Clemens August von Droste zu Vischering

Erzbischof von Köln (1773-1845)

Sebastian Hansen (Düsseldorf)

Clemens August von Droste zu Vischering, Porträt, undatierter Stahlstich. (LVR-Zentrum für Medien und Bildung)

Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring, 1835 zum Köl­ner Erz­bi­schof ge­wählt, per­so­ni­fi­ziert durch sei­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der preu­ßi­schen Re­gie­rung im so ge­nann­ten Köl­ner Kir­chen­streit das kon­flikt­träch­ti­ge Ver­hält­nis von ka­tho­li­scher Kir­che und preu­ßisch-pro­tes­tan­ti­scher Staats­macht im 19. Jahr­hun­dert in Deutsch­land. Der sich 1837 an der Misch­ehen­fra­ge ent­zün­den­de Streit zwi­schen dem Erz­bi­schof und Preu­ßen mün­de­te in der Ver­haf­tung Dros­te zu Vi­sche­rings, die ihn zu ei­ner be­deut­sa­men Sym­bol­ge­stalt für die Frei­heit der Kir­che mach­te und die ei­ne nach­hal­ti­ge Sen­si­bi­li­sie­rung und Po­li­ti­sie­rung des Ka­tho­li­zis­mus in Deutsch­land zur Fol­ge hat­te.

Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring wur­de am 21.1.1773 auf dem Fa­mi­li­en­gut Vor­helm bei Beck­um ge­bo­ren. Sei­ne El­tern wa­ren der gleich­na­mi­ge Erb­drost Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring (1742-1790) und des­sen Frau So­phia Alex­an­d­ri­ne von Dros­te zu Füch­ten (1748-1817). Ei­nen Teil sei­ner Ju­gend ver­brach­te er zu­sam­men mit sei­nen vier Brü­dern im Haus der Grä­fin Fürs­tin Ama­lie von Ga­lit­zin (1748-1806) in Müns­ter.

Im An­schluss an sein Stu­di­um (1790-1796) führ­te ihn ei­ne vier­zehn­mo­na­ti­ge Bil­dungs­rei­se, die adels­üb­li­che „Grand tour" (Ca­va­liers­tour), un­ter an­de­rem in Be­glei­tung sei­nes Haus­leh­rers Theo­dor Ka­ter­kamp (1764-1834), durch Deutsch­land, die Schweiz und Ita­li­en. Zwei Jah­re nach sei­ner Dia­ko­nen­wei­he (12.3.1796) wur­de Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring am 14.5.1798 von sei­nem Bru­der, Weih­bi­schof Kas­par Ma­xi­mi­li­an Dros­te zu Vi­sche­ring (1770-1846), in Müns­ter zum Pries­ter ge­weiht.

Re­li­gi­ös und geis­tig mit­ge­prägt wur­de Dros­te, der im Ge­gen­satz zur da­mals auch im kirch­li­chen Be­reich vor­herr­schen­den Strö­mung der Auf­klä­rung mehr ei­ner spi­ri­tu­el­len In­ner­lich­keit zu­neig­te, durch den „Kreis von Müns­ter" um die Fürs­tin Gal­lit­zin und den Müns­te­ra­ner Ge­ne­ral­vi­kar Franz Fried­rich Wil­helm Frei­herr von Fürs­ten­berg (1728-1810). Auf Wunsch Fürs­ten­bergs wur­de Dros­te, der seit 1791 ei­ne Dom­her­ren­stel­le in­ne­hat­te, 1807 zu sei­nem Nach­fol­ger als Ka­pi­tu­lar­vi­kar (Ver­we­ser ei­nes va­kan­ten Bis­tums) ge­wählt. In die­sem Amt und in dem des Uni­ver­si­täts­ku­ra­tors, in das er eben­falls 1807 be­ru­fen wur­de, be­müh­te er sich, das Staats­kir­chen­tum und die Be­stre­bun­gen der Auf­klä­rung zu­rück­zu­drän­gen. Nach der un­ter Na­po­le­on Bo­na­par­te (1769-1821) er­folg­ten nicht ka­no­ni­schen Er­nen­nung von Fer­di­nand Au­gust Graf von Spie­gel zum Die­sen­berg (1764-1835) zum Bi­schof von Müns­ter (1813), muss­te Dros­te sei­ne Auf­ga­ben in der Bis­tums­lei­tung wei­test­ge­hend an Spie­gel ab­ge­ben.

