Engelbert von Berg

Erzbischof von Köln (1185/1186-1225)

Swen Holger Brunsch (Swisttal)

Engelbert von Berg, Kupferstich von Emanuel von Wehrbrun (gestorben 1662), nach 1630. (Historisches Archiv des Erzbistums Köln)

Der Köl­ner Erz­bi­schof En­gel­bert von Berg galt schon bei sei­nen Zeit­ge­nos­sen als her­aus­ra­gen­de und zu­gleich um­strit­te­ne Per­sön­lich­keit. Wäh­rend sei­nes Epis­ko­pats sei die Köl­ner Kir­che an Ruhm, Reich­tum und Macht so über­ra­gend ge­we­sen wie zu­vor nur un­ter Erz­bi­schof Bru­no I., be­haup­tet sein Bio­graph Cae­sa­ri­us von Heis­ter­bach. Doch ver­merkt er auch, En­gel­bert sei hoch­fah­rend und der ir­di­schen Welt er­ge­ben, ein be­deu­tend bes­se­rer Her­zog als Bi­schof ge­we­sen. Nur sein ed­ler Tod (mors pre­tio­sa), sein Mar­ty­ri­um, ha­be die­sen Ma­kel voll­stän­dig auf­ge­wo­gen.

 

Seit An­fang No­vem­ber 1225 lei­te­te Erz­bi­schof En­gel­bert Ver­hand­lun­gen zwi­schen dem Vogt des Stif­tes Es­sen, Graf Fried­rich von Isen­burg, sei­nem Vet­ter zwei­ten Gra­des, und den Stifts­da­men in Soest, die seit lan­gem in Streit la­gen. Die Aus­spra­che muss­te un­ter­bro­chen wer­den, da En­gel­bert ei­ne Kir­che in Schwelm wei­hen woll­te. Auf dem Weg dort­hin wur­de er am 7. No­vem­ber in ei­nem Hohl­weg von Leu­ten sei­nes Vet­ters ge­stellt. Er soll­te ge­fan­gen ge­nom­men wer­den, doch die Ak­ti­on miss­lang. En­gel­bert wur­de mit äu­ßers­ter Bru­ta­li­tät er­mor­det. Dies be­rich­tet nicht nur Cae­sa­ri­us, son­dern ha­ben auch jüngst Un­ter­su­chun­gen an sei­nem Ske­lett be­stä­tigt. Der Streit um die Vog­tei des Stifts Es­sen war nicht der Grund, aber das aus­lö­sen­de Mo­ment für sei­ne Er­mor­dung. Hin­ter der miss­glück­ten Ge­fan­gen­nah­me stan­den vie­le sei­ner ter­ri­to­ri­al­po­li­ti­schen Geg­ner. Die heim­tü­cki­sche Ak­ti­on war eng mit sei­ner Po­li­tik und Bio­gra­phie ver­bun­den.

En­gel­bert wur­de 1185 oder 1186 als Sohn des gleich­na­mi­gen Gra­fen von Berg und sei­ner Ge­mah­lin Mar­ga­re­the von Gel­dern ge­bo­ren. Er war Nef­fe des Köl­ner Erz­bi­schof­s Bru­no III. (Epis­ko­pat 1191-1193) so­wie Vet­ter des Köl­ner Erz­bi­schofs Adolf I. (Epis­ko­pat 1193-1205). Als Nach­ge­bo­re­ner wur­de er früh­zei­tig für die geist­li­che Lauf­bahn be­stimmt und an der Köl­ner Dom­schu­le aus­ge­bil­det. En­gel­bert mach­te rasch Kar­rie­re. Seit An­fang 1198 ist er als Propst des „ber­gi­schen Haus­stifts" St. Ge­org in Köln nach­zu­wei­sen. Er wur­de be­reits 1199 auf Drän­gen Erz­bi­schof Adolfs von der Mehr­heit der Köl­ner Dom­ka­no­ni­ker zum Dom­propst ge­wählt, ob­wohl er nur die nie­de­ren Wei­hen be­saß und das ka­no­nisch vor­ge­schrie­be­ne Al­ter noch nicht er­reicht hat­te. Al­ler­dings er­folg­te die Wahl nicht ein­stim­mig: Dem jun­gen En­gel­bert stell­te die an­ti­ber­gi­sche Par­tei mit Diet­rich von Heim­bach, dem Propst von St. Apos­teln in Köln und spä­te­ren Erz­bi­schof, ei­nen ei­ge­nen Kan­di­da­ten ent­ge­gen.

