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In rund 30-jähriger Amtszeit als Bürgermeister zunächst der Stadt-, dann der Landbürgermeisterei Mülheim an der Ruhr, prägte Weuste maßgeblich die Entwicklung der aufstrebenden Industriestadt, die in seiner Amtszeit zunehmend städtisches Gepräge und die Anfänge einer kommunalen Infrastruktur erhielt.
Christian Weuste wurde am 1.9.1789 in Wolfschlade (Stadt Bergneustadt) geboren und begann schon früh – 1808 - eine Laufbahn als Verwaltungsbeamter. 1814 wurde er Kalkulator bei der Kreisdirektion Wipperfürth, 1816 Kreissekretär von Mettmann, bevor er 1817 in gleicher Funktion nach Krefeld versetzt wurde.
1814 heiratete Weuste Helena Dreibholz (1788-1856); aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen Tochter Eleonore (1819-1895) 1845 Georg Mathias Stinnes (1817-1853), den ältesten Sohn des Mülheimer Unternehmers Mathias Stinnes,(1790-1845) ehelichte.
Im Jahr 1822 wurde Weuste Bürgermeister von Mülheim an der Ruhr. Als Mülheim im Jahre 1846 mit der Einführung der revidierten preußischen Städteordnung von 1831 in eine Stadt- und eine Landbürgermeisterei aufgeteilt wurde, übernahm Weuste das Amt des Landbürgermeisters, das er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1852 inne hatte. Weuste bestimmte folglich rund 30 Jahre als Bürgermeister die Geschicke der aufstrebenden Stadt an der Ruhr beziehungsweise des sie umgebenden Landkreises. Er war der erste Bürgermeister mit einer so langen Amtszeit, denn Mülheim war erst im Jahre 1808 zur Munizipalität nach französischem Vorbild erhoben worden und besaß folglich nicht die Tradition einer historisch gewachsenen Stadt. Doch es war nicht nur die lange Amtszeit, die Weuste zum bedeutendsten Bürgermeister der ersten rund fünfzig Jahre der städtischen Geschichte Mülheims gemacht hat.
Ilse Barleben charakterisiert Weuste in ihrer grundlegenden Darstellung der Mülheimer Geschichte wie folgt: “Er war ein preußischer Beamter im guten Sinne, ein Eiferer zudem, der in Zorn und Liebe manchmal das Maß verlor, aber dennoch oder gerade deswegen in Wesen und Wirkung für Mülheim unendlich viel bedeutet hat, und obgleich er offensichtlich in seinen Gefühlen gegenüber der ihm anvertrauten Bürgerschaft oft geschwankt und während seiner langen Amtszeit mehrmals den Versuch gemacht hat, Mülheim den Rücken zu kehren, schließlich ist er doch geblieben und hat sich mit seinen Mitbürgern wieder vertragen. Und trotz aller Kritik wussten diese, was sie an ihm hatten [...].” (Barleben, Mülheim an der Ruhr, S. 52).
Als Christian Weuste 1822 in die Stadt an der Ruhr kam, befand sich das Büro des Bürgermeisters in einem Wirtshaus, was er als äußerst unpassend empfand. Überhaupt war der erste Eindruck von der Stadt offensichtlich kein günstiger: Alle Wohnungen seien schlecht, die Einwohner “im allgemeinen zu wenig zivilisiert, zum Teil in Streit lebend und deshalb für das Gemeinwohl nicht interessiert” (Barleben, Mülheim an der Ruhr, S. 52). Bei einer solchen Ausgangslage konnte es nur besser werden. Und tatsächlich hielt Weuste die anfänglichen Unzulänglichkeiten aus. Es gelang ihm bereits 1824, den Gemeinderat zu einer Erhöhung seiner Bürokostenentschädigung auf 1.350 Taler sowie zur Einstellung eines Polizeisekretärs auf Gemeindekosten zu bewegen. Wie zur Bestätigung der gegenseitigen Anerkennung beantrage der Gemeinderat beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf außerdem eine Zulage in Höhe von 50 Talern für den “würdigen, die ungeteilte Liebe seiner Verwalteten genießenden Bürgermeister” (Barleben, Mülheim an der Ruhr, S. 52). Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.
