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Die Brüder Ewaldi (auch die beiden Ewalde), nach ihrer Haarfarbe als der schwarze und der weiße Ewald bezeichnet, waren zwei angelsächsische Missionare, die gegen Ende des 7. Jahrhunderts in Westfalen den Märtyrertod starben. Pippin der Mittlere (ca. 635-714), der faktische Herrscher über den östlichen Teil des Frankenreichs, ließ sie der frühmittelalterlichen Überlieferung zufolge nach Köln in die Kirche St. Kunibert überführen, wo sie bis heute verehrt werden.
Es ist unklar, ob es sich bei den Ewalden um leibliche Brüder oder Glaubensbrüder handelte. Der angelsächsische Historiograph Beda Venerabilis (um 672-735) schreibt in seiner ca. 731 abgeschlossenen Historia Ecclesiastica (V,10), sie seien Schüler des Friesenmissionars Willibrord (um 658-739) gewesen. Von ihm inspiriert seien sie zu den Sachsen gegangen, um diese zum christlichen Glauben zu bekehren. Als Tag ihres Todes gibt Beda den 3.10. an. Ihm zufolge wurde der weiße Ewald schnell und durch ein Schwert getötet, während der schwarze Ewald langer Folter unter Auseinanderreißen seiner Gliedmaßen ausgesetzt war. Beide seien danach in den Rhein geworfen worden und stromaufwärts 40 Meilen zu ihren Gefährten getrieben. Ein heller Lichtstrahl habe ihre Ankunft verkündet; einer von ihnen sei zudem einem ihrer Gefährten namens Tilmon im Traum erschienen. Dieser habe die Körper daraufhin gefunden und ehrenvoll bestattet. Als Pippin [der Mittlere] davon hörte, habe er sie erheben und nach Köln bringen lassen, wo sie in allen Ehren in einer Kirche direkt am Rhein bestattet worden seien. An der Stelle ihres Martyriums solle seither eine Quelle aus dem Boden sprudeln. Beda nennt hier nicht den Namen des Kölner Gotteshauses, in der die Körper bestattet wurden, es wird aber nicht bezweifelt, dass es sich um die heutige St. Kunibertkirche handelt. Der nächste schriftliche Beleg für einen Ewaldikult in St. Kunibert findet sich im Testament des Kölner Erzbischofs Brun von 965.
Als ursprünglicher Begräbnisort ist in der Forschung die Rheininsel Kaiserswerth diskutiert worden, die Pippin der Mittlere dem ebenfalls angelsächsischen Missionar Suitbert, einem Gefährten Willibrords, um 695 für die Gründung eines Klosters geschenkt hatte. Dies lässt sich jedoch nicht belegen. Die Ewalde wurden spätestens im Jahr 721 in Echternach als Heilige verehrt, wie ein Eintrag im dort um diese Zeit entstandenen Kalendarium zum 4.10. beweist. Echternach wiederum war 698 von Willibrord gegründet worden. In Anbetracht der anzunehmenden engen Verbindung des Friesenmissionars mit den Ewalden, ist die frühe Verehrung in Echternach nicht überraschend. Nur im Echternacher Kalender ist der 4.10. als Festtag ausgewiesen, in den meisten anderen Kalendern, zumal jenen aus St. Kunibert selbst, wurde der Festtag am 3.10. begangen.
Spätestens im 11. Jahrhundert scheint sich die Legende gewandelt zu haben. In der Vita Annonis Maior von ca. 1105 wird berichtet, der Kölner Erzbischof Anno II., der 1074 bei seiner Flucht aus der Stadt vor den aufständischen Kölnern Kunibert und die Ewalde um Beistand gebeten hatte, habe sich mit großzügigen Schenkungen revanchiert. Zudem habe er die Ewalde erheben und in einen kostbaren neuen Schrein überführen lassen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Reliquien entnommen, die Bischof Friedrich von Münster (um 1010-1084) zum Geschenk erhielt, weshalb sich dort ein eigenes Translationsfest am 29.10. etablierte. Die Reliquien sind allerdings während des Täuferreichs (1520er- und 1530er Jahre) verloren gegangen. In der Erzählung der Anno-Vita wird außerdem die Legende der Ewalde aufgegriffen und leicht modifiziert: Die in den Fluss geworfenen Leichname seien stromaufwärts direkt bis nach Köln geschwommen und dort in St. Kunibert begraben worden. Die Prominenz der Ewalde zeigt sich auch darin, dass der später als heilig verehrte Gründer des Prämonstratenserordens Norbert von Xanten zu Beginn des 12. Jahrhunderts Reliquien der Ewalde als Geschenk erbeten und erhalten haben soll. In der ersten Prämonstratensergründung östlich des Rheins, dem Kloster Cappenberg (heute Stadt Selm) bei Dortmund, wurden die Ewalde nachweislich ebenfalls verehrt. Eine dort im Jahr 1224 verfasste Historia nova Ewaldorum ist heute verloren.
