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Ernst Friesenhahn war nach dem Zweiten Weltkrieg einer der bedeutendsten Staatsrechtslehrer an der Bonner Universität, zeitweise auch deren Rektor. Seine akademische Karriere war durch seine regimekritische Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus zunächst behindert worden. Nach dem Krieg nahm er zahlreiche Ämter in Wissenschaft, Universität und Politik wahr. Von 1951 bis 1963 war er zugleich Richter des Bundesverfassungsgerichts.
Friesenhahn wurde am 26.12.1901 in Oberhausen in eine katholische rheinische Lehrerfamilie hineingeboren. Nach dem Abitur 1920 studierte er in Bonn zunächst Nationalökonomie, schließlich dort und in Tübingen Rechtswissenschaft. In Bonn wurde er auch 1928 promoviert und konnte sich 1932 für die Fächer Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Steuerrecht und Völkerrecht habilitieren. Friesenhahn war mehrfach (Fakultäts-)Assistent in Bonn. Nach dem glänzend bestandenen Assessorexamen war er für sechs Monate Gerichtsassessor und in dieser Eigenschaft Hilfsrichter am Amtsgericht Bonn.
Seine katholische Grundprägung und seine damit zusammenhängende regimekritische Haltung beeinträchtigten seit Beginn des Jahres 1933 das wissenschaftlich-akademische Fortkommen Friesenhahns. Sein akademischer Lehrer Carl Schmitt bot ihm – die Friktionen seines Schülers mit dem NS-Regime kennend – 1933 die Schriftleitung der gleichgeschalteten „Deutschen Juristen-Zeitung" an. Friesenhahn lehnte ab – eine außerordentlich konsequente Entscheidung, bedeutete sie doch den Verzicht auf ein Ordinariat und den Bruch mit dem Mentor. In der Folgezeit musste er sich mit Lehraufträgen in Bonn und in Köln (für Steuerrecht) sowie an der rheinischen Verwaltungsakademie durchschlagen. 1937 wurden diese Unterrichtsaktivitäten in Bonn in einen dauerhaften und besoldeten Lehrauftrag überführt. 1938 erfolgte die Ernennung zum nicht beamteten außerordentlichen und 1939 zum außerplanmäßigen Professor.
Von Gewissensbissen angesichts der politischen Entwicklung geplagt, stellte Friesenhahn den Antrag auf Zulassung als Anwalt. Nach Schwierigkeiten wurde diese schließlich gewährt, so dass er seit 1939 als Anwalt, seit 1942 als Partner einer renommierten Steuerrechtskanzlei in Köln tätig sein konnte. Ein Ruf nach Königsberg 1940 zerschlug sich wegen seiner aus Sicht des Regimes politischen Unzuverlässigkeit.
1945 gehörte Friesenhahn zu den herausragenden unbelasteten Juristen. Folgerichtig beschleunigte sich nun seine verzögerte Karriere: Seit dem 1.4.1946 erhielt er nach Ablehnung eines Rufes an die Universität zu Köln ein öffentlich-rechtliches Ordinariat an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn, deren Dekan er in den Folgejahren mehrfach war. 1950 wurde er zum Prorektor, 1951 zum Rektor der Universität Bonn gewählt (1951 bis 1953 erneut Prorektor). Ebenfalls 1951 zog er als einer von 24 Richtern in den Zweiten Senat des seine Arbeit aufnehmenden Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ein. Seine Richterzeit endete nach der Wiederwahl von 1956 im Jahr 1961. Seit 1950 Mitglied der Ständigen Deputation war Friesenhahn von 1962 bis 1967 Präsident des Deutschen Juristentages. Friesenhahn wurde 1969/1970 emeritiert. 1951 erhielt er das Ehrendoktorat der Universität von Maryland (USA), 1960 dasjenige der Universität Basel. Ernst Friesenhahn starb am 5.8.1984 in Bonn. Friesenhahns Dissertation aus dem Jahr 1928 „Der politische Eid" wurde unter der Betreuung von Carl Schmitt angefertigt, der ihn für das öffentliche Recht begeisterte. Die Habilitationsschrift zu „Grundfragen der Staatsgerichtsbarkeit" unter der Betreuung von Richard Thoma von 1932 war insgesamt wohl unvollendet und wurde nie vollständig veröffentlicht (ein Auszug fand Eingang in das von Gerhard Anschütz (1867-1948) und Thoma herausgegebene Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1932). Die Verfassungsgerichtsbarkeit in Theorie und Praxis blieb sein zentrales fachliches Lebensthema. Der Umfang des weiteren Schrifttums ist eher begrenzt; Friesenhahn publizierte neben staats- und verwaltungsrechtlichen Aufsätzen auch Arbeiten zum Steuerrecht und zum Staatskirchenrecht. Methodisch sind seine Arbeiten – eher Thoma als Schmitt folgend – dem staatsrechtlichen Positivismus zuzuordnen.
Schriften
Der politische Eid, Bonn 1928.
Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1963.
Juristen an der Universität Bonn, Bonn 1970.
Friesenhahn, Ernst/ Scheuner, Ulrich (Hg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bände, Berlin 1974-1975.
Literatur
Bülow, Birgit von, Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit (1945-1952), Berlin 1996.
Frowein, Jochen Abr., Ernst Friesenhahn 1901-1984, in: Archiv des öffentlichen Rechts 110 (1985), S. 99-102.
Knütel, Rolf / Salzwedel, Jürgen, In memoriam Ernst Friesenhahn, Bonn 1985.
Scheuner, Ulrich, Rede zur Feier der Erneuerung des Doktordiploms für Professor Dr. Dr. h.c. Ernst Friesenhahn durch die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 24. Mai 1978, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Feier zum fünfzigjährigen Doktor-Jubiläum von Professor Dr. Dr. h.c. Ernst Friesenhahn am 24. Mai 1978 im Festsaal der Universität, Bonn o.J. (1978).
Stolte, Stefan, Ernst Friesenhahn. Wissen und Gewissen machen den Juristen, in: Schmoeckel, Mathias (Hg.), Die Juristen der Universität Bonn im „Dritten Reich", Köln 2004, S. 185-231.
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Waldhoff, Christian, Ernst Friesenhahn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-friesenhahn/DE-2086/lido/57c6c07a2c68b3.04131812 (abgerufen am 10.12.2024)