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Eduard Hartstein war ein aus Sachsen stammender Agronom, Gutsverwalter und Pädagoge, der maßgeblich am Aufstieg der Landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf (heute Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn) zu einem Zentrum agrarwissenschaftlicher Forschung und Lehre beteiligt war.
Eduard Hartstein wurde am 29.7.1823 als Sohn des Gerichtsrats Johann August Hartstein und dessen Ehefrau Auguste Wilhelmine König im sächsischen Pretzsch (heute Stadt Bad Schmiedeberg) geboren. Er war evangelischer Konfession. Seine schulische Ausbildung lag zunächst in den Händen eines Privatlehrers. Ab 1836 besuchte Hartstein das Gymnasium in Wittenberg und wechselte im Herbst 1837 auf die renommierte Königliche Landesschule in Schulpforta. Eine schwere Augenkrankheit zwang ihn im Jahr 1840 jedoch zum vorzeitigen Verlassen der Anstalt. Sein Wunsch, Philosophie zu studieren blieb somit unerfüllt. Dies galt auch für das Ziel des Vaters, ihn zum Juristen ausbilden zu lassen. Stattdessen durchlief er auf Anraten seines Arztes eine mehrjährige landwirtschaftliche Lehrzeit.
Nachdem sich eine Besserung seines Gesundheitszustandes eingestellt hatte, widmete sich Hartstein ab dem Wintersemester 1843/1844 dem Studium der Agrarwissenschaften an der Akademie in Eldena bei Greifswald. Seine Abschlussprüfung legte er im Sommersemester 1845 mit der Note „Vorzüglich“ ab. Im Anschluss trat er als Verwalter der pommerschen Domänen Pulow und Warnekow in den Dienst des Rittergutsbesitzers Ludwig Meyen (1795-1856). Am 19.4.1850 heiratete er dessen Tochter Ernestine Friederike Auguste Meyen (geboren 1826). Unter den gemeinsamen Kindern erlangte vor allem die später in Düsseldorf lebende Schriftstellerin Marie Morsbach-Hartstein (geboren 1861) überregionale Bekanntheit.
Im Herbst 1846 erhielt Hartstein eine Anstellung als Gutsadministrator an der im Aufbau befindlichen Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Poppelsdorf bei Bonn. Mit Beginn des Lehrbetriebes am 17.5.1847 fungierte er an der Seite des Direktors August Gottfried Schweitzer (1788-1854) auch als zweiter Fachlehrer. Trotz umfangreicher amtlicher Verpflichtungen nutzte Hartstein die Nachbarschaft zur Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität auch zur Erweiterung und Vertiefung seiner eigenen naturwissenschaftlichen Kenntnisse. Im März 1850 erlangte er in Jena mit seiner vielbeachteten Schrift „Anleitung zur landwirthschaftlichen Rechnungsführung“ den philosophischen Doktorgrad. Die Begutachtung oblag dem Reformer des agrarwissenschaftlichen Unterrichtswesens Friedrich Gottlob Schulze (1795-1860).
In den Jahren 1851 und 1852 unternahm Hartstein im Auftrag des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zwei Reisen nach England, um die dortigen agrarischen Strukturen und Methoden zu studieren. Die hier gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Grundlage seines dreibändigen Hauptwerkes „Die Fortschritte in der englischen und schottischen Landwirtschaft“, das über den deutschen Sprachraum hinaus große Beachtung erlangte. Im Jahr 1855 wurde er in die renommierte Royal Agricultural Society aufgenommen, eine Ehre, die zuvor nur wenigen deutschsprachigen Agronomen zuteil geworden war. Unter Hartsteins wissenschaftlichen Werken ist darüber hinaus die 1850 publizierte „Statistisch-landwirthschaftliche Topographie des Kreises Bonn“ hervorzuheben. Aufgrund ihrer neue Maßstäbe setzenden Präzision wurde sie vom „Landwirthschaftlichen Centralverein für Rheinpreußen„ als beste Topographie der Rheinprovinz ausgezeichnet.
Binnen weniger Jahre hatte sich Hartstein über den deutschsprachigen Raum hinaus den Ruf eines führenden agrarwissenschaftlichen Universalgelehrten erworben. Das preußische Landwirtschaftsministerium trug dieser Entwicklung mit der Ernennung zum Professor am 20.4.1854 Rechnung. Im Spätsommer des Jahres 1855 folgte er einer Einladung des russischen Großgrundbesitzers Graf Alexei Alexejewitsch Bobrinsky (1800-1868), um diesen in der Anwendung moderner Bewirtschaftungsmethoden zu beraten. Nach Beendigung dieser Tätigkeit wurde er am 1.4.1856 als Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Ferdinand Weyhe (1795-1878) zum Direktor der Poppelsdorfer Lehranstalt ernannt.
Hartstein stand am Beginn seines Direktorats vor der Herausforderung, die in der Kritik stehende Lehranstalt grundlegend neu zu organisieren. Es erwies sich als vorteilhaft, dass er im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein ausgewiesener Verwaltungsfachmann war und sich in den Verhandlungen mit den zuständigen Behörden als äußerst durchsetzungsfähig erwies.