In liturgischen Quellen des 14. Jahrhunderts findet man eine weitere Variante der Legende. Demnach sei die Quelle nicht am Ort des Martyriums entsprungen, sondern an dem Ort, an dem die Ewalde an Land gespült worden seien, genauer: an St. Kunibert. Parallel hierzu sind aber auch die älteren Varianten der Legende weiterhin virulent gewesen. Die Kirche St. Kunibert ist im 13. Jahrhundert umfassend umgestaltet und neu gebaut worden. In diesem Neubau ist ein zentral gelegener Brunnen prominent platziert, der später als ‚Kunibertspütz‘ (Kunibertsbrunnen) bekannt war. Der Legende nach soll der Kunibertspütz die Stelle markieren, an der einst die Leichname der heiligen Ewalde an Land getrieben worden waren. Zwei Quellen des frühen 17. Jahrhunderts (das Sacrarium Agrippinae des Erhard Winheim (um 1575-1640) von 1607 und De admiranda sacra et civili magnitudine Coloniae des Aegidius Gelenius von 1645) beschreiben diesen Volksglauben und geben zudem an, dass der Brunnen eine heute verlorene Bronzeeinfassung gehabt habe, auf der genau diese Vorstellung auch schriftlich fixiert war (APPULIT EVVALDOS VIOLENTO GURGITE RHENUS / QUOS LUX ALTA VEHIT HUC, VBI FONS SCATURIT). Umstritten ist, ob der Brunnen bereits im frühmittelalterlichen Bau eine wichtige Funktion eingenommen hat und ab wann er für die Legende der Ewalde in Anspruch genommen wurde. In späterer Zeit ist in Köln der Brauch belegt, dass Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Wasser aus dem Kunibertsbrunnen tranken, was aber mit der Ewaldi-Legende nicht mehr in Verbindung stand.
Außerhalb von Köln wurden die Ewalde vor allem in Westfalen verehrt. So beansprucht der heutige Dortmunder Stadtteil Aplerbeck, Ort des Martyriums gewesen zu sein, was aber nicht belegt werden kann. Heute erinnert dort ein Denkmal auf dem Marktplatz an die Legende. Auch der dortige Ewaldipark ist nach ihnen benannt. Bereits 1478 hat zudem der Kartäuser Werner Rolevinck seinen westfälischen Geburtsort Laer (Kreis Steinfurt) als Ort des Martyriums ins Gespräch gebracht. Auch wenn dies ebenfalls nicht belegt werden kann, ist dort bis heute der Ewaldbach nach den beiden Heilligen benannt. Zudem wurden 2008 die Pfarreien St. Bartholomäus Laer und St. Marien Holthausen zur Gemeinde „Hll. Brüder Ewaldi Laer – Holthausen – Beerlage“ zusammengelegt. Weitere Kirchen mit dem Ewaldi-Patrozinium befinden sich in Aplerbeck, Bocholt, Druten (Niederlande) und Wuppertal. Die Ewaldi-Kirche in Essen-Altenessen wurde 2012 niedergelegt.
In Köln war bereits im Mittelalter der Hochaltar in St. Kunibert neben dem namensgebenden Kirchenpatron und dem heiligen Clemens (dem ursprünglichen Schutzheiligen der Kirche) den beiden Ewalden geweiht. Zudem gab es einen Altar der Ewalde, der in einer Nische hinter dem Hochaltar stand und 1563 vom Chorbischof des Stiftes, Johannes Sartoris (gestorben 1563), gestiftet worden war. Der ursprüngliche Schrein, in dem die Gebeine der beiden Brüder gemeinsam aufbewahrt wurden, könnte nach einem darauf befindlichen Wappen von der Familie Lindlar um 1380 gestiftet worden sein. Weitere Details seiner Gestaltung sind nicht überliefert. Er wurde wie so viele sakrale Gegenstände zur Zeit der französischen Herrschaft eingeschmolzen. Erhebungen der Gebeine beziehungsweise Umbettungen sind für 1074, 1120 und 1691 bezeugt. Vom Inhalt des Schreins ist neben den Gebeinen und zwei mittelalterlichen Siegeln eine farbige Leinenstickerei (zweite Hälfte 10. Jahrhundert) hervorzuheben, die sogenannte Ewaldidecke. Sie diente möglicherweise zuvor als Altartuch und ist heute in der Schatzkammer im Westquerhaus ausgestellt.
