Zu den Kapiteln
Erich Honecker war von 1971 bis 1976 Erster Sekretär und von 1976-1989 schließlich Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Zugleich war er Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und von 1976 bis 1989 Vorsitzender des Staatsrates der DDR.
Geboren wurde Erich Honecker in Wiebelskirchen (Neunkirchen) am 25.8.1912 als Sohn des Bergmanns Wilhelm Honecker (1881-1969) und dessen Frau Caroline Weidenhof (1883-1969). Sein Vater, zunächst Parteimitglied der SPD, gehörte seit 1919 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an. Eine bürgerliche Schulausbildung erhielt Erich Honecker allein in der Volksschule, die er nach acht Jahren 1926 abschloss. Er durchlief jedoch seit seinem zehnten Lebensjahr eine kommunistische Erziehung, indem er der Kindergruppe des Jungspartakus, später dem Pionierverband in Wiebelskirchen angehörte, ehe er von 1926 an knapp zwei Jahre als Landarbeiter in Pommern und ab 1928 als Dachdecker arbeitete. Während dieser Zeit gehörte er dem Holzarbeiterverband an.
Honecker widmete von seinem 18. Lebensjahr an sein gesamtes Leben der politischen Arbeit. Zunächst durchlief er Stationen des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland (KJVD), wo er politischer Leiter der Ortsgruppe Wiebelskirchen war, die Bezirksschule des Verbandes besuchte und von 1930 an hauptamtlicher Funktionär des KJVD war. 1930 trat er der KPD bei und besuchte einen Lehrgang an der Internationalen Leninschule in Moskau. Dort trug er den Namen „Fritz Malter". Von 1931 an war er in der Bezirksleitung des KJVD im Saargebiet als Agitations- und Propaganda-Sekretär aktiv und gehörte auch dem Sekretariat der Bezirksleitung der KPD an.
Während der Herrschaft der Nationalsozialisten war er illegal tätig. Bis 1934 wirkte er als Instrukteur „Herbert" der Partei im Ruhrgebiet. In Essen kurzzeitig inhaftiert, floh er in die Niederlande. Von dort aus war er für die KJVD-Bezirke in der Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg verantwortlich. Im Herbst 1934 warb er mit seiner Partei vergeblich gegen den Anschluss des Saargebietes an das Deutsche Reich. Die Bedeutung des 22-jährigen für den Jugendverband wird daran deutlich, dass er in das Zentralkomitee (ZK) des KJVD kooptiert wurde. Nach der verlorenen Saargebiets-Abstimmung 1935 floh er nach Paris, wurde dann Instrukteur „Marten Tjaden" in Berlin und während seiner politischen Arbeit im Dezember 1935 verhaftet. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn zu zehn Jahren Zuchthaus, die er ab 1937 überwiegend als Kalfaktor im Zuchthaus Brandenburg, ab 1943 in einer Baukolonne im Frauengefängnis in Berlin verbrachte. Im März 1945 floh er aus dem Gefängnis und versteckte sich bei der Gefängnisaufseherin Lotte Grund (gestorben 1947), bevor er im April in die Arbeitskolonne zurückkehrte.
Unmittelbar nach Kriegsende setzte er sein politisches Engagement fort. Er war Jugendsekretär beim ZK der KPD und erheblich beim Aufbau einer antifaschistischen Jugendorganisation eingebunden, deren Vorsitz er innehatte. Diese Funktion übernahm er auch bei der daraus entstandenen Freien Deutschen Jugend (FDJ), der er bis 1955 vorstand. Die herausgehobene Bedeutung im Jugendverband fand ihre Entsprechung in der SED, dem 1946 erfolgten Zusammenschluss von SPD und KPD, deren Parteivorstand und Zentralkomitee er ab 1946 beziehungsweise 1949 angehörte. Zusätzlich war er von 1950 bis 1958 zunächst Kandidat des Politbüros, später dessen Vollmitglied. Im „parlamentarischen" Raum gehörte er 1948 dem Präsidium des Deutschen Volksrates an, aus dem 1949 die Volkskammer hervorging. Eine erste politische Krise durchlebte Honecker im Juni 1953, als allgemein Einverständnis über seine unzureichenden Qualifikationen herrschte. Erst ein 1955/ 1956 absolvierter Besuch der Parteihochschule des ZK der KPdSU in Moskau sollte dies mildern.
Nach seiner Rückkehr nach Berlin übernahm er die Leitung der im Machtgefüge der DDR bedeutenden „Sicherheitskommission", die wesentlich an der Unterdrückung innerparteilich kritischer Stimmen beteiligt war. Entsprechend wurde er im Februar 1958 als Sekretär des ZK der SED eingesetzt, wo er für Sicherheits- und Kaderfragen sowie die „Leitenden Parteiorgane" verantwortlich war. Mit dieser Machtfülle war Honecker, der von 1960 bis 1971 auch Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates war, nach dem Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht (Amtszeit 1960-1971) der zweitmächtigste Mann in der DDR. Mit seinem Ziehvater kam es jedoch zu Spannungen. Nach einem späten Anflug von Reformwillen, der insbesondere auf die „technische Intelligenz" setzte und damit den Einflussbereich Honeckers beschnitt, ging Honecker zunehmend auf Distanz zu Ulbricht. Mithin untergrub er die Reformpläne und die von Ulbricht angestoßenen deutsch-deutschen Annäherungsversuche. Mit Rückendeckung aus Moskau stürzte er Walter Ulbricht im März 1971 und trat dessen Nachfolge an.
