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Edmund Erwin Joseph Hubert Maria Freiherr Raitz von Frentz wirkte in Rom als Auslandskorrespondent zahlreicher deutschsprachiger überregionaler Zeitungen des katholischen Spektrums und in einer vatikanischen Ehrenstellung als Päpstlicher Geheimkämmerer zwischen 1924 und 1964 an einer Nahtstelle zwischen Deutschland, Italien und dem Vatikan von der Mussolini-Ära bis in die Jahre des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Raitz von Frentz wurde 1887 als zweiter von drei Söhnen des späteren Generalleutnants Josef Raitz von Frentz (1858–1922) und Johanna Edle von Solemacher zu Namedy (1863–1936) in Bonn geboren. Von mütterlicher Seite her stammte er aus altem kurtrierischen Hof- und Diplomatenadel. Das Geschlecht der Raitz gehörte zu den ältesten und mächtigsten Schöffen- und Rittergeschlechtern der mittelalterlichen Stadt Köln. Mitglieder des Geschlechts haben schon an den Kreuzzügen teilgenommen. Durch den Erwerb der Herrlichkeit Frentz (heute Frens im Rhein-Erft-Kreis) im Jahr 1347 führt das Geschlecht der Raitz bis heute den Beinamen “von Frentz“.
Da der Vater als Offizier des preußischen Heeres mehrfach versetzt wurde, blieb lediglich der Besuch eines humanistischen Gymnasiums die bleibende Konstante im schulischen Ausbildungsweg von Edmund Raitz von Frentz; die Orte, an denen er diese Bildung erfuhr, wechselten hingegen häufig. Er besuchte verschiedene Schulen in Berlin, Bonn und Breslau und schließlich nach alter Tradition drei Jahre die rheinische Ritterakademie in Bedburg, an der er im Jahr 1907 das Abitur ablegte.
Anschließend studierte er Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten von Lausanne, Berlin, Kiel und Münster. Seine Interessenschwerpunkte lagen aber eher bei den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere der deutschen Literatur galt seine große Vorliebe, weshalb er literaturwissenschaftliche Vorlesungen sowie außerdem Vorlesungen in Geschichte, Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte belegte. Nachdem er im Sommer 1912 am Oberlandesgericht in Hamm die erste juristische Prüfung abgelegt hatte, begab er sich abermals nach Breslau, um dort den Doktorgrad der Rechtswissenschaften zu erwerben. Mit einer staatsrechtlich-rechtsgeschichtlichen Arbeit wurde er 1914 promoviert.
Den sich an die Promotion anschließenden juristischen Vorbereitungsdienst musste er im Sommer 1914 wegen des Ersten Weltkriegs unterbrechen. Kurz vor Kriegsausbruch heiratete er die aus wohlhabenden Verhältnissen stammende rheinische Gutsbesitzerstochter Martha Bollig (1892–1978), mit der er 50 Jahre verheiratet war. Eigene Nachkommen blieben dem Paar aber verwehrt.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs vertauschte Raitz von Frentz den erlernten Juristenberuf mit dem Wunschberuf des Journalisten. Die ersten Gehversuche auf diesem Tätigkeitsfeld unternahm er als Volontär bei der “Rheinischen Volkswacht“, einem Kölner Lokalblatt des Zentrums, bei dem er gut ein Jahr verweilte, ehe er im Jahr 1920 als Redakteur zur “Kölnischen Volkszeitung“ wechselte, für die er vier Jahre vor Ort in der Rheinmetropole schrieb.
Als Raitz von Frentz im Frühjahr 1924 nach Rom wechselte, hatte er im Kölner „Görreshaus“ am Neumarkt seine ersten praktischen Erfahrungen machen und wichtige intellektuelle Impulsgeber der damaligen Zeit persönlich erleben können. Politisch wie geistig prägte ihn die Umgebung dieses großen Kölner Zentrumsblattes, das sich nach einigen abenteuerlichen separatistischen Eskapaden ab Mitte der 1920er Jahre zu einem stabilen Pfeiler der fragilen demokratisch-parlamentarischen Weimarer Republik entwickelt hatte. Der politische Kurs des Blattes war eng mit der Zentrumsführung in Berlin verknüpft und wies alle Merkmale des liberaleren und offeneren rheinischen Zentrumsflügels auf, der mit Namen wie Wilhelm Marx oder der Kölner Verlegerfamilie Bachem verbunden war. Jegliche rechtskatholische Bewegungen, wie sie aus katholischen Adelskreisen um Franz von Papen (1879-1969) im Zentrumsmilieu auch auftraten, entsprachen nicht der Ausrichtung des Kölner Blattes, das sich anschickte, mit Edmund Raitz von Frentz an der Spitze im Frühjahr 1924 eine größere römische Auslandskorrespondenz für das Pressewesen des katholischen Deutschlands aufzubauen.
