Christian Kretzschmar

Baumeister (gestorben 1768)

Ingrid Jakobs (Merzig)

Lithographie der Abtei Mettlach aus dem Jahr 1863. (Constantin von Briesen: Urkundliche Geschichte des Kreises Merzig, Saarlouis 1863)

Chris­ti­an Kretz­sch­mar zählt in der Saar­ge­gend ne­ben Joa­chim Sten­gel (1694-1787) zu den wich­tigs­ten Ba­rock­bau­meis­tern des 18. Jahr­hun­derts. Mit sei­nem Bau­stil - ihm wer­den be­deu­ten­de Sa­kral- und Prof­an­bau­ten zu­ge­schrie­ben – präg­te er die Ar­chi­tek­tur die­ser Re­gi­on. Trotz­dem bleibt Chris­ti­an Kretz­sch­mar der gro­ße Un­be­kann­te: Sein Ge­burts­da­tum ist nicht nach­ge­wie­sen, sei­ne Her­kunft, sein so­zia­ler Hin­ter­grund und sei­ne Aus­bil­dung ge­ben Rät­sel auf. Lei­der ist auch die Quel­len­la­ge hin­sicht­lich sei­ner Bau­tä­tig­keit eher schwach. Da­her muss sich die Zu­ord­nung von Bau­ten an Kretz­sch­mar, bei de­nen er nicht na­ment­lich ge­nannt wird, auf ty­po­lo­gi­sche und sti­lis­ti­sche, al­ler­dings wohl­fun­dier­ten, Zu­schrei­bun­gen stüt­zen. 

 

In den Jah­ren 1710 bis 1730 ka­men – an­ge­zo­gen vom Fes­tungs­bau in Saar­louis - zahl­rei­che Hand­wer­ker aus Ti­rol, aus Ös­ter­reich, aus Vor­arl­berg und Süd­deutsch­land an die Saar. In die­ser Zeit taucht auch der Na­me Kretz­sch­mar hier erst­mals auf. Als Zeu­ge bei ei­ner Ver­hand­lung in Wad­gas­sen gab er 1726 als Be­ruf Stein­hau­er an. Dort war zu die­ser Zeit der Klos­ter­bau im Gan­ge. Ei­ne Bild­hau­er­ar­beit von Kretz­sch­mar ist aber nicht be­kannt. In­ter­es­se weck­ten sei­ne Bau­ten: In Mett­lach die Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei, in Trier St. Pau­lin, die Klos­ter­kir­che der Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei St. Ma­ri­en, das Be­ne­dik­ti­ne­rin­nen­klos­ter St. Ir­mi­nen, das Fran­zis­ka­ner-Mi­no­ri­ten-Klos­ter, in Him­merod in der Ei­fel die Klos­ter­kir­che der Zis­ter­zi­en­ser, zu­dem Prof­an­bau­ten in Trier und im heu­ti­gen Land­kreis Mer­zig-Wa­dern. Lei­der sind ei­ni­ge die­ser Bau­ten heu­te nur noch teil­wei­se vor­han­den, an­de­re ganz ver­schwun­den. Als Bau­meis­ter na­ment­lich ge­nannt wird Kretz­sch­mar bei Klos­ter Mett­lach und der Klos­ter­kir­che in Him­merod. In wel­cher Funk­ti­on er bei den an­de­ren Bau­ten je­weils wirk­te: als Pla­ner, Bau­meis­ter oder als Gut­ach­ter bleibt of­fen.

Als Bau­meis­ter je­den­falls trat er mit dem Bau der Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei in Mett­lach erst­mals an der Saar in Er­schei­nung. Das Be­stal­lungs­pa­tent für Klos­ter Mett­lach, al­so sei­nen Ar­beits­ver­trag, un­ter­schrieb er am 8.2.1727 mit „Chris­ti­an Kretz­sch­mar Bau­meis­ter“. Sei­ne Auf­ga­ben, Pflich­ten, sein Ge­halt sind hier eben­so fest­ge­hal­ten wie der Zu­satz, dass er ne­ben sei­ner ver­trag­li­chen Haupt­tä­tig­keit als Werk­meis­ter, wann im­mer es sei­ne Zeit er­laubt auch „sei­ner pro­fes­si­on-ge­mä­ß“ als Bild­hau­er den Klos­ter­bau be­rei­chern soll­te. Sei­nem „Ar­beits­ver­tra­g“ ist wei­ter zu ent­neh­men, dass Kretz­sch­mar auf Emp­feh­lung von Ber­nar­do Tra­buc­co, der als Bau­meis­ter der Ab­tei Wad­gas­sen ge­nannt wird, zum Mett­la­cher Klos­ter kam. Ge­plant wur­de für Mett­lach ei­ne weit­läu­fi­ge und äu­ßerst re­prä­sen­ta­ti­ve Klos­ter­an­la­ge, die sich ent­lang der Saar er­streckt. Die Klos­ter­kir­che soll­te den seit­li­chen Ab­schluss bil­den. Aus­ma­ße und Gro­ßzü­gig­keit der An­la­ge er­stau­nen. Häu­fig wird der Klos­ter­bau in der kunst­ge­schicht­li­chen Li­te­ra­tur mit ei­ner Schloss­an­la­ge ver­gli­chen.