In Ab­stim­mung mit dem Hei­li­gen Stuhl er­hielt Dros­te nach dem Über­gang des Müns­ter­lan­des an Preu­ßen (1815) sei­ne an Spie­gel ab­ge­ge­be­nen Voll­mach­ten als Ka­pi­tu­lar­vi­kar zu­rück. Dros­te kon­zen­trier­te sich seit­dem wie­der ver­stärkt auf die Ent­wick­lung der Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät. Ins­be­son­de­re der von Im­ma­nu­el Kants (1724-1804) Kri­ti­zis­mus ge­präg­te und Schu­le ma­chen­de Dog­ma­ti­ker Ge­org Her­mes stand da­bei zu­neh­mend bei Dros­te in der Kri­tik. Durch die An­nah­me ei­nes Rufs nach Bonn ent­ging Her­mes 1820 je­doch ei­ner wei­te­ren di­rek­ten Aus­ein­an­der­set­zung. Al­ler­dings un­ter­sag­te Dros­te den Stu­die­ren­den un­ter An­dro­hung des Ver­lus­tes ih­rer Wei­he­zu­las­sung, Her­mes nach­zu­fol­gen. Im Zu­sam­men­hang wei­te­rer hoch­schul­po­li­ti­scher Kon­tro­ver­sen ent­wi­ckel­te sich hier­aus zwi­schen Dros­te und den staat­li­chen Be­hör­den ei­ne po­li­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung, die 1820 zur Sus­pen­si­on der Müns­te­ra­ner Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät durch den Kul­tus­mi­nis­ter führ­te.

Mit der Er­nen­nung Fer­di­nand von Lü­nincks (1755-1820) zum neu­en Bi­schof von Müns­ter (1820) er­gab sich die von der Po­li­tik ge­wünsch­te Be­sei­ti­gung des Ka­pi­tu­lar­vi­kars. Dros­te zog sich, ge­sund­heit­lich und po­li­tisch an­ge­schla­gen, 1821 aus der Bis­tums­ver­wal­tung eben­so zu­rück wie ein Jahr spä­ter aus dem Dom­ka­pi­tel. Bis zu sei­ner Er­nen­nung zum Weih­bi­schof am 28.10.1827 auf Ver­an­las­sung sei­nes Bru­ders Kas­par Ma­xi­mi­li­an (1770-1846), des 1825 neu er­nann­ten Bi­schofs von Müns­ter, wid­me­te sich Dros­te zu Vi­sche­ring in­ten­siv dem ka­ri­ta­ti­ven Dienst der 1808 von ihm ge­grün­de­ten Barm­her­zi­gen Schwes­tern (vom 1820 be­zo­ge­nen Cle­mens­hos­pi­tal ab­ge­lei­tet auch „Cle­mens­schwes­tern" ge­nannt), die vor­nehm­lich in der Kran­ken­pfle­ge tä­tig wa­ren.