Als Korrespondent eines neu geschaffenen gemeinsamen Blätterringes der wichtigsten der Zentrums- wie der Bayerischen Volkspartei nahestehenden Tageszeitungen (neben dem Kölner Blatt waren das zum Beispiel noch die „Germania“, “Augsburger Postzeitung“ und die “Schlesische Volkszeitung“) hielt er in Rom bis zum Untergang dieser Blätter während der NS-Zeit eine Monopolstellung auf die katholisch orientierte Rom- und Vatikanberichterstattung für Deutschland und die angrenzenden deutschsprachigen Länder, die in diesen Blättern naturgemäß eine herausragende Rolle spielte. Dabei beobachtete er in seiner effektivsten Arbeitsperiode zwischen 1924 und 1933 auch den Italo-Faschismus Benito Mussolinis (1883-1945) und nahm ab 1930 den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung in seinem Heimatland wahr.
Wenige Monate nach dem Wechsel vom Rhein an den Tiber erfolgte auf den Antrag des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schulte (1871-1941) beim Heiligen Stuhl hin Raitz von Frentz’ Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer durch Papst Pius XI. (1857-1939, Pontifikat 1922-1939) – ein Amt, das als gesellschaftliche Auszeichnung katholischen Adligen vorbehalten blieb. Aufgrund dieses Ehrendienstes verfügte Raitz von Frentz in Rom bald über besondere Kenntnisse des vatikanischen Milieus, die seiner Position als römischer Korrespondent nur von Nutzen sein konnten.
Persönlich eng verbunden war er seit den frühen 1920er Jahren Eugenio Pacelli (1876-1958), 1917-1929 Apostolischer Nuntius in Deutschland, den er bereits 1921 kennenlernte und dessen Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie beide Männer ab 1930 in Rom zusammenführte – als Pacelli Kardinalstaatssekretär wurde und schließlich 1939 als Papst Pius XII. (Pontifikat bis 1958) aus dem Konklave hervorging. Raitz von Frentz entwickelte sich im Laufe seiner römischen Jahre zu einem Sprachrohr Pacellis innerhalb des deutschen Katholizismus, wobei er den diplomatisch-ausgeglichenen Stil des intellektuellen Vordenkers der römischen Kurie rasch verinnerlichte. Verständlicherweise hatte Raitz von Frentz die Themenschwerpunkte zu berücksichtigen, die unter dem Schlagwort des “sentire cum ecclesia“ seine Berichterstattung ausmachten. Allen voran galt sein Interesse dem Verhältnis des Mussolini-Regimes zur katholischen Kirche und zum Papsttum. Dass die seit Jahrzehnten offene „Römische Frage“ 1929 mit der Errichtung des Vatikanstaates einer Lösung zugeführt werden konnte, nahm er als ein epochales Ereignis wahr. Fortan war Mussolini für ihn mit einem positiven Nimbus behaftet. Mit seinen bis 1933 beinahe wöchentlichen Leitartikeln zur italienischen Außen-, Innen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik prägte Raitz von Frentz das Italienbild der 20er Jahre im katholischen Deutschland nachhaltig. Dabei konnte er Mussolini höchstes Lob zuerkennen, ohne sein politisches System von seinem autoritären Aufbau her zu bejahen.
Am Kölner Neumarkt hatte sich um die jüngere Generation der Redakteure wie Josef Hofmann (1897-1973) ein Stab gebildet, der ab Herbst 1930 mit tiefgreifenden Analysen dem Nationalsozialismus kritisch begegnete. Gestützt auf diese Hintergrundinformationen aus dem Kölner Görreshaus konnte Raitz von Frentz seine römischen Analysen zu dem aufsteigenden Nationalsozialismus mit seinen fast zehnjährigen Erfahrungen mit dem Staat Mussolinis kombinieren, wobei seine Warnungen erst 1932 einen deutlich mahnenden Charakter annahmen.
Das in der Geschichtsforschung heftig umstrittene Zustandekommen des Reichskonkordats erfährt aus der Sicht des teilnehmenden Beobachters Raitz von Frentz’ in vielerlei Hinsicht zumindest eine hintergründigere Nuancierung. Weder der Vatikan noch insbesondere Pacelli wünschten beziehungsweise verlangten demnach im Jahr 1933 so kurz nach der Machtgewinnung Hitlers das Reichskonkordat in der Form und in der Schnelligkeit des bekannten Verlaufs. Adolf Hitler (1889-1945) hatte sehr wohl ein Interesse an diesem Abschluss – wegen eines sicheren Prestigegewinns für seine Regierung und weil er durch Papen apodiktisch die Forderung der Aufgabe der politischen Mandatsfähigkeit für die Geistlichen (Artikel 32) lancieren ließ.