Vier Jah­re lang strit­ten bei­de Prä­ten­den­ten um das Amt. En­gel­bert reis­te al­lein zwei­mal, 1202 und 1203, in die­ser Sa­che an die Ku­rie nach Rom. Schlie­ß­lich ord­ne­te Papst In­no­zenz III. (Pon­ti­fi­kat 1198-1216) im April 1203 ei­ne Neu­wahl an, die dies­mal an­schei­nend ein­mü­tig auf En­gel­bert fiel. Sei­ne Wahl zum Bi­schof von Müns­ter im glei­chen Jahr lehn­te er an­geb­lich auf­grund sei­ner Ju­gend (ado­lescen­tia) ab. Seit spä­tes­tens 1200 be­geg­net En­gel­bert au­ßer­dem als Propst von Deven­ter, um 1203 als Propst von Zu­t­phen, seit 1210 von St. Se­ve­rin in Köln und spä­tes­tens 1215 auch als Propst von St. Ma­ri­en in Aa­chen. Es hat­te den An­schein, als wür­den ihm Ruhm und Reich­tü­mer mehr nach­ja­gen als er ih­nen, wie Cae­sa­ri­us es for­mu­lier­te.

Im Thron­streit über­nahm er zu­nächst die pro­stau­fi­sche Po­si­ti­on sei­nes Vet­ters Erz­bi­schof Adolf und wur­de 1205 auf Ge­heiß Papst In­no­zenz III. sus­pen­diert, ge­bannt und ab­ge­setzt. Erst als Erz­bi­schof Adolf sich 1208 dem Papst un­ter­warf, wur­de auch En­gel­bert vom Bann ge­löst. Im Ge­gen­satz zu sei­nem Vet­ter konn­te En­gel­bert sei­ne al­ten kirch­li­chen Wür­den weit­ge­hend wie­der­er­lan­gen. 1212 nahm En­gel­bert zu­sam­men mit sei­nem Bru­der Graf Adolf III. von Berg und an­de­ren Gro­ßen am Kreuz­zug ge­gen die Al­bi­gen­ser in Süd­frank­reich teil, zu dem In­no­zenz III. auf­ge­ru­fen hat­te. Nach Wie­der­auf­flam­men des Thron­strei­tes wech­sel­te En­gel­bert 1214 er­neut auf die Sei­te der Stau­fer. Zu die­ser Zeit war der Köl­ner Bi­schofs­stuhl zwi­schen sei­nem Vet­ter Adolf I. und Diet­rich von Heim­bach strit­tig. Nach der end­gül­ti­gen Ab­set­zung bei­der Kon­tra­hen­ten wähl­te das Köl­ner Prio­ren­kol­leg am 29.2.1216 En­gel­bert ein­stim­mig zum Erz­bi­schof. An­dert­halb Jah­re spä­ter, am 24.9.1217, wur­de er durch Erz­bi­schof Diet­rich II. von Trier im Köl­ner Dom ge­weiht. Mehr als zwei Jah­re soll­te es je­doch noch dau­ern, bis ihm der in­zwi­schen am­tie­ren­de Papst Ho­no­ri­us III. (Pon­ti­fi­kat 1216-1227) das Pal­li­um zu­kom­men ließ.

Als Erz­bi­schof ver­such­te En­gel­bert die in Fol­ge des Thron­streits und des Bür­ger­kriegs zer­rüt­te­te Ord­nung im Land zu kon­so­li­die­ren, ins­be­son­de­re die her­zog­li­che Ge­walt des Köl­ner Erz­bi­schofs wie­der durch­zu­set­zen. Den er­neu­er­ten Macht­an­spruch be­ka­men die Städ­te Köln und Soest zu spü­ren, wo er die erz­bi­schöf­li­che Stadt­herr­schaft er­folg­reich wie­der­her­stell­te.

Engelbert von Berg, frühbarocke Liegefigur aus braun geädertem Marmor im Kölner Dom von Heribert Neuss (1640-um 1682), 1665. (Dombauarchiv Köln)

 

In meh­re­ren Feh­den konn­te sich En­gel­bert auch ge­gen Her­zog Wal­ram III. von Lim­burg (1180-1226) und ge­gen des­sen Ver­bün­de­ten Graf Diet­rich VI. von Kle­ve durch­set­zen und 1220 güns­ti­ge Frie­dens­ver­trä­ge ab­schlie­ßen. So wur­den die An­sprü­che der Lim­bur­ger – Wal­rams Sohn Hein­rich IV. war mit Irm­gard, der Erb­toch­ter Adolfs III. von Berg ver­hei­ra­tet – durch ei­ne Jah­res­ren­te ab­ge­fun­den. Nach dem Tod Adolfs III. als Kreuz­fah­rer vor Da­miet­te 1218 über­nahm En­gel­bert stell­ver­tre­tend für sei­ne Nich­te die Aus­übung der Gra­fen­rech­te von Berg. En­de 1220 be­stell­te ihn Kai­ser Fried­rich II. (Re­gie­rungs­zeit 1220-1250) zum Tu­tor sei­nes Soh­nes Hein­rich (VII.) und zum Reichs­ver­we­ser. Seit­dem han­del­te En­gel­bert als Bi­schof, Her­zog und Stell­ver­tre­ter des Kö­nigs und war da­mit ein über­aus be­deu­ten­der und mäch­ti­ger Mann.

