Zu den Kapiteln
Der Dominikaner Dieter von Nassau, Bruder von König Adolf von Nassau (Regierungszeit 1292-1298), wurde im Jahre 1300 vom Papst als Erzbischof eingesetzt. Er konnte aufgrund ungünstiger Konstellationen und kurzer Regierungszeit nur wenig gestalten, entfaltete aber durchaus nennenswerte Aktivitäten.
Der wohl kurz nach 1250 geborene Sohn von Walram II. von Nassau (um 1220-1276) und Adelheid von Katzenelnbogen (gestorben 1288) trat wohl in Mainz in den Predigerorden ein. Er erlangte eine entsprechende Bildung und wird 1298 als Magister der Theologie bezeichnet. Durch die Erhebung seines Bruders zum König 1292 wurde er für den Orden wie schon 1295 für Papst Bonifaz VIII. (Pontifikat 1294-1303) zu einem wichtigen Verbindungsglied zur Reichsgewalt.
Nach dem Tod von Boemund von Warsberg wählte das Domkapitel Heinrich von Virneburg zum Trierer Oberhirten. Der Papst, der sich die Besetzung des Erzstuhls vorbehalten hatte, bestellte aber im Januar 1300 Dieter von Nassau zum Nachfolger. Dies darf zugleich als Akt gegen den Habsburger Albrecht I. (Regierungszeit 1298-1308) verstanden werden, der Dieters Bruder 1298 um Thron und Leben gebracht hatte. Nach dem Bericht der Gesta Treverorum gehorchte dem Virneburger bereits ein größerer Teil des Erzstifts. Mit päpstlicher Unterstützung konnte Dieter sich aber nach wenigen Monaten durchsetzen.
Der neue Erzbischof schloss sich erwartungsgemäß der Opposition der rheinischen Kurfürsten gegen den König an. Wegen der drohenden Eskalation musste sein Bestreben zunächst der Sicherung einer ausreichenden Gefolgschaft gelten. So schloss er mit etlichen Adeligen Lehnsverträge, in denen zum Teil ausdrücklich Waffenhilfe gegen Albrecht versprochen wurde. Für mehrere Burgen, so für die Grimburg, Montabaur, Mayen und Andernach, gewann Dieter neue Burgmannen. Im Krieg mit dem König erlitten die Kurfürsten freilich Niederlagen, so dass sich der Nassauer im November 1302 Albrecht unterwerfen musste.
Die Versöhnung ließ ihm die Möglichkeit, sich nunmehr verstärkt der Regierung des Stifts zuzuwenden. Die Bemühungen, über personelle Beziehungen die Herrschaft in Kernzonen wie Randgebieten zu festigen, setzten sich fort. Neben dem Instrument des Burglehensvertrags unter Verpflichtung zur Burghut, zum Beispiel für Welschbillig, Grimburg, Ehrenbreitstein, Neuerburg oder Stolzenfels, nutzte Dieter hierzu auch andere Formen, insbesondere Mannlehen als Geld- oder Rentenlehen. In den eigenen Herrschaftszentren werden zudem bereits Rudimente jener Ämterverfassung deutlich, wie sie unter seinem Nachfolger Balduin stärker institutionalisiert wurde. Fremdburgen hingegen wurden teilweise in Form der Ligesse mit einem Vorrang des Kurfürsten als Lehnsherrn einzubinden gesucht; dies gilt für Sommerau, Bischofstein, Winneburg oder den Sitz der Herren von Bruch bei Wittlich. Durch Kauf erwarb Dieter im Jahre 1306 von den Isenburgern die Vogtei von Ochtendung sowie weitere Einkünfte und Rechte. Insgesamt ist angesichts der kurzen Regierungszeit die Anzahl der Verträge durchaus beachtlich.
Wie seine Vorgänger war der Erzbischof um Burgenbau und Befestigung bemüht, wenngleich es hierzu nicht allzu viele Belege gibt. Immerhin begann man aber zu seiner Zeit mit der Errichtung der Burg Ramstein bei Kordel. Ebenso hatte Dieter 1304 die Absicht, die Burg Schwarzenberg im Hochwald wiederherstellen zu lassen. In Urkunden für Koblenz von 1300 und 1303 behielt er sich das Recht vor, an seiner dortigen Feste nach Belieben bauen zu können. Zur Finanzierung seiner Vorhaben und Verpflichtungen benötigte Dieter von Nassau allerdings größere als die vorhandenen Ressourcen. Er war daher genötigt, sich weitere Einkünfte zu erschließen und zog über Subsidien unter anderem auch den Diözesanklerus heran. Die päpstliche Erlaubnis zu einer Anleihe für die Leistungen an die Kurie zeigt bereits zu Beginn seiner Regierungszeit, dass der Erzbischof vielfach auch den Weg der Verschuldung und Verpfändung beschritt. Als seine Gläubiger treten Mitglieder von Trierer Schöffenfamilien, erzbischöfliche Amtsträger und Ritter in Erscheinung. Wenn später angeblich etliche Personen wegen nicht erfüllter Geldversprechen von seiner Seite zur Gewalt griffen, deutet dies aber darauf hin, dass es Dieter trotz aller Bemühungen an Mitteln fehlte, um seine Absichten realisieren zu können. Daher darf am Erfolg seiner Lehnspolitik gezweifelt werden.