Die Betätigungsmöglichkeiten für die katholische Presse wurden ab 1933 durch die Propagandamaschinerie Goebbels’ bis zur Unkenntlichkeit dezimiert, woran Pressezensur oder nationalsozialistische Schriftleitergesetze einen ersten maßgeblichen Anteil hatten. Diese Beschränkungen machten die Arbeit für Raitz von Frentz erheblich schwieriger, aber in den ersten Jahren des NS-Regimes in Deutschland noch nicht ganz unmöglich. Seine engen Beziehungen zum päpstlichen Hof ließen ihn bis zum Untergang der “Kölnischen Volkszeitung“, die zuletzt bis 1941 in Essen gedruckt wurde, zu einem diskret im Hintergrund wirkenden journalistischen Diplomaten für die Erhaltung der deutsch-vatikanischen Beziehungen werden, dessen wesentliches Anliegen es war, den Bruch mit dem Deutschen Reich zu vermeiden.
Für Raitz von Frentz, der wie seine gesamte römische Umgebung in den ersten Jahren nach 1933 zu spät erkannt hatte, zu welch verbrecherischen Entartungen das einmal an die Macht gelangte Hitler-Regime fähig war, musste das Kriegsende wie eine Befreiung wirken. Als enger Vertrauter des deutschen Episkopats und Mittelsmann an der Kurie war er den Nationalsozialisten über Jahre verhasst. Seine Stellung am päpstlichen Hofe verhinderte zwar die unmittelbare Bedrohung seines Lebens (1943/1944 während der deutschen Besetzung Roms versteckte er sich im vatikannahen Campo Santo Teutonico), doch konnte ihm mit jahrelangen Transfersperren die berufliche Existenz bis an die Minimalgrenze beschränkt werden. Obwohl er nach 1949 unermüdlich versuchte, sich in das neu entstehende Pressespektrum der Bundesrepublik aktiv einzubringen (etwa bei der “Deutschen Tagespost“ oder dem “Rheinischen Merkur“), scheiterten diese Bemühungen letztlich an den veränderten Arbeitsbedingungen und publizistischen Erfordernissen der Nachkriegszeit und der Journalist geriet mehr und mehr in Vergessenheit.
Seine Bestätigung fand er aber darin, dem „sentire cum ecclesia“ ohne Exponierung seiner eigenen Person möglichst nahe zu kommen. Dies gelang ihm in 40 Berufsjahren an der dafür bedeutendsten Stelle im Brennpunkt der katholischen Welt mit einer persönlichen Nähe zu vier Päpsten, den kurialen Spitzen im Vatikan, den politischen, diplomatischen und journalistischen Zirkeln Roms wie auch mit der entsprechenden Rückbindung an sein politisches und publizistisches Spektrum in seinem Heimatland. Doch die Offenlegung vertraulicher Informationen speziell über die römische Kurie war seine Sache nicht. Nach heutigen Maßstäben nahezu unvorstellbar gehörte Edmund Freiherr Raitz von Frentz zu einer Journalistengeneration, die der ihr gestellten Aufgabe „dienend“ nachging. Von dieser Lebenshaltung zeugt noch über seinen Tod am 2.11.1964 hinaus sein Grab in Rom – unauffällig gelegen auf dem kleinen deutschen Friedhof im Schatten des Petersdomes.
Werke (Auswahl)
Die Sonderrechtsstellung ritterschaftlicher Familien der Rheinprovinz und ihr Verhältnis zu Artikel XIV der deutschen Bundesakte, Bonn 1914.
Zur Lösung der Römischen Frage, in: Abendland. Deutsche Monatshefte für europäische Kultur, Politik und Wirtschaft 4 (1929), Heft 6, S. 165-168. Pius XII. Defensor civitatis, in: Begegnung. Zeitschrift für Kultur und Geistesleben, 2 (1947), Nr. 2, S. 72-75.
Literatur
Burtscheidt, Andreas, Edmund Freiherr Raitz von Frentz. Rom-Korrespondent der deutschsprachigen katholischen Presse 1924–1964, Paderborn u.a. 2008.
Burtscheidt, Andreas, Mehr Bewunderung als Kritik? Mussolini und das faschistische Italien in der Analyse von Robert Michels und Edmund Freiherr Raitz von Frentz, in: Zum Ideologieproblem in der Geschichte. Herbert Hömig zum 65. Geburtstag, hg. von Erik Gieseking [u. a.].Lauf a. d. Pegnitz 2006, S. 405-418.
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Burtscheidt, Andreas, Edmund Raitz von Frentz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/edmund-raitz-von-frentz/DE-2086/lido/57c95b7a4f7c98.00628824 (abgerufen am 12.12.2024)