Am 1.12.1835 wähl­te das Köl­ner Dom­ka­pi­tel Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring zum Erz­bi­schof von Köln. Die im Vor­feld vor­ge­tra­ge­nen Be­den­ken der preu­ßi­schen Be­hör­den wur­den bei der vom Kö­nig mit­ge­tra­ge­nen Kan­di­da­tur und Wahl nach Ab­wä­gung hint­an­ge­stellt. Ma­ß­geb­lich für die kö­nig­li­che Zu­stim­mung war zum ei­nen das En­ga­ge­ment des Kron­prin­zen Fried­rich Wil­helm (1795-1861, Re­gie­rungs­zeit als Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. von Preu­ßen 1840-1858) für die Wahl Dros­tes. Zum an­de­ren be­trach­te­te der am­tie­ren­de Kö­nig, Fried­rich Wil­helm III. (Re­gie­rungs­zeit 1797-1840), die An­er­ken­nung der noch mit Dros­tes Vor­gän­ger Spie­gel 1834 ver­ein­bar­ten Ge­hei­men Misch­ehen­kon­ven­ti­on für aus­rei­chend. Die­se Ver­ein­ba­rung hat­te das 1830 ver­öf­fent­lich­te päpst­li­che Bre­ve zur Misch­ehe da­hin­ge­hend aus­ge­dehnt, dass ei­ne As­sis­tenz des Pries­ters bei der Schlie­ßung ei­ner Misch­ehe mög­lich war, auch wenn der nicht ka­tho­li­sche Ehe­part­ner sich wei­ger­te, die Kin­der ka­tho­lisch zu er­zie­hen. Dros­te er­klär­te ge­gen­über der preu­ßi­schen Re­gie­rung, „je­ne ge­mäß dem Bre­ve vom Paps­te Pi­us VIII." ge­trof­fe­ne Kon­ven­ti­on ein­zu­hal­ten. Es ist un­ge­klärt und um­strit­ten, ob Dros­te die von Ber­lin nur münd­lich über­mit­tel­te Kon­ven­ti­on vor sei­ner Wahl ge­nau­er ge­kannt hat.

Nach Be­kannt­wer­den der Ge­hei­men Kon­ven­ti­on und da­durch be­för­dert, dass der Trie­rer Bi­schof Jo­seph von Hom­mer sei­ne Zu­stim­mung wi­der­rief (10.11.1836), ent­wi­ckel­te sich ei­ne of­fe­ne Kon­fron­ta­ti­on zwi­schen der preu­ßi­schen Re­gie­rung, die ei­ne an der kon­fes­sio­nel­len Mo­ti­va­ti­on des evan­ge­li­schen Herr­scher­hau­ses ori­en­tier­te Staats­kir­chen­po­li­tik be­trieb, und dem Köl­ner Erz­bi­schof, der die Rom über­ge­hen­de Kon­ven­ti­on nicht be­folg­te.

Der Kon­flikt führ­te im Herbst 1837 zur Auf­for­de­rung, Dros­te mö­ge sein Amt als Köl­ner Erz­bi­schof nie­der­le­gen. Par­al­lel da­zu hat­te die Aus­ein­an­der­set­zung des Erz­bi­schofs mit dem Her­me­sia­nis­mus po­li­ti­sche Di­men­sio­nen er­reicht. Die 1835 in Rom er­folg­te Ver­ur­tei­lung der Leh­ren des Dog­ma­ti­kers Ge­org Her­mes ließ die oh­ne­hin be­ste­hen­de Kon­fron­ta­ti­on Dros­tes mit dem an der Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät in Bonn an­zu­tref­fen­den Her­me­sia­nis­mus gleich zu Amts­be­ginn akut wer­den. Im Som­mer­se­mes­ter 1837 mach­te der Erz­bi­schof schlie­ß­lich von sei­nem Recht Ge­brauch, den aus sei­ner Sicht nicht ver­tret­ba­ren Vor­le­sun­gen die Zu­stim­mung zu ver­wei­gern, oh­ne al­ler­dings dem Mi­nis­te­ri­um da­von An­zei­ge zu ma­chen, wie es die Fa­kul­täts­sta­tu­ten an der 1818 vom preu­ßi­schen Kö­nig ge­stif­te­ten Uni­ver­si­tät er­for­der­ten.