Das Zisterzienser-Kloster Himmerod mit der von Kretzschmar erbauten und im 19. Jahrhundert zerstörten barocken Klosterkirche, 1920er Jahre. (public domain)

 

Die Re­gi­on war im 18. Jahr­hun­dert und noch dar­über hin­aus land­wirt­schaft­lich ge­prägt. Die Men­schen wa­ren arm, die Ort­schaf­ten in schlech­tem Zu­stand. Schon von da­her ist die Grö­ße der ge­plan­ten An­la­ge un­ge­wöhn­lich. Aus­ge­führt wur­den schlie­ß­lich der par­al­lel zur Saar ge­le­ge­ne 112 Me­ter lan­ge Haupt­trakt (West­flü­gel), der da­hin­ter­lie­gen­de gro­ße Wirt­schafts­hof und Tei­le des be­nach­bar­ten klei­ne­ren Kreuz­gangs. Kreuz­hof und Kreuz­gang wur­den nicht zu En­de ge­baut, die ge­plan­te Klos­ter­kir­che erst gar nicht be­gon­nen. Es gibt An­zei­chen, dass die Mön­che in der zwei­ten Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts das In­ter­es­se an der Wei­ter­füh­rung des Klos­ter­baus ver­lo­ren hat­ten. End­gül­tig be­en­det wur­de die Bau­tä­tig­keit je­den­falls durch die fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­ons­hee­re. 

Be­son­ders auf­fal­lend ist die zwei­ge­schos­si­ge Por­talan­la­ge mit kon­vex vor- und kon­kav ein­schwin­gen­den For­men am Mit­tel­pa­vil­lon des West­flü­gels. Solch auf­wen­di­ge Por­tala­ch­sen sind cha­rak­te­ris­tisch für Kretz­sch­mar und fin­den sich an vie­len sei­ner Bau­ten. Ähn­lich ge­schwun­gen war auch die West­turm­lö­sung der Klos­ter­kir­che ge­plant. Heu­te ist die ge­sam­te Klos­ter­an­la­ge Sitz des Un­ter­neh­mens und der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on von Vil­le­roy & Boch.

Die Pla­nung für die Mett­la­cher Klos­ter­kir­che zeigt gro­ße Ver­wandt­schaft mit der Fas­sa­den­ge­stal­tung von St. Pau­lin in Trier und mit der klei­nen Dorf­ka­pel­le in Har­lin­gen im Land­kreis Mer­zig-Wa­dern. Die Dis­kus­si­on über Kretz­sch­mars Ur­he­ber­schaft der bei­den Kir­chen ist nicht ab­ge­schlos­sen.

Nach 1727 taucht Kretz­sch­mars Na­me häu­fi­ger in Kir­chen­bü­chern auf. Die Schreib­wei­se sei­nes Na­mens ist wie oft im 18. Jahr­hun­dert ganz un­ter­schied­lich: Kret­sch­mar, Kretz­sch­mar, Gret­sch­mar, Gretz­mar. Auch die Be­rufs­be­zeich­nun­gen va­ri­ie­ren: 1734 hei­ßt es in Mett­lach: „Chris­tia­nus Kretz­sch­mar Sa­xo mo­nas­te­rii nos­tri ar­chi­tec­tus“ und 1744 wird Kretz­sch­mar als „Bau­meis­ter zu Mer­zi­g“ be­zeich­net. In Rech­nun­gen von Klos­ter Him­merod steht: „Herrn bauw Meys­ter Chris­ti­an Kretz­sch­mar“.