Im Jahre 1300 verlieh Dieter Stadtrechte an Wittlich. Seine Beziehungen zu den größeren Städten des Erzstifts waren durch die wechselhaften politischen Rahmenbedingungen beeinflusst. In Trier wie Koblenz gab es Unruhen, bei denen jeweils eine Partei dem Erzbischof nahe stand, aber vorübergehend ihre Machtstellung verlor. Mit der Anerkennung einer neuen Verfassung in Trier kam es 1303 zu einem Arrangement zwischen Bürgern und Stadtherrn; anschließend blieb das Verhältnis recht spannungsfrei. In Koblenz, das sich zeitweise Albrecht von Habsburg zugewandt hatte, ermöglichte 1303 ebenfalls ein Kompromiss die Rückkehr vertriebener Führungskräfte. Hier war aber 1304 ein massives militärisches Eingreifen Dieters nötig, um die Herrschaftsverhältnisse in seinem Sinn zu stabilisieren.
Der in der älteren Forschung gegen Dieter erhobene Vorwurf, er habe "fast nichts" für das "Gedeihen des kirchlichen Lebens" getan (Alexander Dominicus), ist in dieser Form nicht haltbar. Selbst wenn es sich oft um „Alltagsgeschäfte“ handelte, hat der Erzbischof einiges zum Wohl von Kirchen beigetragen und zum Beispiel 1303 die Pfarrei von St. Martin in Oberwesel zum Kollegiatstift erhoben. Ein besonderes Interesse galt den Dominikanern, deren Rechte er in der Erzdiözese unter anderem bei Predigt und Beichte stärkte. Seinerseits griff er bei verschiedenen Anlässen auf Angehörige des Ordens für diplomatische Missionen zurück.
Mit dem Domkapitel gelang ihm im Jahre 1303 eine Beilegung bestehender Differenzen. Disziplinarmaßnahmen gegen Missstände, die Dieter mit Konfiszierungen, Amtsenthebungen und auch Gewalt verband, führten indessen 1306 zu einem heftigen Konflikt mit den Trierer Stiften und Klöstern, die sich Hilfe suchend an die Kurie wandten und hier Unterstützung erhielten. Die Spannungen eskalierten so weit, dass Dieter sich päpstlichen Vorladungen verweigerte und im November 1307 suspendiert wurde. Allerdings hatte er damals bereits den Tod vor Augen, der ihn um den 23. November ereilte. In seinem kurz zuvor abgefassten Testament wird seine verzweifelte finanzielle Lage, aber auch seine Hinwendung zum Dominikanerorden deutlich: In dessen Niederlassung in Trier wollte er – was dann geschah – seine letzte Ruhe finden.
Zwar kann man mit Blick vor allem auf Anfang und Ende seiner Regierung von einem gescheiterten Erzbischof sprechen. Man muss dabei aber im Auge haben, dass die Rahmenbedingungen für Dieter alles andere als günstig waren. Sein Agieren im Reich war durch seine Herkunft und die Mächtekonstellationen vorgegeben und der Misserfolg keineswegs vorprogrammiert. In der Lehns-, Burgen- wie Städtepolitik finden sich positive Ansätze, die bei einer längeren Regierungszeit durchaus hätten Früchte tragen können. Allerdings wäre hierzu eine Konsolidierung der finanziellen Substanz notwendig gewesen, die dem Erzbischof nicht gelang. Das Urteil der Gesta Baldewini, dass er seine Kirche „in ziemlicher Unordnung“ und „mit Schulden beladen“ hinterließ, besitzt von daher seine Berechtigung. Jedoch zielt es vor allem darauf ab, Dieters Nachfolger umso heller erstrahlen zu lassen und wird dem einzigen Trierer Erzbischof aus dem Hause Nassau nicht gerecht.
Literatur
Bodsch, Ingrid, Burg und Herrschaft. Zur Territorial- und Burgenpolitik der Erzbischöfe von Trier im Hochmittelalter bis zum Tod Dieters von Nassau († 1307), Boppard 1989.
Dominicus, Alexander, Das Erzstift Trier unter Boemund von Warnesberg (1289-99) und Diether von Nassau (1300-1307). (Eine Einleitung zu der Geschichte des großen Erzbischofs Balduin von Luetzelburg), in: Jahresber. über d. Schulcursus 1852-53 a. d. Kgl. Gymn. zu Coblenz, Koblenz 1853, S. 3-40,
Holbach, Rudolf, Dieter von Nassau (um 1250-1307), in: Rheinische Lebensbilder, Band 12, Köln 1991, S. 69-90.
Ost, Sandra, Artikel Diet(h)er von Nassau„“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 26 (2006) Sp. 267-271.
Sauerland, Heinrich Volbert, Der Trierer Erzbischof Dieter von Nassau in seinen Beziehungen zur päpstlichen Kurie, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 68 (1899), S. 1-53; Band 69 (1900), S. 184-185.
Seibrich, Wolfgang, Dieter von Nassau, in: Gatz, Erwin/Brodkorb, Clemens (Hg.), Die Bischöfe des heiligen römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, S. 798-799.
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Holbach, Rudolf, Dieter von Nassau, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/dieter-von-nassau-/DE-2086/lido/57c69435c42862.51358719 (abgerufen am 03.10.2024)