gestalten aus der Vergangenheit der Stadt Neuwied. Zur 300-Jahr-Feier 1653-1953, Neuwied 1953, S. 167-175.
Online
Elisabeth Heimpel, "Carmen Sylva", in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 149. [Online]
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Delhougne, Severine, Carmen Sylva, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carmen-sylva/DE-2086/lido/57c959a6a97704.65771062 (abgerufen am 10.10.2024)