Im 18. Jahr­hun­dert wur­de zwi­schen der Be­zeich­nung Bau­meis­ter und Ar­chi­tekt nicht streng ge­trennt. Da­für gibt es zahl­rei­che Bei­spie­le in der Kunst­ge­schich­te. So wa­ren Bild­hau­er auch häu­fig als Bau­meis­ter tä­tig. Die An­ga­be „Sa­xo“ lässt zu­nächst ver­mu­ten, dass Kretz­sch­mar aus Sach­sen stammt. Aber ein Bild­hau­er und Bau­meis­ter Chris­ti­an Kretz­sch­mar ist im säch­si­schen Ba­rock nicht nach­zu­wei­sen. Die­se An­ga­be kann sich je­doch eben­so auf sei­nen letz­ten Auf­ent­halts­ort be­zie­hen.

Auf­hor­chen lässt die Be­schwer­de der Trie­rer Stein­metz­zunft vom 22.1.1739. Sie be­kla­gen sich beim dor­ti­gen Bür­ger­meis­ter, dass „der be­kann­te so ge­nann­te Bau­meis­ter Von Mett­loes!“ sei­ne Tä­tig­keit in Trier nicht nur auf Klös­ter und Kir­chen aus­deh­ne, son­dern auch noch Bür­ger­häu­ser baue. Zu­dem geht dar­aus her­vor, dass Trie­rer Meis­ter als Ge­sel­len bei Kretz­sch­mar tä­tig sind. Dies ent­spricht ganz und gar nicht den Ge­wohn­hei­ten des 18. Jahr­hun­derts und ist au­ßer­ge­wöhn­lich. Zor­nig wa­ren die Hand­wer­ker auch dar­über, dass Kretz­sch­mar frei von al­len Auf­la­gen und Las­ten in Trier leb­te.

Der Stadt­rat wies die Kla­ge ab. Die Stein­met­zen wur­den trotz ih­rer mas­si­ven Be­fürch­tung, an­dern­falls wer­de die Zunft rui­niert, zur Ru­he ver­wie­sen. Sie wand­ten sich dar­auf­hin an den Kur­fürs­ten. Un­ge­recht emp­fan­den sie, dass Kretz­sch­mar we­der sein Meis­ter­stück an­ge­fer­tigt, noch Nach­wei­se über Wan­der­schaft, sei­ne Her­kunft oder gar sei­ne Ge­burts­ur­kun­de bei­ge­bracht ha­be. Ei­ne Ent­schei­dung des Kur­fürs­ten ist nicht be­kannt. Aus die­ser Be­schwer­de er­gibt sich ein­deu­tig, dass Kretz­sch­mar in Trier an meh­re­ren Kir­chen - und Klos­ter­bau­ten und auch an Bür­ger­häu­sern als Ar­chi­tekt tä­tig war. War­um Kretz­sch­mar in den Ge­nuss sol­cher Pri­vi­le­gi­en kom­men konn­te, bleibt im Dun­keln.

Of­fen­sicht­lich war Kretz­sch­mar nicht al­lein tä­tig, die Hand­wer­ker spre­chen von „Frem­den“. Ei­ne Ein­tra­gung im Kir­chen­buch von St. Pau­lus in Trier nennt un­ter dem Da­tum vom 23.12.1739 ei­nen „Cas­par Kretz­mar e lu­ther­a­no Sa­xo­ne con­ver­sus...“ als „...con­ar­chi­tec­tus“. Han­delt es sich um ei­nen Ver­wand­ten von Chris­ti­an Kretz­sch­mar? War er auch Lu­the­ra­ner? Ist er zum Ka­tho­li­zis­mus über­ge­tre­ten? Wir wis­sen es nicht.

Kretz­sch­mars Bau­stil än­dert sich im Lau­fe sei­ner Tä­tig­keit. Zei­gen sich in Klos­ter Mett­lach noch hoch­ba­ro­cke, dy­na­misch be­weg­te und stark durch­re­lie­fier­te For­men, die für die Zeit um 1727 schon stil­ver­spä­tet sind, so ist in den nach­fol­gen­den Jah­ren vor al­lem bei sei­nen Trie­rer Bau­ten ei­ne Be­ru­hi­gung sei­ner For­men­spra­che zu be­ob­ach­ten. Sein Bau­stil wird schlich­ter und flä­chi­ger, we­ni­ger be­wegt und we­ni­ger plas­tisch. Ei­ne Hin­wen­dung zu den ak­tu­el­len fran­zö­si­schen Stil­prin­zi­pi­en zeigt sich, was ein Ver­gleich der Por­talan­la­ge in Mett­lach und der Por­talan­la­ge am Klos­ter von St. Ir­mi­nen deut­lich macht. Es wird au­gen­schein­lich, dass das Mett­la­cher Por­tal Vor­bild für Trier war, nur dass hier klas­si­zis­tisch be­ru­hig­te­re und we­ni­ger pa­the­ti­sche For­men vor­herr­schen. 