Durch be­fes­tig­te Stütz­punk­te und die Schutz­aus­übung über kirch­li­che In­sti­tu­tio­nen so­wie durch Teil­ha­be an Städ­te­grün­dun­gen ver­such­te En­gel­bert sehr er­folg­reich die erz­bi­schöf­li­che Herr­schaft aus­zu­bau­en. Gleich­zei­tig war es sein Ziel, so­wohl der ter­ri­to­ria­len Kon­kur­renz der Lim­bur­ger im Rhein­land als auch Pa­der­borns und der Gra­fen von Arns­berg in West­fa­len und de­ren je­wei­li­gen Ver­bün­de­ten zu be­geg­nen.

Cae­sa­ri­us be­tont, dass En­gel­bert trotz per­sön­li­cher Fröm­mig­keit we­der ei­ne be­son­de­re Ga­be für die Pre­digt noch für den geist­li­chen Le­bens­wan­del be­saß; doch kam er sei­nen bi­schöf­li­chen Pflich­ten im Erz­bis­tum nach. Mehr noch, er för­der­te en­er­gisch die Zis­ter­zi­en­ser und Prä­mons­tra­ten­ser, war of­fen ge­gen­über den neu­en Bet­tel­or­den der Fran­zis­ka­ner und Do­mi­ni­ka­ner in Köln, dem Deut­schen Or­den und den Jo­han­ni­tern und zeig­te Ver­ständ­nis für die re­li­giö­se Frau­en­be­we­gung sei­ner Zeit.

In der Be­völ­ke­rung, vor al­lem beim Adel, stieß die bis­wei­len har­te und rück­sichts­lo­se Durch­set­zung sei­ner Po­li­tik auf er­heb­li­che Vor­be­hal­te. Cae­sa­ri­us gibt be­red­tes Zeug­nis die­ser zeit­ge­nös­si­schen Mei­nun­gen, die auch von ei­ni­gen sei­ner Mit­brü­der ge­teilt wur­den. Ein Hei­li­ger war er in den Au­gen Cae­sa­ri­us’ und vie­ler an­de­rer nur auf­grund sei­nes Mar­ty­ri­ums.

Die Nach­richt von En­gel­berts Er­mor­dung er­schüt­ter­te das gan­ze Land. Um sei­ne Mör­der vor Kai­ser Fried­rich II. an­zu­kla­gen, wur­den En­gel­berts Ge­bei­ne zu­nächst an den kai­ser­li­chen Hof nach Frank­furt ge­bracht, be­vor sie am 27.12.1225 in der Ste­phans­ka­pel­le des al­ten Köl­ner Doms ih­re letz­te Ru­he­stät­te fan­den. Die Köl­ner ver­brann­ten di­rekt nach sei­nem Tod die Sat­zun­gen, die En­gel­bert ih­nen ge­ge­ben hat­te; die Bür­ger von Soest zer­stör­ten den Zwing­turm der erz­bi­schöf­li­chen Pfalz. En­gel­berts Mör­der, Graf Fried­rich von Isen­burg, wur­de ein Jahr nach der Tat ge­fan­gen ge­nom­men und am 13.11.1226 vor dem Köl­ner Se­ve­rinstor au­ßer­halb der Stadt ge­rä­dert. Ob­gleich Cae­sa­ri­us in sei­ner Le­bens­be­schrei­bung En­gel­berts Mar­ty­ri­um pries, kam es nicht zu ei­ner förm­li­chen Ka­no­ni­sa­ti­on. Sein Fest­tag am 7. No­vem­ber wird im Erz­bis­tum Köln erst seit 1618 ge­fei­ert.

Quellen (Auswahl)

Die Re­ges­ten der Erz­bi­schö­fe von Köln im Mit­tel­al­ter, Band 3/1, be­arb. von Ri­chard Knip­ping, Bonn 1909 (Neu­druck Düs­sel­dorf 1985), S. 26-88 .

Literatur (Auswahl)

Bautz, Fried­rich Wil­helm, Ar­ti­kel "En­gel­bert von Berg", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 1 (1990), Sp. 1501-1510.
Gro­ten, Man­fred, Prio­ren­kol­leg und Dom­ka­pi­tel von Köln im Ho­hen Mit­tel­al­ter, Bonn 1980.
Jans­sen, Wil­helm, En­gel­bert I. von Berg (1216-1225), in: Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln, Band 2, Teil 1, Köln 1995, S. 134-145.
Kraus, Tho­mas R., Die Ent­ste­hung der Lan­des­herr­schaft der Gra­fen von Berg bis zum Jah­re 1225, Neu­stadt a.d. Aisch 1981.
Loth­mann, Jo­sef, Erz­bi­schof En­gel­bert I. von Köln (1216-1225), Graf von Berg, Erz­bi­schof und Her­zog, Reichs­ver­we­ser, Köln 1993.

Detail des Reliquienschreins des hl. Engelbert, fertiggestellt 1633, Köln, Domschatzkammer. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Brunsch, Swen Holger, Engelbert von Berg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/engelbert-von-berg/DE-2086/lido/57c6a37a1140f3.07207266 (abgerufen am 10.10.2024)