Der 1879 neu hergestellte Edelmetallschrein der Ewalde im neugotischen Stil steht heute im Chor von St. Kunibert dem Kunibertsschrein gegenüber. Im Zuge einer Schreinsöffnung im April 1982, bei der Reliquien für einen neu geschaffenen Taufbrunnen in Dortmund-Aplerbeck, der auch eine Darstellung der Ewalde zeigt, entnommen werden sollten, konnten keine Spuren eines gewaltsamen Todes festgestellt werden. Anhand der gut erhaltenen Gebeine vermochte man aber eine beachtliche Körpergröße von circa 1,80 Meter beziehungsweise circa zwei Meter zu errechnen. Die Ewalde waren vermutlich auf einem der heute verlorenen Glasfenster von St. Kunibert dargestellt sowie auf größtenteils nicht mehr existierenden Wandmalereien und Altarbildern in der Kirche präsent. Die 1773 angefertigte Ewaldi-Glocke wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1990 durch einen Nachguss ersetzt.
In den 1980er Jahren wurden die Ewalde mit Statuen auf dem Kölner Rathausturm geehrt. Nach ihnen ist die Ewaldistraße im Kölner Agnesviertel benannt. Der Festtag der Brüder Ewaldi wird in den Bistümern Köln, Münster, Paderborn und Essen am 3.10. begangen.
Quellen
Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum. Bede’s Ecclesiastical History of the English people, ed. und übersetzt von Bertram Colgrave/R. A. B. Mynors (Oxford Medieval Texts), Oxford 1969, lib. V, c. 10, S. 480-485.
Vita Annonis archiepiscopi Coloniensis (= Vita Annonis maior), ed. Rudolf Koepke (MGH SS 11), Hannover 1854, S. 466-514, hier: c. 37, S. 482.
Gelenius, Aegidius, De admiranda sacra et civili magnitudine Coloniae Claudiae Agrippinensis Augustae Ubiorum Urbis libri VI, Köln 1645.
Winheim, Erhard, Sacrarium Agrippinae, Köln 1607.
Wisplinghoff, Erich (Bearb.), Rheinisches Urkundenbuch. Ältere Urkunden bis 1100, Band 1: Aachen – Deutz, S. Ursula, Bonn 1972, Neudruck Düsseldorf 1994, S. 238, n. 265 und S. 240, n. 266.
Literatur (Auswahl)
Diederich, Toni, Art. „Ewald, zwei Brüder, hll.“, in: Walter Kasper (Hg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Band 3, 3. Auflage, Freiburg im Breisgau u.a. 1995, Sp. 1074.
Flaskamp, Franz, Die beiden Ewalde, in: Westfälische Lebensbilder 1 (1930), S. 325-334.
Schäferdiek, Knut, Der Schwarze und der Weiße Hewald. Der erste Versuch einer Sachsenmission, in: Westfälische Zeitschrift 146 (1996), S. 9-24.
Schneider, Franz, Die heiligen Ewalde im Schatten von St. Kunibert, in: Colonia Romanica 7 (1992), S. 15-20.
Stead, Adam Robert, Rebuilding St. Kunibert. Artistic Integration, Patronage, and Institutional Identities in Thirteenth-Century Cologne, Diss. Toronto 2013, bes. S. 48-51.
Zender, Matthias, Hll. Märtyrer Ewalde, in: Lexikon des Mittelalters, Band 4, München/Zürich 1989, Sp. 148.
Online-Ressourcen
Brunnen „Kunibertspütz“ unter dem Kunibertstift, in: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. [Online]
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Raith, Lea, Die Brüder Ewaldi, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/die-brueder-ewaldi/DE-2086/lido/668cf54e0f45c6.90221062 (abgerufen am 12.12.2024)