Auch in Mett­lach und in Mer­zig hat­te Kretz­sch­mar es mitt­ler­wei­le zu An­se­hen ge­bracht, denn am 14.1.1750 wird Kretz­sch­mar zum Mett­la­cher „ab­tei­li­chen Mey­er und zum Mer­zi­ger Hoch­ge­richts­schöf­fen“ er­nannt.  

Kretz­sch­mar hei­ra­te­te An­na Ma­ria Bon­ne­vie (1706-1783), die Toch­ter des Vogt­may­ers Dr. Lo­thar Bon­ne­vie aus Mer­zig. Das Da­tum der Ehe­schlie­ßung der bei­den wird vor 1746 ver­mu­tet. Für An­na Ma­ria war es die zwei­te Ehe. Ab cir­ca 1740 ist Kretz­sch­mars Wohn­ort wohl Mer­zig. Wo er hier ge­nau ge­wohnt hat, ist nicht über­lie­fert. Die Orts­an­ga­ben dar­über sind un­ter­schied­lich.

Im­mer wie­der tau­chen sein Na­me und der sei­ner Frau in den Kir­chen­bü­chern als Tauf­pa­ten auf. Aus den No­ta­ri­ats­ak­ten des Amts­ge­rich­tes Mer­zig er­gibt sich, dass Kretz­sch­mar so­gar Geld ver­lie­hen hat, was auf pri­va­ten Wohl­stand und au­ßer­or­dent­li­che Ge­schäfts­tüch­tig­keit schlie­ßen lässt. Die Ehe der bei­den blieb kin­der­los, wie aus dem Tes­ta­ment sei­ner Frau her­vor­geht. Chris­ti­an Kretz­sch­mar starb am 23.6.1768 und wur­de in Mer­zig be­er­digt.

Werke (Auswahl)

Mett­lach, Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei St. Pe­ter (1727)
Trier, St. Pau­lin (1734)
Trier, Fran­zis­ka­ner-Mi­no­ri­ten-Klos­ter (1734)          
Trier, Be­ne­dik­ti­ne­rin­nen­klos­ter St. Ir­mi­nen (1734)
Trier, Klos­ter­kir­che der Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei St. Ma­ri­en (1734)
Trier, Bür­ger­haus Si­me­on­str. 45 (1734)
Him­merod, Ei­fel, Klos­ter­kir­che der Zis­ter­zi­en­ser (1739-1751)
Mer­zig, Bür­ger­haus Postr. 12 (1739-1751)

Literatur

Gerst­ner, Jo­han­nes: Chris­tia­nus Kretz­sch­mar Sa­xo. Sei­ne Bau­wer­ke im Land­kreis Mer­zig-Wa­dern, Phil Mag. Masch.–Ms., Mün­chen 1987.
Ja­kobs, In­grid, Chris­ti­an Kretz­sch­mar. Stein­hau­er und Bau­meis­ter des 18. Jahr­hun­derts in Kur­trier, Saar­brü­cken 1991.
Koe­nen, Jo­seph, Die Ba­rock­bau­ten der Be­ne­dik­ti­ner-Ab­tei Mett­lach und ver­wan­det Bau­ten, Phil. Diss. Masch.-Ms., Köln 1951.

Online

Götz, Wolf­gang A. W., „Kret­sch­mar, Chris­ti­an“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 13 (1982), S. 13-14. [on­line]

Das heutige Abteigebäude in Mettlach als Firmensitz von Villeroy&Boch, 2011. (Thomas Johannes / CC BY-SA 3.0)

 
Zitationshinweis

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Jakobs, Ingrid, Christian Kretzschmar, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christian-kretzschmar/DE-2086/lido/5d679e29ae5058.01824416 (abgerufen am 10.12.2024)