Dominikus Böhm

Architekt (1880-1955)

Wolfgang Pehnt (Köln)
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Do­mi­ni­kus Böhm zähl­te in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts zu den ge­fei­er­ten deut­schen Ar­chi­tek­ten. Der Schwer­punkt sei­nes Schaf­fens lag auf dem ka­tho­li­schen Sa­kral­bau. Die zahl­rei­chen Kir­chen, die er ent­warf, span­nen ei­nen Bo­gen von der Re­form­kunst des Jahr­hun­dert­be­ginns über den Ex­pres­sio­nis­mus und ei­ne ge­mä­ßig­te Mo­der­ne bis zu den Auf­bau­jah­ren nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Böhm hat auch Schu­len, Klös­ter, Kran­ken­häu­ser, Ver­wal­tungs­ge­bäu­de, Fa­bri­ken, Denk­mä­ler und Wohn­häu­ser ge­baut. Seit 1926 leb­te er in Köln, wo er auch meh­re­re Jah­re an den Werk­schu­len lehr­te.

Die an­schau­lichs­ten Schil­de­run­gen Böhms, sei­nes Werks wie sei­ner Per­son, stam­men von sei­nem zeit­wei­li­gen Schü­ler, Mit­ar­bei­ter und spä­te­ren Kol­le­gen Ru­dolf Schwarz. Böhm ha­be „Ge­stal­ten ge­drun­ge­ner Welt­mäch­tig­keit und hei­li­gen Da­seins" ge­schaf­fen. Denn: „Dem in sei­ner Leib­lich­keit so über­zeu­gend wohn­haf­ten Man­ne liegt nun ein­mal das Dün­ne und Ma­ge­re nicht." In der Tat neig­te Böhm in sei­nem gan­zen Werk zu Bau­fi­gu­ren von sinn­li­cher Prä­senz, dra­ma­ti­schen Licht­wir­kun­gen und fühl­ba­rer Plas­ti­zi­tät, gleich­gül­tig ob es sich um Bau­ten von ka­the­dra­ler Wür­de und ein­drucks­vol­ler Grö­ße oder von den Di­men­sio­nen ei­ner Dorf­kir­che han­del­te.

Ge­bo­ren am 23.10.1884 im schwä­bi­schen Jet­tin­gen, stand Böhm als Sohn des Bau­un­ter­neh­mers Alois Böhm (ge­stor­ben 1890) und des­sen Frau Ka­tha­ri­na, ge­bo­re­ne Hof­mil­ler in ei­ner bau­meis­ter­li­chen Tra­di­ti­on, die er selbst an den Sohn Gott­fried (ge­bo­ren 1920) und die drei Ar­chi­tek­te­nen­kel Ste­phan (ge­bo­ren 1950), Pe­ter (ge­bo­ren 1954) und Paul (ge­bo­ren 1959) wei­ter­gab. Die Böhms sind der ex­em­pla­ri­sche Fall ei­ner über Ge­ne­ra­tio­nen rei­chen­den be­ruf­li­chen Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on, ver­gleich­bar his­to­ri­schen Bau­meis­ter­fa­mi­li­en wie et­wa den Par­lers, Dient­zen­ho­fers oder Pas­qua­li­nis. Aus­ge­bil­det an der Bau­ge­werk­schu­le Augs­burg und bei ver­schie­de­nen Pri­vat­ar­chi­tek­ten, ver­pflich­tet aber vor al­lem dem Vor­bild Theo­dor Fi­schers (1862-1938), un­ter­rich­te­te Böhm 1907 an der Bau­ge­werk­schu­le Bin­gen und an­schlie­ßend an den Tech­ni­schen Lehr­an­stal­ten Of­fen­bach (1908-1926). Dort er­öff­ne­te er 1910 auch ein ei­ge­nes Ar­chi­tek­tur­bü­ro.

Aber seit sei­ner Be­ru­fung an die Köl­ner Werk­schu­len durch Ober­bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er im Jah­re 1926 leb­te er bis zu sei­nem To­de in Köln, un­ter­bro­chen nur durch die Kriegs­jah­re, in de­nen Do­mi­ni­kus Böhm mit sei­ner Fa­mi­lie Zu­flucht in sei­nem Ge­burts­ort Jet­tin­gen such­te. In Köln wur­de er als rhei­ni­scher Bau­meis­ter be­trach­tet, in Köln-Ma­ri­en­burg steht auch sein 1931/1932 er­rich­te­tes, sach­lich-ge­die­ge­nes Wohn­haus, das bis heu­te Sitz des Ar­chi­tek­tur­bü­ros Böhm ist. Als Leh­rer wirk­te er an den Köl­ner Werk­schu­len 1926-1934, dann wie­der 1947-1953.