Zwischen 1822 und 1846 stieg die Einwohnerzahl Mülheims von rund 15.200 auf mehr als 25.500 Einwohner an. Damit einher gingen höhere kommunale Steuereinnahmen, die jedoch nicht in dem Maße stiegen wie die Einwohnerzahlen. So blieben vor allem die Einnahmen aus der Klassensteuer weit hinter dem Bevölkerungszuwachs zurück, was auf den Zuzug eher armer Leute schließen lässt. Deutlich stieg in diesem Zeitraum allerdings die Gewerbesteuer, deren Einnahmen sich verdreifachten, denn Handel, Gewerbe und Industrie erlebten einen großen Aufschwung und brachten der jungen Stadt wirtschaftliches Wohlergehen. Obwohl Weuste noch zu Beginn der 1830er Jahre die hohen Ausgaben der Kommune für die Armenfürsorge beklagte, konnten seit Mitte der 1830er Jahre erhebliche Mittel in den Ausbau der kommunalen Infrastruktur investiert werden. Insbesondere der Ausbau des Straßen- und Wegenetzes einschließlich der kostspieligen Überwölbung des Rumbaches, der mitten durch die Stadt floss und den Verkehr von Waren und Personen stark behinderte, wurden vorangetrieben. So entstanden unter anderem in Weustes Amtszeit die Aktienstraße als Verbindungs- und Transportweg nach Essen und die Chaussee nach Eppinghofen, die heutige Eppinghofer Straße. Ein besonders wichtiges Projekt zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur war der Bau der Kettenbrücke 1842–1844. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es auf Mülheimer Gebiet keine feste Überquerung der Ruhr. Die Fähre, die die beiden Teile der Stadt verband, war wegen der schwierigen Wasserverhältnisse der Ruhr oftmals nicht nutzbar, sodass Menschen und Waren den Fluss nicht passieren konnten. Mit dem Bau der Kettenbrücke wurde dieses Verkehrshindernis beseitigt.
Ein weiteres Bauwerk wurde auf Betreiben Weustes 1841 begonnen und bereits im folgenden Jahr vollendet: das erste Mülheimer Rathaus. Mit diesem Bau wurde nicht nur dem schon 1822 von Weuste als unwürdig empfundenen Zustand eines fehlenden, den Bedürfnissen der Kommunalverwaltung entsprechenden Rathauses abgeholfen. Mit seiner exponierten Lage nördlich des alten Mülheimer Siedlungskerns und dem neuen Marktplatz, der vor dem Rathaus angelegt wurde, eröffnete es der Stadtbebauung neue Möglichkeiten, die dringend erforderlich waren, um Arbeits- und Wohnraum für die stetig wachsende Bevölkerung zu schaffen.
Es entstanden jedoch nicht nur Bauwerke und Straßen. Mit der höheren Bürgerschule (1836), der Mülheimer Handelskammer (1840) und der städtischen Sparkasse (1842) wurden während Weustes Amtszeit zentrale städtische Institutionen ins Leben gerufen. Als die Meistbeerbten im Jahre 1846 gegen den ausdrücklichen Wunsch Weustes und des Gemeinderates für die Einführung der revidierten preußischen Städteordnung von 1831 votierten - statt der Gemeindeordnung von 1845 -, wurde Mülheim in eine Stadt- und eine Landbürgermeisterei geteilt. Weuste übernahm das Amt des Landbürgermeisters, behielt aber seinen Amtssitz im neuen Rathaus
Als Christian Weuste 1852 in den Ruhestand trat, konnte er auf ein langes und erfolgreiches Wirken in Mülheim an der Ruhr zurückblicken. Während seiner Dienstjahre hatte die Stadt eine Phase des Wachstums und des Aufschwungs erlebt, die auch seiner Weitsicht, persönlichen Initiative und Geschäftstüchtigkeit zu verdanken war.
Christian Weuste starb am 24.12.1862 in Mülheim an der Ruhr; sein Grab befindet sich auf dem alten Teil des Altstadtfriedhofs an der Kettwiger Straße. In Mülheim erinnert eine Straße im Stadtteil Holthausen an ihn – eine durchaus sinnfällige Form der Erinnerung an einen Bürgermeister, der sich zeitlebens besonders um die Verbesserung der Infrastruktur “seiner Stadt” bemüht hat.
Quellen
Verwaltungsbericht des Bürgermeisters Christian Weuste aus dem Jahre 1827, in: Zeitschrift des Geschichtsvereins Mülheim an der Ruhr 22/2 (1927), S. 1–40.
Literatur
Barleben, Ilse, Mülheim an der Ruhr. Beiträge zu seiner Geschichte von der Erhebung zur Stadt bis zu den Gründerjahren, Mülheim an der Ruhr 1959.
Güllenstern, Elleonore, Alle meine Vorgänger, in: Mülheimer Jahrbuch 1983,S. 42–52.
Op ten Höfel, Rudolf, Sie lenkten und lenken die Geschicke der Stadt Mülheim seit 150 Jahren. Mülheimer Bürgermeister 1808–1958, in: Mülheimer Jahrbuch 1958, S. 33-40.
Rheinischer Städteatlas IX Nr. 50: Mülheim a. d. Ruhr, bearb. von Kurt Ortmanns, Köln/Bonn 1989.
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Rawe, Kai, Christian Weuste, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/christian-weuste/DE-2086/lido/57c92df898aaf5.23933341 (abgerufen am 03.10.2024)