So gelang es ihm, die institutionelle Eigenständigkeit der Lehranstalt gegenüber der Bonner Universität zu stärken und zugleich die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu intensivieren. Mit der Ernennung zur Landwirtschaftlichen Akademie im Jahr 1861 wurde die Lehranstalt unmittelbar dem Landwirtschaftsministerium unterstellt und erlangte damit ihre formelle Unabhängigkeit von der Universität. Um dieser jedoch auch auf akademischem Gebiet auf Augenhöhe gegenübertreten zu können, leitete Hartstein eine umfassende Reform der Lehrpläne in die Wege und setzte beim Ministerium die Genehmigung dreier etatmäßiger Lehrerstellen für die naturwissenschaftlichen Fächer durch. Durch diese strukturellen Reformen konnte das signifikante Leistungsgefälle zwischen Akademie und Universität schrittweise ausgeglichen werden.
Hartsteins Augenmerk richtete sich auch auf eine Verbesserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen. Bereits 1856 wurde unter seiner Leitung eine Landwirtschaftliche Versuchsstation eingerichtet. Der steigenden Bedeutung der Naturwissenschaften und ihrer Nutzbarmachung für die Landwirtschaft konnte durch den Bau eines zweiten Institutsgebäudes Genüge getan werden, das im Wintersemester 1867/1868 eingeweiht wurde. Darüber hinaus wurden die katastrophalen hygienischen Verhältnisse durch die Errichtung einer Zisterne, einer Wasserleitung sowie einer Bedürfnisanstalt zumindest abgemildert.
Trotz der zahlreichen Missstände nahmen die Studentenzahlen in Poppelsdorf seit dem Amtsantritt Hartsteins kontinuierlich zu. Diese Entwicklung war nicht zuletzt seiner persönlichen Ausstrahlung geschuldet, die ihn zum „Magnet und Brennpunkt“ der Akademie werden ließ. Zu seinen Schülern zählten mit Julius Kühn (1825-1910) und Theodor Freiherr von der Goltz zwei herausragende Protagonisten agrarwissenschaftlicher Forschung und Lehre des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Auch der Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) wohnte seinen Vorlesungen als Gasthörer bei. Bereits 1847 hatte Hartstein einen akademisch-landwirtschaftlichen Verein ins Leben gerufen, auf dessen wöchentlichen Versammlungen der fachliche und persönliche Dialog zwischen Studenten und Dozenten gefördert werden sollte. Durch seine Kontakte zum preußischen Landwirtschaftsministerium gelang es Hartstein, die Karrieren zahlreicher Absolventen auch über ihre Studienzeit hinaus zu fördern.
Als Misserfolg erwies sich dagegen der von ihm initiierte Kauf des acht Kilometer von Poppelsdorf entfernt liegenden Gutes Annaberg im Jahr 1860. Auf dem 200 Hektar Nutzfläche umfassenden Areal wollte er seine Studenten in der Bewirtschaftung eines agrarischen Großbetriebes unterweisen lassen. Die hohen Unterhaltungskosten konnten den tatsächlichen Nutzen jedoch zu keinem Zeitpunkt aufwiegen. Hinzu kam, dass die praktische landwirtschaftliche Betätigung innerhalb des agrarwissenschaftlichen Studiums stetig an Bedeutung gegenüber der wissenschaftlich-theoretischen Ausbildung verlor. Im Jahr 1875 wurde das Gut wieder veräußert.
Während der 1860er Jahre konzentrierte sich Hartstein fast ausschließlich auf den Ausbau und die Modernisierung der Akademie. In Anerkennung seiner hierbei erworbenen Verdienste wurde er 1863 in den Rang eines Geheimen Regierungsrats erhoben. In den folgenden Jahren litt er jedoch zunehmend unter starken gesundheitlichen Beschwerden, die von seinen Zeitgenossen als Folgeerscheinungen des rastlosen Wirkens für die Akademie gewertet wurden. Körperlich bereits stark geschwächt, erkrankte Eduard Hartstein im Herbst des Jahres 1869 an Unterleibstyphus. Er erlag der Krankheit am Abend des 14.12.1869 im Alter von nur 46 Jahren.
Werke (Auswahl)
Die Fortschritte in der englischen und schottischen Landwirthschaft, 3 Bände, Bonn 1854-1860.
Die höhere landwirthschaftliche Lehranstalt zu Poppelsdorf bei Bonn, Bonn 1854.
Die landwirthschaftliche Akademie Poppelsdorf. Als Beitrag zur Geschichte und Beurtheilung der landwirthschaftlichen Akademien, Bonn 1864.
Statistisch-landwirthschaftliche Topographie des Kreises Bonn, Bonn 1850.
Ueber Zweck und Einrichtung höherer landwirtschaftlicher Lehranstalten, Bonn 1852.
Literatur
Gerber, Theophil, Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin. Biographisches Lexikon, Band 1, Berlin 2004, S. 269.
Krampitz, Gottfried, 150 Jahre Lehre und Forschung in Poppelsdorf. Festschrift zum Jubiläum am 20./21. Juni 1997, Bonn 1997, S. 42-49.
150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1968. Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Landwirtschaftswissenschaften, Bonn 1971, S. 22-24.
Online
Leisewitz, Carl, Artikel "Hartstein, Eduard", in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 707-712.
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Thomann, Björn, Eduard Hartstein, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/eduard-hartstein/DE-2086/lido/57c8276a367613.33097311 (abgerufen am 10.10.2024)