Sei­nen Na­men als Kir­chen­bau­er mach­te sich Böhm mit so ge­nann­ten Not­kir­chen in Of­fen­bach (1914-1920) und Det­tin­gen (1922/1923). Früh fand er, ver­mit­telt durch sei­nen zeit­wei­li­gen Bü­ro­part­ner Mar­tin We­ber (1890-1941), den Zu­gang zur Lit­ur­gi­schen Re­form­be­we­gung. Ei­ne Schlüs­sel­schrift die­ser Jah­re, Jo­han­nes van Ackens (1879-1937) „Chris­to­zen­tri­sche Kir­chen­kunst", ent­hält in ih­rer zwei­ten Auf­la­ge von 1923 zwei Ent­wür­fe für Mess­op­fer­kir­chen von Böhm und We­ber: „Lu­men Chris­ti" und „Cir­cum­stan­tes", die in ih­ren auf den Al­tar zen­trier­ten Grund­ris­sen dem lit­ur­gi­schen Pro­gramm die­ser Be­we­gung ent­spra­chen. „Ein Gott, ei­ne (ei­ni­ge) Ge­mein­de, ein Raum!", kom­men­tier­te Böhm.

In ih­ren For­men bo­ten Bau­ten Böhms aus die­ser Zeit, die Be­ne­dik­ti­ner­ab­tei in der nie­der­län­di­schen Ge­mein­de Vaals bei Aa­chen (1921-1923), die Krie­ger­ge­dächt­nis­kir­che St. Jo­hann Bap­tist in Neu­ulm (1921-1927) oder die dörf­li­che Kir­che St. Apol­li­na­ris im ber­gi­schen Frie­lings­dorf (Ge­mein­de Lind­lar), er­rich­tet 1926-1928, ex­pres­si­ve Über­wäl­ti­gungs­kunst. Es galt, die Gläu­bi­gen in stim­mi­ge Ge­samt­kunst­wer­ke ein­zu­be­zie­hen: „Das gro­ße Er­schau­ern des In­nen­rau­mes wird je­den ver­zü­cken. Es ist das Er­schau­ern vor der Hei­lig­keit des Or­tes, vor der Teil­nah­me am Mys­te­ri­um des hei­li­gen Op­fers, das Zit­tern vor Gott, der be­ben­de Raum" (Böhm). Nicht zu­fäl­lig ver­wen­de­te der Ar­chi­tekt bei sol­chen Be­schrei­bun­gen Vo­ka­beln, die der Le­ser zeit­ge­nös­si­scher theo­lo­gi­scher Li­te­ra­tur aus Ru­dolf Ot­tos (1869-1937) De­fi­ni­ti­on des Hei­li­gen kann­te, dem „mys­te­ri­um tre­men­dum et fa­sci­no­sum", dem „Er­schau­ern" und der „Ver­zü­ckung" ge­stei­ger­ter re­li­giö­ser Er­leb­nis­se.

Dass man Böhm - leicht über­trei­bend - ver­däch­ti­gen konn­te, „der aus­ge­fal­lens­te Ex­pres­sio­nist des Welt­alls zu sein", war ihm be­wusst, scheint ihn aber nicht ge­stört zu ha­ben. Un­dog­ma­tisch wie er war, ak­tua­li­sier­te Böhm zu­nächst ein neu­go­ti­sches For­men­re­per­toire, bei dem vom Bo­den auf­stei­gen­de, spitz­bo­gi­ge Ge­wöl­be mit schar­fen Gra­ten ei­ne Haupt­rol­le spiel­ten. Rea­li­siert wur­den sie mit Hil­fe von Ra­bitz­kon­struk­tio­nen, nicht tra­gen­den Putz­scha­len, die auf Ei­sen­draht­ge­flech­te auf­ge­bracht wur­den. In den Au­ßen­fas­sa­den war kunst­voll ver­leg­ter Zie­gel­stein das Ma­te­ri­al der Wahl.

Schon in den 1920er Jah­ren ging er von die­ser Ex­pres­sio­nis­ten­go­tik zu ei­ner Ar­chi­tek­tur der schwe­ren Mau­ern und mo­nu­men­ta­len Rund­bo­gen­por­ta­le über, bei der Er­in­ne­run­gen von ei­ner frü­hen Ita­li­en­rei­se (1913) und Li­te­ra­tur­ein­flüs­se (Cor­ra­do Ric­ci, „Ro­ma­ni­sche Bau­kunst in Ita­li­en", 1925) durch­schlu­gen. Der klas­si­schen Mo­der­ne kam Böhm mit zwei Bau­ten um 1930 am nächs­ten. Bei St. En­gel­bert in Köln-Riehl (1930-1932), von den Köl­nern „Zi­tro­nen­pres­se" ge­nannt, ver­ei­nigt sich ei­ne Fol­ge an­stei­gen­der Pa­ra­bel­ton­nen zu ei­ner zen­tra­len Kup­pel. Zum seit­lich be­lich­te­ten Cho­r­an­bau steht der Rund­bau, flan­kiert von ei­nem Cam­pa­ni­le, in span­nungs­vol­lem Kon­flikt. Mit der klei­nen, weiß ver­putz­ten Kir­che Stel­la Ma­ris auf Nor­der­ney (1931) bot Böhm den „Som­mer­gäs­ten des Welt­ba­des" auch ei­ne in­ter­na­tio­nal ori­en­tier­te Bauäs­the­tik.