Am 20.11.1837 wur­de Dros­te zu Vi­sche­ring im Erz­bi­schöf­li­chen Pa­lais in Köln ver­haf­tet und in die Fes­tung Min­den ge­bracht, nach­dem er sich der Auf­for­de­rung ver­wei­gert hat­te, sein Amt nie­der­zu­le­gen. Die­ses so ge­nann­te Köl­ner Er­eig­nis rief ne­ben dem Pro­test Papst Gre­gor XVI. (Pon­ti­fi­kat 1831-1846) ei­ne öf­fent­li­che Kon­tro­ver­se um das Ver­hält­nis von ka­tho­li­scher Kir­che und Staat her­vor. Nach­hal­tig hat in die­sem Zu­sam­men­hang der Pu­bli­zist Jo­seph Gör­res mit sei­ner Schrift „Atha­na­si­us" ge­wirkt. In der Fra­ge um die Frei­heit und die Iden­ti­tät der ka­tho­li­schen Kir­che und hin­sicht­lich ih­res re­ge­lungs­be­dürf­ti­gen Ver­hält­nis­ses zum Staat wur­de Cle­mens Au­gust Dros­te zu Vi­sche­ring im 19. Jahr­hun­dert zur Sym­bol­ge­stalt ei­nes neu­en ka­tho­li­schen Selbst­be­wussteins.

Der im Rah­men der Bei­le­gung des Kon­flikts (1841) er­folg­te Ab­bau der staat­li­chen Kir­chen­ho­heit in Preu­ßen war nicht von Dau­er, wie ein Blick auf den sich po­li­tisch for­mie­ren­den Ka­tho­li­zis­mus und den Kul­tur­kampf zeigt. Dros­te ver­blieb nach sei­ner Frei­las­sung auf An­ord­nung in Müns­ter. Die Ver­stän­di­gung zwi­schen Rom und Ber­lin er­brach­te die Lö­sung, dass der Bi­schof von Spey­er, Jo­han­nes von Geis­sel, 1842 zum Ko­ad­ju­tor Dros­tes in Köln er­nannt wur­de. Dros­te ver­starb am 19.10.1845 in Müns­ter, sei­ne letz­te Ru­he­stät­te fand er eben­dort im Dom.

Literatur

Hän­sel-Ho­hen­hau­sen, Mar­kus, Cle­mens Au­gust Frei­herr Dros­te zu Vi­sche­ring. Erz­bi­schof von Köln, 1773-1845, Die ­mo­der­ne ­Kir­chen­frei­heit im Kon­flikt mit dem Na­tio­nal­staat, 2 Bän­de, Egels­bach bei Frank­furt am Main 1991.
He­gel, Edu­ard, Cle­mens Au­gust Frei­herr Dros­te zu Vi­sche­ring, in: West­fä­li­sche Le­bens­bil­der 10 (1970), S. 76-103.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen der Re­stau­ra­ti­on des 19. Jahr­hun­derts und der Re­stau­ra­ti­on des 20. Jahr­hun­derts 1815-1962, Köln 1987, S. 57-66.
Kreu­zen­beck, Jo­han­nes, Ar­ti­kel "Dros­te zu Vi­sche­ring, Cle­mens Au­gust", in Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 19 (2001), Sp. 196-200.
Lill, Ru­dolf: Die Bei­le­gung der Köl­ner Wir­ren 1840-1842. Vor­wie­gend nach Ak­ten des Va­ti­ka­ni­schen Ge­hei­m­ar­chivs, Düs­sel­dorf 1962.
Schrörs, Hein­rich, Die ­K­öl­ner Wir­ren (1837). Stu­di­en zu ih­rer Ge­schich­te, Ber­lin / Bonn 1927.

Online

Lip­gens, Wal­ter, Ar­ti­kel „Dros­te zu Vi­sche­ring, Cle­mens Au­gust, Erz­bi­schof von Köln", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 4 (1959), S. 133-134. [On­line]

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Hansen, Sebastian, Clemens August von Droste zu Vischering, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clemens-august-von-droste-zu-vischering-/DE-2086/lido/57c698a86671f9.06491391 (abgerufen am 28.03.2024)