Fortan verfügte Honecker bis zu seinem eigenen Sturz im Oktober 1989 über alle relevanten Machtfunktionen in der DDR: Er war Erster, dann Generalsekretär der SED sowie Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates.
Mit seinem 1971 erfolgten Machtantritt deutete er anfangs eine relative Liberalisierung, überwiegend in Kunst und Kultur, an. Doch entfiel diese spätestens mit der Ausbürgerung des kritischen Barden Wolf Biermann (geboren 1936), einer wieder intensivierten Unterdrückung oppositioneller Gruppen und einem erheblichen Ausbau der innerdeutschen Staatsgrenze sowie des Repressionsapparates. Dies gilt vor allem für das Ministerium für Staatssicherheit, dessen Anzahl an hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern sich während seiner Amtszeit verdoppelte. Das auf ihn zurückgehende ehrgeizige sozialpolitische Programm der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" überforderte die ökonomischen Möglichkeiten, die auch durch eine zunehmende Verstaatlichung nicht in den Griff zu bekommen war.
Schließlich war die DDR auf Milliardenkredite der Bundesrepublik Deutschland angewiesen. Gleichwohl setzte mit dem Grundlagenvertrag eine Welle internationaler Anerkennung der DDR ein, die ihren Höhepunkt für Honecker im Empfang durch den Bundeskanzler Helmut Kohl (Amtszeit 1982-1998) im September 1987 in Bonn und bei einem Staatsbesuch ein Jahr später in Paris erreichte. Allerdings vermochte er sich die Perestroika-Politik des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow (Amtszeit 1985-1991) nicht zu Eigen machen, womit die Anzahl kritischer Stimmen in der Gesellschaft und in der eigenen Partei so sehr zunahm, dass sein Rücktritt von allen Ämtern im Oktober 1989 allseits erwartet wurde.
Kurz nach seiner Demissionierung ermittelte der Generalstaatsanwalt der DDR gegen ihn folgenlos wegen Amtsmissbrauch und Korruption, im Dezember 1989 schloss ihn seine eigene Partei aus. Er trat jedoch der wieder gegründeten KPD bei. Aus der Untersuchungshaft, in der er sich ab Januar 1990 aufhielt, wurde er wegen Haftunfähigkeit entlassen. Er fand Unterkunft in einem Pfarrhaus in Lobetal.
Angesichts seiner bereits im Sommer angegriffenen Gesundheit kam er ins Spital der Sowjetarmee in Beelitz, wo ihn im November 1990 ein Haftbefehl erreichte. Im März 1991 floh er nach Moskau und hielt sich ab Dezember 1991 in der dortigen chilenischen Botschaft auf, kehrte aber im Juli 1992 nach Berlin zurück, wo er bis Januar 1993 in Untersuchungshaft genommen wurde. Das Landgericht Berlin hob angesichts seines Gesundheitszustandes den Haftbefehl auf, womit er ungehindert gemeinsam mit seiner Ehefrau Margot (1927-2016) nach Chile reisen konnte. Dort verstarb er am 27.5.1994.
Erich Honecker war dreimal verheiratet: Seine erste Ehefrau war 1946/1947 die Gefängnisaufseherin Charlotte Schanuel, 1949 heiratete er Edith Baumann und schließlich 1953 Margot Feist. Die beiden Letzteren waren Funktionärinnen in der FDJ, Margot Honecker von 1963 bis 1989 Volksbildungsministerin. Seine 1952 geborene Tochter Sonja stammt von seiner dritten Ehefrau.
Quellen
Aus meinem Leben, Berlin 1980.
Erich Honecker. Skizze seines politischen Lebens, hg. vom Institut für Marxismus-Leninismus, Berlin 1977.
Moabiter Notizen, Berlin 1994.
Reden und Aufsätze, 12 Bände, Berlin 1975–1988.
Literatur
Andert, Reinhold/Herzberg, Wolfgang, Der Sturz: Erich Honecker im Kreuzverhör. Berlin, Wien 1990.
Borkowski, Dieter, Erich Honecker. Statthalter Moskaus oder deutscher Patriot? Eine Biographie, München 1987.
Kaiser, Monika, Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED in Konfliktsituationen 1962–1972, Berlin 1997.
Kunze, Thomas, Staatschef a. D. – Die letzten Jahre des Erich Honecker, Berlin 2001.
Lippmann, Heinz, Honecker. Porträt eines Nachfolgers, Köln 1971.
Pötzl, Norbert F., Erich Honecker. Eine deutsche Biographie, Stuttgart 2002.
Przybylski, Peter, Tatort Politbüro. Die Akte Honecker, Berlin 1991.
Stuhler, Ed (Hg.), Die Honeckers privat, Berlin 2005.
Völklein, Ulrich, Honecker. Eine Biographie, Berlin 2003.
Online
Erich Honecker (Kurzbiographie des rbb-online, inkl. weiterführender Links).
Archivgut der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) (DFG-Projekt des Bundesarchivs).
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Müller-Enbergs, Helmut, Erich Honecker, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/erich-honecker/DE-2086/lido/57c8334c3c01a5.50200302 (abgerufen am 12.12.2024)