Im "Drit­ten Reich" wa­ren der­ar­ti­ge Aus­flü­ge in die Mo­der­ne fast nur noch im In­dus­trie­bau ge­stat­tet. Böhm, der Mit­glied des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kampf­bun­des für deut­sche Kul­tur ge­we­sen war, ver­lor mit der Um­wid­mung der Köl­ner Werk­schu­len zu ei­ner Hand­wer­ker­schu­le 1934 sei­ne Pro­fes­so­ren­stel­le. Auf­trä­ge ka­men - mit Aus­nah­me der wehr­haf­ten Ba­si­li­ka St. En­gel­bert in Es­sen (1933-1936) - jetzt nicht mehr aus der Diö­ze­se Köln, son­dern aus Bis­tü­mern wie Müns­ter und Os­na­brück. Sei­ne neu­en Kir­chen zeich­nen sich durch ei­nen trut­zi­gen Cha­rak­ter aus. Sie va­ri­ie­ren al­te Mo­ti­ve des Sa­kral­baus wie West­werk, Quer­haus und Ap­si­den, ha­ben un­ter­setz­te Tür­me mit Py­ra­mi­den­dä­chern, zei­gen go­ti­sche Fens­ter­ro­sen, die in Back­stein-Fas­sa­den von eher ro­ma­ni­scher An­mu­tung ein­ge­setzt sind.

Nach dem En­de des Zwei­ten Welt­kriegs fand im fei­nen Köl­ner Vil­len­vier­tel Ma­ri­en­burg St. Ma­ria Kö­ni­gin (1952-1954) mit ih­rer gro­ßen ver­glas­ten Süd­wand und dem an­ge­häng­ten glä­ser­nen Bap­tis­te­ri­um noch ein­mal viel Pu­bli­zi­tät. An die ganz gro­ßen Auf­trä­ge kam Böhm, der 1952 ei­ne Part­ner­schaft mit sei­nem Sohn Gott­fried ein­ging, nicht mehr her­an. Ein ge­wal­ti­ges Ka­the­dral­pro­jekt für San Sal­va­dor (1953), das ei­ne Art Sum­me sei­ner Sa­kral­bau­ten dar­ge­stellt hät­te, ver­wirk­lich­te sich nicht. Vie­le Bau­stel­len wa­ren Re­kon­struk­tio­nen kriegs­be­schä­dig­ter Bau­ten. Neue Pfarr­kir­chen in Dir­min­gen (Kreis Neun­kir­chen), Och­trup oder Köln-Ro­den­kir­chen wir­ken in den Au­ßen­an­sich­ten wie brei­te, ge­duck­te, fast be­hag­li­che Dorf­kir­chen. Sie blei­ben dem „gol­de­nen Mit­tel­weg in der Kunst" ver­pflich­tet, „der ein Pro­dukt ist aus Ver­stand und Ge­müt" (Böhm) - und den der Meis­ter selbst in den 1920er und frü­hen 1930er Jah­ren glück­li­cher­wei­se oft ge­nug ver­las­sen hat.

Do­mi­ni­kus Böhm er­fuhr für sein Werk be­deu­ten­de Eh­run­gen, so et­wa das Ver­dienst­kreuz der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (1950), den Kunst­preis des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len (1954) und den päpst­li­chen Sil­ves­ter­or­den (1952). Er ver­starb am 6.8.1955 in sei­ner Wahl­hei­mat Köln und wur­de dort auf dem Süd­fried­hof bei­ge­setzt.

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Literatur

Brülls, Hol­ger, Neue Do­me. Wie­der­auf­nah­me ro­ma­ni­scher Bau­for­men und an­ti­mo­der­ne Kul­tur­kri­tik im Kir­chen­bau der Wei­ma­rer Re­pu­blik und der NS-Zeit, Ber­lin/Mün­chen 1994.
Hab­bel, Jo­sef (Hg.), Do­mi­ni­kus Böhm. Ein deut­scher Bau­meis­ter, Re­gens­burg 1943.
Hoff, Au­gust/Muck, Her­bert/Tho­ma, Rai­mund, Do­mi­ni­kus Böhm, Mün­chen 1962.
Voigt, Wolf­gang/Flag­ge, In­ge­borg (Hg.), Do­mi­ni­kus Böhm 1880-1955, Tü­bin­gen 2005.
Weis­ner, Ul­rich (Hg.), Böhm. Vä­ter und Söh­ne. Ar­chi­tek­tur­zeich­nun­gen von Do­mi­ni­kus Böhm, Gott­fried Böhm, Ste­phan, Pe­ter und Paul Böhm, Bie­le­feld 1994.

Online

Bautz, Fried­rich Wil­helm, Ar­ti­kel „Böhm, Do­mi­ni­kus", in Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 1 (1990), Sp. 659-660.

 
Zitationshinweis

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Pehnt, Wolfgang, Dominikus Böhm, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/dominikus-boehm-/DE-2086/lido/57c5856dbe47c7.60413626 (abgerufen am 12.12.2024)